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Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Während der Nachforschungen zum ersten Fragment stößt er auf ein Transportmedium, das ihn in die Kondor-Galaxis bringt, unweit eines anderen Fragmentrefugiums. Dort sieht er DIE LEBENDEN HÄUSER DER CYV ...
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Seitenzahl: 181
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Nr. 3232
Die lebenden Häuser der Cyv
Am Rand der riesigen Galaxis – der Weiße Konvoi trifft ein
Christian Montillon
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1. Eine Sensation unter all den Toten
2. Manipulation
3. Grabräuberei
4. Leben und Tod, Tod und Leben
5. Improvisation
6. Eden
7. Ein toter Sman in einem lebenden Haus
8. Ein Blick hinaus
Epilog: Im Purpurlicht
Leseprobe PR NEO 310 –Kai Hirdt – Welt ohne Liebe
Vorwort
Terrania
1. Perry Rhodan
2.
Gespannt darauf, wie es weitergeht?
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.
Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.
Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in ungezählte Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Diese Refugien zu finden und die Fragmente wieder zu vereinen, ist Rhodans Ziel. Während der Nachforschungen zum ersten Fragment stößt er auf ein Transportmedium, das ihn in die Kondor-Galaxis bringt, unweit eines anderen Fragmentrefugiums. Dort sieht er DIE LEBENDEN HÄUSER DER CYV ...
Perry Rhodan – Der Unsterbliche sucht einen Weg in die Freiheit.
Shema Ghessow – Die Mutantin sucht einen Weg, ihre Freunde zu befreien.
Antanas Lato – Der Wissenschaftler sucht einen Weg, die Geheimnisse der Totenwelt in Formeln zu fassen.
Tassam
Prolog
Mein Name ist Tassam, und ich bin tot.
Dies ist nur eine Sammlung von Erinnerungen, aber einst waren all diese Erlebnisse Teil meines Lebens. Und das können sie wieder sein.
Das werden sie wieder sein.
Es gab eine Zeit vor diesen Erinnerungen, und nun ist die Epoche nach ihnen angebrochen. Ich kann nichts mehr empfinden, aber ich bin sicher, dass ich froh darüber wäre, dass nichts verloren geht.
Ich war sehr alt, als ich starb. Wenn diese Erinnerungen erneut zünden, werde ich weder alt sein noch jung sein. Ich werde einfach existieren, dort draußen, im Nebel, im All, in der ewigen Weite. Es wird anders sein, denn es wird vieles fehlen ... und dennoch ist es erhebend und glanzvoll, was den Völkern unserer geliebten Heimatgalaxis gelungen ist.
Einmal, es liegt viele Jahre zurück, habe ich fast eines meiner Beine verloren. Ich hörte ein hässliches, reißendes Geräusch, als ich auf dem Berghang abrutschte und stürzte. Noch schlimmer war es, als ich aufschlug, ein Dutzend und mehr Körperlängen tiefer. Ein Medoroboter war schnell zur Stelle, und das rettete mein Bein und vielleicht auch sogar mein Leben. Möglich, dass ich sonst nie die Weihe zum Komde erlebt und nie einen eigenen Utensilstern erhalten hätte.
Ein andermal geriet meine Raumkapsel in einen unvermittelt aufbrechenden Hypersturm. Die Navigation versagte, und ich stürzte auf einen Mond zu, einen kalten Klumpen aus Gestein. Die Kapsel schlug auf, und ich weiß noch immer nicht, ob es Glück war oder Schicksal, dass ich damals nicht starb. Oder das Eingreifen von Göttern, die zwischen den Sternen walten.
Ich erinnere mich daran, wie ich drei Wochen auf dem Mond überleben musste, bis ein Schiff zufällig den schwachen Notruf auffing, den ich abstrahlte – nicht per Hyperfunk, sondern mit einem lächerlich ineffektiven Normalfunksender. Mich fand und rettete ein Schiff der Kas'dzar, das dort patrouillierte. Ausgerechnet! Wann hätte man je gehört, dass die Kas'dzar und die Sman eine Allianz eingingen oder auch nur miteinander redeten?
Dennoch – wir machten es möglich, und ich wandte danach einen Großteil meines Lebens dafür auf, die alten Vorurteile abzubauen und die Wunden zu heilen, die seit Generationen schmerzten. Am Ende ging ich sogar eine Lebensverbindung mit Rinigar ein, der schönsten Kas'dzar, die je im Sternenlicht wandelte.
