Perry Rhodan 2416: Mythos Scherbenstadt - Christian Montillon - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2416: Mythos Scherbenstadt E-Book und Hörbuch

Christian Montillon

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Beschreibung

An Bord des Hantelschiffs - eine besondere Revolution beginnt Im Frühjahr 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Menschheit vor der größten Bedrohung ihrer Geschichte. Die Terminale Kolonne TRAITOR hat die Milchstraße besetzt und alle bewohnten Planeten unter ihre Kontrolle gebracht. Die gigantische Raumflotte steht im Dienst der sogenannten Chaotarchen. Deren Ziel ist, die Ressourcen der Milchstraße auszubeuten, um die Existenz der Negasphäre in Hangay abzusichern: einem Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden. Perry Rhodan ist mit dem Spezialraumschiff JULES VERNE über 20 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit der Milchstraße gereist, die damals Phariske-Erigon hieß, um die Menschheit in der Gegenwart zu retten. Atlan begibt sich indessen auf eine gefährliche Fahrt nach Hangay, an den Brennpunkt des Geschehens. Schon seit fast zwei Jahrzehnten befindet sich indessen das Expeditionsraumschiff SOL mit dem Unsterblichen Ronald Tekener in dieser riesigen Galaxis. Durch den Hyperimpedanz-Schock 1331 NGZ zunächst gebremst, hat es dennoch einen gewaltigen Vorsprung vor Atlans Geschwader. Und so bleibt genügend Zeit für den MYTHOS SCHERBENSTADT...

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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Zeit:3 Std. 47 min

Veröffentlichungsjahr: 2014

Sprecher:Renier Baaken

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Nr. 2416

Mythos Scherbenstadt

An Bord des Hantelschiffs – eine besondere Revolution beginnt

Christian Montillon

Im Frühjahr 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Menschheit vor der größten Bedrohung ihrer Geschichte. Die Terminale Kolonne TRAITOR hat die Milchstraße besetzt und alle bewohnten Planeten unter ihre Kontrolle gebracht.

Die gigantische Raumflotte steht im Dienst der sogenannten Chaotarchen. Deren Ziel ist, die Ressourcen der Milchstraße auszubeuten, um die Existenz der Negasphäre in Hangay abzusichern: einem Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden.

Perry Rhodan ist mit dem Spezialraumschiff JULES VERNE über 20 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit der Milchstraße gereist, die damals Phariske-Erigon hieß, um die Menschheit in der Gegenwart zu retten. Atlan begibt sich indessen auf eine gefährliche Fahrt nach Hangay, an den Brennpunkt des Geschehens.

Schon seit fast zwei Jahrzehnten befindet sich indessen das Expeditionsraumschiff SOL mit dem Unsterblichen Ronald Tekener in dieser riesigen Galaxis. Durch den Hyperimpedanz-Schock 1331 NGZ zunächst gebremst, hat es dennoch einen gewaltigen Vorsprung vor Atlans Geschwader. Und so bleibt genügend Zeit für den MYTHOS SCHERBENSTADT …

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan – Der Arkonide erfährt vom Schicksal der SOL.

Dao Lin-H’ay – Die Kartanin trifft die Entscheidung, eigene Wege zu gehen.

Trim Marath – Der Kosmo-Spürer hat eine Vorahnung von Tod und Verderben.

Siri Solabas – Ein Mom’Serimer entdeckt die Freuden und Verpflichtungen der Geschlechtlichkeit.

Zeran Tronale –

Geburt der Revolution:

Die Erschaffung der SOL

Es ist lange her, seit die Welt erbaut wurde. Die Welt, die SOL. Die SOL ist riesig. Viel größer sogar als die Scherbenstadt.

Versteht ihr, Kinder?

Die Welt ist wunderbar, auch wenn wir erst seit wenigen Generationen in ihr leben. Dennoch möchte ich nirgends anders sein.

Ihr etwa?

