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Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Mehrere dieser Fragmente konnten gefunden und geborgen werden, aber nicht immer verlief alles nach Plan. In der Milchstraße sammeln sich nun alle gefundenen Fragmente – und bilden damit ein Angriffsziel für den großen Hintertreiber des Plans, ES neu entstehen zu lassen: Kmossen, Proto-Quintarch von FENERIK. Die Galaktiker müssen versuchen, die Fragmente an einen geschützten Ort zu bringen. Und so sammelt sich im Solsystem DER ES-KONVOI ...
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Seitenzahl: 171
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Nr. 3296
Der ES-Konvoi
Ein unbekannter Faktor – der Kampf um die Fragmente tobt
Christian Montillon
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Vergangenheit: Eine Revolution der Gedanken
2. Gegenwart: Interview mit einem Arkoniden
3. Vergangenheit: Terrassierung
4. Gegenwart: Vorstoß ins Chaos
5. Vergangenheit: Aufstieg eines Verlierers
6. Gegenwart: Inmitten der Feinde
7. Vergangenheit: In die Schatten
8. Gegenwart: Das schwarze Netz
9. Vergangenheit: Es wird ernst
10. Gegenwart: Morgendämmerung
Report
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr.
Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien.
Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.
Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Mehrere dieser Fragmente konnten gefunden und geborgen werden, aber nicht immer verlief alles nach Plan.
In der Milchstraße sammeln sich nun alle gefundenen Fragmente – und bilden damit ein Angriffsziel für den großen Hintertreiber des Plans, ES neu entstehen zu lassen: Kmossen, Proto-Quintarch von FENERIK. Die Galaktiker müssen versuchen, die Fragmente an einen geschützten Ort zu bringen. Und so sammelt sich im Solsystem DER ES-KONVOI ...
Atlan – Der Arkonide geht in den Einsatz.
Aurelia Bina – Die Posmi kämpft mit hohem Risiko.
Dominic Zinn – Der Wissenschaftler wird verkannt.
Monkey
Aus Hoschpians unautorisierter Chronik des dritten Jahrtausends NGZ:
Gegen Ende des Jahres 2098 NGZ trat die Auseinandersetzung um die mögliche Wiederherstellung der Superintelligenz ES in die entscheidende Phase. Die Galaktiker hatten die ES-Fragmente gefunden und geborgen. Damit war der entscheidende Schritt getan.
Oder besser gesagt: ein entscheidender Schritt, denn die schlimmsten Probleme begannen damit erst. Die Wiederherstellung sollte sich im Inneren der damaligen Yodor-Sphäre vollziehen. Es ist eine besondere Ironie für uns Historiker, dass jemand unserer Profession bei der Überführung der Fragmente in die Sphäre für ein Desaster sorgte.
1.
Vergangenheit: Eine Revolution der Gedanken
Dominic Zinn wusste, dass er das Zeug hatte, die Gedankenwelt einer ganzen Generation zu erneuern. Er redete nicht gern darüber. Nur wenn er ein wenig zu viel getrunken hatte, was selten vorkam, rutschten ihm Dinge heraus wie in diesem Moment: »Auf meinem Grabstein soll irgendwann stehen: Er veränderte die Art des Denkens.«
Ihm saß ein Cheborparner gegenüber. Er mochte diese Leute. Sie hatten nicht nur unaussprechliche Namen, die sich die meisten Terraner – im Unterschied zu Dominic – nicht merken konnten; viele von ihnen waren auch klare, strukturierte Logiker. Dieser hieß Kelanoboare Chekoralterog, und er bewies seine Intelligenz dadurch, dass er nicht lachte und keine abfällige Bemerkung zum Besten gab, sondern erst einmal nachdachte.
Kelanoboare strich sich über das Gesichtsfell, als müsste er daraus irgendwelche nicht vorhandenen Stäubchen entfernen. Seine Augen waren klein und lagen tief in den Höhlen, vom buschigen Fell zusätzlich beschattet. Die beiden Stirnhörner hatte er in einer modischen Gold-Silber-Maserung lackiert. Sie glänzten im Deckenlicht der Bar, in der um diese Zeit nur noch fünf Gäste an den zahlreichen Tischen saßen. Es war vier Minuten vor vier Uhr in der Nacht.
