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Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Eines dieser Refugien befand sich in der Galaxis Gruelfin und konnte sichergestellt werden, ein anderes in der Kondor-Galaxis, wo Perry Rhodan es zu bergen versucht. Um ihn zu unterstützen, entsendet die Liga Freier Galaktiker die erneuerte RAS TSCHUBAI – ihr größtes Fernraumschiff überwindet 200 MILLIONEN LICHTJAHRE ...
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Seitenzahl: 166
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Nr. 3250
200 Millionen Lichtjahre
Eine weite Reise für die RAS TSCHUBAI – im Leerraum droht die Katastrophe
Christian Montillon
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog: In den Schatten
1. Das Artefakt
2. Vergangenheit: Zugriff
3. Purpurschimmern
4. Vergangenheit: Reisestart
5. Jenseits
6. Vergangenheit: Abgedriftet
7. Rettungsmission
8. Vergangenheit: Verschwunden
9. Kunstwerk
10. Vergangenheit: Versetzt
11. Mutantenarbeit
Epilog: Schattengedanken
Die Rückkehr der RAS TSCHUBAI
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.
Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.
Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint in Fragmente zersplittert zu sein, die sich in verborgenen Fragmentrefugien ballen. Eines dieser Refugien befand sich in der Galaxis Gruelfin und konnte sichergestellt werden, ein anderes in der Kondor-Galaxis, wo Perry Rhodan es zu bergen versucht. Um ihn zu unterstützen, entsendet die Liga Freier Galaktiker die erneuerte RAS TSCHUBAI – ihr größtes Fernraumschiff überwindet 200 MILLIONEN LICHTJAHRE ...
Farye Sepheroa-Rhodan – Die Missionskommandantin sucht einen Saboteur.
Icho Tolot – Der Haluter sucht einen seltsamen Ort auf.
Kmossen – Der im Schatten tritt kurz ins Licht.
Der Präsident
Prolog
In den Schatten
Kmossen wartete auf einer jener Welten, die tief im uralten Netz verborgen lagen. Seine Gedanken brüteten Vorstellungen aus, und er tat das, was er am besten konnte: Er manipulierte und führte in die Irre.
Für die, auf die er wartete, war die Falle gestellt. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Terraner eintrafen.
Im Laufe seines Lebens hatte er Ereignisse von kosmischer Tragweite beobachtet, beeinflusst, ausgelöst und für seine Zwecke genutzt. Er kannte das, was die einen Wunder nannten, die anderen Katastrophen. Für ihn spielten derlei Benennungen keine Rolle – was machte es für einen Unterschied? Der Kosmos entwickelte sich und schuf Fakten. Fakten waren weder gut noch schlecht, und schon gar nicht wohnte ihnen eine moralische Dimension inne.
Zivilisationen entstanden und vergingen, mal im Laufe von Äonen, mal in einem Augenblick. Für Kmossen war es nicht von Belang, ob sie lebten oder starben, solang sie nur ihre Rolle erfüllten. Solang er ausnutzen konnte, dass sie lebten oder starben. Notfalls half er nach, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Dass er sich mit einer Nichtigkeit wie einem einzelnen Raumschiff überhaupt abgab, dass er so viel Mühe darauf verwendete, war seit Jahrtausenden nicht mehr vorgekommen. Aber so waren sie, die Terraner. Lästig in ihrer Arroganz, sich in die Entwicklung des Kosmos einzumischen.
Lästig.
Aber sollten sie nur kommen, in ihrer RAS TSCHUBAI. Das Netz wartete auf sie. Die Falle wartete.
Kmossen würde sie gebührend empfangen.
Er war das Dunkle, das in den Schatten lauerte.
Er war derjenige, der Wege bereitete und umlenkte.
1.
Das Artefakt
Icho Tolot fühlte sich wohl. Nicht dass der zurückliegende Flug einfach gewesen wäre, ganz im Gegenteil, aber Probleme hatten ihn nie zurückgeschreckt. Und nun beendete die RAS TSCHUBAI die letzte große Etappe der gewaltigen Reise nach Spaphu.
Der Haluter empfand diesen speziellen Nervenkitzel, den nur Fernreisen mit sich brachten, die Ankunft an Orten im Universum, über die man nichts wusste und an denen alles möglich war.
