Perry Rhodan Neo 227: Samfonnan, der Gefallene - Ben Calvin Hary - E-Book

Perry Rhodan Neo 227: Samfonnan, der Gefallene E-Book

Ben Calvin Hary

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Beschreibung

Gut fünfzig Jahre nachdem Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen und die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen ist, haben sich terranische Siedlungen auf verschiedenen Welten entwickelt. Die Solare Union bildet die Basis eines friedlich wachsenden Sternenreichs. Als aus dem riesigen Imperium der Arkoniden beunruhigende Nachrichten zur Erde dringen, reist Rhodan in den Kugelsternhaufen M 13. Er wird Zeuge einer Revolte, bei der die bisherige Herrscherin gestürzt wird. Mascudar da Gonozal, ein Imperator aus ferner Vergangenheit, schwingt sich zum neuen Machthaber auf. Seine erste Amtshandlung ist, eine Invasionsflotte zusammenzustellen, um damit die Erde und die Solare Union zu erobern. Perry Rhodan will die Pläne des Kriegstreibers durchkreuzen. Mit einigen Begleitern bricht er zu einer streng geheimen Militärbasis im Arkonsystem auf, um dort mehr zu erfahren. Einer seiner erstaunlichsten Helfer hierbei ist SAMFONNAN, DER GEFALLENE ...

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Band 227

Samfonnan, der Gefallene

Ben Calvin Hary

Cover

Vorspann

Prolog: Das Ende

1. Samfonnan di Quennion

2. Atlan da Gonozal

3. Samfonnan di Quennion

4. Perry Rhodan

5. Atlan da Gonozal

6. Sofgart

7. Perry Rhodan

8. Perry Rhodan

9. Samfonnan di Quennion

10. Perry Rhodan

11. Samfonnan di Quennion

12. Samfonnan di Quennion

Epilog: Am nächsten Morgen

Impressum

Gut fünfzig Jahre nachdem Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen und die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen ist, haben sich terranische Siedlungen auf verschiedenen Welten entwickelt. Die Solare Union bildet die Basis eines friedlich wachsenden Sternenreichs.

Als aus dem riesigen Imperium der Arkoniden beunruhigende Nachrichten zur Erde dringen, reist Rhodan in den Kugelsternhaufen M 13. Er wird Zeuge einer Revolte, bei der die bisherige Herrscherin gestürzt wird. Mascudar da Gonozal, ein Imperator aus ferner Vergangenheit, schwingt sich zum neuen Machthaber auf. Seine erste Amtshandlung ist, eine Invasionsflotte zusammenzustellen, um damit die Erde und die Solare Union zu erobern.

Perry Rhodan will die Pläne des Kriegstreibers durchkreuzen. Mit einigen Begleitern bricht er zu einer streng geheimen Militärbasis im Arkonsystem auf, um dort mehr zu erfahren. Einer seiner erstaunlichsten Helfer hierbei ist SAMFONNAN, DER GEFALLENE ...

Prolog

Das Ende

Cabra-Cel starb einen feurigen Tod.

Perry Rhodan starrte ins Außenbeobachtungsholo, das die arkonidische Militärbasis aus der Vogelperspektive zeigte. Tief unter sich glaubte er zu erkennen, wie sich der Boden hob.

Die LORK schwebte dreihundert Meter über dem Industriekomplex, in einem Himmel voller Raumschiffe und gefangen unter einem milchweißen Schutzschirm. Risse öffneten sich im Untergrund, spien Feuer und Glut.

Dann barst die Oberfläche. Schmelzendes Gestein schleuderte empor, wohnhäusergroße Brocken trafen startende Raumer, zerschmetterten Personengleiter in der Luft. Kleinere Lavaklumpen bohrten sich als heiße Schrapnelle in Gebäudefassaden und setzten die Fabriken in Brand.

Schon folgte die Druckwelle und fegte die Dächer von den Lagerhallen. Türme stürzten um, krachten aneinander und zerschellten. Glasfronten barsten unter der auftreffenden Gewalt, ihre Scherben regneten als tödliches Bombardement auf die am Boden verbliebenen Soldaten nieder.

Rhodan sah einen Trupp Arkoniden. Sie irrten durch das Inferno, auf der Suche nach Deckung. Ihre Individualschirme kollabierten, Flammen verzehrten ihre Leiber. Einige wurden von umherfliegenden Splittern durchlöchert, andere begraben von herabstürzenden Fassadenteilen. Die Außenmikrofone der LORK übertrugen Sirenengeheul und Todesschreie.

Wie viele Opfer? Wie viele Tote? Rhodan presste die Lippen zusammen. Er trug einen Teil der Schuld. Ich hätte unseren neuen Verbündeten Einhalt gebieten müssen! Hätte darauf drängen müssen, dass sie auf mich hören. Doch nun war es zu spät.

Er wandte den Blick vom Holo ab, sah in betroffene Gesichter: Thora, Theta, Sud, Marshall, Samfonnan. Sogar Kephlomm wirkte schockiert.

Das Team kauerte tatenlos an den weitgehend desaktivierten Pulten in der Zentrale. Die LORK war ein kleines Kugelboot mit gerade mal 60 Metern Durchmesser. Alle wesentlichen Kontrollfunktionen waren derzeit dem Piloten überstellt.

Sofgart lenkte die LORK vom Sitz des Kommandanten aus. Der Arkonide gab Schub. Mit hastigen Bewegungen versuchte er, der heranrasenden Druckwelle zu entrinnen, während er anderen Raumern auswich.

Die normaloptische Außenbeobachtungsdarstellung zeigte Bildstörungen, versagte dann völlig. Automatisch ersetzte die Schiffspositronik den Holoinhalt durch eine taktische Ansicht.

Rhodan konzentrierte sich auf das Ortungspult, an dem er saß und das von den Schiffssensoren automatisch mit den Positionsdaten benachbarter Einheiten versorgt wurde. Die Werte, die sein Holokubus zeigte, wechselten schneller, als er sie ablesen konnte. Er fluchte.