Ha, ihr bringt mich zum Lachen mit euren fragenden Gesichtern. So ist es richtig, immer schön staunen. So ging es mir bis vor Kurzem ebenfalls. Schließlich bin ich nicht viel älter als ihr, vor Kurzem selbst kaum mehr als ein Kind.

Aber ich will zur Sache kommen, denn Zeit ist kostbar und wenig vorhanden, wenn wir unsere an der jener anderen messen, die die Welt mit uns teilen.

Wie? Was? … Ja, genau, du hast recht, die Welt ist die SOL. Gut aufgepasst.

Aber selbst den Langlebigen bleibt zu wenig Zeit für das, was sie sich alles vornehmen. Vielleicht sollten sie nicht so viel vorhaben, dann wäre ihre Zeit auch ausreichend. Aber so, wie es ist, könnte man sagen, in der SOL habe niemand mehr Zeit als wir, die wir doch am wenigsten Lebenszeit mitbringen.

Ihr seid inzwischen alt genug, dass ihr bald die Scherbenstadt verlassen dürft, und dann werden sich euch einige Fragen stellen. Die behütete Zeit ist für euch dann vorüber.

Ich bin nicht zu euch gekommen, um diese Fragen im Voraus zu beantworten. Das wäre zu einfach für euch und zugleich zu schwierig für mich. Findet selbst einige Antworten. So, wie ich die eine oder andere Antwort gefunden habe. Anderes ist mir immer noch ein Rätsel und wird es wohl bleiben.

Unser Treffen dient einem ganz anderen Zweck, ihr lieben Kinder. Wir lernen gemeinsam etwas über den Mythos von der Erschaffung der Welt. Ich hatte schon damit angefangen, davon zu erzählen, aber ich habe den Faden verloren. Das ist mein Problem, ich kann mich oft nur schlecht konzentrieren. Vor allem nicht, wenn ich aufgeregt bin, so wie jetzt gerade.

Also: Vor langer Zeit wurde die Welt erbaut, von den Terranern, wie sie sich nennen, unseren Freunden und Beschützern. Es ist komisch mit der Zeit – unser Volk war eigentlich schon Millionen Jahre tot, als die SOL gebaut wurde, und doch wurde sie gebaut, und wir gelangten an Bord, Jahrhunderte nachdem sie ihren Jungfernflug überstanden hatte.

Wie? Was? … Das versteht ihr nicht? Ja, so ist das mit der Zeit, merkt es euch gut. Wer immer behauptet, ihren Lauf zu verstehen, lügt. Hört einfach bis zum Ende zu. Vielleicht versteht ihr dann. Oder irgendwann.

Dies ist die Zeit der SOL: Gebaut von den Terranern und Instrument einer Zeit, in der kosmische Mächte mit dem Schicksal dieser Langlebigen spielten, wurde die SOL den SOL-Geborenen, den Solanern, übergeben und brach aufzu Rettungsmissionen im Namen der Menschlichkeit.

Menschlichkeit, das wissen wir, ist eine große Gnade, ein Geschenk – und eine Gefahr, wenn sie ausgenutzt wird. Genau das tat Shabazza, und er erkor sich die SOL zu seinem Raumschiff und brachte die Solaner … fort. So lange, bis Perry Rhodan sich die SOL zurückholte, um erneut in das Spiel der Hohen Mächte einzugreifen, wieder im Namen der Menschlichkeit.

Ihr kennt die Lügen von THOREGON, das weiß ich, denn dort wurde diese Menschlichkeit aufs Übelste ausgenutzt, für viele, viele Zeiten. Nachdem Perry Rhodan das Kommando über die SOL an den unsterblichen Weißen übergeben hatte, der sich Atlan nannte, reiste sie durch den PULS der Galaxis DaGlausch durch Zeiten und Räume – und erschien in der NACHT von Segafrendo. Viele Millionen Jahre in ihrer Vergangenheit.

Dort traf die SOL auf uns. Die NACHT von Segafrendo war unsere Heimat, aber sie drohte zu erlöschen. ESTARTU, unsere Herrin, musste gegen die böse Superintelligenz K’UHGAR kämpfen.

