Perry Rhodan 2256: Bahnhof im Weltraum - Thomas Ziegler - E-Book

Perry Rhodan 2256: Bahnhof im Weltraum E-Book

Thomas Ziegler

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Beschreibung

Auf dem Weg nach Magellan - der Tod geht um in MORGENROT-5 Die Erhöhung des Hyperphysikalischen Widerstands hat alle galaktischen Zivilisationen bis ins Mark getroffen. Doch binnen eines Jahres sind bereits Tendenzen zu erkennen, wie Terraner, Arkoniden und andere Sternenvölker mit der neuen Situation fertig werden: Die Rückbesinnung auf vorgeblich veraltete Technologien und die Erforschung neuer Möglichkeiten sind dabei die beiden beschrittenen Wege. Viel mehr Sorgen bereitet es mittlerweile, dass über sieben Millionen Jahre alte Anlagen ausfallen, die dazu dienten, mehrere Sternhaufen aus dem Standarduniversum zu "entrücken". Nun greift das, was dort lauerte, wieder nach der Milchstraße. Während die Terraner im Sternhaufen Jamondi zumindest noch Verbündete wie Gegner gleichermaßen trafen, stellt es sich mit dem Imperium Orbhon in der Großen Magellanschen Wolke schon anders dar. Ein erstes terranisches Fernraumschiff ist auf dem Weg, um mehr über den mächtigen Gon-Orbhon herauszufinden. Es kommt zu einer unheilvollen Begegnung - der Ort ist ein BAHNHOF IM WELTRAUM...

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Nr. 2256

Bahnhof im Weltraum

Auf dem Weg nach Magellan – der Tod geht um in MORGENROT-5

Thomas Ziegler

Die Erhöhung des Hyperphysikalischen Widerstands hat alle galaktischen Zivilisationen bis ins Mark getroffen. Doch binnen eines Jahres sind bereits Tendenzen zu erkennen, wie Terraner, Arkoniden und andere Sternenvölker mit der neuen Situation fertig werden: Die Rückbesinnung auf vorgeblich veraltete Technologien und die Erforschung neuer Möglichkeiten sind dabei die beiden beschrittenen Wege.

Viel mehr Sorgen bereitet es mittlerweile, dass über sieben Millionen Jahre alte Anlagen ausfallen, die dazu dienten, mehrere Sternhaufen aus dem Standarduniversum zu »entrücken«. Nun greift das, was dort lauerte, wieder nach der Milchstraße. Während die Terraner im Sternhaufen Jamondi zumindest noch Verbündete wie Gegner gleichermaßen trafen, stellt es sich mit dem Imperium Orbhon in der Großen Magellanschen Wolke schon anders dar.

Ein erstes terranisches Fernraumschiff ist auf dem Weg, um mehr über den mächtigen Gon-Orbhon herauszufinden. Es kommt zu einer unheilvollen Begegnung – der Ort ist ein BAHNHOF IM WELTRAUM ...

Die Hauptpersonen des Romans

Cilia Perish – Eine Wartungstechnikerin sucht an Bord eines Weltraumbahnhofs ihren Geliebten.

Nigel Nesson – Cilias Supervisor erwartet Überstunden der besonderen Art.

Kantiran – Der so genannte Sternenbastard stellt sich zwischen Magellan und der Milchstraße einem Alptraum.

Grafer Gelber Jamamith

1.

Der Hunger weckte ihn schließlich, die unermessliche Gier.

Er lag in der Sicherheit seines Verstecks, in wohltuender Dunkelheit, die ihn wie eine warme, flauschige Decke umhüllte, und spürte in sich das neue Leben wachsen, die Brut langsam heranreifen. Sie pochte und pulsierte, durchglühte ihn von Kopf bis Fuß, Fleisch von seinem Fleisch, das sich von ihm nährte, so, wie er sich von den Anderen nähren musste, die hier hausten, in der Mitte des Nichts, in der düsteren Leere zwischen den Galaxien, an dem Ort, den sie Weltraumbahnhof nannten.