Sofgart hatte sich für einen Kurs entschieden. »Nichts wie weg hier!« Er hielt geradewegs auf den Schutzschirm zu.

Die weiße Barriere füllte die Ansicht im Flugrichtungsholo vollständig aus. Die LORK näherte sich dem Sperrfeld mit Irrsinnswerten. Rhodan hoffte, dass der Arkonide wusste, was er tat.

»Sie Geisteskranker!« Theta stand auf, zog ihren Paralysator unter dem Hosenbund hervor. Ihre Stimme überschlug sich. »Drehen Sie ab! Wir werden an der Energieglocke zerschellen!«

Thora hielt sie am Arm zurück. »Was haben Sie vor? Den Piloten während des Manövers zu betäuben?«

Sofgart lachte auf.

Ein Orkan aus Licht fegte über die LORK hinweg. Aus dem geschlossenen Energieschirm von Cabra-Cel konnte die Macht der Explosion nicht entweichen. Die Energieentwicklung trieb die Messwerte der Außensensoren in einen kritischen Skalenbereich.

Samfonnan saß auf dem Sitz neben Rhodan. Die Finger des Müllwerkers gruben sich schmerzhaft in Rhodans Oberarm.

Rhodan wollte schlucken, doch seine Kehle war trocken. Er wusste, was ihnen bevorstand. Stumm zählte er die Sekunden.

Gleich mussten sie mit der Energiebarriere kollidieren. Abstrahleffekte würden Teile der LORK in den Hyperraum schleudern, den Kugelkörper zum Kochen bringen. Rhodan und seine Begleiter würden verglühen, und es gab nichts, was er tun konnte. Es war zu spät, Sofgart zum Kurswechsel zu bewegen.

Aus! Wir sterben, jetzt und hier.

Samfonnans Griff um Rhodans Arm verkrampfte, als versuche der junge Mann, sich vor dem Ertrinken zu retten. Doch es gab keine Rettung.

Und es war besser so.

Das große Geheimnis des Imperators verging mitsamt dem Stützpunkt. Es nahm nicht nur Rhodan und seine Begleiter mit sich, sondern auch Mascudar da Gonozals treueste Mitstreiter. Aber das, was da unten explodierte und Hunderte Arkoniden in den Untergang riss, hätte sich gegen Terra gerichtet.

1.

Samfonnan di Quennion

Viele Stunden zuvor

Das Militär warf mit Essen nach ihnen!

Der Massetaster registrierte eine Unmenge winziger Objekte, die sich vom Rumpf des imperialen Flaggschiffs FAMA'ARK lösten. In der normaloptischen Erfassung erschienen sie als dünne Partikelwolke. Die Geschosse verteilten sich zwischen den frisch im Flottenaufmarschgebiet eingetroffenen Frachtern und Schlachtkreuzern, gefährdeten die Arbeit und Ausrüstung der Müllwerkergilde.

»Idioten!« Kopfschüttelnd brach Samfonnan di Quennion die Montagesequenz für die Gravo-Müllschleuder ab. Die Frachtluke an der Unterseite der LK-2234 schloss sich, bevor das erste Bauteil den Laderaum verlassen konnte. Der Zusammenbau musste warten.

»Was ist das für ein Zeug, das die edlen Raumsoldaten auf uns abladen, Tommisa?« Er sprach unfreundlicher als beabsichtigt.

Samfonnan di Quennion und die Zaliterin Tommisa waren zu zweit an Bord des winzigen Raumboots. Drei Sessel, davon einer unbesetzt, prangten vor einer umlaufenden Galerie aus Konsolen. In der Polkanzel war es so beengt, dass sich Samfonnan nicht umdrehen konnte, ohne seine Mitarbeiterin anzurempeln.

Tommisas altersbrüchige Stimme erklang in Samfonnans Rücken. Sie las die biochemische Messung der spezialisierten Außensensoren vor. »Biomüll. Genau genommen Misham-Kohl. Leicht angeschimmelt. Vermutlich übrig gebliebener Proviant vom letzten Einsatz. Man lässt uns wissen, was man von uns hält.«

Samfonnan fluchte wütend. Tausende Raumschiffe waren im Flottenaufmarschgebiet über Arkon III unterwegs. Doch ausgerechnet ihnen, den beiden einzigen Masgar Skoa, machte die Besatzung der FAMA'ARK das Leben schwer.

Seit Samfonnan vor einem Jahr Arkons Müllwerkergilde beigetreten war, akzeptierte er zwar seinen Platz am Boden der Gesellschaft. Dennoch war er nicht bereit, sich mit Dreck bewerfen zu lassen.

Ihre Aufgabe war, die Invasionsflotte für den Zeitraum des Aufmarschs an Arkons systemweite Abfallverwertungsrouten anzuschließen. Der Müllregen verzögerte das, aber es war zur Abwechslung nicht Samfonnans Schuld. Diese Deppen in der Raumflotte sabotierten ihren Zeitplan selbst. Dann würde sich Imperator Gonozals Eroberungsfeldzug eben verzögern! Die Bewohner von Larsaf III, wo auch immer diese Welt lag, würden sich darüber freuen.

»Wir sollten hier weg.« Tommisas Handschuh tippte gegen das Glassit der Kanzelwandung. »Ein gefrorener Kohlkopf kann einem Raumfahrer ebenso gefährlich werden wie jeder andere Weltraumschrott, Miba.«

Samfonnan ignorierte den Spitznamen geflissentlich. Sein Blick folgte ihrem Fingerzeig. Wurzelstrünke und Kohlblätter, als grünes Flirren vor den fernen Sternen erahnbar, trieben auf die LK-2234 zu. Die Frachtoffiziere der FAMA'ARK hatten genau gezielt.

Missmutig schüttelte er den Kopf. Noch immer zeigte das Kommunikationslog seinen letzten Wortwechsel mit der jungen Funkerin der FAMA'ARK: »Das Flaggschiff blockiert den Lagrangepunkt L2. Bitte räumen Sie die gravitationsneutrale Position. Sie ist der Gravoschleuder vorbehalten.«

Die Offizierin, eine gewisse Ferroa da Borgir, hatte die Aufforderung lediglich bestätigt. Das Kohlbombardement jedoch, wusste Samfonnan, war die Rache für diesen »Affront«. Ein Großkampfschiff der Arkonidischen Flotte, das einem Mistkäfer Platz machen sollte? Unfassbar!

