Perry Rhodan 3198: In Schrödingers Palast - Christian Montillon - E-Book

Perry Rhodan 3198: In Schrödingers Palast E-Book

Christian Montillon

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Nun ist Rhodans Traum von einer friedlich geeinten Galaxis in Gefahr: FENERIK, ein sogenannter Chaoporter, stürzt auf die Milchstraße zu und droht sich mit der dort im Bau befindlichen Yodor-Sphäre, einem kosmokratischen Bauprojekt, zu einer Chaokosmokratischen Chimäre zu verknoten – einem unkontrollierbaren Machtfaktor, der seinesgleichen sucht. Wird dem nicht Einhalt geboten, kann das das Ende der ganzen Galaxis bedeuten. Perry Rhodan und seine Gefährten haben aufgeboten, was ihnen möglich war – aber fest steht bisher lediglich, dass ein rein militärisches Vorgehen zu keinem befriedigenden Ergebnis führen würde. Unter der Leitung Perry Rhodans und des Arkoniden Atlan haben sich zwei Einsatzteams unabhängig voneinander auf den Weg ins Nervenzentrum FENERIKS gemacht. Dort wollen sie eine Entscheidung zugunsten der Milchstraße herbeiführen. Aber noch einmal entfaltet die Kunstwelt der Chaotarchen ihre befremdlichen Dimensionen, in der Tod und Leben einander nicht ausschließen – und die Galaktiker wähnen sich IN SCHRÖDINGERS PALAST ...

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Seitenzahl: 181

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Nr. 3198

In Schrödingers Palast

Die Yodoren-Dämmerung – sie erkennen FENERIKS Wesen

Christian Montillon

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Eine Legende

1. In FENERIK

2. Außerhalb FENERIKS: In der Yodor-Sphäre

3. In FENERIK

4. Außerhalb von FENERIK: In der Yodor-Sphäre

5. In FENERIK

6. Außerhalb von FENERIK: In der Yodor-Sphäre

7. In FENERIK

8. Außerhalb von FENERIK: In der Yodor-Sphäre

9. In FENERIK

10. Außerhalb von FENERIK: In der Yodor-Sphäre

11. In FENERIK

12. Außerhalb von FENERIK: In der Yodor-Sphäre

13. In FENERIKS Herzen

Stellaris 90

Vorwort

»Verschwiegenheit« von Robert Corvus

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Nun ist Rhodans Traum von einer friedlich geeinten Galaxis in Gefahr: FENERIK, ein sogenannter Chaoporter, stürzt auf die Milchstraße zu und droht sich mit der dort im Bau befindlichen Yodor-Sphäre, einem kosmokratischen Bauprojekt, zu einer Chaokosmokratischen Chimäre zu verknoten – einem unkontrollierbaren Machtfaktor, der seinesgleichen sucht. Wird dem nicht Einhalt geboten, kann das das Ende der ganzen Galaxis bedeuten.

Perry Rhodan und seine Gefährten haben aufgeboten, was ihnen möglich war – aber fest steht bisher lediglich, dass ein rein militärisches Vorgehen zu keinem befriedigenden Ergebnis führen würde. Unter der Leitung Perry Rhodans und des Arkoniden Atlan haben sich zwei Einsatzteams unabhängig voneinander auf den Weg ins Nervenzentrum FENERIKS gemacht. Dort wollen sie eine Entscheidung zugunsten der Milchstraße herbeiführen. Aber noch einmal entfaltet die Kunstwelt der Chaotarchen ihre befremdlichen Dimensionen, in der Tod und Leben einander nicht ausschließen – und die Galaktiker wähnen sich IN SCHRÖDINGERS PALAST ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner lebt, obwohl er tot ist.

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger stellt sich einem Wurm.

Gucky – Der Ilt weint um seine Freunde.

Baint – Die Kastellanin wehrt sich.

Addanc

Eine Legende

Ehe FENERIK war, gab es Fenetay Rik.

Es heißt, dass Fenetay Rik, der Chaotarch, alt war und müde. Als die beiden Architekten zu ihm kamen und von ihrem Plan berichteten, einen Chaoporter zu erbauen, horchte er auf. Es weckte sein Interesse, und in seinen alten, müden Tagen gab es wenige Dinge, die das vermochten.

