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Die Purpur-Teufe wird aktiv - sie löst den asynchronen Impuls aus Auf der Erde schreibt man das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Menschen haben Teile der Milchstraße besiedelt, Tausende Welten zählen zur Liga Freier Terraner. Man treibt Handel mit anderen Völkern der Milchstraße, es herrscht weitestgehend Frieden zwischen den Sternen. Doch wirklich frei sind die Menschen nicht. Die Galaxis steht unter der Herrschaft des Atopischen Tribunals. Seine Gesandten behaupten, nur sie könnten den Frieden in der Milchstraße sichern. Wollen Perry Rhodan und seine Gefährten gegen diese Macht vorgehen, müssen sie herausfinden, woher die Richter kommen. Ihr Ursprung liegt in den Jenzeitigen Landen, in einer Region des Universums, über die bislang niemand etwas weiß. Auf dem Weg dorthin kommt es zu einem Unfall, der Perry Rhodan in die Vergangenheit der Milchstraße verschlägt, mehr als 20 Millionen Jahre vor seiner Geburt. In dieser Zeit tobt ein verzweifelter Abwehrkampf gegen die kriegerischen Tiuphoren. Um die Völker der Galaxis vor den Tiuphoren zu schützen, setzt man sogenannte Purpur-Teufen ein - es kommt zur FLUCHT EINER WELT ...
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Veröffentlichungsjahr: 2015
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Nr. 2818
Flucht einer Welt
Die Purpur-Teufe wird aktiv – sie löst den asynchronen Impuls aus
Christian Montillon
Auf der Erde schreibt man das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Menschen haben Teile der Milchstraße besiedelt, Tausende Welten zählen zur Liga Freier Terraner. Man treibt Handel mit anderen Völkern der Milchstraße, es herrscht weitestgehend Frieden zwischen den Sternen.
Doch wirklich frei sind die Menschen nicht. Die Galaxis steht unter der Herrschaft des Atopischen Tribunals. Seine Gesandten behaupten, nur sie könnten den Frieden in der Milchstraße sichern.
Wollen Perry Rhodan und seine Gefährten gegen diese Macht vorgehen, müssen sie herausfinden, woher die Richter kommen. Ihr Ursprung liegt in den Jenzeitigen Landen, in einer Region des Universums, über die bislang niemand etwas weiß.
Auf dem Weg dorthin kommt es zu einem Unfall, der Perry Rhodan in die Vergangenheit der Milchstraße verschlägt, mehr als 20 Millionen Jahre vor seiner Geburt. In dieser Zeit tobt ein verzweifelter Abwehrkampf gegen die kriegerischen Tiuphoren. Um die Völker der Galaxis vor den Tiuphoren zu schützen, setzt man sogenannte Purpur-Teufen ein – es kommt zur FLUCHT EINER WELT ...
Perry Rhodan – Der Terraner hält sich in der entschwundenen Heimat auf.
Poxvorr Karrok – Der Tiuphore lässt sich beim besten Willen nicht aufhalten.
Kamona Hai – Der Herreach lässt sich ebenfalls nicht aufhalten.
Musas-Arron – Der Lare lässt sich erst recht nicht aufhalten.
Gucky
An Bord der BJO BREISKOLL:
Gedankenschleier
»Es rauscht.« Guckys Gesicht war verkniffen. Er starrte auf die kalten Augen im rötlichen Antlitz des gefangenen Tiuphoren. »Verstehst du, Perry? Ich ... ich weiß, dass seine Gedanken da sind. Ich könnte sie hören, wenn nicht direkt davor ein Wasserfall von einem Felsen stürzen würde.«
Perry Rhodan legte dem Mausbiber die Hand in den Nacken und strich mit unbewussten Bewegungen durch das leicht struppige Fell.
Sie standen im Vorraum der winzigen Arrestzellen an Bord der BJO BREISKOLL. Was sie soeben erlebten, spielte sich genau genommen vor über zwanzig Millionen Jahren ab. In dieser tiefen Vergangenheit versuchten sie, ihren Gefangenen zu verstehen – und damit dessen Volk besser zu begreifen.