Der Hunger schnitt wie ein Messer durch seinen Leib.

Er schlug die Augen auf, erschöpft und müde trotz des langen und tiefen Schlafes, und sah um sich herum, in den Schatten der Nacht, die Knochen der Anderen, die zuvor schon seinen Hunger gestillt hatten. Und er war dem Schicksal dankbar, dass es ihn hierher verschlagen hatte, zu den Anderen, die sich selbst als Menschen bezeichneten und so arglos waren, töricht in ihrer Gutmütigkeit und fügsam unter der Knute seines Willens.

Ein Seufzer durchlief seinen mächtigen, aufgeblähten Leib.

Der Hunger war stärker als je zuvor und verriet ihm, dass bald die Stunde schlagen würde, in der seine Brut schlüpfte, der große Moment, in dem er seine Bestimmung erfüllte und im Tode unsterblich wurde. Aber noch war es nicht so weit, noch musste er sich verbergen, an diesem stillen, abgeschiedenen Ort, in den tröstenden Armen der Dunkelheit.

Während er dalag und schnaufend atmete, dehnte er seinen Geist und durchmaß mit den Gedanken die Finsternis des Leerraums, in dem die Bewusstseine der Anderen wie Sterne leuchteten, durch die winzigen Lebensfunken der Relais miteinander und mit ihm verbunden. Er war der Herr, sie waren die Sklaven. Dies war das Gesetz der Natur, das seit Ewigkeiten galt. Aber noch standen nicht alle der Anderen unter seiner Kontrolle, noch musste er vorsichtig sein, um sich und die Brut zu schützen, das werdende Leben in ihm zu bewahren.

Trotz des Hungers, der in ihm wühlte, der Gier, die ihn zur Maßlosigkeit verleiten wollte, musste er sich beherrschen.

Er betrachtete die Bewusstseine der Anderen, hörte das Raunen ihrer Gedanken und spürte die Flammen ihrer Gefühle, fremd und unverständlich, abstoßend in ihrer Intensität und Tiefe. Hoffnung, Liebe und Verdruss, Neid und Zorn, Hass und Schmerz, Reue und Verlangen, ein Panoptikum widerstreitender Emotionen, ein Cocktail aus übermächtigen Hormonen, von denen die Anderen in jeder Sekunde ihres erbärmlichen Lebens beherrscht wurden.

Voller Abscheu schreckte er zurück.

Im Vergleich zu den Anderen waren seine Gefühle kalt und klar wie Eiskristalle, kein aufgewühltes Meer, sondern eine spiegelglatte See, durchsichtig bis zum Grund. Die Anderen waren wie Tiere, trotz ihrer intellektuellen Triumphe und ihrer wunderbaren Wissenschaft und Technik, die ihnen den Vorstoß in den intergalaktischen Leerraum ermöglicht hatten. Er dagegen war reiner Geist, scharf und facettenreich wie geschliffener Diamant, nur in den Zeiten des Brütens und Gebärens von Emotionen erfüllt, die ihn sanft steuerten, aber nie kontrollierten.

Allein der Hunger forderte seinen Tribut, die heiße Gier, das urtümliche Verlangen nach Sättigung.

Er stöhnte auf, während sein Geist weiterwanderte, auf der Suche nach einem der Anderen, der seinen Hunger stillen und die Brut in ihm nähren konnte. Schließlich fand er einen unweit von seinem Versteck, allein durch die Korridore wandernd, ziellos und ohne Sinn, von unsichtbaren Ketten gefesselt, die von den Relais geschmiedet worden waren, ohne dass die Anderen in ihrer Einfalt etwas davon ahnten.

Sie waren wie Vieh, zum Schlachten bestimmt.