Also adelte Fenetay Rik die beiden Bauherren des künftigen Projekts, indem er sie Chaotekten nannte. Als solche zogen sie davon, irrten durchs Universum, ständig auf der Suche nach Inspiration. Sie besuchten Sonnensysteme und Galaxien, sie jonglierten mit Sternen und planetaren Irrläufern. Sie studierten Schwarze Löcher und verglichen Materiequellen mit Materiesenken. Sie tauchten in höhere Dimensionen und schufen einen Korridor, der den Anfang mit dem Ende verband und das Ende mit dem Anfang.

Manche sagen, es dauerte Jahrzehntausende, bis sie wieder bei Fenetay Rik vorsprachen. Für den Chaotarchen war kaum mehr als ein Wimpernschlag vergangen; hundert Jahre waren für ihn wie ein Blinzeln, ein Äon wie ein Atemzug.

Sie berichteten Fenetay Rik von ihrem Plan, und er lobte sie, wie man seine Kinder lobt. Ihr müsst aber wachsen, sagte er. Eure Vision muss wachsen. Und er schleuderte sie davon.

Es gibt Wesen, die glauben, die Chaotekten hätten die Gefilde jenseits der Materiequellen besucht. Andere halten das für unmöglich. In FENERIKS Lehrstätten wird diese und jene Position vertreten, die großen Ausbilder streiten sich seit jeher darüber.

Nur über weniges gibt es Sicherheit, eines jedoch steht unverrückbar fest: Die Chaotekten verzagten nicht. Sie suchten viele Galaxien auf, um die dortigen kosmischen Wunder zu studieren. Sie musterten Zehntausende Geburten und sahen ebenso vielen beim Sterben zu. Dazwischen rieselten Zeit und Leben dahin, für die meisten linear, doch wenn man weit genug wegtrat, wenn man lernte, frisch und frei zu denken, eröffneten sich neue Horizonte.

Horizont, sagte der eine Chaotekt zum andern. Dorthin müssen wir denken – bis an den Horizont und weiter. Sie dachten so lange darüber nach, dass sie sich bald danach benannten, indem sie ihren Namen ein Horizont hinzufügten.

Und so erdachten sie den Chaoporter neu. Sie brachten etwas ins Dasein, das mehr war als zuvor, mehr als die Teile, die sie zum Bau benutzten. Sie verbauten Welten und verdrehten sie ineinander. Sie legten langsam schleichende Blitze an die Himmel, um Licht und Energie und Durchgänge zu erschaffen. Sie formten etwas am Grunde ihres Bauwerks, das einem Bewusstsein glich. Eines Tages, sagten sie sich, käme vielleicht ein Funke, der es zu echtem Leben erweckte.

Und sie gingen ein weiteres, ein drittes Mal, zu Fenetay Rik.

Der Chaotarch sah sie an, und er war zufrieden.

*

1.

In FENERIK

Ich bin Gucky, der Mausbiber, und ich habe meine Freunde sterben sehen.

Eben noch habe ich die Gedanken von Mulholland empfangen, wir haben uns telepathisch ausgetauscht, ich habe seine Freude darüber genossen, dass wir uns wiedergefunden haben. Dass beide Teams es geschafft haben, in die Tiefen FENERIKS vorzudringen, an diesen bizarren Ort. Seine Gruppe und meine.

Und plötzlich: etwas anderes, für einen Augenblick nur, und danach Stille.

Kein Gedanke mehr.

Alles endete, als diese Lohe aus dem Eisball meine Freunde fraß: Iwán Mulholland. Alschoran, Antanas Lato und ...

Ich ... ich kann es kaum denken. Es ist unvorstellbar.

Und Atlan.

Ich habe gesehen, wie sie alle gestorben sind.

Atlan!

Ich bin Gucky, der Mausbiber, und in diesem Augenblick frage ich mich, wieso es sie getroffen hat und nicht mich.

*

Gucky konnte kaum atmen. Die telepathische Stille und das, was er mit eigenen Augen gesehen hatte – beides lähmte ihn.