Die Tiuphoren überzogen die Milchstraße in dieser Vergangenheit mit einem schrecklichen Krieg, und der nächste Angriff stand kurz bevor ... eine Attacke auf das Solsystem, das in dieser Zeit den Namen Mitraiasystem trug. Das änderte nichts daran, dass es die Heimat war. Eine Heimat, so fern in der Zeit, dass es fast nicht mehr wahr sein durfte.
Und doch genau dieser Moment.
Jetzt kam die Katastrophe über Terra – oder über Kerout, wie der Planet in der tiefen Vergangenheit noch hieß, weil darauf intelligente Lebewesen wohnten, die sich selbst als Kerouten bezeichneten. Dieses Volk hatte sich vor den Menschen auf der Erde entwickelt und war in Rhodans eigentlicher Gegenwart restlos verschwunden.
Erloschen.
Ausgerottet.
Rhodan fühlte Entsetzen, wenn er nur daran dachte. Die Tiuphoren galten als so überlegen, dass eine Verteidigung von vornherein hoffnungslos war. Dennoch musste es weitergehen. Und das bedeutete, Rhodan und Gucky mussten mehr über ihren Gefangenen erfahren. Sie hatten ihn eher beiläufig überwältigt, als ...
»Beim Unbegrenzten Imperium!«, rief der Tiuphore plötzlich. Er stand auf, hob die Hand und streckte sie dem isolierenden Energievorhang entgegen.
»Zurück!«, befahl Rhodan.
Der andere lachte. Der Helm seines Schutzanzugs war geöffnet. »Sonst was? Tötest du mich? Nur zu. Ich bin Poxvorr Karrok, und ich fürchte den Tod nicht. Das Catiuphat wird mich mit allen Ehren empfangen!« Er schlug die Faust gegen den Energieschirm – scheinbar im Nichts stoppte die Bewegung abrupt. Konzentrische Schlieren huschten über die Kraftfeldoberfläche.
»Du kannst die energetische Trennwand nicht durchdringen«, sagte Rhodan.
Der gefangene Tiuphore lachte erneut.
Eine kugelförmige Roboteinheit schwebte durch den Vorraum der Arrestzellen. Zwei Tentakelarme hingen wie desaktiviert an den Seiten hinab; die Maschine benötigte sie im Augenblick nicht. Das würde sich bald ändern.
Im Unterschied zu Poxvorr Karrok passierte der Roboter den Energievorhang problemlos. Für ihn schaltete Grim Sternhell, der Sicherheitschef der BJO BREISKOLL, in diesem Moment von einem Überwachungsraum aus eine exakt passende Strukturschleuse.
In der Zelle ging die Maschine unverzüglich an die Arbeit. »Leg deinen Kampfanzug ab«, forderte sie mit mechanisch-emotionsloser Stimme.
»Meine Brünne ist ein Teil meiner ...«, setzte der Gefangene an.
»Leg deinen Kampfanzug ab«, wiederholte der Roboter ungerührt, einen Tick lauter als zuvor. »Sofort.«
»Oder was?«
Die Maschine gab keine Antwort. Rhodan und Gucky reagierten ebenso wenig. Sie schauten zu, wie der Roboter in Aktion trat. Er packte den Tiuphoren und schälte ihm den Kampfanzug – die Brünne – vom Leib, ohne dass dieser sich wehrte. Darunter trug Poxvorr dünne, schwarze Kleidung, die im kahlen, kalten Licht der Zelle glänzte.
»Eine erniedrigende Prozedur«, flüsterte Gucky.
Rhodan schwieg. Der Anblick bereitete ihm keine Freude. Er hatte sich selbst schon – häufiger als ihm lieb war – in der Lage seines Gefangenen befunden. Dennoch wären Mitleid oder Rücksichtnahme die falsche Reaktion auf den Terror gewesen, mit dem die Tiuphoren die Galaxis überzogen.
Der Roboter schwebte aus der Zelle. Es flirrte, als er die Strukturschleuse passierte und die Brünne in ein abriegelndes Kraftfeld hüllte. Die Brünne hing wie ein schlaffer Sack in den Tentakelarmen, und für einen Augenblick hatte Rhodan das verwirrende Gefühl, der Kampfanzug würde sich bewegen, sich winden wie eine Schlange.