»Nicht gerade ein bescheidenes Ziel«, sagte der Cheborparner schließlich. »Ich nehme an, du hast einen Plan!«
Kelanoboare Chekoralterog trank den Likör leer, der in einem geschwungenen, fingerlangen Glas vor ihm stand – ein widerliches, hellblaues Zeug, zumindest Dominics Meinung nach, der sich lieber an guten alten Wein hielt. Und das meinte er nicht verklärend, wie man von früher sprach, von der guten alten Zeit, sondern wörtlich: Der Wein war mehr als achtzig Jahre alt, und seine Qualität ließ sich ganz gewiss nicht leugnen.
»Habe ich. Ich halte mich an zwei Vorbilder.«
»Wird wohl kein Cheborparner dabei sein!« Kelanoboare kicherte. Es klang ein wenig meckernd.
Dominic ging ärgerlicherweise diese Beschreibung des Lautes nicht mehr aus dem Sinn, seit er sie einmal gelesen hatte; sie kam ihm eigentlich zu plump vor für die Beschreibung von Wesen, die nur mit Phantasie an aufrecht gehende Ziegen erinnerten.
Ein Robotkellner schwebte herbei, ein einfaches Modell in Form eines roten Würfels, der auf seiner Oberseite Gläser und Flaschen transportierte. »Habt ihr noch Wünsche?« Immerhin klang die Stimme aus dem Akustikfeld gestochen klar und wohlmoduliert. »Ich darf euch in aller Bescheidenheit daran erinnern, dass unser Etablissement in Kürze schließt und die letzte Bestellmöglichkeit in drei Minuten endet. Nein, ich korrigiere: in zwei Minuten.«
»Gerne noch einmal dasselbe«, sagte der Cheborparner.
Dominics Glas war noch halb voll, weshalb er verneinte.
»Damit habe ich gerechnet«, sagte der Robotwürfel. Eine Seite klappte auf, und ein Tentakelarm fuhr aus. Er hielt ein Glas, das er vor Kelanoboare abstellte.
»Du bist gut programmiert«, stellte Dominic fest.
»Danke. Ein Lob aus dem Mund eines derart renommierten Positronikers freut mich.«
»Du kennst mich?«
»Dominic Zinn, geboren am 21. Dezember 2039 NGZ auf Plophos und einer der jüngsten Absolventen der Universität von Terrania im Fachbereich Allgemeine und Vergleichende Positronikwissenschaft.«
Dominic lächelte wohl etwas zu breit, denn ein Haar seines Oberlippenbarts kitzelte ihn in der Nase. »Dann weißt du sicher auch, dass mir klar ist, dass ein einfaches Modell wie du keine Freude empfinden kann. Ich würde für diese direkte Aussage um Entschuldigung bitten, aber da du generell keine Gefühle empfindest, ist das wohl nicht nötig.«
»Da kann ich dir nicht widersprechen. Aber sieh es bitte so: Die meisten Gäste scheren sich um derlei Feinsinnigkeiten nicht. Die Annahme, sie hätten mir eine Freude gemacht, würde ihnen gefallen.«
Dominic seufzte. »Ich halte mich bei Programmen stets an die Logik, aber ja, es gibt andere Sichtweisen.«
Die Maschine dankte für die Bestellung und zog sich zurück.
»Ich habe also zwei Vorbilder, wenn man es so nennen will«, setzte Dominic Zinn neu an. »Hast du je von Iratio Hondro gehört?«
»Der Diktator von Plophos? Wann war das? Ist ewig her, aber ...«
»Er wird missverstanden!«, fuhr Dominic dazwischen. »Die Geschichte urteilt völlig falsch über ihn!«
Deshalb beschäftigte er sich in seiner Freizeit fast ausschließlich mit der Vergangenheit. Die Geschichte zu erforschen, faszinierte ihn. Etwas tiefer graben als die Allgemeinheit, Dinge ans Licht zu bringen, die allgemein nicht gesehen wurden, weil sie nicht gesehen werden wollten. Oder sollten. Manchmal dachte er, er hätte Historiker werden sollen, um mit ganzer Kraft auf diesem Gebiet zu forschen. Aber dann hatte er doch den Verlockungen der Positronikforschung nachgegeben. Und es stand außer Zweifel, dass er dort mehr bewirken konnte. Größeren Einfluss auf das Leben nehmen konnte.
»Es ist ungerecht, wie wir heute über einen großen Mann wie Iratio Hondro denken«, fügte er hinzu.