Ich erinnere mich an unsere Kinder, die mir im hohen Alter geschenkt wurden; an das Grün der Hochbäume im hellen Sonnenlicht; an das Glitzern der Zii-Fische, mit dem sie ihre Beute anlocken; an die Schönheit und die Freude, die dieser Anblick in mir auslöste.
Irgendwann gab es auch die Verzweiflung über die beginnende Krankheit, die kein Mediker heilen konnte. Es gab die Talfahrt meines Körpers hin zum Ende der Zeit, die ihm geschenkt worden ist. Eine lange, eine gute, eine fruchtbare Zeit.
1.
Eine Sensation unter all den Toten
Shema Ghessow fühlte sich allein. Sie zog die Arme an den Oberkörper und schloss die Augen. Es gab niemanden, der ihr zur Seite stand, hier, in dieser nahezu unendlich weit von der Heimat entfernten, riesigen Galaxis. Sie war einsam, verloren und gestrandet, und alles tat ihr weh.
Verdammt noch mal, nein!, schalt sie sich selbst.
Sie musste diese frustrierenden, niederschmetternden Gedanken abwenden! Wenn sie sich darin verlor, konnte sie gleich aufgeben, und das durfte sie nicht. Um ihrer selbst wegen nicht, und ebenso nicht wegen der anderen Menschen, die mit ihr in die Galaxis Spaphu verschlagen worden waren: Perry Rhodan und Antanas Lato. Die beiden saßen nach wie vor in Gefangenschaft. Shema hingegen hatte entkommen können und trug daher nun die Verantwortung, ihren Begleitern zu helfen.
Ihren Freunden.
Denen, die sich auf sie verließen!
Und Shema war auf einem guten Weg. Sie hatte es geschafft, Verbündete zu finden, einen Pakt einzugehen. Die Schempra, ihre Bündnispartner, waren nicht die Art von Personen, denen sie unter anderen Umständen vertraut hätte. Aber es herrschten nun mal keine anderen Umstände, sondern genau diese.
Sie waren auf einer Totenkultwelt angekommen, auf der es Grabwächter gab, auf der sich Grabräuber und Grabschänder gegenseitig misstrauten, bekämpften, verachteten oder auch Kooperationen eingingen. Shema schwirrte der Kopf, wenn sie an die verschiedenen Gilden auf der Totenwelt dachte, an die Khodavun und die Bamathuma, zu denen manchmal, aber nicht immer die Schempra gehörten ...
In diesem Moment allerdings spielte das keine Rolle. Aktuell zählte nur eines. Shemas Ziel war klar definiert. Sie hatte mit den Schempra ein Bündnis geschlossen. Sie würde ihnen bei einem speziellen Grabraubzug helfen, und im Anschluss leisteten die Schempra ihr im Gegenzug Beistand bei der Befreiung von Perry und Antanas.
Darauf musste sie sich konzentrieren. Shema und Schempra, das klang gut. Als wäre ihr Bündnis rein von der Lautung her beinahe zwangsläufig ...
Konzentration!, schalt sie sich.
Das Die Befreiungsaktion war ihre nächste Aufgabe, und es machte keinen Unterschied, ob sie ein Lichtjahr von zu Hause entfernt war oder eine Milliarde oder irgendetwas dazwischen. Dieses elende, unlogische Heimweh, das sie innerlich zerreißen wollte, war irrelevant!
Sie atmete tief ein, wieder aus, zählte stumm bis zehn und ließ dabei alles los, was sie ablenkte und kleinhielt.
Sie öffnete die Augen. »Wann brechen wir endlich auf?«, fragte sie.
*
Omlirr Oscha stand vor ihr, der Anführer der Schempra. Wenn man das, was er soeben tat, überhaupt stehen nennen konnte. Seine Beine bestanden wie die Arme aus ineinander verschlungenen Bündeln von Tentakeln, in sich extrem flexibel und ohne Gelenke. Womöglich lungerte er eher, oder er stützte sich.
Der Schempra war ein für menschliche Proportionen überschlankes, dürres Wesen, um einiges größer als Shema. Sein Kopf ähnelte grundlegend dem eines Terraners, die faustgroßen, schwarzen Augen wölbten sich vor. Die Haut war am ganzen Körper halb transparent – Omlirr Oscha trug wie alle Schempra Kleidung aus bunten Stoffbändern, die sich kreuz und quer wanden.