Damals wurde unsere Welt neu erschaffen: Ehe wir kamen, war die Welt nur ein Raumschiff, das gebaut war, ein Ding ohne eigene Bedeutung und eigenen Wert. Indem wir die SOL betraten, erschufen wir die Welt, gaben ihr Leben und hauchten ihr Bedeutung ein. Plötzlich bekam alles einen Sinn.

All die Jahrhunderte der Vorbereitung, die Ewigkeiten der kosmischen Entwicklung gipfelten darin, dass wir Mom’Serimer die Welt erschufen.

Wir kamen, Kinder, und wir sahen, dass es gut war. Dennoch sind wir nur Gast in dieser Welt. Wir haben hier nichts zu bestimmen. Aber ich will euch etwas sagen:

Das … soll … sich … ändern.

1.

Atlan

Die Gerettete

»Für mich ist sie so etwas wie ein Mythos.« Dr. Indica, Wissenschaftlerin zur besonderen Verwendung an Bord der RICHARD BURTON, lächelte mich an. »Auch wenn es dir vielleicht albern vorkommt, Atlan. Immerhin kennst du sie seit einer Ewigkeit. Für dich ist sie eine reale, völlig normale Person.«

»Eine Ewigkeit würde ich es nicht gerade nennen.« Ich musterte Dr. Indica.

Sie saß auf einem schwarzen Kontursessel, der in Lederoptik gefertigt war, mit diesem auf Terra beliebten Material allerdings nichts gemein hatte. Die Beine hielt sie übereinandergeschlagen, den Oberkörper lässig zurückgelehnt. Sie strahlte Ruhe und Selbstsicherheit aus.

Wie fast immer trug sie einen eng anliegenden schwarzen Dress, der mit metallisch silbern glitzernden Applikationen verziert war. Und ebenfalls wie fast immer faszinierte mich ihre gesamte Erscheinung, vom schwarzen Haar, das mit weißen Strähnen durchzogen war, bis zu den verschiedenfarbenen Augen: das eine fast schwarz, das andere arkonidisch rot.

Dr. Indica war meine Musterung nicht unangenehm. »Wir haben naturgemäß völlig unterschiedliche Auffassungen von dem, was eine Ewigkeit ausmacht, zumindest wenn man mit dem Wort etwas locker umgeht. Fünf Jahrhunderte zum Beispiel sind für mich ein Zeitrahmen, der zwei oder mehr Generationen umfasst, für dich allerdings …«

»… auch nicht gerade eine Zeitspanne, die ich mit einem Mittagsschläfchen vergleichen würde.« Ich wandte den Blick von meiner Begleiterin und sah mich im Warteraum vor der Medostation um.

Ein Innenarchitekt hatte sichtlich bemüht versucht, eine heimelige Atmosphäre zu schaffen. Meiner Ansicht nach war ihm das allerdings gründlich misslungen.

Die weichen Pastellfarben der Wände und die Holografien von Landschaften unter dem sanften Doppellicht zweier Sonnen wirkten ebenso kitschig wie die überaus biederen Tonharmonien, die akustisch den Raum erfüllten und genau so laut waren, dass man sie ständig hörte, sich aber unmöglich von ihnen belästigt fühlen konnte.

So zynisch?, meldete sich der Extrasinn gewohnt bissig.

Mir ist nun mal nicht nach Harmonie zumute, während ich mich frage, wieso Dao-Lin-H’ay in der Medostation mit dem Tod ringt und wieso die SOL zu einem Raumschiff der Terminalen Kolonne geworden ist.

Das sind allerdings bittere Nachrichten, gab der Logiksektor unumwunden zu. Weder die Umgebung dieses Warteraums noch deine Flirterei mit Dr. Indica werden an diesen beiden Tatsachen allerdings das Geringste ändern.

»Es lässt sich nicht ändern«, sagte Indica gleichzeitig, als könnte sie den Worten des Logiksektors ebenso lauschen wie ich. In Wirklichkeit hatte sie das stumme Zwiegespräch natürlich nicht verfolgen können, sondern reagierte auf meine letzte Bemerkung.