Der Cheborparner nippte am Likör. »Kann sein. Ich weiß eigentlich nichts über ihn.«
Dominic entging nicht, dass sich das Fell über den Augen seines Gegenübers ein bisschen sträubte. Allerdings konnte er nicht richtig einschätzen, wie er das deuten sollte. »Mein zweites Vorbild ist Guy Fawkes.«
»Nie gehört.«
»Er lebte lange, bevor mein Volk ins All aufgebrochen ist. Es gab damals Religionskriege, und er ...« Dominic stockte, als er bemerkte, dass Kelanoboare nicht richtig zuhörte. »Langweile ich dich?«
»Nein, nein!«
»Jedenfalls gab es damals Kriege wegen religiöser Fragen. Guy Fawkes hatte ein Attentat vorbereitet, das alles verändern sollte.«
»Klingt nicht sehr friedlich. Oder wurde er auch missverstanden?«
»Darauf kommt es nicht an!«, ereiferte sich Dominic. »Die Sache ist die, dass die beiden den Sprung geschafft haben! Sie hatten Ideen, sie hatten eine Theorie, und sie sind zum Akteur geworden, um alles zu verändern!«
»Und das schwebt dir auch vor?« Der Cheborparner trank das Glas leer und stellte es krachend zurück auf den Tisch.
»Es ist nicht mein Ding«, sagte Dominic. »Leider. Mir fehlen die Möglichkeiten.« Wobei er sich fragte, ob das nur eine Ausrede war. Hondro und Fawkes waren die Möglichkeiten auch nicht in den Schoß gefallen. »Aber immerhin kann ich ebenso revolutionär denken wie die beiden. Wenn auch auf anderem Gebiet. Ich bin Positroniker.«
»Das sagtest du bereits. Immerhin reden wir hier seit drei Stunden.« Ein erneutes Lachen, und das noch meckernder. »Oder haben wir eher getrunken?«
Dominic Zinn hob die Schultern.
Der Cheborparner verabschiedete sich. »War nett, dich zu treffen. Gutes Gespräch. Meistens.«
Einige Augenblicke saß Dominic noch allein am Tisch, dann stand er ebenfalls auf. Den ebenso alten wie guten Wein trank er nicht leer.
Der Appetit war ihm vergangen.
*
Zu Hause angekommen, legte sich Dominic sofort ins Bett, aber er fand keinen Schlaf.
Seine Gedanken kreisten um das Gespräch mit dem Cheborparner. Nun, da er mit etwas Abstand darauf blickte, musste er zugeben, dass die Schuld eher bei ihm selbst lag; er hatte sein eigentliches Anliegen nicht gut in Worte gefasst. Er war missverstanden worden.
Wie Iratio Hondro.
Missverstanden!
Und das durfte mit seinem großen Projekt nicht passieren. Sein Positronik-Koordinations-System trug genug Potenzial in sich, um alles zu revolutionieren. Es konnte die Art, wie Positroniker dachten, verändern. Eine neue Herangehensweise ermöglichen! Eine neue Zeit einleiten.
Vielleicht gelang ihm das auch mit seinen gesellschaftsphilosophischen Gedanken. Mit seiner Art, wie er das Zusammenleben der Sternenvölker beurteilte und welche Möglichkeiten er für die Zukunft sah. Denn dort brauchte es ebenso dringend eine neue Art zu denken!
Dafür bot sich schon bald eine gute Gelegenheit. Es war nicht einfach gewesen, als Nicht-Geisteswissenschaftler einen Vortrag beim Symposion für Historie und Gegenwart der galaktischen Völkerverständigung unter besonderer Berücksichtigung historisch-vergleichender Entwicklungen auf Luna zu ergattern. In zwei Tagen war es so weit.
Illustration: Swen Papenbrock
Diese Chance durfte er nicht vergeben! Er durfte nicht missverstanden werden. Und damit das gelang, brauchte er volle Konzentration. Das hieß, im Vorfeld benötigte er ausreichend Schlaf. Ärgerlich, dass er sich im Gespräch mit dem Cheborparner hatte dazu hinreißen lassen, so lange wach zu bleiben.
Dominic drehte sich zur Seite und zwang sich, an nichts zu denken. Nur dem Herzschlag zu lauschen.
Alles wird gut, pochte dieser. Alles wird gut. Du wirst die Welt verändern.
Ja, das würde er. Es besser machen für Milliarden. Die Verhältnisse ordnen.
Auf seine Art.
*
Die Reise nach Luna war nur ein Katzensprung. Kaum nennenswert.
»Dominic Zinn«, sagte er, als er aus dem Empfangstransmitter trat. Er trug nur einen kleinen Koffer mit sich. Was man eben für zwei Nächte brauchte.