Seine Beißzangen klapperten in hungriger Erwartung, als er seinen Geist nach dem einsamen Wanderer ausstreckte und ihn lautlos zu sich rief. Gehorsam folgte der Andere seinem Ruf, und er schauderte voller Gier. Ungeduldig verharrte er in seinem Versteck, strich mit den Klauenhänden über seinen aufgeblähten Leib, in dem die Brut heranwuchs, und Geifer tropfte aus seinem Maul.

Der Hunger war jetzt übermächtig, nahezu unerträglich.

Einen Moment fürchtete er, dass der Andere aus seinem Dämmerzustand erwacht war, in den die Relais ihn versetzt hatten, dass er dem Ruf widerstand und nicht zu ihm kommen würde. Aber schon hörte er Schritte nahen, schon spürte er die Präsenz des Anderen deutlicher als zuvor, eine Sonne in der Finsternis, ein Leuchtfeuer in der Leere.

Komm her, lockte er ihn. Komm her zu mir. Hab keine Angst ...

Dann sah er seine Silhouette in der Dunkelheit, ein Humanoider mit zwei Beinen, zwei Armen und einem ovalen Kopf mit absurd kleinen Augen, stummelartiger Nase und rotlippigem Mund. Der Andere war hässlich wie alle seiner Art, ein Monstrum, von einer blinden Natur gezeugt, das Produkt einer pervertierten Evolution. Er trug einen grauen Overall, der sein Fleisch verhüllte, und sein Fleisch war köstlich trotz seiner abstoßenden Hässlichkeit.

Der Brüter stöhnte wieder, im Würgegriff des Hungers gefangen, eine Marionette der Gier, an deren Fäden er nun zappelte, als wäre er ein hormongesteuertes Tier wie die Anderen und keine wahre Intelligenz.

Komm her, lockte er wieder lautlos mit der Stimme seines Geistes. Fürchte dich nicht. Ich habe etwas Wunderschönes für dich ...

Der Andere blieb stehen. Irgendetwas schien ihn zu schrecken, zu warnen, trotz der Kontrolle, die die Relais über ihn ausübten, trotz des suggestiven Lockrufs, der seine Willenskraft lähmte. Es war, als wüsste er, was ihn erwartete, als ahnte er die schreckliche Wahrheit.

Vielleicht war es ein Instinkt.

Vielleicht lag es an den weißen, abgenagten Knochen, die sich ringsum hell in der Dunkelheit abzeichneten.

Vielleicht war es der massige, geblähte Leib des Brüters selbst, der ihm Furcht einflößte.

Komm zu mir, rief er dem Anderen zu und intensivierte die Kraft seines Gedankenimpulses, um dem Zaudern ein Ende zu machen. Ich bin die Antwort deiner Träume, ich bin die Erfüllung deiner Wünsche, ich bin die Vollkommenheit, nach der du dich sehnst. Ich bin alles, wonach du je gestrebt hast. Also zögere nicht, sondern komm her zu mir ...

Der Andere machte einen unsicheren Schritt. Sein Gesicht war leer und ausdruckslos, doch in seinen Augen flackerte eine Qual, die der Brüter bereits bei seinen Vorgängern gesehen hatte, ein Schmerz, der der Ahnung des nahenden Endes entsprang. Ein weiterer Schritt folgte und noch einer.

Die Beißzangen des Brüters waren nass vom klebrigen Geifer. Sie mahlten und klapperten in kaum zu bezähmender Gier, stählern hart und scharf wie Rasierklingen. Sein Maul klaffte auf, finster und abgrundtief wie der Weltraum. Sein aufgequollener Leib erbebte.

Der Andere war jetzt nur noch wenige Meter von ihm entfernt. Er konnte sein aromatisches Fleisch riechen, die verführerische Süße seines Blutes, vom Angstschweiß pikant gewürzt. Ein Gurgeln drang aus dem Mund des Anderen, und er hob in einer sinnlosen abwehrenden Geste die Hand, als könnte er so die Nemesis vertreiben, die vor ihm in der Dunkelheit lauerte und sich hungrig nach ihm verzehrte.