»Bald«, antwortete er auf Shemas Frage. Vier weitere seiner Art flankierten ihn. Sie hielten Waffen in den Greiflappen, in denen die Armtentakel ausliefen. »Unser Einsatzfahrzeug wird jeden Moment hier ankommen. Und du kannst froh sein.«
»Warum?«
Omlirr Oscha lachte. »Meistens regnet es auf Gée. Also genieße es, nicht nass zu werden.«
Shema hatte mit ihren Begleitern das mobile Hauptquartier der Schempra erst vor wenigen Minuten verlassen. Das eigenartige Fluggerät hatte sie auf einem kleinen Plateau am Hang eines Hügels abgesetzt, der noch etwa fünfzig Meter weiter aufragte. Unter ihnen rollten Wellen eines scheinbar unendlichen Meers auf sie zu. Der Blick verlor sich im Horizont, nichts trübte die Sicht auf die in der Ferne spiegelglatte Oberfläche.
Oder doch?
Etwas jagte über dem Wasser heran.
Die Schempra mussten es ebenfalls bemerken, blieben aber völlig gelassen, was Shema erleichterte. Wahrscheinlich handelte es sich um das von Omlirr Oscha angekündigte Einsatzfahrzeug.
Einsatz.
Eine beschönigende Umschreibung für den Raubzug, der vor ihnen lag. Aber was tat man nicht alles für seine Freunde? Der Gedanke brachte Shema zum Lächeln – ein angenehmes Gefühl. Wann hatte sie eigentlich zuletzt gelächelt?
Was sich dort vom Wasser her näherte, war ein Gleiter, der schon einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Die ramponierte Hülle wirkte, als wäre eine Horde gewaltiger Tiere darüber getrampelt, und manche Bereiche waren schwarz verfärbt wie von Feuer und Ruß.
Der Gleiter hatte die Form eines leicht gebogenen Fingers und mochte etwa zehn Meter lang sein. Er raste heran verlangsamte in Ufernähe und stieg langsam auf, kam dabei sachte näher und stoppte doppelt mannshoch über der kleinen Gruppe.
An der Unterseite schob sich ein Teil des Bodens zur Seite. Aus dem Schott fiel ein intensiv blauer, breiter Lichtstrahl. Wo er auf den Grund traf, stieg Staub flirrend in die Höhe; auch ein einzelner faustgroßer Stein hob ab. Offenbar handelte es sich um einen Antigravstrahl.
»Wir gehen rein!« Omlirr Oscha trat ins Licht und wurde nach oben gezogen. Zwei seiner Begleiter folgten, der dritte stieß Shema an. Sie gehorchte dem unausgesprochenen Befehl und ließ sich ebenfalls aufwärtsbefördern.
Im Gleiter erwarteten sie weitere Schempra in einer Halle, die nahezu den gesamten zur Verfügung stehenden Platz einnehmen musste. Shema schätzte, dass ein Einsatztrupp von etwa 25 Personen versammelt war. Viele redeten miteinander, die Stimmen verschwammen zu einem unverständlich-murmelnden Grundrauschen.
Das Schott schloss sich, sobald die letzten beiden Schempra an Bord gekommen waren. Der Gleiter flog los. Shema spürte die Beschleunigung. Mit den Andruckabsorbern schien es nicht zum Besten zu stehen.
Illustration: Swen Papenbrock
Omlirr Oscha ergriff das Wort, und augenblicklich verstummten alle. »Dies ist unsere Stunde«, sagte er. »Wir sorgen für Gerechtigkeit.«
Indem wir ein Begräbnisschiff ausrauben, dachte Shema.
»Unser Ziel ist der Weiße Konvoi der Sman, der in wenigen Stunden Gée erreichen wird.« Der Anführer der Schempra hob die verschlungenen Armtentakel und fächerte sie an den Spitzen auseinander. Das Geräusch, das dabei entstand, erinnerte Shema an das leise Schaben und Rauschen von Fledermausflügeln, das sie vor Jahren bei Nacht im Residenzpark in Terrania City gehört und seitdem nie vergessen hatte. »Es ist eine perfekte Zeit und eine wunderbare Gelegenheit, Wahrheit zu demonstrieren.«
Indem ...wir ...ein ...Begräbnisschiff ... ausrauben!
Shema machte sich klar, dass sie ihre eigenen, terranischen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Wahrheit vergessen musste. Es stand ihr nicht zu, ihre Maßstäbe auf die Gebräuche anderer Sternenvölker anzuwenden. Sie durfte nicht im moralischen Sinn beurteilen – und schon gar nicht verurteilen. Und dennoch, sie kam sich schäbig vor angesichts dessen, was sie gerade planten. Als wäre sie im Begriff, das exakte Gegenteil von Wahrheit und Gerechtigkeit in die Wege zu leiten ... eine Grabschändung.