Tommisa programmierte einen Ausweichkurs und aktivierte die Impulstriebwerke. Die LK-2234 beschleunigte.

Ringsum war der Truppenaufmarsch in vollem Gange. Das Sammelgebiet bei Arkon III, in direkter Nachbarschaft des Elysischen Gürtels, erstreckte sich über eine Raumkugel mit einem Durchmesser von unfassbaren 70.000 Bant. So hieß die Standard-Längeneinheit Arkons im Sprachgebrauch der Müllwerkergilde.

Der Sitz unter Samfonnans Hintern vibrierte. Die Log-Kerreshar – »Mistkäfer«, wie modifizierte Leka-Disks vom Typ der LK-2234 genannt wurden – galten als verlässlich und robust. Luxusjachten waren sie aber beileibe nicht.

Die LK-2234 war kein sonderlich wendiges Raumboot. Trotz der gigantischen Räume zwischen den Flotteneinheiten gerieten die zwei Müllwerker in einen Tross altertümlicher Truppentransporter, die zwischen der GOS'RANTHON und der THIALOMON verkehrten.

Wie stets ignorierte die Zaliterin die Anweisungen des Leitsystems – eine Masgar Skoa ließ sich von niemandem etwas sagen! – und wich vom zugewiesenen Kurs ab. Sie verfehlte knapp das Atmosphärenleitwerk eines Personengleiters und durchstieß einen Pulk Leka-Disks. Ihre Formation stob auseinander, die Piloten reagierten mit wütenden Warnsignalen. Unterhalb der Raumfahrzeuge präsentierte Arkon III seine Nachtseite majestätisch und mächtig vor der Sternenballung Thantur-Lok.

Rund 5000 Einheiten, dachte Samfonnan. Eine Invasionsflotte, wie das Arkonsystem sie seit Langem nicht gesehen hat. Allein der verschimmelte Kohl hätte Dutzende Essoyafamilien tagelang ernährt.

»Die Biomasse verteilt sich in chaotischen Vektoren. Unser gegenwärtiger Kurs bringt uns auf 47 Bant an den virtuellen Massenschwerpunkt heran«, verkündete Samfonnan die Ortungsdaten, die ihm das Holo zulieferte. Eigentlich war auch das eine Aufgabe für die Positronik, doch unter den Masgar Skoa hielt sich hartnäckig die Mär, mündliches Vorlesen spare Rechenkraft und brächte Glück.

Samfonnans Handflächen wurden feucht. Er wünschte sich nach Arkon I, unter die Weite des freien Himmels und auf die riesigen Plätze der Städte. Enge wie in dieser Pilotenkanzel bereitete ihm Probleme, seit dem Zwischenfall. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Ruhe zu bewahren. Ob dieser Beruf wirklich das Richtige für ihn war?

Endlich gelangten sie aus dem Gefahrenbereich. Tommisa gab mit den bugwärtigen Manövertriebwerken Gegenschub, bis das Bewegungsmoment aufgebraucht war. Die LK-2234 kam zum Stillstand und verharrte an der berechneten Zielposition.

Die Zaliterin drehte sich im Kontursessel um, sodass ihre Knie Samfonnans Oberschenkel berührten, blickte ihn ernst an. Ihre gealterten Gesichtszüge und das kupferrote Haar schimmerten unvorteilhaft im blauen Widerschein der Kontrollholos.

»Für die Khasurne und Essoya sind wir ebenso Abfall wie der, den wir für sie entsorgen. Es tut mir leid, dass du bei deinem ersten richtigen Einsatz gleich so etwas erleben musst, Miba.«

Miba. Ein kleines Nagetier, das auf Arkon II heimisch war: der Inbegriff der Niedlichkeit. Samfonnan hasste die Kosenamen, die Tommisa ihm gab.

Barsch winkte er ab. »Nenn mich nicht so.« Er wollte nicht niedlich sein, und noch weniger gefiel ihm, wenn andere so über ihn dachten. Schließlich war er 28, keine 19 mehr, auch wenn er in den Augen vieler noch immer so aussah. Scheiße erlebt hatte er ohnehin genug für hundert Jahre. Er rieb sich das bartlose Kinn.

Tommisa sprach weiter, in tröstenden Worten, doch Samfonnan hörte nicht zu. Durch die Glassitkanzel starrte er ins All, suchte die FAMA'ARK. Das Flaggschiff trieb, in einem Pulk baugleicher Einheiten, dem Zentrum des Sammelgebiets entgegen.

Wehmut überkam ihn beim Anblick des Raumers, dazu eine Art väterlicher Stolz. Einst, in einem anderen Leben, war das sein Schiff gewesen. Vor dem Zwischenfall. Das Flottenkommando und der Khasurn seiner Eltern aber hatten ihm alles genommen. Es machte die Demütigung durch den Kohlabwurf umso bitterer.

Tommisa hieb ihm mit der Faust gegen den Oberarm. »Diese Witzbolde werden sich keinen zweiten solchen Scherz erlauben. Unser Ansprechpartner auf dem Hügel der Weisen ist Zeremonienmeister Truk Drautherb. Mal sehen, was er dazu sagt.« Sie bat Samfonnan, eine Verbindung herzustellen.

»Was soll das bringen?« Er zuckte mit den Schultern. »Er wird uns genauso belächeln wie alle anderen.«

Dennoch wandte er sich zur Funkanlage. Es genügte, dazu den Oberkörper zu drehen. Dieser Platzmangel machte ihn irre.

Das Symbol des Kristallpalasts leuchtete im handspannengroßen Kommunikationshologramm. Wenig später wurde ein betagter Arkonide mit traditionell schulterlangem Silberhaar sichtbar. Er trug ein besticktes Prunkgewand in vornehmem Eisblau; die Kleidung eines Adligen, der keiner war.