Sie hatten diesen bizarren Ort irgendwo im Inneren FENERIKS, vielleicht in dessen eigentlichem Zentrum, erreicht – beide Teams, die getrennt voneinander auf verschiedenen Wegen aufgebrochen waren.

Dies war das Audhem, das sie dringend hatten erreichen müssen. Von diesem Ort aus, von dieser aus Stangen und einem Gitter geformten Raumstation über dem himmelskörpergroßen Eisball, konnten sie Kontakt aufnehmen mit dem, was ihnen als Back-up-System zum Betrieb FENERIKS angekündigt worden war. Was immer das genau bedeuten sollte. Nur dass das keine Rolle mehr spielte. Gucky fand nicht die Kraft, sich darum zu kümmern.

Er war innerlich zerschmettert.

Atlans Tod war so plötzlich, so unvorbereitet gekommen. Und Iwán – und zugleich Iwa, obwohl er selbst das Zwitterwesen stets eher als männlich empfand – und ...

Der Mausbiber hörte sich selbst schreien.

Jemand packte ihn an der Schulter. Dann war da ein Gesicht, hinter dem geschlossenen SERUN-Helm, direkt vor ihm – das von Perry Rhodan. Die Augen waren wie erstarrt, alle Mimik eisig erfroren. Er sprach ihn über Funk an. »Du musst ...«

Mehr hörte Gucky nicht. Er war teleportiert, und zwar dorthin, wo die Woge Atlan und die anderen getötet hatte. Wo sie ihre Leiber zerfetzt und zerrissen hatte.

Das Gitterwerk, auf dem die Freunde gelaufen waren, war in weitem Umfeld zerbrochen. Die Fetzen trieben schwerelos im All. Oder in der völligen Schwärze, die in diesem Bereich des Chaoporters herrschte und eine Art Weltraum im Inneren FENERIKS bildete. Die chaotische Woge, die tödliche Protuberanz – jene zerstörerischen Gewalten waren abgeebbt. Bruchstücke des Gitters trudelten um Gucky herum, der in seinem Raumanzug mitten in der Zerstörung schwebte.

Und da war noch etwas, das langsam auf ihn zuglitt und sich dabei überschlug. Das Stück eines SERUNS, und darin befand sich ...

Gucky teleportierte wieder, zurück zu Rhodan. Der Mausbiber brach vor ihm zusammen. »Nein«, sagte er. Oder dachte er es nur? Die Wurzeln seines Fells am ganzen Körper fühlten sich matt und spröde an. Ihm war kalt, obwohl der SERUN selbstverständlich die Temperatur hielt. Und die Welt drehte sich.

Dann war da wieder das Gesicht des Terraners, unerschütterlich und fest, ein Anker im Chaos. Augen sahen den Mausbiber an, leidend, aber nicht verzagend.

»Wir sind noch da«, sagte Rhodan. »Und wir bringen es zu Ende. Wir müssen, Gucky, verstehst du das?«

Wo kam das Wasser her, das Rhodan unvermittelt überspülte?

Aber nein, es überspülte nur Guckys Augen.

*

Es dauerte eine entsetzlich lange Minute, bis Gucky die Kontrolle über sich zurückgewann. Oder bis er funktionierte, so weit, wie er eben funktionieren musste, ob er wollte oder nicht. Denn es gab nicht nur die Toten, sondern auch die Lebenden – und Gucky musste versuchen, ihnen zu helfen. Dafür sorgen, dass sie alle nicht ebenfalls starben.

Ihm fiel ein altes Klischee ein: Die Zeit zu trauern würde kommen, aber sie war nicht jetzt. Eine ebenso nützliche wie oberflächliche und hohle Weisheit. Nichts, das irgendetwas daran änderte, dass Gucky innerlich tot war. Sein Verstand und sein Körper spulten tausendfach geübte Routinen ab.

Andere in Lebensgefahr? – Der Retter des Universums ist da! Drohte unmittelbare Gefahr? Musste er seine Freunde und sich selbst in Sicherheit teleportieren? Und wenn ja – wo konnte es solche Sicherheit geben?

Vielleicht im Schiff, mit dem sie an diesen Ort geflogen waren, dem NACHEN? Sollten sie sich dorthin zurückziehen und etwas oder jemandem suchen, der ...