Eine Arkonidin saß im Kontrollraum. Die langen weißen Haare endeten in feuerroten Spitzen – so rot wie ihre Augen. »Willkommen im Manoli-Hotel, gehörst du zum Symposion?«
»Ja.«
»Besucher oder Redner?«, fragte sie gelangweilt.
»Redner«, stellte er klar.
Sie deutete mit dem Kinn in Richtung Tür. »Geh zum rechten Pult in der Halle. Dort bekommst du alle Informationen. Verstanden?«
»Es war mir zu kompliziert«, sagte Dominic und lächelte. »Ich konnte mir nicht alles merken.«
»Geh zum rechten Pult in der Halle«, wiederholte sie stupide ihre Anweisung und blieb dabei todernst. Das Konzept von Humor war ihr offenbar völlig fremd.
Also ging er ohne ein weiteres Wort in die Halle. Sekunden später sprach er mit einem grauhaarigen Terraner, der ihm knapp und routiniert die nötigen Informationen gab: Wo sein reserviertes Zimmer lag; wo er am besten eine Mahlzeit zu sich nehmen konnte; wann der Eröffnungsvortrag des Symposions begann; und nach einem Blick in eine Liste, wann das Vorgespräch zur Koordination seines eigenen Vortrags stattfand.
Dominic bedankte sich. Ihm blieben zwei Stunden. Er stieg in einen Antigravschacht, der ihn 27 Stockwerke nach oben trug. Als er vor seiner Tür stand, erkannte ihn die Zimmerpositronik und öffnete ihm automatisch.
Das Zimmer war kleiner, als er vermutet hätte, aber gemütlich. Er würde darin ohnehin nicht viel Zeit verbringen. Dafür war die Aussicht wunderbar. Er blickte direkt auf das Thora-Memorial, jene Gedenkstätte für die legendäre Arkonidin, die nach diversen Anlaufschwierigkeiten unfassbar viel für die Verständigung zwischen ihrem Volk und den Terranern getan hatte. Das Memorial lag nahe beim damaligen Landeplatz der AETRON, wo Perry Rhodan den ersten Kontakt hergestellt hatte. Natürlich fand das Symposion deshalb ausgerechnet im Manoli-Hotel statt – in Sachen Völkerverständigung ein historisch bedeutender Ort für Terra und die gesamte Milchstraße.
Er testete das Bett. Die Härtegradeinstellung funktionierte wunderbar. Er hasste weiche Betten. Nach einigen Minuten ging er ins Hauptrestaurant des Hotels und bediente sich am Büfett. Vieles war vom Feinsten, das Gratin aus Zuchtpilzen und echten Mondtomaten eine Delikatesse. Dabei ließ er sich nicht auf irgendwelche Gespräche ein. Nichts sollte ihn ablenken.
Zwei Stunden später rauschte der Eröffnungsvortrag an ihm vorüber. Es waren wenig spannende Gedanken darin, der Redner – ein blasser Terraner – erging sich in der Vorstellung der kommenden Höhepunkte. Dominic selbst wurde dabei nicht genannt, er rangierte eher unter ferner liefen.
Den Hauptvortrag dieses ersten Abends bestritt eine Insektoide aus dem weitgehend unbekannten Volk der Trik-tsilar. Jeder mit einem Funken Verstand musste begreifen, dass sie aus politischen Gründen dafür ausgewählt worden war. Was sie zu sagen hatte, war allerdings spektakulär und unkonventionell. Sie stellte das Herrschaftsmodell ihres eigenen Volkes vor und übertrug es auf eine galaktische Völkergemeinschaft, der eine Königin vorstand, die aufgrund gezielter, generationenlanger Genmanipulation bestimmte Bereiche des Gehirns nicht nutzen konnte und so das eigene Wohl stets an letzte Stelle rückte.
Insgesamt ein wenig Erfolg versprechendes Modell, das aber interessante Gedankenexperimente ermöglichte.
Dominic ging gut gelaunt kurz vor Mitternacht zurück zu seinem Zimmer und war erstaunt, dass dort ein Jülziish auf ihn wartete – ein Angehöriger des Volkes der Blues, wie man sie auf Terra landläufig nannte, wenn man auf politische Korrektheit keinen großen Wert legte.