»Reden wir weiter«, forderte der Terraner. »Du bist unser Gefangener. Wir benötigen Informationen, und du wirst sie uns geben.« Er sprach mit einer Selbstverständlichkeit, als wollte er das Gewünschte notfalls mit Gewalt aus Poxvorr Karrok pressen.
Wäre es umgekehrt, dachte Rhodan, hätten die Tiuphoren garantiert keine Hemmungen, Folter anzuwenden. Doch darin unterschieden sich ihre Völker, und so würde es immer bleiben. So musste es bleiben.
Die kleine Hand des Mausbibers krallte sich in Rhodans Unterarm. Perry Rhodan stockte, schaute zu Gucky hinab.
Guckys Augen waren geweitet, er grinste. »Na sieh mal einer an! Poxvorr Karrok, unser Gefangener, redet vom Jenseits, das er Catiuphat nennt. Aber er will nicht unbedingt dorthin. Viel lieber willst du nach Hause, richtig? Zurück in dein Schiff! Zu deinem ... Banner. Du sehnst dich danach, es zu hören. Seine Gegenwart zu spüren, weil sie dich beruhigt.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte der Tiuphore. Für einen Augenblick waren Zähne hinter den Lippen zu sehen, und etwas wie ein Hauch von kalter Wut legte sich auf das Gesicht.
Gucky hob den Arm, tippte sich gegen die Schläfe. »Dein Kampfanzug ist ein tolles Teil. Er verschleiert deine Gedanken, schützt dich vor telepathischem Ausspionieren. Ohne ihn bist du ... nackt.«
Die Nasenschlitze des Tiuphoren weiteten sich, die Rotfärbung seines Gesichts nahm zu. Einen Augenblick sah es so aus, als würde er die Attacke auf den Energievorhang wiederholen, diesmal wütender und aggressiver.
Doch Poxvorr entschied sich anders, ging zwei Schritte zurück, bis zur kahlen Pritsche an der hinteren Zellenwand. Davor hockte er sich auf den Boden. Die Arme hingen steif an den Seiten des Körpers hinab, lagen halb auf. Der Gefangene schloss die Augen.
Trotz der scheinbar entspannten Haltung kam er Rhodan vor wie ein Raubtier, das jeden Moment zum Angriff übergehen konnte. »Was denkt er?«
Guckys Schwanz schleifte unruhig über den Boden. »Nichts mehr. Ein interessantes Volk, diese Tiuphoren. Zuerst hat ihn die Brünne abgeschirmt. Als ich ihn eben damit konfrontiert habe, fand ich die Bestätigung. Es hat ihn auch mit dem Kampfanzug angestrengt, seine Gedanken zu verschleiern. Er musste sich darauf konzentrieren, sonst hätte ich telepathisch zugreifen können. Aber jetzt ist es, als schliefe er. Oder mehr noch, fast als läge er in einem Koma.«
»Er denkt also gezielt an nichts?«, fragte Rhodan.
Gucky grinste. »Wie ein Mönch, der den Mittelpunkt des Universums ausgerechnet in seinem Bauchnabel sucht.«
Der Terraner nickte. »Alles nur eine Frage der Zeit. Er wird diesen Zustand nicht ewig aufrechterhalten können.«
»Gönnen wir ihm also den Spaß«, sagte Gucky. »Eins ist klar: Am Ende wird er verlieren!«
*
Perry Rhodan verließ den Vorraum der Arrestzellen und passierte die Sicherheitsschleusen. Er wusste den Gefangenen auch ohne seine Anwesenheit in Sicherheit und bei Gucky ohnehin in besten Händen.
Im Wachraum vor den Schleusen saß der Mann, der alles genau beobachtet hatte: Grim Sternhell, der Sicherheitschef der BJO BREISKOLL. Dieser Job war für jemanden, der einem derart friedliebenden Volk wie den Kamashiten angehörte, nicht gerade typisch ... aber Sternhell war eben nicht gerade typisch.
Er schaute zu Rhodan auf. Die Zähne blitzten silberfarben zwischen den Lippen hervor. Ein interessanter Kontrast zur goldbraunen Gesichtshaut und den grünen Haaren.
»Pass auf Gucky auf!«, forderte der Terraner scherzhaft.
»Sicher«, meinte Sternhell ernst. »Darum bin ich hier, oder nicht?« Vor ihm schwebten gleich drei Holos, die den Mausbiber und den gefangenen Tiuphoren zeigten.