Erneut zerbarst ein Stück der aus Gestänge errichteten Raumstation, auf deren seltsamer Gitterkonstruktion sie standen. Wieder schoss – völlig lautlos in der Atmosphärelosigkeit – eine Lohe vom Eisball her, eine Protuberanz aus reiner Energie, aus zerstörerischem Chaos. Doch diesmal tötete der Ausbruch nicht, sondern zerstörte. Der NACHEN fiel ihm zum Opfer.

Das Schiff wurde zerfetzt und zermalmt. Kurzlebige Feuerzungen loderten und erstickten sofort, als die Atmosphäre aus dem Schiff verpuffte.

Bruchstücke rasten umher, auch auf ihre kleine Gruppe zu. »Weg hier!«, schrie Gucky.

Alles spielte sich entsetzlich schnell ab. Alaska Saedelaere hatte bereits reagiert – und Gry O'Shannon gepackt. Die beiden jagten senkrecht nach oben, in die Schwärze des Nicht-Weltraums hinein. Hatte er tatsächlich schon vor der Explosion gehandelt?

Shema Ghessow stand neben Damar Feyerlant; sie würde sich und ihn in eine Hyperraumsenke retten können. Blieben Grand4, der Posbi, und Perry Rhodan. Gucky packte Rhodans Arm, teleportierte, materialisierte für einen kurzen Augenblick beim Standort des Posbis, stellte Körperkontakt her und sprang erneut, ungefähr dorthin, wohin Alaska und Gry unterwegs waren.

Unter ihnen schmetterte ein zerbeultes und rauchendes Trümmerstück dort ins Gitter der Raumstation, wo sich die kleine Gruppe eben noch befunden hatte. Es zerfetzte das Gitter, jagte in die darunter liegende Konstruktion aus Stangen, die die netzartige Hülle der innen hohlen Station bildeten. Feuer flammte auf und erlosch.

Illustration: Swen Papenbrock

In FENERIKS Weltraum blieb alles lautlos, denn es gab keine Atmosphäre, die Schall übertragen könnte. Aber es gab Funk, und alle meldeten, dass sie in Sicherheit waren. Alle bis auf Shema und Damar, die – hoffentlich – rechtzeitig in einer Hyperraumsenke Zuflucht gefunden hatten. Es vergingen bange Sekunden, bis Shema und ihr Gast wieder heraustraten und ebenfalls Entwarnung gaben.

Rhodan befahl ihnen, mit der Flugfunktion ihrer SERUNS zur Gruppe zu stoßen.

»Vollversammlung im schwarzen Nichts«, sagte Gucky, aber er merkte selbst, dass die Worte nicht einmal ansatzweise lustig klangen. Aber das sollten sie auch gar nicht.

So schwebten sie über dem teilzerstörten, trapezförmigen Gestänge der Raumstation und vor dem gigantischen blauweißen Ball des Audhems. Sie schwebten und trauerten ...

... und mussten doch handeln, um den Untergang der Milchstraße zu verhindern.

*

Die Situation war alles andere als leicht, geschweige denn übersichtlich, und doch hatte es so optimistisch begonnen. Und bis vor wenigen Minuten so positiv ausgesehen, als wären sie auf einem guten Weg zum Ziel.

In zwei Teams waren sie ins Innere FENERIKS aufgebrochen: eine Gruppe um Perry Rhodan, eine zweite um den Arkoniden Atlan. Sie hatten unterschiedliche Wege gesucht, in den Chaoporter vorzudringen – in der Hoffnung, dass wenigstens eine Gruppe es schaffen würde. Doch es war sogar beiden gelungen, und alle hatte der Weg an diesen Ort geführt.

Zum Audhem.

Dabei handelte es sich um eine weiße, leicht bläulich aus sich selbst heraus leuchtende Kugel, mondgroß, über 800 Kilometer im Durchmesser. Ein gigantischer gefrorener Ozean, auf dem eine Unzahl von Audh ihre eigenartigen Eistänze aufführten. Nicht dass diese Wesen aus der großen Entfernung sichtbar gewesen wären – sie waren viel zu klein, als dass Gucky und die anderen sie hätten wahrnehmen können.