»Womit verdiene ich die Ehre deines Anrufs, Müllmann?« Spöttisch deutete Drautherb eine Verbeugung an.

»Popanz!«, murmelte Tommisa – allerdings so leise, dass die Akustikfelder ihre Stimme nicht erfassten.

Samfonnan ignorierte sie. Es war gefährlich, Drautherb zu unterschätzen. Er kannte die Medienberichte über diesen Mann. Niemand stieg vom Essoya zum Zeremonienmeister des Kristallpalasts auf, wenn er unfähig war.

Eigentlich war es ein Wunder, dass Drautherb sich überhaupt zum Gespräch mit einem Masgar Skoa herabließ. Der Imperator selbst musste ihm befohlen haben, sich um alle Angelegenheiten der Flotte zu kümmern.

Umständlich stellte er sich vor: »Samfonnan di Quennion. Leitender Müllwerker und Gravomonteur im Bereich Arkon Drei. Veteran der imperialen Flotte, Ingenieurskorps.« Den Zusatz »unehrenhaft entlassen« verkniff er sich. Er war eben kein einfacher Müllmann.

»Wie lautet Ihr Anliegen?« Drautherb gab sich ungeduldig, aber hilfsbereit. Übergangslos wechselte er in die höfliche Anrede.

Samfonnan lehnte sich im Kontursessel zurück und schlug die Beine übereinander. Dass er sich so schnell Drautherbs Respekt verdient hatte, verwirrte ihn. »Ähm. Ihre Raumschiffbesatzungen verhalten sich unkooperativ.«

Drautherb hob eine Braue und beugte sich zur Seite. Offenbar prüfte er ein weiteres Holo in seinem Arbeitszimmer. »Mir liegen andere Informationen vor. Ihre ungeheuerliche Einmischung in die komplizierten Abläufe in der Raumflotte gefährdet die Zeitpläne des Imperators. Sicher können Sie den Missmut der Offiziere nachvollziehen. Die Kommandantin der FAMA'ARK ist Ihrer Anforderung zum Positionswechsel immerhin nachgekommen.«

Samfonnan verkniff sich die Beleidigung, die ihm auf der Zunge lag. Seine Forderung war keine »ungeheuerliche Einmischung« gewesen, wie der Zeremonienmeister behauptete. Der Aufbau von Kollektor und Schleuder musste an diesen Koordinaten erfolgen. Das ganze System hätte sonst nicht funktioniert.

Einmal aktiviert, würde der Materiekollektor nicht nur den umherschwebenden Kohl, sondern auch alle anderen Abfälle sammeln. Die Schleuder wiederum würde sie gebündelt einem gravitationsmechanisch exakt austarierten Materiestrom überantworten. Diese »Müllrouten« durchzogen das gesamte Arkonsystem, von Planet zu Planet und von Raumbasis zu Raumbasis. Sie endeten in riesigen Verwertungsarealen auf Arkon III und anderen Welten.

Doch es war ein System in Bewegung. Die Vernichtung der Elysischen Welt und der dabei entstandene Trümmerring hatten ein Chaos im Schwerkraftgefüge geschaffen. Toleranzwerte gab es da nicht.

Mit gespielter Lässigkeit begegnete Samfonnan Drautherbs Blick. »Solange sich die Flotte im Orbit von Arkon Drei aufhält, ist der Anschluss an die systemweite Abfallverwertung unverhandelbar. Wir sind es also nicht, die den Zeitplan gefährden. Sie sagten selbst, Gonozal der Siebte schätzt keine Verzögerung.«

Drautherb wurde blass. Zufrieden sah Samfonnan, dass sein Hieb saß. Selbstverständlich wusste der Zeremonienmeister, wie wichtig die Arbeit der Müllwerkergilde war – obwohl der Gedanke an Abfall ihm wie anderen Arkoniden seines Stands anscheinend körperliche Übelkeit verursachte.

»Sie haben Ihren Standpunkt klargemacht. Ich werde dafür sorgen, dass die Kommandanten Sie in Ihrer Arbeit nicht weiter behindern. Sorgen Sie dafür, dass niemand weiteren Grund hat, sich über Sie zu ärgern.« Truk Drautherb beendete die Verbindung grußlos.

»Was für ein Sympathieträger!« Tommisa reaktivierte an Samfonnans Stelle die zuvor unterbrochene Montagesequenz. »Bauen wir endlich die Schleuder auf. Sonst sind es wirklich wir, die den Betrieb aufhalten.«

Sie befanden sich bereits an der neuen Zielposition. Die Frachtluke der LK-2234 öffnete sich. Mechanische Greifer hievten die Ladung ins All: Arkonstahlträger, mehrere Hundert an der Zahl, leicht gebogen, nur einen Viertelbant dick. Außer Konduktoren und Feldleitern enthielten sie kaum Technik.

Tommisa griff mit dem Traktorstrahl nach den einzelnen Trägerteilen und »schubste« sie auf eine Bahn, die sie an ihre jeweilige Endposition brachten. Zusammengesetzt würden sie einen metallenen Ring von 200 Bant Durchmesser ergeben. Groß genug, um ein Raumschiffswrack hindurchzulassen – oder Tonnen verschimmelten Kohls.

Samfonnan entspannte sich. Der Zusammenbau von Schleuder und Kollektor war Tommisas Aufgabe. Sein Können wurde erst für die Kalibrierung benötigt. Vom Wirkprinzip her waren beide Geräte nicht mehr als überdimensionierte Antigravprojektoren – sein Fachgebiet, seit damals, beim Bau der FAMA'ARK.

Allmählich trieben die Teile der Gravoschleuder den berechneten Koordinaten entgegen. Bei Kontakt fluteten automatisch ausgelöste Interkonnektfelder den Rohling und verbanden die Träger auf molekularer Ebene.

Eine Tonta, ein zwanzigstel Arkontag, verstrich. Der Ring gewann Gestalt.

Plötzlich zerriss ein durchdringender Warnton die konzentrierte Stille. Die Hypertaster schlugen an.

»Kollisionsgefahr!«, warnte ein Hologramm in grellem Rot.