Rhodan nickte und ging durch einen schmucklosen Gang weiter, wie es ihn in jedem Schiff gab. Eins der ungeschriebenen Gesetze des Raumschiffsbaus, dachte er. Gänge, die sich durch Raumschiffe zogen, sahen langweilig und grau aus. Das galt auf der BJO BREISKOLL ebenso wie auf dem Mutterschiff dieses Beiboots, der RAS TSCHUBAI. Und auf mindestens 99 Prozent aller anderen Raumschiffe.
Eine kleine Schwebeplattform wartete am Ende des Korridors und aktivierte sich automatisch, als er sie betrat. Sie hob vom Boden ab. Er nannte die Zentrale als Ziel und ließ die Gedanken schweifen, während ihm der Fahrtwind durch die Haare fuhr.
Sie mussten sich auf den kommenden Angriff der Tiuphoren vorbereiten. Wobei mehr als fraglich war, wie das gelingen sollte. Objektiv betrachtet würden die Angreifer gewinnen. Die Schlacht im Solsystem – oder eben im Mitraiasystem – war bereits verloren, ehe sie überhaupt begonnen hatte.
Im Grunde genommen ging es um etwas völlig anderes. Darum, möglichst viele Kerouten von ihrem Heimatplaneten zu evakuieren, dem späteren Terra. Darum, dass die Ziquama die Purpur-Teufe nach den letzten Feinjustierungen verwenden konnten, um den Planeten Sheheena in Raum und Zeit zu versetzen.
Genau das würde geschehen, das wusste Rhodan aus seiner in der Zukunft liegenden Zeit. Sheheena gehörte in seiner Gegenwart seit Ewigkeiten nicht mehr zum Solsystem. Diese Welt war der legendäre Dunkelplanet Medusa, den der Milliardär Viccor Bughassidow bereits seit vielen Jahren suchte.
Rhodan strich nachdenklich über die Narbe an seinem Nasenflügel. Sie juckte.
Er fragte sich, ob die Versetzung ohnehin gelingen würde. Oder ob er eingreifen musste, um sie zu gewährleisten. Oder ob sein Eingreifen womöglich die Versetzung versehentlich verhinderte. Ob seine Anwesenheit möglicherweise schon längst die Vergangenheit verändert hatte. Ob die Tiuphoren bald ein entsetzliches Gemetzel anrichteten und jedes Leben auslöschten. Ob ...
»Wir haben unser Ziel erreicht«, riss eine angenehme mechanische Stimme ihn aus den Gedanken. Gut so. Es gab tausend Fragen, die man sich im Zusammenhang mit Zeitreisen stellen konnte ... und das hieß wohl, tausend Möglichkeiten, seine Zeit zu verschwenden.
Die Plattform landete am Rand der Zentrale der BJO BREISKOLL. Rhodan eilte weiter und nahm den Platz des Expeditionsleiters ein.
Das Holo vor ihm zeigte die Umgebung des Schiffes. Das Sol- oder Mitraiasystem so zu sehen, berührte etwas in ihm, das ihn gleichermaßen verwirrte wie begeisterte. Nicht nur, dass Pluto noch existierte, außerdem Zeut, der in dieser Epoche den Namen Zeedun trug ... es gab noch eine weitere Welt, Sheheena alias Medusa. Rhodan freute sich auf den Tag, wenn er diese Aufzeichnungen an Viccor Bughassidow weitergeben würde.
Dieser Moment musste einfach kommen, wenn er die Gegenwart wieder erreichte. Falls er sie wieder erreichte ...
Im System hielten sich nach wie vor ein Zahnradblüten-Raumer der Lainlién und die drei Riesenschiffe der Laren auf, die den Kerouten zu Hilfe geeilt waren. Außerdem etliche Rayonenraumer. Mit den Lainlién hatte vor allem Major Tatsu Feydursi während der Evakuierungsaktionen Bekanntschaft gemacht. Die Angehörigen dieses Volkes konnten wenige Sekunden in die Zukunft schauen und versuchten, im Verlauf einer Schlacht rechtzeitig Warnungen auszusprechen.