Die Kugel aus Eis bildete die einzige Lichtquelle in der absoluten Schwärze rundum. Weil die Raumstation aus ihrem Blickwinkel vor dem Audhem lag, zeichnete sie sich als Umriss vor dem Blau ab. Die trapezförmige Station maß auf der längsten Seite über 90 Kilometer, war alles andere als klein ... und doch eher unscheinbar angesichts des Eisballs, der alles dominierte.

Auf welchem Weg genau das Team um Atlan an diesen Ort gekommen war, hatte Gucky vor dem abrupten Ende nicht mehr erfahren; ebenso wenig, was sie sich erhofft hatten. Das Rhodan-Team jedenfalls wusste, dass es dort ein Back-up-System gab, das FENERIK in Betrieb hielt; und dass ein Kontakt damit möglich sein sollte. Wie immer das genau aussehen konnte. Denn das wiederum wussten sie nicht.

Offensichtlich war es ein lohnenswertes Ziel gewesen, wenn Atlan und seine Begleiter es ebenfalls angesteuert hatten.

Lohnenswert?

Der Gedanke kam Gucky wie Hohn vor. Er versetzte ihm einen Stich. Wie könnte etwas lohnenswert sein, das zum Tod der Freunde geführt hatte?

»Wir leben, und das ist gut«, sagte Rhodan, als hätte er Guckys Gedanken gehört. Seine Stimme zitterte leicht. Jemand, der ihn weniger gut kannte als der Mausbiber, hätte es wohl nicht bemerkt. Es gab immer wieder Darstellungen in den galaktischen Medien, die Rhodan als gefühllos zeichneten – was für eine monumentale Fehleinschätzung.

»Was wir gesehen haben«, fuhr der Terraner fort, »ist entsetzlich. Vielleicht ...« Ein Stocken, kaum merklich. »... war es eine grausame Täuschung.«

»War es nicht«, hörte Gucky eine bittere Stimme sagen. Es war seine eigene. »Der telepathische Kontakt ist abgerissen, und als ich dorthin teleportiert bin, habe ich gesehen, dass ...« Er biss sich auf die Zunge.

Nicht weiterreden! Es genügte, dass er es gesehen hatte. Die anderen sollten sich das Bild nicht auch noch ausmalen.

»Wir müssen weitermachen«, sagte Perry Rhodan. »Das Schicksal FENERIKS hängt davon ab, und das heißt, ebenfalls das Schicksal der Milchstraße. Unserer Milchstraße! Der Heimat!«

Der Mausbiber hob den Blick, sah den alten Freund an. Rhodan sprach mit einer Stimme, die eine Nuance kälter war als sonst. Gucky sah ihm deutlich an, wie sehr er innerlich litt, wenn er es auch nicht offensiv nach außen trug. Normalerweise hätte Gucky versucht, ihn aufzumuntern, ihm Mut zu machen ... aber dafür fehlte ihm derzeit jede Kraft.

Er fühlte sich dunkel.

Was war Iwáns letzter Gedanke gewesen, ehe der Kontakt endete? Ehe sein Körper wie der von Atlan und den anderen zerrissen wurde? Was ...

»Wir müssen«, fuhr Perry Rhodan fort, »das Back-up-System finden und irgendwie Kontakt aufnehmen!«

Sie wussten, dass der Chaotarch Zou Skost sich aktuell weitaus stärker in FENERIK gelöst hatte, als das normalerweise der Fall war. Mit dieser Notfall-Aktion sorgte er dafür, dass der Chaoporter in die Sziento-Phase Fünf angehoben worden war; in einen Zustand vollkommener Aktivität und Widerstandsfähigkeit. Sonst würde FENERIK zerbrechen, wenn er das Ende seines Sternensturzes erreichte, was jeden Moment der Fall sein musste – die Yodor-Sphäre, eine abgeriegelte Zone kosmokratischer Aktivität inmitten der Milchstraße. Zerbrach der Chaoporter, würde das zugleich das Ende der Yodor-Sphäre – und infolge womöglich der gesamten Galaxis – bedeuten, denn dann würden alle Chaofakta aus dem Chaofaktenhort freigesetzt werden und könnten ihre verderbliche Wirkung entfalten.