»Du bist ein Unsterblicher, der auf eine geradezu gigantische Lebensspanne zurückblickt, wenn man sie mit der meinen vergleicht. Und Dao-Lin-H’ay ist ebenfalls Aktivatorträgerin. Im Gegensatz zu dir kenne ich sie nicht persönlich. Ich weiß nur wenig von ihr, was über ihre historischen Taten und ein paar dürre Personaldaten hinausreicht und sie für mich zu einer lebendigen Gestalt macht. Im Kreis von euch Unsterblichen ist sie trotz ihrer Liaison mit Ronald Tekener stets fremd geblieben, exotisch: Genau wie der Elefant Icho Tolot und die Maus Gucky ist sie die Katze Dao-Lin. So hat es jedenfalls mal ein Boulevardjournalist formuliert.«

Ich grinste. »Sag das niemals laut, wenn der Elefant, die Maus oder die Katze in der Nähe sind. Sonst wirst du totgetrampelt, angenagt und zerkratzt.«

»Ich könnte auch den arroganten, zynischen Arkonidenprinzen nehmen, der bei seinem eigenen Volk in Ungnade fiel und sich auf der Erde aufspielt, als habe er das Elixier der Weisheit getrunken. Und der uns eines Tages wahrscheinlich alle an Bostich verkaufen wird, um wieder in Ehren bei den Arkoniden aufgenommen zu werden.«

»Wen?« Ich tat gekränkt. »So siehst du mich also?«

Dr. Indica schenkte mir einen Blick, der keine Zweifel offenließ. »Selbstverständlich nicht. Aber du siehst, worauf ich hinauswollte? Ihr alle seid für die meisten Menschen längst Märchenfiguren und Mythengestalten geworden, ob es dir gefällt oder nicht. Projektionsflächen für Ängste, Hoffnungen und manchmal auch derbe Witze.«

Ich räusperte mich, da mir eine Handvoll dieser Witze direkt präsent war. »Um auf die ›Katze‹ zurückzukommen … Dao-Lin ist eine Kartanin und hat daher durchaus feline Aspekte, wenn auch das Humanoide dominiert.«

Dr. Indica spielte an der metallischen Strebe, die quer über den schwarzen Stoff lief und ihre rechte Schulter bedeckte. Das eine oder andere Mal hatte ich inzwischen miterlebt, dass diese Applikationen ihr nicht nur eine exotische und überaus verspielte Wirkung verliehen, sondern dass sich dahinter so manche nützliche technische Spielerei verbarg. Gewissermaßen ein modischer Werkzeugkoffer.

»Das weiß ich doch. Ich würde sie gerne näher kennenlernen. Sie verstehen. Und erfahren, was aus ihrem Lieb …, aus Ronald Tekener geworden ist.«

Ich nickte. »Selbstverständlich.«

Wir hatten Dao-Lin-H’ay aus anderthalb Jahren Gefangenschaft und Folter gerettet, als wir im Segarenis-Sternhaufen in Hangay eine Proto-Chaotische Zelle erforschten. Bislang hatte sie uns nichts über das sagen können, was sie in den letzten sechzehn Jahren erlebt hatte.

Auch das Schicksal der SOL blieb bislang ungeklärt. Das legendäre Raumschiff war noch vor dem Hyperimpedanz-Schock aufgebrochen, um die Zustände in Hangay zu erforschen – und hatte nicht mehr zurückkehren können.

Viele Namen gingen mir durch den Kopf – Dao-Lin-H’ay und Ronald Tekener … Fee Kellind, die Kommandantin der SOL … Benjameen da Jacinta und Tess Qumisha, der weiße Haluter Blo Rakane, Tangens der Falke …

Was mochte ihnen widerfahren sein? Waren sie überhaupt noch am Leben? War die SOL von der Terminalen Kolonne TRAITOR übernommen worden? Und wenn ja, musste das nicht gleichbedeutend mit dem Tod der Besatzung sein? War Dao-Lin-H’ay die einzige Überlebende?