Seine beiden Gehirne kommunizierten miteinander, das Ordinär- und das Planhirn; sie tauschten Fakten und Erwartungen, Informationen und Stimmungen, und es floss im Millisekundentakt: Ankunft in 1,2439 Millionen Lichtjahren Entfernung vom Rand der Zielgalaxis. – Der Anblick im Holo ist überwältigend schön! –Die RAS TSCHUBAI ist aller Präzision und Planung zum Trotz vom Kurs abgewichen. – Ich spüre die Begeisterung der Menschen um mich herum. – Die Temperatur beträgt 21,4 Grad Celsius. – Farye ist erleichtert.
Icho Tolot lachte, und es dröhnte durch die ganze Zentrale. Er dämpfte die Lautstärke nicht so stark wie sonst; das erschien ihm der Situation angemessen. Der vierarmige, schwarzhäutige Koloss mit dem Kugelkopf war weit größer als ein Terraner, wog ein Vielfaches, sprach lauter ... schlicht alles an ihm war gewaltiger. Er musste behutsam sein im Umgang mit ihnen; eine Vorsicht, die er seit so vielen Jahrhunderten übte, dass sie ihm bereits in Fleisch und Blut übergegangen war.
Spaphu war immer noch halb so weit entfernt wie die Milchstraße von ihrer Nachbargalaxis Andromeda. Trotzdem waren diese mehr als eine Million Lichtjahre nur ein Bruchteil der Strecke, die hinter der RAS TSCHUBAI lag.
Mehr als 200 Millionen Lichtjahre, eine unvorstellbare Entfernung.
Die Mannschaft in der Zentrale ging an die Routinearbeit nach dem Ende einer Überlichtetappe – man sondierte, maß, schöpfte Daten. Die Semitronik ANANSI nahm alles auf, setzte zueinander in Bezug, wertete aus.
Und bald entnahm Zynshird, der auf Terra geborene Gataser und Leiter der Hyperfunk- und Ortungsabteilung, den Daten dasselbe Ergebnis, das Icho Tolots Planhirn aufgrund der Listen im Umgebungsholo längst erkannt hatte.
»Wir sind auf sicherer Position«, meldete Zynshird von seinem Platz aus, den Blick aller vier Augen auf die sechs Holos rund um seinen Tellerkopf geheftet, »aber wir sind vom Kurs abgekommen. Nicht wesentlich – das Schlimmste haben wir verhindern können. Es hätte weitaus übler ausgehen können, wenn wir nicht ...« Er brach ab. »Entschuldigung. Ich schweife ab. Das wisst ihr schließlich selbst. Also: Wir sind vierundfünfzigtausend Lichtjahre von der eigentlichen Zielposition entfernt.«
Und es ist kein Zufall, dass wir ausgerechnet an diesem Ort gelandet sind, dachte Icho Tolot; was das anging, kamen Plan- und Ordinärhirn zum selben Ergebnis. »Genau zwischen uns und Spaphu befindet sich eine Quelle ungewöhnlicher Hyperstrahlung. Etwa auf halber Strecke, aber leicht oberhalb der direkten Verbindungslinie, fünfhunderttausend Lichtjahre entfernt.«
Zynshirds Tellerkopf kippte leicht nach vorne. Die Holos machten die Bewegung automatisch mit. Er griff in die dreidimensionalen Abbilder, verschob einzelne Elemente, zoomte den entsprechenden Bereich näher heran.
»Ein gewaltiger Bereich mit Hyperstrahlung«, bestätigte er. »Sie scheint nicht zufällig zu entstehen, sondern ein Muster zu bilden. Als wäre sie irgendwie strukturiert. Allerdings erkenne ich es nicht genauer, wir sind zu weit weg. Der Bereich umfasst ... Moment, das könnte ein Messfehler sein.«
Seine Hände bewegten sich schneller.