Das Back-up-System wäre für Rhodan und seine Begleiter womöglich ansprechbar, hatte es geheißen ... dort würden sie Einfluss nehmen können. Auf FENERIK, auf den Betrieb, die Steuerung, die Quintarchen – was auch immer. Niemand wusste es, ebenso wenig wie sie wussten, wie sie sich das Back-up-System vorstellen sollten. Eine Maschinerie? Ein Bewusstsein? Etwas, das Zou Skost als großen Lenker im Hintergrund ersetzen könnte?

Gucky versuchte, sich darauf zu konzentrieren, auf ihre Aufgabe, aber es war kaum möglich. Immer wieder sah er Atlan sterben. Fühlte er jenen kurzen letzten Moment in Iwáns Gedanken – war es Verblüffung gewesen? Erschrecken? Schmerz? Egal! Er musste es wegschieben, sich frei davon machen, musste funktionieren!

»Vorschläge?«, fragte Rhodan. »Shema, als du in die Hypersenke geflüchtet bist, konntest du etwas wahrnehmen? Wir befinden uns immerhin in einem Gebiet, in dem höherdimensionale Einflüsse ...«

Weiter kam er nicht.

2.

Außerhalb FENERIKS: In der Yodor-Sphäre

Es blieben nur Minuten, bis sich alles entschied. Bis das Ende begann.

Jemand sah dem Beginn dieser Apokalypse mit Zuversicht entgegen: Addanc, der Taucher, der Letzte der alten Quintarchen – der echten Quintarchen, jener Quintarchen, die diesen Titel auch wahrhaft verdient hatten.

Er diente FENERIK bereits so lange, schon fast immer, wenn man es auf seine gesamte Lebenszeit bezog ... er war kein Emporkömmling wie dieser Reginald Bull, der vor Kurzem zum Quintarchen berufen worden war. Gewiss, Zou Skost höchstpersönlich hatte Bull in diese Position erhoben – doch das hieß nicht, dass Addanc ihn als gleichwertig betrachtete.

Nein, Bull war ein lästiges Übel, nicht mehr.

Und wer wusste schon, ob ein solches Übel die Wirren und das Chaos der kommenden Stunden und Tage überstehen würde. Das Chaos fraß die, die nicht stark genug waren, sich zu behaupten. Und stark war Reginald Bull nicht, ganz gewiss nicht.

Addanc, der Taucher, hatte in seinem Originalkörper den angestammten Lieblingsort in den Tiefen jenes Meeres verlassen, das von seiner einstigen Heimatwelt in den Chaoporter versetzt worden war. Er hielt sich in der Zentrale der LUCTU auf, seines Quintarchenraumers.

Zugleich hatte er Teile seiner selbst in eine seiner Larven verschoben und sie zum Audhem geschickt. Mochte sie diese lästigen Eindringlinge endgültig zerquetschen, die ohnehin nur noch teilweise lebten. Es kam ganz darauf an, aus welchem Blickwinkel man es betrachtete. Aber darum sollten sich die Teile seines Bewusstseins kümmern, die er in seine Larve verschoben hatte. In der LUCTU ging es um anderes: um die vollständige Zerstörung der Yodor-Sphäre.

Die LUCTU hatte Position in einer Saumwelt des Chaoporters bezogen.

Messinstrumente des Schiffes verwandelten das, was sich in höherdimensionalen Bereichen abspielte, in ein Dutzend und mehr Holodarstellungen. Addanc horchte und tastete und fühlte außerdem mit all seinen Sinnen, die im Lauf eines langen Lebens geschult worden waren.

Eines sehr langen Lebens.

Sein Blick huschte dahin und dorthin, und er verstand, was sich draußen, vor dem Chaoporter, abspielte.

Die Yodor-Sphäre lag direkt vor FENERIK. Dieses Bauprojekt der Kosmokraten durchmaß ein gewaltiges Raumgebiet, Lichtjahre weit. Es war nicht über diese gesamte Weite materiell, selbstverständlich nicht, aber es wirkte wie ein einziges Element, das den Chaoporter anzog, das ihn an sich riss, weil es FENERIK extrem diametral gegenüberstand.