Komm zu mir ... Komm her, komm her ...!

Mit steifen Bewegungen trat der Andere einen weiteren Schritt näher, wie eine Puppe, von unsichtbarer Hand gelenkt, obwohl sich alles in ihm davor fürchtete und seine Angst mit jedem Moment wuchs, sich ins Unermessliche steigerte. An seiner Stirn war eine bläuliche Ader hervorgetreten und pochte in schneller Folge, im Rhythmus seines rasenden Herzens.

An seinem Overall prangte ein Namensschild. Hätte der Brüter lesen können, hätte er die Buchstaben erkannt: Kortez Melander.

Der Brüter hatte keine Augen für das Schild, kein Gefühl für die Individualität seines Opfers, kein Gespür für seine Angst. Er hatte sich ganz dem Hunger ergeben, der fiebrigen, unstillbaren Gier. Um zu leben und Leben zu schenken, musste er Leben nehmen. So war es immer gewesen, und so würde es immer sein. Dies war der unveränderliche Zyklus des Daseins, und in ihm war kein Platz für Mitgefühl oder Bedauern.

Der Andere gurgelte erneut. Seine Augen waren jetzt weit aufgerissen, Schweiß perlte in seine Brauen. Sein Gesicht war weiß wie die Knochen, die unter seinen Schuhen knackten und knirschten.

Fürchte dich nicht, lockte der Brüter wieder. Ich habe ein Geschenk für dich, das Wertvollste, was ich zu vergeben habe, und es wird allein dir gehören ...

Der Andere machte einen weiteren Schritt. Er war jetzt so nah, dass der Brüter ihn fast berühren konnte, und der köstliche Duft, der von ihm ausging, ließ den Geifer weiter strömen. Die rasiermesserscharfen Beißzangen klappten weit auf, das hungrige Maul klaffte.

Die Lippen des Anderen bebten und entblößten hässliche kleine Zähne. Wieder drang ein Gurgeln aus seinem Mund, gefolgt von einem Wort:

»Nein ...!«

Aber obwohl er sich mit jeder Faser seines Körpers dagegen wehrte, obwohl sich alles in ihm sträubte, bewegte er die Beine und machte den entscheidenden letzten Schritt.

Die Klauenhände des Brüters packten ihn und ließen ihn nicht mehr los. Der Andere strampelte in dem eisernen Griff, das Gesicht in Todesangst verzerrt, in plötzlichem Begreifen, das viel zu spät kam, um ihm noch helfen zu können, und ein letztes Wort entrang sich seiner Kehle.

»Bitte ...!«

Die scharfen Beißzangen des Brüters legten sich um den Hals des Anderen. Einen Moment lang zögerte er und gab sich dem Aroma des warmen Fleisches hin, dem Duft des Blutes, dem betörenden Geruch des würzigen Schweißes. Er schwelgte in der Vorfreude auf die Mahlzeit, die seinen Hunger vertreiben und der Brut neue Kräfte geben würde, und dann, klirrend wie Fallbeile, schnappten die Beißzangen zu und trennten den Kopf vom Rumpf.

Das Opfer zuckte noch ein paar Sekunden, um dann im Griff des Brüters zu erschlaffen. Und er, der so lange hungrig gewartet hatte, mästete sich gierig an seinem Fleisch.

Aber er würde noch mehr fressen müssen, bis er die Brut gebar.

2.

Irgendetwas hatte sich in den letzten Tagen verändert. Cilia Perish spürte es deutlich, obwohl sie nicht wusste, was es war. Es war nur ein Gefühl, mehr nicht, aber im Lauf der Jahre hatte sie gelernt, auf ihre Gefühle zu vertrauen.

Und ihre Gefühle sagten: Irgendetwas stimmt nicht, irgendetwas ist ganz und gar nicht in Ordnung.