Dutzende Fragen stiegen in mir auf, und kaum eine weckte angenehme Assoziationen.

Vielleicht kannte die Kartanin die Antworten, die wir dringend benötigten. Doch sie konnte sie uns nicht geben, weil sie im Heilkoma lag, unter ständiger Überwachung der Medorobots. Außerdem kümmerte sich die Morann-Wanderpflanze Amanaat-Marmeen um sie, einer unserer besten Mediker.

»Fangen wir mit einer zentralen Frage an: Wieso war Dao-Lin-H’ay nicht an Bord der SOL?«

Wer soll dir diese Frage beantworten? Dr. Indica vielleicht? Spar dir den Atem,wenn es nichts nützt, bemerkte mein Logiksektor beißend.

Ich ignorierte es. »Und wieso ist die SOL übergelaufen?«

Indica neigte sich vor, stützte die Ellenbogen auf die Knie und das Kinn in die offenen Handflächen. Sie sah mich von unten mit weit geöffneten Augen an. »Gerade das Letzte kannst du nicht wissen.«

»Das Bildmaterial legt es aber nahe! Die SOL hat sich unter TRAITORS Einheiten mit absoluter Selbstverständlichkeit bewegt.«

Dieses Schiff in der Hand des Gegners zu wissen beunruhigte mich. Ich hätte nicht vermutet, dass mich diese Tatsache derart mitnahm. Sonst verlor ich nicht so leicht die Ruhe. Wahrscheinlich hatte ich selbst zu viel Zeit damit verbracht, mit der SOL das Universum zu erforschen und Abenteuer zu erleben. Auch wenn ich nur einen lächerlich kleinen Teil ihres »Lebens« geteilt hatte.

Ich merkte, wie mir unwillkürlich die Augen vor Erregung tränten. Wie oft hatte ich die SOL schon verloren geglaubt. Und dann … wie sie wieder erstanden war nach den Jahrhunderten als Orakel von Krandhor, wie sie durch Shabazza umgerüstet in ihrer goldenen Carit-Hülle aufgetaucht war … dramatische, starke Erlebnisse …

Ich ließ mich in den Sessel fallen, der direkt neben Indicas stand. Wie zufällig berührte meine Hand dabei ihre. Weder Indica noch ich zogen sie zurück. Ein leichtes Kribbeln ging von der Stelle der Berührung aus.

Etwas Tröstliches lag darin, etwas, das mir innere Ruhe verlieh, die ich dringend nötig hatte. Zwar gab es für mich als Expeditionsleiter des Hangay-Geschwaders momentan keine besonderen Aufgaben, aber zu viele Fragen quälten mich.

Die RICHARD BURTON samt den drei LFT-BOXEN ATHOS, PORTHOS und ARAMIS reisten im Linearraum in Richtung Kosichi, dem Stützpunkt der Noquaa-Kansahariyya Hangay, des »Neuen Bundes der Zweiundzwanzig von Hangay«, der womöglich einzige Widerstand in dieser Galaxis gegen die Herrschaft der Terminalen Kolonne. Dort warteten die übrigen Einheiten des Hangay-Geschwaders auf unsere Rückkehr.

Im Linearraum befanden wir uns in Sicherheit; deshalb hatte ich darauf gehofft, die Zeit nutzen und ungestört mit Dao-Lin-H’ay sprechen zu können.

Doch Amanaat-Marmeen, die zuständige Medikerin, hatte uns vertröstet. Es dauere mindestens eine Stunde, bis die Patientin aus dem Heilkoma geweckt werden könne.

Ein Blick auf das Armbandchronometer ergab, dass von dieser Stunde bereits neunundfünfzig Minuten vergangen waren.

Zeit genug, die ich untätig verbracht hatte.

Ich stand auf.