Seit sich der Chaoporter in der Kleingalaxis Cassiopeia vom Ort seiner Havarie gelöst hatte, war er davon angezogen worden. War genau hierher gestürzt. Nun stand der Einschlag unmittelbar bevor.

Das Ende.

Oder der Beginn von etwas Neuem.

Etwas Besserem.

Es mochte die Yodor-Sphäre fressen, mochte diese gesamte Galaxis namens Milchstraße in ein Trümmerfeld verwandeln – falls FENERIK das Inferno überlebte, standen dem Chaoporter bessere Zeiten bevor. Die Weichen waren gestellt. Es konnte, es musste, es würde gelingen.

Und diese besseren Zeiten warteten auch auf ihn, Addanc, den Taucher.

Die Quintarchie war zerschlagen worden. Nicht länger bestimmten sie zu fünft über die Zukunft – es gab nur noch ihn, Addanc. Ja, und Bull. Und einen jämmerlichen Rückkehrer wie Farbaud, der nur mehr eine gescheiterte Existenz war. Beide waren nicht relevant für das, was kam.

Nur Addanc zählte.

Zou Skost hatte ihm die absolute Autorität übertragen, er verfügte über die Macht, die Chaonome Weisung zu erteilen. Alle Streitmächte in die Schlacht zu führen, über den Chaofaktenhort zu gebieten.

Bull genoss zwar das Vetorecht, falls Addanc entscheiden sollte, den Hort völlig in die Milchstraße zu entleeren ... aber dieses Problem ließ sich beseitigen. Vielleicht konnte Addanc es auf kreative Weise umgehen. Der Einsatz einzelner Chaofakta war ihm schließlich nicht untersagt.

Der Quintarch schaute voraus. Es gab keine klare Grenze der Yodor-Sphäre – das Gebilde waberte im höherdimensionalen Raum, auf den es ankam. Mochte es eine Sperre im dreidimensionalen Bereich geben, auch ein wenig darüber, so galt das trotzdem nicht dort, wo sich die Dinge wirklich entschieden. Die Einflusssphäre der Kosmokraten zuckte und wand sich, wappnete sich und wehrte sich gegen das, was auf sie zuraste.

Gegen FENERIK, das Gefährt der Chaotarchen.

Gegen den Chaoporter und seine Macht.

Addanc sah klar, dass FENERIK bereits zerrissen worden wäre, hätte Zou Skost sich nicht in so großem Maß in den Chaoporter hinein gelöst und ihn mit seiner Chaotarchen-Präsenz in die Sziento-Phase Fünf gehoben, in ein völliges Wach-Sein. Dadurch hielt FENERIK stand.

Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Sphären, die nur einen Hauch voneinander entfernt waren, dehnte und drückte, deformierte und zerriss die Raum-Zeit.

Von der Zentrale seiner LUCTU aus sah Addanc zu.

Er lauerte.

Wartete.

Und er hieß es gut, denn Addancs Zeit würde kommen. Bald.

*

Die Yodorin – ihr Name spielt im kosmischen Kontext keine Rolle – befehligte das Kobraschiff von Anfang an, seit es die Werft verlassen hatte. Es war vor Ort gebaut worden, in der Milchstraße, in der kommenden Kosmozitadelle Simuel; in dem Bereich, der von den Bewohnern dieser Galaxis als Yodor-Sphäre bezeichnet wurde.

Nun gehörte die Yodorin zu denen, die den Angriff der Flotten FENERIKS fürchteten. Und zu dieser Furcht gab es jeden Grund. Die Yodoren waren kein kämpferisches Volk – nicht zur Kriegsführung geboren, sondern zur Kreativität, zum Erbauen, zum Verwirklichen einer guten Zukunft. Der Chaoporter und seine Truppen des Verderbens zwangen ihnen die kommende Schlacht auf.

Mu Sargai, ihre geliebte Kosmokratin, hatte ehrlich zu ihnen gesprochen. Es würde nicht rechtzeitig gelingen, Verstärkung vor Ort zu senden, hatte sie gesagt. In diesen Augenblicken bewies sich, dass diese dunkle Vorhersage stimmte, dass alle Hoffnung vergebens war.

FENERIK traf ein. Seine Bugwelle dehnte und zerriss die Wirklichkeit. Die Raum-Zeit gerann und platzte.