»Kein Fehler«, sagte er dann. »Der Bereich durchmisst etwa fünfhundert Lichtjahre.« Er zögerte und wiederholte: »Fünfhundert Lichtjahre! Das ist unfassbar. Wenn wir mehr darüber erfahren wollen, müssen wir viel näher heranfliegen. Wir sind nicht zufällig an genau dieser Position! Wenn die Zone auf direkter Linie zwischen uns und Spaphu liegen würde, hätten wir sie vor dem Hintergrund der Galaxis nicht wahrnehmen können.«
»Wir werden wahrscheinlich dorthin fliegen«, sagte Farye Sepheroa-Rhodan, die Kommandantin. »Aber immer mit der Ruhe. Wir haben eine Überlichtetappe von siebzig Millionen Lichtjahren hinter uns. Wir schauen uns alle Systeme und die Umgebung noch genauer an. Dann sehen wir weiter.«
Selbstverständlich hatte Farye mit dieser Entscheidung recht, und es war die einzige vernünftige Vorgehensweise. Dennoch fühlte Icho Tolot die Neugierde und Ungeduld des Forschers, der wissen wollte, was es mit dem Phänomen vor ihnen auf sich hatte.
Ein Bereich aus Hyperstrahlung von 500 Lichtjahren Durchmesser? Strahlung, die ein Muster zu bilden schien? Warum das? Ging sie von einem Objekt aus? Und welche Art Artefakt – Icho Tolot entschied sich, vorläufig diese Bezeichnung zu nutzen – konnte etwas Derartiges bewirken?
Er konnte es kaum erwarten, diesem Gebilde auf den Leib zu rücken, und er zweifelte keinen Augenblick daran, dass es den anderen ebenso erging. Sein Blick wanderte durch die Zentrale und blieb am Platz der Kommandantin hängen – Farye Sepheroa, die Enkelin seines alten Freundes Rhodanos, die längst aus dem Schatten ihres berühmten Großvaters herausgetreten war.
*
Farye fiel es schwer, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren, auf das Hier und Jetzt.
Die RAS TSCHUBAI hatte vor wenig mehr als einem halben Jahr die Milchstraße verlassen, am 5. September 2097 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Das Schiff hatte sich auf die extrem weite Reise nach Spaphu gemacht – über mehr als 200 Millionen Lichtjahre. Eine lange Zeit der Reparatur und des teilweise völligen Neubaus in den Luna-Werften war diesem Aufbruch vorausgegangen, nachdem die RAS TSCHUBAI im Kampf gegen den Chaoporter FENERIK nahezu zerstört worden war.
Noch vor dem Start ihrer aktuellen Reise hatte es ... Schwierigkeiten an Bord gegeben, die die ganze Mission leicht hätten scheitern lassen können. Und während des Fluges war es noch schlimmer weitergegangen.
Aber all das durfte Farye nicht ablenken, obwohl es offensichtlich Auswirkungen gab – dass sie mehrere Zehntausend Lichtjahre vom Kurs abgekommen waren, bewies das überdeutlich. Sie würde sich später darum kümmern müssen, auch ob der Saboteur ihnen weitere Probleme hinterlassen hatte.
Sämtliche Statusmeldungen aus den unterschiedlichsten Bereichen des Schiffes zeigten allerdings grünes Licht; alles schien in Ordnung zu sein. Überall in der RAS TSCHUBAI nahmen die Dinge ihren geregelten Lauf. Die Mannschaft funktionierte. Testreihen starteten, ANANSI sammelte Daten.
Farye kündigte der Zentralebesatzung an, dass sie sich in ihren Besprechungsraum zurückziehen würde. Den Kommandantensessel übergab sie ihrem Ersatzmann im Kommando der RAS TSCHUBAI, dem Terraner Andris Kantweinen.
Sie bat Icho Tolot zu sich. Der Haluter verfügte über mehr Erfahrung als die gesamte restliche Zentralebesatzung zusammengenommen. Sie schätzte und brauchte seinen Rat. Außerdem hatte er die stellvertretende Gesamtleitung der Mission inne.
Farye fungierte derzeit als Kommandantin der RAS TSCHUBAI einerseits und der Gesamtmission andererseits. Zumindest die zweite Aufgabe hoffte sie, bald abgeben zu können ... sobald sie in Spaphu Perry Rhodan gefunden hatten. Immerhin mussten sie dazu ja nur einen einzelnen Mann und seine beiden Begleiter irgendwo in den ewigen Weiten einer Riesengalaxis finden.