Samfonnan blieb keine Zeit zu reagieren. Ein Kugelraumer brach in unmittelbarer Nähe aus dem Hyperraum und raste auf den Ring zu. Manövertriebwerke zündeten, zehrten die Fahrt auf, aber nicht schnell genug.

»Vollarsch!« Geistesgegenwärtig reaktivierte Tommisa den Traktorstrahl und zog die halb montierte Schleuder aus der Gefahrenzone. Die zuletzt ausgeschleusten Bauteile schossen am Ziel vorbei. Sie würden sie später aufsammeln müssen.

Gleichzeitig schnappte sich Samfonnan an Tommisas Stelle die holografischen Steuerkontrollen des Raumboots, zog sie zu sich und hieb auf den Auslöser des Impulstriebwerks. Die LK-2234 machte einen Satz senkrecht zur Ekliptik.

Wütend betrachtete er die Ortungsdaten. Das eingetroffene Schiff war ein Wrack. Die Taster nannten einen mäßigen Durchmesser – mehr als ein Beiboot, weniger als ein Leichter Kreuzer. Mehrere Hüllenteile waren verbeult. Eines der Korpuskulartriebwerke stotterte in einem stroboskopähnlichen Rhythmus. Ein Wunder, dass das Ding nicht im Flug auseinanderfiel!

»Sollen wir das etwa für sie abwracken? Wieso bringen sie es nicht gleich zum Einschmelzen?« Mit Gemüse beworfen zu werden, war eine Sache, fand Samfonnan, mit alten Raumschiffen eine ganz andere.

Drei relativ nah beieinanderstehende Schlachtkreuzer wichen dem schrottreifen Vehikel vorsorglich aus, darunter die PERGON-THUR und die LAMMANT. Flüche füllten die Kommunikationsnetzwerke, doch diesmal traf der Ärger nicht die beiden Müllwerker. Offenbar erschien der Neuankömmling für die übrigen Flottenteilnehmer ebenso überraschend.

Unbeeindruckt lenkte der Pilot seinen Raumer in wenigen Hundert Bant Entfernung an der LK-2234 vorüber. Zu weit für eine Kollision mit der Schleuder, aber nah genug, dass Wechselwirkungen mit dem aktivierten Schutzschirm des Fremdschiffs die empfindlichen Gravimetriken zerstören konnten. Erst die abschließende Funktionsprüfung würde darüber Aufschluss geben.

Samfonnan fluchte ebenfalls. »Wer da am Steuer sitzt, legt es wohl eher darauf an, das ganze Abfallsystem zu gefährden.« Nicht auszudenken, wenn aufgrund einer fehlkalibrierten Schleuder einer der Müllströme auch nur um Mikrobant fehlgeleitet wurde und der Unrat am Ende eine der besiedelten Welten traf – womöglich gar eine der Wohngegenden!

Erneut wandte er sich der Funkkonsole zu, um entweder dem Piloten drüben oder Drautherb die Meinung zu sagen – je nachdem, wen er zuerst ans Gerät bekam. Er erhielt keine Antwort. Allerdings sah er die automatisch übermittelte Kennung des fremden Schiffs im Komholo.

Samfonnan geriet ins Grübeln. Das da war kein Wrack, egal was der optische Eindruck vermittelte. Der Kugelraumer verfügte über eine aktive Betriebszulassung und eine Eignerkennung. Der Name, der in grünen Lettern unterhalb des Empfangsbereitschaftssignals flimmerte, lautete »LORK« – Schrotthaufen.

»Wie passend!«, raunte Samfonnan di Quennion.

2.

Atlan da Gonozal

Die Raumschiffe tanzten Walzer, und ich dirigierte das Orchester. Mit Gesten verschob ich Dutzende Leuchtpunkte gleichzeitig, forderte Vorräte und Ersatzteile aus den Lagern auf Arkon III an und wies die Schlachtschiffe GOS'TUSSAN und LEM'GOTHAR neuen Positionen zu.

In Echtzeit bereitete die Positronik sämtliche Ortungs- sowie Aktivsignaldaten auf und projizierte sie ins kombinierte Außenbeobachtungs- und Taktikholo. Pulks aus Schweren Kreuzern schwebten als Kennungen vor meiner Nase. Dazwischen pendelten unzählige Kundschafterboote, Frachter und Lazaretteinheiten. Vor lauter Leuchtsymbolen wirkte das Hologramm wie ein terranischer Weihnachtsbaum.

»Gos'athor!« Eine Frauenstimme riss mich aus der Konzentration.

Ich blickte ins Rund der Raumschiffzentrale: blauweißes Kunstlicht auf hellgrauen Armaturen; arkonidische Gesichter hinter von Holos übersäten Pulten. Elkon da Quertamagin koordinierte diverse Funktionsprüfungen. Renan di Teppon simulierte Angriffsmuster. Dutzende weitere Offiziere gingen ihrer Arbeit nach, als stünde eine Schlacht bevor.

Zwei Schritte vor dem Kommandopodest stand Ferroa da Borgir, die Funkoffizierin. Ich kannte sie nur flüchtig, wusste aber, dass sie frisch von der Akademie kam und neu an Bord war. Sie war es gewesen, die mit der offiziellen Anrede für den Kristallprinzen nach mir gerufen hatte.

Ich hatte meine Umgebung vergessen. Seit Stunden stand ich mit dem Rücken zur Besatzung, vor dem großformatigen Hologramm, das die Mitte der Zentrale einnahm. Die FAMA'ARK war das Hirn der Invasionsflotte, die ich im Auftrag meines Vaters zusammenstellte.

Ihr Ziel war Terra, wo sich Mascudar da Gonozal Zugriff auf die Pläne der Transformkanone erhoffte und vor allem auf die lunare Hyperinpotronik NATHAN. Ich versuchte, nicht daran zu denken. Der logistische Albtraum, den der Aufmarsch der Kriegsschiffe darstellte, bot zum Glück genügend Ablenkung.