»Wir werden den Irrtum der Sman korrigieren und die Fülle der Grabbeigaben an uns bringen. So können wir sie der Bevölkerung unserer Heimat übergeben!« Omlirr Oschas Tentakelspitzen zitterten, wohl ein Zeichen seiner inneren Erregung. Shema merkte es sich – es war gut, die Körpersprache ihrer Verbündeten zu verstehen. »Seht es euch an, meine Freunde! Seht euch an, was uns bevorsteht!«
Bei diesen Worten formte sich ein Holo unter der Hallendecke, etwa einen Meter über den Köpfen der – bis auf Shema – begeisterten Zuhörer. Es zeigte zunächst ein Sonnensystem vor einem purpurfarbenen Sternennebel – das hiesige Xaxiasystem, ein Juwel der Schönheit im All. Die Darstellung zoomte rasch in das System hinein, raste einer intensiv purpurn leuchtenden Gaswelt entgegen. Dies war der vierte Planet Krey, der jedoch nicht im Fokus blieb. Einer seiner großen Trabanten wurde ins Zentrum genommen – Gée, der Mond, auf dem sie sich befanden.
In der Nähe flogen Raumer: achteckige Scheibenschiffe, manche zu Komplexen verbunden, andere einzeln fliegend, dritte aufeinandergestapelt. Es handelte sich um etwa hundert Schiffe, und sie näherten sich auf Schleichfahrt dem Mond. Hinter sich her zog der Verband einen gewaltigen Schleier aus leuchtendem Weiß, der im All fast schmerzhaft hell strahlte.
Bei diesem Anblick ging ein Raunen durch die Reihen der Schempra.
»Der Weiße Konvoi der Sman!«, rief Omlirr Oscha mit dröhnender Stimme, und mit einem Mal kam Shema diese Demonstration – wohl eine Art Einsatzbesprechung – auf absurde Weise witzig, fast albern vor. »Es gibt viele Leichen auf Gée, Dutzende von Begräbnisritualen, aber wann immer ein Weißer Konvoi der Sman eintrifft, ist es eine Sensation unter all den Toten. Noch wissen wir nicht, welches das eigentliche Begräbnisschiff ist, aber bei der Landung auf Gée werden wir es leicht identifizieren können. Ein erhabener Moment! Ein Augenblick, den wir ausnutzen werden, um in das Hauptschiff einzudringen und die heiligen Grabbeigaben zu stehlen.«
»Dieser weiße Schleier«, ergriff Shema das Wort. »Woraus besteht er? Was ist sein Zweck?«
Kaum waren die Fragen ausgesprochen, starrten alle sie an, und sie wünschte sich, sie hätte geschwiegen, aber das Verlangen, die eigenartig ehrfürchtige Stimmung zu brechen, war übermächtig gewesen.
»Es sind die heiligen Gase, durchmischt mit Eiskristallen, an denen sie sich spiegeln, erleuchtet vom Sternenlicht«, erklärte Omlirr Oscha – Shemas Verständnis nach eine eher rituelle als wissenschaftlich-korrekte Antwort. »Das Erkennungszeichen des Weißen Konvois – das Signum der Sman im All, berühmt in ganz Spaphu.«
»Danke«, sagte Shema.
»Es ist gut, dass du dich in den Vordergrund gespielt hast«, sagte der Anführer der Schempra. »Es wird Zeit, dass jeder hier erfährt, wer und was du bist.«
Aus dem anschließenden Schweigen schloss Shema, dass sie selbst die Aufgabe übernehmen sollte, sich vorzustellen. »Mein Name ist Shema Ghessow. Ich bin Tellusierin.« So hatten Perry Rhodan, Antanas Lato und sie sich von Anfang an in Spaphu bezeichnet – Tellusier. Zwar hatte in dieser Galaxis mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin noch nie jemand von einem Volk namens Terraner gehört, aber sicher war sicher. »Ich habe mich mit eurem Anführer und mit euch allen verbündet. Für die Dauer dieses Raubzugs werde ich euch unterstützen, und dafür werde ich anschließend von euch bei einem Projekt Hilfe erhalten.«
»Und nun sag, was du bist«, forderte Omlirr Oscha.