Illustration: Swen Papenbrock
Farye baute darauf, dass es Perry gewohnt war, Spuren zu hinterlassen, weil er dort, wo er auftauchte, massiv ins Geschehen eingriff und Taten von kosmischer Bedeutung vollbrachte. Sie mussten die Augen offen halten und wahlweise nach einem Retter oder einem Störenfried suchen.
Während sie sich in Richtung Besprechungsraum zurückzog, was von ihrem Kommandantensessel aus nur eine Strecke von wenigen Metern bedeutete, hörte sie die stampfenden Schritte des Haluters, die sich ihr näherten. Kurz darauf schloss sich die Tür hinter ihnen. Farye und Icho Tolot waren allein in dem kleinen Raum, der sich direkt an die Zentrale anschloss. Sollte Alarm gegeben werden, konnten sie in wenigen Augenblicken dorthin zurückkehren.
Erst in der Stille, die nun herrschte, wurde Farye deutlich, wie laut und betriebsam es eben noch gewesen war; die Offiziere, die diese und jene Meldung abgaben; die Signaltöne eingehender Nachrichten; da ein Sesselrücken, dort ein Räuspern. Im Besprechungsraum war nichts von alldem zu hören, er schloss schalldicht ab. Selbst in einer Alarmphase könnte man sich abschotten, um nachdenken zu können.
»Sorgst du dich?«, fragte Icho Tolot.
Farye lächelte schmallippig. »Du nicht?«
»Die Neugierde überwiegt. Ich will dieser Strahlung auf den Grund gehen.«
»Neugierde«, wiederholte Farye nachdenklich. Das brachte ihr eigenes Empfinden gut auf den Punkt. »Ich gehe davon aus, dass wir nicht zufällig so materialisiert sind, dass dieses riesige Strahlungsgebiet genau zwischen unserer Position und Spaphu liegt, aber so, dass wir es wahrnehmen können.«
»Ich glaube ohnehin nicht an Zufälle«, meinte der Haluter. »Dinge ereignen sich, und nicht alle tragen eine Bedeutung in sich ... aber diese Konstellation durchaus. Ein letztes Werk des Saboteurs.«
Täuschte sich Farye, oder lag in Ichos Worten nicht nur Verachtung, sondern fast sogar ... Hass? Der Haluter war nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, aber man hatte ihm die Wut deutlich angemerkt, als sie den Saboteur letztlich enttarnt hatten und seine wahre Identität ans Licht gekommen war. Und wehe dem, der den Zorn eines Haluters weckte!
»Was schlägst du vor?«, fragte Farye.
Tolot lachte grollend. »Gegenfrage: Was denkst du?«
»Ein solches Gebilde so nah vor unserer Zielgalaxis ist nichts, das wir einfach unbeachtet lassen können. Es durchmisst fünfhundert Lichtjahre. Fünf-hun-dert! Es ist von kosmischer Bedeutung, keine Frage. Und wir sind hier, weil wir etwas von kosmischer Bedeutung suchen. Es könnte sein, dass es einen Zusammenhang mit dem hiesigen ES-Fragment gibt.«
»Aber?«
»Aber wenn der Saboteur uns mit der Nase darauf stößt, bedeutet das nichts Gutes.«
Tolots rote Augen schienen noch heller zu sein als sonst, während er Farye fixierte. »Und dennoch bist du davon fasziniert. Genau wie ich. Wenn es sich um eine Falle handelt – und das halte ich sogar für wahrscheinlich –, ist unserem Gegner klar gewesen, dass wir genau das erwarten. Und dennoch ist der Köder gut. So gut, dass mein Vorschlag lautet: Wir sehen uns das genauer an.«
Farye ging näher, legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihm auf. Icho Tolot war doppelt so groß wie sie. »Wir denken ähnlich.«
Er streckte das obere Armpaar aus, umfasste sie vorsichtig und hob sie hoch, vor sein Gesicht. »Das liegt daran, dass wir richtig denken.«
»Sagten die beiden Narren, bevor sie ihr Schiff sehenden Auges in den Untergang führten.«
2.
Vergangenheit: Zugriff
Du musst nicht mitgehen, hatte man Farye zwar gesagt, doch ihrem Ich will aber hatte niemand widersprochen. Immerhin hatte sie die Gesamtleitung der kommenden Mission inne, und sie wollte sich höchstpersönlich um alle Risikofaktoren kümmern. Oder zumindest so gut wie möglich darüber Bescheid wissen.