Die larischen Sternenmissionen TAAROS BOTE 55, 107 und 119 wiederum stellten wohl das einzige Bollwerk dar, das wenigstens vorübergehend dem kommenden Angriff der Tiuphoren trotzen konnte. Die gigantischen Generationenraumer waren offensiv nicht besonders gut bewaffnet, aber defensiv überragend.
Sie ähnelten auf den ersten Blick den mächtigen Ozeanriesen von der Erde, wie Rhodan sie aus Bildern des 19. Jahrhunderts alter Zeitrechnung kannte ... genauer gesagt, zwei solchen Riesen, die der Länge nach am Rumpf zusammenklebten. Eine flache, transparente Kuppel überspannte die gemeinsame Bugsektion, unter der Rhodan eine künstliche Landschaft erahnen konnte.
Der Terraner nahm Funkkontakt zur TAAROS BOTE 119 auf. Es dauerte nur Sekunden, bis sich der Kommandant meldete, ein Lare namens Musas-Arron.
»Hier ist Perry Rhodan von Bord der BJO BREISKOLL.« Mehr war nicht nötig – die Laren kannten ihn inzwischen. »Ich bitte um einen Informationsaustausch.«
Musas-Arron hatte für einen Laren sehr helle Haut, seine Nase war sogar für sein Volk ungewöhnlich breit. Die wulstigen Lippen entblößten geradezu strahlend weiße Zähne. »D... dein Schiff steht se... sehr nah. Komm an Bord!« Er stotterte kaum merklich.
»Ich nehme die Einladung dankend an«, versicherte Rhodan.
»Komm in einer halben St... Stunde an Bord. Wir schicken dir einen Leitstrahl.«
Sie unterbrachen die Verbindung. Die genannte Zeitspanne reichte, um noch einmal mit Gucky zu sprechen. Der Terraner funkte den Mausbiber an.
»Gut, dass du dich meldest, Perry. Ich wollte dich sowieso herholen. Wir beide haben hier eine Menge Spaß.«
»Du und der Tiuphore Poxvorr?«
»Wo denkst du hin? Der sitzt in seiner Zelle und versinkt in sich selbst. Ich rede von mir und seiner Brünne.«
Rhodans Augen verengten sich. »Was?«
»Komm her und schau es dir an.«
*
Perry Rhodan fand Gucky in einem Labor, ganz in der Nähe der Arrestzellen. Das Labor hätte selbst ein Gefängnis sein können – zumindest, was die Sicherheitsvorkehrungen anging.
Der Mausbiber hatte mehrere Schutzschirme aktiviert. Einer umgab den Kampfanzug des Tiuphoren; ein zweiter lag wie eine Glocke über Gucky und dem Untersuchungsobjekt. Der Ilt presste die kleinen, pelzigen Hände an die Schläfen und schaute die Brünne an.
Nein, er starrte sie an.
Die ganze Szenerie war in ein rötliches, gedämpftes Licht getaucht. An den Seiten des Laborraums waren die Tische in die Wände zurückgezogen. Zwei Kampfroboter standen dort, jeweils eine Waffe schussbereit erhoben.
»Sieht nicht nach der Menge Spaß aus, die du über Funk angekündigt hast«, sagte Rhodan.
Gucky drehte sich zu ihm um. »Oh, Perry. Ich hab dich gar nicht kommen hören.« Er schnippte mit den Fingern. Die Energiekuppel über ihm flirrte und erlosch. »Wie findest du die Programmierung? Hab ich selbst erstellt.«
»Wer hätte das gedacht.« Rhodan stellte sich neben den Ilt, deutete auf die immer noch isolierte und geschützte Brünne. »Dir ist der Anzug nicht geheuer?«
»Überhaupt nicht.« Guckys Schwanz klopfte einen raschen Rhythmus auf dem Metallboden. »Vor allem deshalb, weil das Teil nicht nur ein Kampfanzug ist. Verstehst du? Man kann es mit einem unserer SERUNS nicht vergleichen.«
»Die Brünne ist ... besser? Hochwertiger?«
»Wenn es das nur wäre, würde ich sie einem Wissenschaftler in die Hand drücken und ihm auftragen, mal wieder fremde Wunderwerke kreativ zu adaptieren, um der terranischen Technologie einen Entwicklungsschub zu verschaffen.« Gucky grinste. »Haben wir ja oft schon so gemacht. Aber das hier ist etwas ganz anderes.«
»Ich höre.« Rhodan legte den Kopf in den Nacken, schaute in die rötliche Deckenbeleuchtung.