Möglicherweise lag es an der ungewohnten Spannung im Weltraumbahnhof MORGENROT-5, an der Art, wie die Besatzung miteinander umging. Wo es vorher Kameraderie gegeben hatte, schien nun Distanziertheit zu herrschen, als wären sie einander fremd und kein eingespieltes Team. In der Kantine, in der es früher zu jeder Tages- und Nachtzeit lärmend zugegangen war, war jetzt ungewohnte Stille eingekehrt.

Die Unterhaltungen wurden auf das Notwendigste beschränkt, die Grüße kamen knapp und routiniert aus verkniffenen Mündern. Der übliche Klatsch und Tratsch war Schweigen gewichen, die Fröhlichkeit unerklärlichem Ernst.

Natürlich konnte es auch Einbildung sein.

Die überreizten Nerven spielten ihr einen Streich.

Oder es lag an der schlichten Tatsache, dass sie nach einer langen, gefährlichen Reise ihr Ziel erreicht hatten, einen imaginären Punkt im intergalaktischen Leerraum zwischen der Milchstraße und der Großen Magellanschen Wolke. Womöglich forderte nur die Anspannung der letzten Tage und Wochen ihren Tribut – und die Unsicherheit, was die Zukunft bringen würde.

Aber es gab noch eine andere Möglichkeit für ihr Unbehagen, und diese hieß Kortez Melander.

Cilia presste unwillkürlich die Lippen zusammen, wie um den unerwünschten Gedanken zu vertreiben, und konzentrierte sich auf die Steuerung ihrer Wartungskapsel. Das eiförmige, mit Robotarmen und hoch empfindlichen Diagnosesensoren ausgerüstete Vehikel schwebte langsam an der Außenhülle des scheibenförmigen PONTON-Tenders entlang und suchte die rötlich blaue Ynkonit-Panzerung nach Anzeichen für Materialermüdung ab.

Der aus drei Tendern und zwei LFT-BOXEN bestehende Bahnhof hatte bei seinem Flug durch den Leerraum zwischen den Galaxien eine Hypersturmzone passiert. Massive Raumbeben hatten die Schutzschirme überlastet und in allen Tendern Schäden angerichtet.

Nicht einmal die superharte Ynkonit-Panzerung war stabil genug gewesen, den Gravitationsfronten zu widerstehen. Cilia hatte bereits ein halbes Dutzend Schwachstellen und Risse entdeckt und an die zentrale Wartungspositronik weitergemeldet, und dabei hatte ihre Schicht gerade erst begonnen.

Sie blickte an der Wölbung der Außenhülle vorbei zu der gigantischen, würfelförmigen, 3000 Meter messenden LFT-BOX, die am Tender Nummer 2 angekoppelt war, ein Konglomerat aus Triebwerksmodulen, bestimmt für die RICHARD BURTON, die in wenigen Tagen erwartet wurde. Hinter dem kantigen Würfelkoloss leuchtete die Scheibe der Milchstraße, Zehntausende von Lichtjahren entfernt, eine Insel aus Helligkeit inmitten der endlosen Finsternis des Weltraums. Auf der gegenüberliegenden Seite konnte sie sehr klein die faserige Struktur der Großen Magellanschen Wolke erkennen, umgeben von den Lichtpunkten anderer Galaxien in kosmischer Ferne.

Sie dachte wieder an Kortez Melander.

Verlieb dich nie in einen Raumfahrer, hatte ihre Mutter sie immer gewarnt. Sie brechen dir nur das Herz, mein Kind.

Aber natürlich hatte sie nicht auf ihre Mutter gehört. Schließlich war sie selbst Raumfahrerin, zwischen den Sternen zu Hause. Doch jetzt wünschte sie, der Weisheit ihrer Mutter mehr vertraut zu haben.