»Wie kann ich Ihnen helfen?« Ich musterte da Borgirs schmales Gesicht mit den eng beieinanderstehenden Augen. Die blutjunge Frau verstieß gegen die Etikette. Üblicherweise hielten Untergebene respektvollen Abstand zu mir. Es war ein einsamer Posten, den mein Vater, Imperator Gonozal VII., mir übertragen hatte.

»Verzeihen Sie die Störung, Gos'athor!« Unterwürfig senkte da Borgir das Haupt. »Ich wollte den Höchstedlen über einen eingehenden Funkanruf informieren. Er hat die Absenderkennung des Kristallpalasts.«

»Ist das so?« Ich blieb höflich, wandte mich aber wieder dem Großholo zu. Warum störte sie mich damit? Ich hatte Besseres zu tun, als die Gesprächsgesuche Hunderter Raumschiffskommandanten und der Beamten auf Arkon I selbst zu beantworten. Das war ihre Aufgabe. Verärgert wies ich einem Provianttransport neue Zielkoordinaten zu.

»Da Borgir, zurück auf Ihre Station! Sie belästigen den Kristallprinzen.« Das kehlige Organ von Dreisonnenträgerin Thila da Quelnya gellte durch die Zentrale.

Ich sah zu ihr hin. Die Kommandantin saß, ganz unmilitärisch, mit übereinandergeschlagenen Beinen in ihrem Kontursessel auf dem erhöhten Kommandopodest. Die flegelhafte Körperhaltung täuschte. Da Quelnya galt als äußerst korrekt.

Mit einem Fingerzeig wies sie ihre Untergebene an deren Platz zurück, dann wandte sie sich an mich. »Entschuldigen Sie den Eifer meiner Untergebenen, Gos'athor. Ich übernehme das Gespräch mit dem Kristallpalast.« Ihr Tonfall verriet Nervosität – als wüsste sie nicht, ob sie in mir eher den Sohn des Imperators oder einen vorgesetzten Offizier sehen sollte.

Da Borgir errötete. »Es tut mir leid, Kommandantin. Das Gespräch hat eine Prioritätskennung. Dienstvorschrift 237-27/B besagt klar ...«

Sie zelebriert ihren Auftritt, statt zu sagen, worum es geht, kommentierte mein Extrasinn. Sie verstößt gegen das Protokoll, um sich vor dir wichtigzumachen. Mit dem Verweis auf die Regeln kaschiert sie nur ihren eigenen Regelverstoß. Nimm dich vor ihr in Acht! Solche Selbstgefälligkeit kann zu Problemen führen.

Schärfe mischte sich in da Quelnyas Stimme. »Ich kenne die Vorschriften. Erledigen Sie Ihre Arbeit, ich erledige meine.«

Die Funkoffizierin senkte den Kopf. Ihre Stiefelspitzen schienen plötzlich das Interessanteste auf der Welt für sie zu sein. »Der Kontaktversuch trägt die persönliche Signatur von Gonozal dem Siebten. Der Imperator wünscht, seinen Sohn zu sprechen.«

Ich erschrak. Der Ärger über da Borgirs Fehlverhalten trat in den Hintergrund. Sofort dachte ich an Perry Rhodan.

Seit Tagen spielte ich ein doppeltes Spiel. Der Terraner, die ehemalige Imperatrice Emthon V. und ihre Begleiter verbargen sich inmitten der Großbaustelle auf dem Thek-Laktran – in einem Versteck, zu dem ich sie geführt hatte. War das der Grund für Vaters Kontrollanruf? Hatten seine Häscher meine Freunde aufgespürt?

Die Spur wäre leicht zu mir zurückzuverfolgen. Sobald die Palastgarde die geheimen Gemächer erst mal entdeckte, würde sie sicher schnell herausfinden, wem sie gehörten und wer die zum Tode verurteilten Theta ihrem Zugriff entzogen hatte. Dabei hatte Vater mir gerade erst sein Vertrauen geschenkt!

Ich befahl der Positronik, sämtliche Einheiten auf Wartepositionen zu beordern. »Ich beantworte das Gespräch. Da Borgir, bitte übertragen Sie es ins Zentralholo.«

»Jawohl, Gos'athor!« Endlich setzte sich die Funkoffizierin an ihre Station zurück.

Die taktische Ansicht verschwand aus dem Haupthologramm. An ihre Stelle trat das imperiale Siegel – eine stilisierte Darstellung der drei Hauptwelten des Arkonsystems, mit dem Kugelsternhaufen Thantur-Lok im Hintergrund. Ein goldenes Zwölfeck umrahmte das Symbol.

Meine Fingerspitzen juckten. Jegliche Müdigkeit verflog. Wenn Vater von meinem Verrat wusste, würde ich es sofort erfahren. Dennoch verzichtete ich darauf, ein Schalldämpfungsfeld zu aktivieren. Vor einem Haftbefehl aus dem Kristallpalast würde mich das ohnehin nicht schützen.

Im nächsten Augenblick schwebte Mascudar da Gonozals Abbild vor mir, so lebensecht, dass ich glaubte, ihm die Hand reichen zu können. Der volle Bart fiel auf seine Brust und verhüllte ein besticktes Prunkgewand. Die herrschaftlich rote Trebolanerseide spannte sich über seinem Bauch.

Die Offiziere in der Zentrale der FAMA'ARK nahmen Haltung an. Da Quelnya setzte sich ordentlich hin und machte eine Ehrenbezeugung. Da Quertamagin und di Teppon standen stramm, als sei der Imperator persönlich anwesend und fordere ihren Respekt.

Ich deutete einen Kniefall an, wie das Protokoll es verlangte. »Sei gegrüßt, Vater. Womit verdiene ich die Ehre?«

»Mascaren.« Die Mundwinkel des Imperator zuckten. Lachfältchen legten sich in seine Augenwinkel. Wie üblich nannte er mich bei meinem Geburtsnamen. Außerhalb des Kristallpalasts und der Erde kannte mich kaum jemand als Atlan. »Sieh mich an. Berichte, wie es meiner Flotte geht.«

»Ja, mein Imperator.« Kein Wort zu Rhodan oder Emthon V. Wie es aussah, waren meine Freunde vorerst unentdeckt geblieben.