Zuerst begriff Shema nicht, dann verstand sie, oder ahnte zumindest, worauf er hinauswollte. Bisher hatte sie mit Details zu ihrer Gabe hinter dem Berg gehalten, aber sie spürte, dass das nun keinen Sinn mehr hatte. Sie hatte nichts zu verlieren. »Ich bin eine Mutantin. Meine Paragabe ist ungewöhnlich. In meinem Volk gibt es niemanden, der ebenfalls über sie verfügt.« Weil Oscha ohnehin darüber Bescheid wusste, beschloss sie, mit offenen Karten zu spielen. Sie hatte nichts zu verlieren. »Ich vermag, in eine Senke im Hyperraum zu wechseln und somit diese dreidimensionale Realität zu verlassen. In dieser Senke kann ich mich – bezogen auf den Normalraum – eine kleine Strecke weit fortbewegen.«
Wieder ging ein Raunen durch die Versammelten.
Klasse, dachte Shema süffisant. Ich bin ebenso toll wie der Anblick von hundert Scheibenschiffen, die eine leuchtende Gaswolke hinter sich herziehen.
»Und deshalb«, rief der Anführer der Schempra, »habe ich zugestimmt, mich mit ihr zu verbünden. Dies wird eine andere Art des Raubzugs sein, anders, als wir es jemals zuvor erlebt haben. Ein glorreicher Triumph, elegant und voll Schönheit!« Shema fand diese schwülstige Rede von Satz zu Satz befremdlicher. »Ehren wir den Verstorbenen, indem wir seine Grabbeigabe dem Zweck zuführen, dem sie eigentlich dienen sollte!«
Alle jubelten daraufhin, und weil sie die erwartungsvollen Blicke auf sich ruhen fühlte, jubelte Shema mit.
*
Wenig später zog sich Omlirr Oscha aus dem Hauptraum des Gleiters zurück, und er gab Shema einen Tentakelwink, ihm zu folgen. Er steuerte eine verschlossene Tür an, die sich bei seiner Annäherung automatisch öffnete, indem sie zischend im Boden versank. Kaum hatten sie sie passiert, schloss sie sich wieder.
Der Raum war klein, ein Würfel mit einer Kantenlänge von etwa zweieinhalb Metern. In einer Ecke lehnten hohe Kissen an den Wänden und am Boden, bezogen mit einem bunt verzierten Stoff, der perfekt zu den Kleiderbahnen des Schempra passte. Omlirr Oscha ließ sich darauf nieder, einer der Armtentakel zupfte dabei das Seitenkissen zurecht.
»Über den Teil des Einsatzes, über den ich nun mit dir rede«, sagte er, »wissen die anderen Bescheid. Darum informiere ich nun gezielt dich. Und ich muss wissen, wozu genau du fähig bist.«
Offenbar dazu, meine ethischen Bedenken zumindest teilweise über Bord zu werfen, wenn es darauf ankommt. Diesen Gedanken behielt Shema für sich.
»Der Sman, der in diesem Weißen Konvoi begraben, geehrt und einer neuen Existenz zugeführt wird, war ein Komde seines Volkes – ein Anführer. Ein in sehr hohem Maß verehrter Komde, vor allem in den letzten Monaten vor seinem Tod. Seine Grabbeigabe ist wundervoll. Wir wissen, dass ihm vier Figuren mitgegeben werden. Herrliche Statuen aus reinem Osmium.«
»Und diese werden wir rauben?«
»Nicht wir. Du. Nimm sie mit dir in deine Hyperraumsenke, schaff sie aus dem Begräbnisschiff und in diesen Gleiter.« Die schwarzen Augen schienen noch weiter aus dem Kopf hervorzuquellen, als er sie fixierte. »Kannst du das, Shema Ghessow?«
»Es kommt darauf an. Wie groß sind diese Statuen?«
Omlirr Oscha deutete mit den Armtentakeln eine Spanne von etwa 15 Zentimetern an.
Das würde für Shema ein Leichtes sein. »Vermutlich – ja«, sagte sie. Die Schempra mussten ja nicht unbedingt genau wissen, wozu sie in der Lage war.