»Das Licht hab ich ausgesucht, weil es mich beruhigt«, sagte der Mausbiber. »Hat keinen tieferen Sinn. Aber zur Brünne, mein lieber Perry, kann ich dir Folgendes sagen: Dieses Ding lebt!«
»Du meinst ...«
»Es hat ein Bewusstsein. Oder wenigstens so etwas Ähnliches. Sollen sich irgendwelche Forscher einen guten Namen dafür ausdenken. Ich glaube nicht, dass die Brünne wirklich lebt, aber es gibt eine Art telepathisches Grundrauschen in dem Anzug. Vielleicht eine Vorstufe von Gedanken, oder jeweils die Hälfte von vernünftigen Überlegungen und Empfindungen, denen wie Puzzleteile Ergänzungen fehlen.«
»Die dann der Tiuphore liefert, der die Brünne trägt«, vermutete Perry Rhodan.
»Klingt seltsam, oder?« Gucky umrundete das erbeutete Stück einmal. »Weißt du noch, dass ich meinte, Poxvorrs Gedanken liegen wie hinter einem Wasserfall verborgen? Exakt das hier war das Rauschen, das ihn abgeschirmt hat. Aber ich begreife es nicht. Ich verstehe es nicht!«
»Beschreib es genauer.«
Der Mausbiber wirkte verzweifelt. »Wenn ich das nur könnte. Es sind keine bewussten Gedanken. Eher eine Art emotionale Grundtendenz. Dumpfe ... Gefühle. Eine Mischung zwischen gierigem Hunger und aufmerksamem Lauern. Dieses Ding will ...« Gucky suchte, rang nach Worten.
»... töten?«, schlug Rhodan vor. »Krieg? Eine Bannerkampagne?«
Der Mausbiber nickte traurig. »Ich hab es vor ein paar Tagen zu dir gesagt, als ich schon mal versucht habe, unsere Gegner telepathisch abzuhören. Ich habe damals einen Tiuphoren gefühlt, der vor Glück überschwänglich war, weil er inhörig geworden ist und das Conmentum verstehen kann.«
»Ich erinnere mich.«
»Jetzt weiß ich, was damals passiert ist. Dieser Tiuphore hat sich mit seiner Brünne verbunden, hat Zugang gefunden und sich dadurch eine neue Dimension erschlossen. Und ich glaube sogar, es war Poxvorr.«
»Was?«
»Das war unser Gefangener!« Gucky wandte sich sichtbar mühevoll von der Brünne ab. »Und genau zu dem werde ich jetzt gehen. Hier komme ich momentan nicht weiter. Aber zuerst mache ich einen kleinen Abstecher. Mir ist da etwas eingefallen.«
»Und das wäre?«, fragte Rhodan, der schon so allerhand Ideen des Mausbibers erlebt hatte. Gute, schlechte, brillante und katastrophale.
Gucky pfiff an seinem Nagezahn vorbei. »Wusstest du eigentlich, dass wir einen Herreach an Bord haben?«
Rhodan stutzte. »Und?«
An Bord der BJO BREISKOLL:
Der Konsultant und die Schemen
Kamona Hai seufzte, ein tiefes, strömendes Gefühl, das durch sein rüsselförmiges Nas-Organ vibrierte. Er löste sich von den Händen des Terraners, und die Schemen verblassten.
»Das war ... erstaunlich.« Oberleutnant Lorngrens hagere Gestalt in der dunkelblauen Uniform entspannte sich merklich.
Kamona Hai sah, wie sich der ganze Körper lockerte, angefangen bei den Fingerspitzen auf dem Tisch bis hoch zu der gefurchten Stirn zwischen weißem Haar und schwarzen Augenbrauen und hinunter zu den verkrampft überkreuzten Füßen.
»Wie machst du das?«, fragte Lorngren.