Dr. Indica warf einen Blick auf ihre nun wieder einsame Hand – beiläufig und wie nebenbei, aber mir entging er nicht. »Was hast du vor?«

»Ich gehe rein. Die Wanderpflanzen-Medikerin wird Dao-Lin-H’ay wecken, und wenn ich es ihr befehlen muss.«

»Du kannst einer Medikerin nichts befehlen.«

»So?«, fragte ich. »Kann ich das nicht?«

*

Nein, kannst du nicht, sendete Amanaat-Marmeen telepathisch, ehe wir in die Medostation eintraten. Die Wanderpflanze kommunizierte entweder telepathisch oder mithilfe von Duftwolken, die von einem Analysegerät aufgenommen und in verständliche Sprache verwandelt wurden. Herkömmliche akustische Sprache stand ihr nicht zur Verfügung.

Unverdrossen drückte ich trotz ihrer spitzen Bemerkung auf den Auslöser, der das Schott zur Seite zischen ließ.

An den bizarren Anblick der Medikerin hatte ich mich inzwischen gewöhnt. Ich war bereits einige Male auf die Morannii getroffen. Der knollenförmige Körper samt dem großblättrigen Kopfsegment maß über zwei Meter. Amanaat-Marmeens medizinische Fähigkeiten brauchten sich hinter denen eines Aras nicht zu verstecken, auch wenn sie auf den ersten Blick wie eine etwas zu groß geratene Zierpflanze wirkte.

Rote Dornen saßen auf dem grünen Leib und signalisierten, dass es nicht klug war, sich ihr zu nähern – die Wirklichkeit sah ganz anders aus. Wer sich in ihre Obhut begab, hatte die besten Aussichten auf Heilung. Die Dornen waren wohl ein evolutionäres Überbleibsel aus der Frühzeit ihres Volkes.

»Ich kann was nicht?«, fragte ich beiläufig.

Mir etwas befehlen.

»Du hast gelauscht?« Ich legte einen vorwurfsvollen Unterton in die Worte. Es konnte nichts schaden, der Wanderpflanze ein schlechtes Gewissen zu suggerieren. Ihr Volk legte besonderen Wert auf höflichen Umgang – vielleicht fühlte sie sich mir auf diese Weise verpflichtet.

Doch da täuschte ich mich gewaltig.

Ich weiß, was du vorhast, Atlan. Vergiss es. Wer hier unhöflich ist, bist du, denn du zweifelst meinen Umgang mit der Patientin Dao-Lin-H’ay an. Das kratzt an meiner Ehre, und es gefällt mir gar nicht.

Ihr Kopfsegment neigte sich. Aus der Fangklappe löste sich ein Wassertropfen, der direkt vor meinen Füßen auf den Boden platschte. Morannii-Wanderpflanzen ernährten sich teilweise durch Aufnahme von Fleisch über die Fangklappe – war das, was ich soeben beobachtet hatte, also eine Art Speichelabsonderung gewesen?

Eine gänzlich unpassende Analogie, belehrte mich der Extrasinn, und es verwirrte mich, gleich mit zwei Gesprächspartnern telepathisch zu kommunizieren. Entschuldige dich lieber, alter Narr, und stimme sie dadurch mild! Höflichkeit ist bei ihrem Volk die größte aller Tugenden, und sie der Unfähigkeit zu bezichtigen wird sie möglicherweise so verärgern, dass sie gänzlich unkooperativ wird.

»Entschuldige«, sagte ich. »Ich stelle deine Fähigkeiten als Medikerin ganz und gar nicht infrage. Verzeih mir, wenn ich einen anderen Eindruck erweckt habe.«

Amanaat-Marmeens Körper durchlief ein Beben; einige dickfleischige Blätter raschelten. Da wir beide am Wohl der Patientin interessiert sind, lass uns nicht weiter unsere Zeit verschwenden. Die Patientin des Hauses H’ay wird in Kürze erwachen.

»Wie geht es ihr?«

Sie ist schwach, aber ich werde sie völlig wiederherstellen können. Zumal ihr Zellaktivator meine Bemühungen massiv unterstützt. Ohne ihn wäre sie wohl an Entkräftung gestorben. Ihre Heilung macht gute Fortschritte.

Dr. Indica beugte sich über die Kartanin, die reglos auf ihrer Krankenliege ruhte.