»Sehr gut. Wir werden mit dem Gleiter so nahe heranfliegen wie nur irgend möglich. Dann mischen wir uns unter die Trauernden. Meine Begleiter werden sich in der Nähe halten. Sie fliegen nur aus zwei Gründen mit uns. Einer davon ist, dass sie eingreifen werden, wenn wir um Hilfe rufen.«
»Und der zweite?«
»Es könnte vor Ort zu Problemen kommen. Nicht unbedingt mit den Sman, wobei sie sich nicht gerne berauben lassen, weil sie in dem störrischen Irrglauben leben, ihre Weißen Konvois und die Grabbeigaben würden die Toten ehren. Aber sehr wohl mit den Farrkhaduroniir.«
»Das sind Grabräuber, ähnlich wie ihr, nicht wahr?«
»Nein!« Die Beintentakel des Schempra gerieten in hastige, wimmelnde Bewegung. »Nicht wie wir! Sie ähneln uns nicht einmal!«
»Ich wollte dich nicht beleidigen. Es ist nur schwer für mich, die hiesige Kultur zu verstehen.«
»Sie sind Grabräuber und rituelle Grabschänder! Wir hingegen sind nur und ausschließlich Grabräuber.«
Was nicht gerade so viel besser ist, dachte Shema.
»Die Schänder rekrutieren sich aus den Völkern der Kollkor und Yellionen, und sie folgen einer obskuren Weltanschauung. Ja, gewiss, manchmal kooperieren wir mit den Yellionen, aber das hat nichts mit dem aktuellen Weißen Konvoi zu tun.«
Shema stand nach wie vor bei der Tür, weil der Raum schlicht keinen Platz bot, um mehr als einen oder maximal zwei Schritte zu gehen. »Ich ahne, was du mir sagen willst – aber deine Worte sind ein Beweis dafür, wie schwer ein Außenstehender eure Gebräuche verstehen kann.«
»Pah«, machte der Schempra. »Und du glaubst wohl, mir fiele es leicht, zu begreifen, warum du deine Freunde befreien willst, wo du doch selbst ausgebrochen bist und sie nicht aus eigener Kraft dazu in der Lage sind? Wenn sie so schwach sind, dann lass sie zurück! Was willst du mit ihnen?«
»Nein«, stellte Shema klar. »Das ist nicht meine Art.«
»Dann ist deine Art falsch. Aber unser Pakt steht, auch wenn das, was du von uns als Gegenleistung forderst, völlig unsinnig ist. Das ist dein Problem, nicht das meine.«
»Gut«, sagte Shema. »Wir sind uns einig. Ich hole die Statuen aus dem Schiff, ihr kümmert euch um die Bamathuma, wenn es nötig sein sollte.«
»Fast. Wir beide gehen in das Schiff. Du wirst meine Hilfe brauchen, um dich zu orientieren.«
»Einverstanden.«
»Nun, da alles geklärt ist, Shema Ghessow – wohne dem wundervollen Moment bei. Die Zeit ist gekommen. Der Weiße Konvoi wird landen. Der Einsatz beginnt!«
Eine Erinnerung
Meine Erinnerungen tanzen und wirbeln, und jede fordert mit gleicher Vehemenz ein, gehört zu werden. Es gibt solche, die nur einen einzigen Augenblick umfassen, der längst vergangen ist und doch immer präsent bleibt. Manche sind ausführlich und hängen mit andern zusammen, knüpfen sich zu einem Netz, das jedoch zerrissen ist, als ich gestorben bin. Sie trudeln und taumeln. Dies ist eine dieser Erinnerungen, nur Monate vom Zeitpunkt meines Todes entfernt:
»Tassam? Tassam, wo bist du?«
Ich höre die Stimme meiner geliebten Rinigar, doch ich bin nicht in der Lage, auf ihren Ruf zu antworten. Ich versuche es, aber mein Körper ist gelähmt, alles bleibt stumm, wenn ich sprechen will. Ich kann nicht einmal auf den Utensilstern zugreifen, um ein Notsignal abzugeben.
»Tassam?«
Wieder ruft sie mich, und diesmal höre ich deutlich die Angst, die sie in diesen Augenblicken empfindet. Zweifellos befürchtet sie, dass meine Krankheit einen neuen Anfall ausgelöst hat. Was ja den Tatsachen entspricht. Vielleicht denkt sie darüber nach, ob es nun so weit ist. Ob ich gestorben bin.
Wenigstens diese Befürchtung würde ich ihr so gerne nehmen, aber ich kann es nicht. Mein Körper lässt es nicht zu. Ich liege erstarrt und bewegungslos auf dem Rücken irgendwo in den Weiten zwischen unserer Wohnung und dem Fluss. Im dichten Blätterdach über mir raschelt es; ein Vogel fliegt davon. Mein linker Fühler ist unter dem Kopf abgeknickt.