»Dominic Zinn«, sagte dieser mit seiner hohen, zirpenden Stimme und neigte den Tellerkopf zur Seite, was den im Hals liegenden Mund weitete. »Ich habe auf dich gewartet.«
»So?«, fragte er misstrauisch. »Was kann ich für dich tun?«
»Du für mich? Nichts. Ich für dich – jede Menge. Du hast Aufmerksamkeit geweckt.«
»Mein Vortrag findet erst morgen statt.«
»Aber du hast deine Gedanken im Vorfeld publiziert.«
»Und wenig Beachtung gefunden.«
»Die richtigen Leute sind darauf aufmerksam geworden.«
»Du?«
»Mächtigere als ich.« Der Jülziish streckte einen Arm aus. Er hielt ein kleines Gerät. »Du gestattest?«
»Ich weiß nicht einmal, was du ...«
Doch da hatte der andere das Gerät bereits aktiviert. Es gab ein leises, kaum hörbares Summen von sich. »Es isoliert uns durch einen sehr hochwertigen akustischen und optischen Schirm. Niemand kann uns abhören. Wollen wir unser Gespräch in deinem Zimmer fortsetzen?«
»Was hast du vor?«
»Ungestört mit dir reden. Wenn ich dich töten wollte, hätte ich es bereits getan. Also?«
Töten? Auf so einen Gedanken wäre Dominic nie gekommen. Warum sollte jemand ihn töten wollen? »Folg mir.« Er wies die Positronik an, den Zugang zu öffnen.
Sie traten ein.
Noch ehe die Tür sich hinter ihnen schloss, fragte der Jülziish: »Willst du die Welt verändern, Dominic Zinn?«
Und wie er das wollte.
2.
Gegenwart: Interview mit einem Arkoniden
»Die Lage ist unübersichtlich«, sagte die Journalistin Claire Bezpalky nach der Begrüßung. Das Kommunikationsholo zeigte sie gestochen scharf. Sommersprossen umtanzten ihre Nase. Sie waren fast so rot wie ihr Haar.
»Dem kann ich nicht widersprechen«, erwiderte Atlan. »Sind damit alle deine Fragen beantwortet?« Der Arkonide saß in einem Monstrum von einem hochlehnigen Sessel und lächelte.
Für eine Sekunde blitzte Ärger in ihren grünen Augen auf. »Falls das witzig sein sollte, bekommst du von mir nun ein pflichtgemäßes Lachen.« Sie ließ es folgen, und es klang herzerfrischend natürlich. Offenbar beherrschte sie nicht nur ihren Job – ihre Erfolge sprachen für sich –, sondern war auch eine gute Schauspielerin. »Zurück zur Sache: Wie du vielleicht festgestellt hast, habe ich dir noch keine einzige Frage gestellt. Denn soweit mir bekannt ist, ist nicht nur im Interkosmo, sondern auch in deiner geschätzten Heimatsprache die Feststellung Die Lage ist unübersichtlich keine Frage. Korrekt? Oder trügen mich meine Kenntnisse des Arkonidischen?«
»Diese erste Frage beantworte ich mit einem klaren: Ja!« Atlan fand Gefallen an Claire Bezpalky. Sie hatte etwas an sich, das er schwer in Worte fassen konnte.
»Gut«, konterte sie, »da wir uns also verstehen, schlage ich vor, das ganze Prozedere abzukürzen. Ich weiß, du bist schwer beschäftigt und all das, so als Zellaktivatorträger ... aber ich würde trotzdem gerne an Bord deines Schiffes kommen und das Interview mit dir Auge in Auge führen. Nicht via Hologespräch. Das ist so schrecklich unpersönlich, findest du nicht?«
Dem konnte er nicht widersprechen. Und es hätte des Hinweises seines Logiksektors nicht bedurft, dass er gar nicht so schrecklich beschäftigt war. Genauer gesagt blieb ihm momentan nichts anderes übrig, als tatenlos abzuwarten, und das gefiel ihm gar nicht.
»Gut«, sagte er deshalb. »Ich erwarte dich.«
»Ach?«, fragte die Journalistin.
»Überrascht es dich etwa, dass ich deiner Bitte entspreche?«
»Das tut es tatsächlich«, sagte sie. Sie war bemerkenswert ehrlich.
»Wie schnell kannst du hier sein?«, fragte Atlan.
»Ich halte mich bereits im Raumhafen auf und muss meine Schwebeplattform nur noch mit dem Landeplatz deines Schiffes programmieren.«
»Die SCHÖNHEITGNADE steht auf ...«
»Ich weiß«, fiel sie ihm ins Wort. »Wir sehen uns in maximal fünf Minuten.« Sie unterbrach die Verbindung. Ihrer Vorbereitung zufolge war sie wohl doch nicht so sehr überrascht.