Kamona Hai schob sich die wuchtige Sonnenbrille vor die Augen, als es heller in dem kleinen Büro wurde. »Du willst das eigentlich gar nicht wissen. Es ist lediglich die nervöse Neugierde der meisten Menschen, die dich dazu bringt, diese Frage zu stellen. In Wahrheit möchtest du dir die Faszination erhalten.«
Langsam stand Hai auf, eine gelenkige, elegante Bewegung im Unterschied zur Steifheit und Behäbigkeit, mit der ein menschlicher Körper agierte. Er streckte die rechte Hand aus, eine typisch terranische Geste, die er längst übernommen hatte, und er schämte sich ein wenig, weil seine Hand so unzureichend war.
Zu Hause auf Cauto wäre ihm ein solcher Gedanke überhaupt nicht gekommen, weil alles auf zwei Finger und zwei Daumen ausgerichtet war. In der hoch technisierten Umwelt eines LFT-Raumschiffes wirkte die Handkonfiguration eines Herreach aber allenfalls behelfsmäßig, beinahe schon unzweckmäßig.
Lorngren war Berater im Kommandostab des Ersten Raumlandebataillons der RAS TSCHUBAI, als dessen Basisschiff die BJO BREISKOLL fungierte. Nun stand er ebenfalls auf. Er war einen guten Kopf kleiner als Kamona Hai, aber so massig und fleischummantelt wie die meisten Humanoiden.
Lorngren hatte den Herreach vor wenigen Minuten zum ersten Mal konsultiert, in jeder Sekunde nach Argumenten gesucht, um umzukehren ... und dann behauptet, er habe als Mitglied des Kommandostabs »nur einmal vorbeischauen wollen«.
Kamona Hai hatte es vermieden, ein menschliches Lächeln nachzuahmen, weil es aufgrund der unterschiedlichen Anatomie verkniffen gewirkt hätte. Er hatte lediglich genickt und Lorngren eine Tasse Tee angeboten, intuitiv die Sorte, die aus unverständlichen Gründen bei Terranern als Weißer Tee bekannt war.
Damit bediente er eine gewisse Erwartung, die mit seinem Amt verbunden war, obwohl er sich selbst aus Tee nichts machte. Er bevorzugte ein malziges, alkoholfreies Getränk mit intensivem Geschmack nach Pflanzen, die er nicht kannte, aber er hütete sich, es offen zu konsumieren.
»Danke.« Lorngren ergriff die Hand. »Ich kann nicht sagen, ob du mir geholfen hast, aber ich habe mich wohlgefühlt.«
Kamona Hai drückte die rosafarbene Hand. »Nicht ich«, wiegelte er ab. »Die achtköpfige Krura hat das bewirkt. Und sei dir sicher, sie hat dir geholfen.«
Oberleutnant Lorngren schüttelte verwirrt den Kopf. Dann öffnete er die Hand. »Natürlich.«
Sanft, aber unaufdringlich schob Kamona Hai den Berater zum Ausgang. »Die Tür steht dir jederzeit offen.«
»Ich werde daran denken.« Lorngren deutete ein Kopfnicken an. Wahrscheinlich wollte er dadurch den dienstlichen Charakter seines Besuchs wieder hervorkehren, der nichts als eine Fiktion gewesen war. Er ging mit schnellen, kleinen Schritten den Korridor entlang. Sekunden darauf verschwand er um die nächste Biegung.
Kamona Hai vermisste die Weitläufigkeit Cautos, ja, eigentlich jedes beliebigen Planeten. Raumschiffe hatten etwas Beengendes an sich, und Enge behagte ihm nicht.
Ihm fehlten auch die wechselnden Lichtverhältnisse, der Staub, die Gemeinschaft, die so vieles hervorbrachte, wozu Einzelne nicht in der Lage waren. Sogar nach Monaten an Bord fühlte er sich nicht heimisch. Er schwebte mental immer in einer gewissen Distanz zu den anderen. Es war garantiert, wie er sich gern einredete, ein professionelles Abstandhalten, aber er war klug und sich selbst gegenüber ehrlich genug, um das als Ausrede zu erkennen.
Er war nun einmal kein Terraner. Er vertraute diesem Volk ebenso wie dem Rest des Universums ... genau wie er diesem Volk und dem ganzen Universum von Grund auf misstraute!
Nie hätte der junge Herreach aus eigenem Antrieb Cauto verlassen; er folgte lediglich dem Wort des Fundamentalen Realisten.