Es war der 1. September 2097 NGZ – noch vier Tage bis zum geplanten Start der RAS TSCHUBAI nach Spaphu. Vier lächerliche Tage, und es gab tatsächlich eine vorher nicht entdeckte Sicherheitslücke in den Besatzungslisten!
Farye begleitete ein Team aus Agenten des TLD, des Terranischen Liga-Dienstes. Der Plan sah vor, dass diese die eigentliche Arbeit erledigten; Farye wollte beobachten und womöglich Fragen stellen. Ihre Anwesenheit würde auf die Zielperson hoffentlich Eindruck machen, auf die eine oder andere Weise. Ob Elgon Berno deshalb gesprächiger würde, war völlig offen. In wenigen Minuten würde man zumindest in dieser Hinsicht schlauer sein.
Sie flogen auf einer Schwebeplattform durch oder besser: über Terrania City – Farye, drei TLD-Agenten und ein TARA-Kampfroboter unter einem Deflektorschirm. In diesem Moment erreichten sie den Stadtteil Atlan-Village, ein flaches Häusermeer mit einer Menge Grün. Es sah ruhiger aus als das sonstige Terrania, weniger geschäftig, weniger bombastisch – ein Stadtteil der Künstler und Studenten. Und in einem Fall auch das eines Verräters.
Elgon Berno war Hypertechniker in der Mannschaft der RAS TSCHUBAI, Absolvent der Waringer-Akademie und Zweitbester seines Jahrgangs – angeblich, weil er eine Frage absichtlich falsch beantwortet hatte, um nicht zu sehr im Vordergrund zu stehen. Laut einer Einschätzung seines cheborparnischen Prüfers Meilegar Sterofanigo war es allerdings durchaus möglich, dass Berno dieses Gerücht selbst in die Welt gesetzt hatte, um eben gerade doch Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Fest standen zwei Dinge: Elgon Berno war ein brillanter Hypertechniker und ein Mitglied des Clubs der Lichtträger, gehörte also zu denjenigen, die im Untergrund arbeiteten. Die Lichtträger bedienten sich eindeutig der falschen Mittel, um die Suche nach den ES-Fragmenten zu verhindern. Und ihre exakten Ziele lagen immer noch im Dunkeln.
Die Schwebeplattform ging tiefer. »Noch mal, Farye Sepheroa«, sagte Terian Mol, der Anführer des TLD-Teams. »Wir landen, dringen in das Gebäude ein, stellen ihn. Den Daten unserer Beobachtungssonde zufolge ist er zu Hause, und allein. Es wird ein Kinderspiel, außer er besitzt als Überraschung ein Waffenarsenal. Aber auch dann werden wir ihn festsetzen. Wir sind zu dritt und haben den TARA. Für dich gilt auf jeden Fall, dass du dich zurückhältst. Klar?«
Farye lächelte brav und nickte noch braver. Sie trug genau wie die TLD-Agenten einen leichten SERUN mit Tarnfunktion, der normale Straßenkleidung simulierte. Vergleichbare Schutzanzüge hatten ihr bereits in so manchen Kämpfen Sicherheit verliehen – sie konnte damit bestens umgehen, sowohl mit SERUNS als auch mit Kämpfen. Dennoch würde sie nichts unternehmen, das Terian Mol beunruhigte oder sogar seine Autorität untergrub. Er tat seinen Job, und darin war er gut. Sie stand für die Dauer dieses Einsatzes unter seinem Befehl.
»Entschuldigung«, sagte sie.