Ich wies die Schiffspositronik an, mir einen holografischen Datenbankzugang zur Verfügung zu stellen. Mit wenigen Handgesten bündelte ich den aktuellen Status zu einem Dossier und warf es Mascudars Abbild entgegen. Zugleich würde im Kristallpalast eine Kopie des Datensatzes eintreffen und sich vor meinem Vater öffnen.

»Sprich!« Der Imperator wandte sich nicht um. Warum auch? Ein Höchstedler hatte es nicht nötig, sich Informationen selbst zu erarbeiten.

Ich las einige Werte vom Logistikholo vor: Kampfkraft, Manöverzeiten, laufende Kosten. Jede Tonta fraß das Flottenaufgebot anderthalb Millionen Chronners aus den Staatskassen.

Eine Notiz inmitten des Datenwusts erregte meine Aufmerksamkeit. Soeben erreichte ein verschlüsselter Ruf die FAMA'ARK über den »Müllsprech«, das Kommunikationsnetz der Müllwerkergilde.

Wer auch immer da den Funkkontakt suchte, würde scheitern. Sich mit den Masgar Skoa abzugeben, galt für »gewöhnliche« Arkoniden als unschicklich. Niemand an Bord würde ein Gespräch über diesen Kanal überhaupt zur Kenntnis nehmen, nicht mal die diensteifrige Funkoffizierin. Merkwürdig war nur, dass die Positronik mir die Kennung direkt zeigte, statt sie wie alle anderen an da Borgirs Arbeitspult zu leiten.

»Thila da Quelnyas Stab arbeitet an der Ausarbeitung detaillierter taktischer Pläne, Vater.« Ich fasste ins verkleinerte Taktikholo und tippte einen Ausschnitt der Galaxis an. Mehrere Sonnensysteme erschienen in einer eng begrenzten Raumkugel. Auch dieses Bild wurde in Echtzeit nach Arkon I übertragen. »Die Terranische Union hat sich seit der Zeit des Protektorats ausgebreitet«, referierte ich. »Egal wie die Terraner es nennen, wir haben es mit keinem kleinen Sternenreich zu tun. Mit den Ferronen stehen ihnen sogar treue Verbündete zur Seite.«

»Hm.« Vater winkte ab.

Ich vergrößerte den Raumausschnitt, der das Solsystem zeigte. Ein Bild des Erdmonds wurde sichtbar. »Auch NATHAN bereitet uns Sorgen. Was, wenn die Hyperinpotronik Schwarzschild-Schrapnelle gegen uns einsetzt? Welcher Widerstand ist von den auf Luna stationierten Posbis zu erwar...«

Die Hand des Imperators schnitt durch die Luft. Sein Lächeln wich ärgerlich verkniffenen Lippen. »Um die Bakmaátu musst du dich nicht sorgen, Sohn. Spar dir diese Details für deine Untergebenen. Wann kann die Flotte aufbrechen?«

Ich schluckte. Der Logiksektor bombardierte mich förmlich mit möglichen Gefahren, die ein überstürzter Aufbruch mit sich brachte. Die Unterstützung aus Andromeda, mit der Mascudar gerechnet hatte, würde ausbleiben. Mirona Thetin stand nicht länger an meiner Seite. Überhaupt: Um die Posbis musst du dich nicht sorgen? Ahnte er, was er da sagte? All das lag mir auf der Zunge. Aber würde es einen Unterschied machen, wenn ich es aussprach?

Vermutlich nicht, antwortete der Extrasinn. Es ist deine Aufgabe als Kristallprinz, zu beseitigen, was den Wünschen des Imperators im Weg steht. Betrachte es als deinen Beitrag zu Arkons Glorie.

Ich verbeugte mich erneut – eine Unterwürfigkeit, die ich meinem Vater gegenüber nur in der Öffentlichkeit und vor den Offizieren zeigte. »Weitere Planungen sind notwendig, mein Imperator. Ich erstatte Bericht, sobald ich Genaueres sagen kann.«

Das restliche Gespräch zerfaserte in Oberflächlichkeiten. Ich war froh, als Mascudar da Gonozal sich nach einer Zentitonta verabschiedete.

Die Taktikansicht kehrte an ihre Position im Hauptholo zurück. Rasch vergewisserte ich mich, dass die Kommandanten der Flotte den Wartebefehl befolgt hatten, auch wenn ich mit nichts anderem rechnete.

Am unteren Bildrand heischte das mysteriöse Gesprächsgesuch in Form eines blinkenden Symbols noch immer nach meiner Aufmerksamkeit. Stirnrunzelnd las ich die Absenderkennung.

Der Funkruf stammte von einem Log-Kerreshar mit der Registrierungsnummer LK-2234. Das sagte mir nichts. Warum auch immer der Bordrechner der FAMA'ARK diesen Kontakt als so wichtig einstufte, dass er ihn mir derart unter die Nase rieb – es musste sich um einen Irrtum handeln. Sogar den ausgefeiltesten positronischen Algorithmen unterliefen gelegentlich Fehler.

»Da Borgir, richten Sie diesen Müllmännern aus ...« Gerade wollte ich das Blinksymbol wegwischen und das Gespräch ablehnen, da fiel mir der Empfänger auf, an den es adressiert war. Ich stutzte.

Atlan, stand da. Mein Rufname, unter dem ich außerhalb von Terra lediglich in Hofkreisen bekannt war – dafür hatte Vater gesorgt. Tatsächlich richtete sich die Nachricht also an mich persönlich.

»Höchstedler?« Die Funkoffizierin sah von ihrer Station auf. Abwartend starrte sie mich an.

»Einen Moment.« Meine Neugier war geweckt. Ich tippte die Kurzinformation an. Der Betreff des Anrufs bestand aus nur einem Wort: »Kephlomm«.

Mein fotografisches Gedächtnis sprach an. Es zeichnete eine Gestalt vor mein geistiges Auge: weißhäutig, dreiäugig, massig, aber ungewöhnlich klein für einen Naat. Der Mund glich einem aufrecht stehenden Oval. Eine bläuliche Maserung prangte über dem linken Schläfenauge, zog sich schräg über den Kopf bis in den Nacken.