*
»Ich war nur deshalb überrascht«, sagte Claire Bezpalky kurz darauf, »weil du so schnell akzeptiert hast. Dass ich dich überreden kann, mich persönlich zu empfangen, daran habe ich nicht gezweifelt.«
»Ach?«
»Ich bin gut, weißt du.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Ich mag Menschen, die von sich selbst überzeugt sind«, sagte Atlan.
»Wenn ich manchen Biografien über dich glauben darf, magst du vor allem Frauen, die von sich überzeugt sind.«
Atlan geleitete sie durch den Korridor, der zu seinem Privatquartier im Blaugoldraumer führte. Das Schiff war in sich flexibel und baute sich je nach Bedarf um, aber die grundlegende Struktur blieb stabil, seit sich Atlan in der SCHÖNHEITGNADE aufhielt.
Er sah Claire Bezpalky in die Augen. »Glaub nicht alles, was berichtet wird.«
»Das habe ich mir schon lange abgewöhnt. Ich bin Journalistin. Nur sehr blauäugige Kollegen können ernsthaft davon überzeugt sein, dass sich in diesem Beruf alle nur um die Wahrheit kümmern.«
»Das klingt desillusioniert.«
»Es ist realistisch«, widersprach sie.
Sie erreichten Atlans Privatquartier. Nach der Rückkehr ins Solsystem hatte er die zweckmäßig-nüchterne Einrichtung, die ihm während der intergalaktischen Reise genügt hatte, um einige luxuriöse Details erweitert: In einem Kühlfeld stand eine Auswahl exzellenter Rot- und Weißweine, das Beste, das Terras Weinberge im sonnenverwöhnten Jahr 2048 NGZ hervorgebracht hatten.
Er zog eine rubinfarben schimmernde Flasche heraus. »Exakt fünfzig Jahre alt«, sagte er. »Darf ich?« Er zog die weißen Augenbrauen hoch.
»Ich bin zum Arbeiten hier«, stellte Claire klar.
Atlan hebelte den echten Korken aus der Flasche. »Ich ebenfalls.«
Ohne noch auf eine Erwiderung zu warten, öffnete er ein kleines Schränkchen und nahm zwei Kristallkelche arkonidischer Fertigung heraus, die er sich mit dem Wein hatte liefern lassen. Erst aus dem richtigen Glas getrunken, wurden alle Sinne angesprochen.
Claire Bezpalky setzte sich unaufgefordert in einen der beiden Sessel, die nebeneinander vor der schmucklosen Wand standen. Auch sie stammten von Terra – Lederoptik und beste Polsterung aus echtem Handwerk. Atlan hatte dafür aus seinem Privatvermögen bezahlt. Noch so ein dekadenter Luxus, der aber nach der langen Reise guttat.
Er schenkte ein; das Bukett war überwältigend. Er ließ sich in den freien Sessel fallen und reichte der Journalistin einen der Kelche.
Sie trank einen Schluck. »Nicht schlecht.«
Sie ist eine Banausin, kommentierte der Extrasinn.
»Und nun zu meiner ersten Frage«, fuhr sie fort. »Warum ist die TORYOPA noch nicht im Solsystem eingetroffen?«
Sie ist eine Banausin, wiederholte der Extrasinn, aber in ihrem Job ist sie verflixt gut.
Statt direkt zu antworten, schwenkte Atlan den Kristallkelch und dachte nach. »Woher weißt du von der TORYOPA?«, fragte er schließlich.
»Das ist meine Arbeit«, meinte sie gelassen. »Recherchieren ist Alltagsbrot.«
»Diese Information lässt sich aber nicht recherchieren. Es sei denn, man verfügte über sehr gute Informationsquellen.«
»Da kann ich dir nicht widersprechen.« Sie lächelte. »Ich bin überzeugt, dass du es an meiner Stelle ebenfalls wüsstest.«
»Du schmeichelst mir.«
»Ich sagte es doch schon – ich bin realistisch.«
»Was ich nun sage«, setzte Atlan an, »ist nicht zitierfähig.«
»Die Bürger der Liga haben ein Recht darauf, dass sie ...«
»Entweder sage ich dir persönlich etwas darüber, das du nicht an die Öffentlichkeit bringst, oder du bekommst eine Antwort, die aus exakt zwei Worten besteht.«
»Kein Kommentar?«, riet die Journalistin.