»Wofür?«
»Dass meine Anwesenheit dich stört.«
»Wie kommst du darauf, dass ...« Er stockte. Seine Zunge huschte kurz über die Unterlippe. »Du störst mich nicht«, sagte er zögerlich. »Es geht lediglich um die Missionssicherheit.«
»Ich kann gut auf mich aufpassen.«
»Das habe ich schon zu oft gehört.«
»In meinem Fall stimmt es.«
»Sagen alle.« Terian Mol winkte ab. »Aber klar, was dich angeht, habe ich in der Tat keine Bedenken. Du bist eine Legende, das ist dir doch klar, oder?«
Das war es ihr tatsächlich nicht. Darum hob sie skeptisch eine Augenbraue. »Weil ich die Enkelin des großen Perry Rhodan bin?«
»Das war vielleicht früher irgendwann so«, sagte Terian Mol. »Bevor du ein paar Jahrhunderte geschlafen hast.«
Das traf es zwar nicht ganz, aber Farye wusste, was er meinte. Wie könnte sie dieses Gefühl vergessen, als sie in die Suspension ging, um das Chaotemporale Gezeitenfeld zu durchqueren ... und ein halbes Jahrtausend später aufwachte?
»Seitdem bringt dich kaum noch jemand mit Perry in Verbindung«, sagte Terian Mol. »Du bist ... na ja, du. Und du wirst die RAS TSCHUBAI befehligen auf der ersten Mission nach ihrem Umbau.«
Farye merkte, dass er eine Antwort erwartete, aber sie wusste nicht, was sie erwidern sollte. »Danke«, sagte sie deshalb. Das passte nicht ganz, schien ihm aber zu genügen, wenn sie sein Grinsen richtig deutete.
»Wir sind gleich am Ziel«, sagte er.
Die Plattform landete auf dem Dach des Kosmokrats, der zur Zeit wohl angesagtesten Kneipe von Atlan-Village, vielleicht von ganz Terrania. Und nebenbei ab dem dritten unterirdischen Geschoss ein TLD-Geheimstützpunkt.
Dorthin gingen sie jedoch nicht, als sie den Antigravschacht nutzten, der vom Rand des Dachs senkrecht an der Außenwand nach unten führte, nur mit Glas gebaut, sodass man einen perfekten Blick auf die anschließende Parkanlage genoss. Einige Hunde tollten dort um eine Gruppe von Ferronen – doppelschwänzige Tiere mit weißem Langhaarfell. Farye hatte eine Trivid-Dokumentation über die etwas großspurig als Wölfe von der Wega bezeichneten Tiere gesehen.
Der getarnte TARA-Kampfroboter schwebte mit seinem eigenen Flugaggregat neben dem Glasschacht her, hielt sich stets in der Nähe von Farye und dem fünfköpfigen TLD-Team. Dabei blieb er unter dem Deflektorschirm unsichtbar; sie nahmen ihn lediglich auf einem kleinen Peilgerät wahr, das jeder am Armgelenk trug.
Das Zielgebäude – Farye dachte während dieses Einsatzes sogar im Jargon des TLD – lag auf der anderen Seite der Parkanlage. Ein Weg von etwa drei Minuten zu Fuß.
Sie hörte die Wega-Wölfe bellen und warf einen beiläufigen Blick dorthin. Die Ferronen trainierten die Tiere offenbar, sie standen in einer schnurgeraden Linie. Dahinter, im Schatten eines Laubbaums mit weit ausladender Krone und rötlichen Blättern, saßen einige Familien. Ein Robotkoch servierte Gegrilltes aus einer mobilen Küche. Der Himmel war strahlend blau, kein Wölkchen zu sehen.
Eine nahezu perfekte Idylle. Farye überlegte, ob sie nach Atlan-Village ziehen sollte, nachdem sie von der RAS TSCHUBAI-Mission nach Spaphu zurückgekehrt sein würde. Sie glaubte schon immer, dass es die schönste Ecke Terranias war.
Ein paar Schritte weiter endete die Idylle.
Elgon Berno bewohnte ein kleines Haus direkt am Parkrand. Bis vor Kurzem hatte es drei Miniwohnungen für Studenten der Terrania Space Academy beherbergt, ehe es Berno komplett für die Dauer eines Lehrauftrags zur Verfügung gestellt worden war. In drei Tagen würde er das Haus verlassen und sein Quartier in der RAS TSCHUBAI beziehen. So war es zumindest gedacht gewesen. Bis es dem TLD aufgrund der von Aurelia Bina gelieferten Daten gelungen war, seine heimliche Zugehörigkeit zum Club der Lichtträger zu beweisen.
Das 17. Mitglied der RAS TSCHUBAI-Besatzung, das Dank Bina auf diese Weise enttarnt werden konnte.
Siebzehn!