Ein Knacken im Interkom riss sie aus ihren Gedanken. »Wie sieht's aus, Cilia?«, drang Nessons Stimme aus dem Lautsprecher. Der Supervisor der Wartungsgruppe Gamma klang mürrisch, als wäre er mit sich und der Welt unzufrieden und würde die Schuld für seine Misere bei ihr suchen. »Irgendetwas Neues?«

»Jede Menge Mikrorisse«, erwiderte sie. »Zum Glück nur oberflächlich. Sie stellen keine Gefahr dar. Aber an einigen Stellen reicht die Materialermüdung tiefer. Die Hüllenplatten müssen ausgewechselt werden. Der Rechner wurde bereits informiert, und die Montageroboter sind ...«

»Gut, gut«, unterbrach Nesson ungeduldig. »Solange keine Lecks entstanden sind, bin ich zufrieden. Sobald deine Schicht zu Ende ist, melde dich bei mir. Wir haben etwas zu besprechen.«

»Verstanden.«

Mit einem Knacken endete die Verbindung. Cilia versuchte sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren, aber erneut musste sie an Kortez denken, an seine zärtlichen Worte in der Nacht, die Liebesschwüre, die aus seinem Mund so überzeugend geklungen hatten.

Sie schnaubte verächtlich.

Zweifellos hatte er sie nur verführen wollen. Sex, das war alles, was er von ihr gewollt hatte. Warum hatte er sich sonst seit jener Nacht nicht mehr bei ihr gemeldet, warum ließ er ihre Nachrichten unbeantwortet, die sie ihm auf der Voicebox seines Interkomanschlusses hinterlassen hatte?

Sie fühlte sich benutzt und gedemütigt.

Verbittert arbeitete sie weiter, schwebte an der Hüllenpanzerung entlang und behielt das Holodisplay mit den Messwerten der Diagnosesensoren im Auge. Sie entdeckte weitere Mikrorisse im Ynkonit und machte eine entsprechende Meldung an den Wartungscomputer. Er würde die Daten auswerten und entscheiden, ob die Panzerplatten ausgewechselt werden mussten.

Sie fragte sich, was Kortez jetzt machte.

Genoss er seine Eroberung? Prahlte er bei seinen Kollegen von der Wissenschaftsabteilung im Tender 3 mit seinem erotischen Abenteuer? Vielleicht erzählte er in diesem Moment, wie er sie verführt hatte, mit kleinen schmutzigen Einzelheiten ...

Hör auf damit!, rief sie sich verärgert zurecht. Er ist es nicht wert, dass du dich so quälst. Männer wie ihn gibt es wie Sterne im Weltraum. Du wirst einen anderen finden, einen, der weiß, was er an dir hat ...

Aber die traurige Wahrheit war, dass sie keinen anderen Mann wollte. Kortez hatte etwas in ihr berührt, und sie konnte ihn nicht vergessen, sosehr sie es auch wollte.

Um sich abzulenken, blickte sie nach draußen in die kosmische Nacht, zu den Spiralarmen der Milchstraße, die wie verstreute Juwelen in der Finsternis funkelten.

Irgendwo dort draußen war die RICHARD BURTON, und mit jeder Linearetappe kam sie näher. Wenn alles planmäßig lief, würde sie in zwei Tagen den Weltraumbahnhof erreichen. Dann begann die eigentliche Arbeit der MORGENROT-Crew, der Austausch der verbrauchten Triebwerksmodule vom Typ Hawk I, die Generalüberholung sämtlicher Bordsysteme auf Hyperbasis.

Der Weltraumbahnhof würde sich in einen summenden Bienenstock verwandeln, von hektischer Betriebsamkeit erfüllt.

All das setzte natürlich voraus, dass der Flug der RICHARD BURTON störungsfrei verlief, und dies war in diesen Zeiten nicht garantiert. Mit der Veränderung der Hyperimpedanz und dem Versagen der modernen Technik war die Raumfahrt wieder zu einem gefährlichen Abenteuer geworden. Hyperstürme und Raumbeben mit ihren zerstörerischen Schwerkraftwellen machten jede Reise zwischen den Sternen zu einem riskanten Unterfangen.