Kephlomm, entsann ich mich, war der Name eines Naat'kaa, einer seltenen Mutation unter seinesgleichen. Begegnet war ich ihm vor langer Zeit. Nahe der alten Stadtgrube im Mittelring von Naatral hatte er mir eine Botschaft des Planeteningenieurs Krom übergeben und von dessen Begegnung mit Quiniu Soptor berichtet. Über die Rolle des weißen Naats rätselte ich seither.

Das genügte, um meine Meinung zu ändern. Ich beschloss, das Gespräch anzunehmen.

Ein Bauchgefühl jedoch riet mir, die Besatzung darüber im Unklaren zu lassen. Dass Kephlomm sich für den erneuten Kontaktversuch offenbar der Kommunikationstechnik der Müllwerker bediente, verriet seinen Wunsch nach Diskretion. Jedenfalls nahm ich nicht an, dass er überraschend den Masgar Skoa beigetreten war.

Unauffällig überstellte ich den Ruf in meine Kabine und erneuerte den Haltebefehl an die Flottenkommandanten. »Kommandantin, ich ziehe mich für kurze Zeit zurück.«

Ich verließ die Zentrale. Sollten sie meinetwegen denken, dass ich ein körperliches Bedürfnis verspürte. Immerhin war ich seit Stunden auf meinem Posten, ohne auszutreten.

Rasch durcheilte ich das Mitteldeck. Ringsum herrschte ein buntes Treiben. Roboter trugen Werkzeug und Material zu einem Ventilationsschacht. Techniker beugten die Oberkörper in offen stehende Wartungsluken, prüften jede Funktion und jedes Aggregat auf Fehler. Der Flottenaufmarsch sorgte auch an Bord der Schiffe für Geschäftigkeit.

Eine Gruppe Unteroffiziere stob auseinander, als ich um die Ecke bog. Die vier Frauen und ein Mann neigten ehrfürchtig die Köpfe.

Wenigstens werfen sie sich nicht vor mir zu Boden. Ich ertrug die ständige Ergebenheit meiner Artgenossen kaum mehr. Selbst in Andromeda, an Mirona Thetins Seite, wurde mir weniger Verehrung zuteil. Alles daran fühlte sich falsch an.

Meine Kabine lag nahe der Zentrale, wie es dem Koordinator einer militärischen Invasion zustand. Nach einer Minute – terranische Maßeinheiten waren mir nach all der Zeit auf der Erde geläufiger als arkonidische – stand ich vor dem Eingang. Ein Emblem aus ziseliertem Blattgold verzierte die Türhälften. Der Türservo erkannte meine Biosignatur, und das Schott glitt auf.

Drinnen empfing mich edles Mobiliar; ein Udolmholztisch mit verschnörkelten Beinen stand auf einem Teppich aus goldbeknüpften Seidenfasern. Der Duft haspronischen Aromawassers, das in einer Schale auf dem Tisch ruhte, übertünchte den allgegenwärtigen Geruch steriler Putzmittel, der auf Raumschiffen üblich war.

Ich sehnte mich nach der Einfachheit meines terranischen Exils. Der Luxus verfolgte mich auf jedem Schritt.

Vor der Stirnwand war eine Mehrzweck-Arbeitsstation neuester Bauart installiert. Im Datenholo blinkte die Kennung des Müllwerkeranrufs.

Mein Extrasinn mahnte mich zur Vorsicht. Ferroa da Borgir könnte etwas merken. Selbst wenn das bevorstehende Funkgespräch in deinem Quartier stattfindet, leitet die Schiffspositronik es über ihre Station. Niemand an Bord darf erfahren, dass der Kristallprinz unter der Hand zwielichtige Kontakte pflegt. Es würde deine Verbündeten in Gefahr bringen.

Ich aktivierte eine Verschlüsselungsroutine, die meine Unterhaltung aus den Protokollen tilgen und vor der Schiffsführung geheim halten würde. Es war kein todsicheres Verfahren, aber hoffentlich verbarg es den Funkkontakt lange genug vor da Borgirs Augen.

Endlich nahm ich das Gespräch entgegen.

Einen Lidschlag später entstand ein Kommunikationsholo über dem verzierten Udolmholztisch. Es zeigte Kephlomm. Obwohl ich ihm zuletzt vor Jahrzehnten begegnet war, wirkte er kaum gealtert.

Der Naat'kaa grüßte mich höflich und schob die Fleischzähne aus dem Kiefer – vermutlich sein Versuch, ein Lächeln zu imitieren. Er war eine markante Erscheinung. Dabei wusste ich, dass er kleiner war als andere Naats, auch wenn das auf Ellengröße skalierte Hologramm das kaschierte.

Er war nicht allein. Ein Arkonide schob sich von rechts in den Bereich der Bilderfassung: dürr, mit wirrem Haar und abgerissener Kleidung. Seine Haltung war gebeugt. Das Alter oder eine Fehlbildung krümmten seinen Rücken. Der Naat machte dem Alten Platz.

»Sie haben Mut, mich über diesen Kanal zu kontaktieren! Wer sind Sie?« Ich gab mir keine Mühe, die Irritation aus meiner Stimme zu bannen. Ein Missbrauch der Kommunikationskanäle gefährdete den Ablaufplan des Flottenaufmarschs. Vater würde das nicht gefallen.

Nur Kephlomms Anwesenheit hinderte mich daran, Thila da Quelnya zu informieren und die Verhaftung des Alten zu befehlen. Obwohl ich dem Naat'kaa bislang nur kurz begegnet war, traute ich ihm.

Der Mann grinste schmal. »Ich bin Sofgart. Ich suche Perry Rhodan. Und ich denke, Sie können mir helfen.«

3.

Samfonnan di Quennion

Kurz zuvor

Der vollendete Metallring hing vor dem gleißenden Sternengrund. Aus der Ferne wirkte er winzig. Positionslichter warnten vor der Gefahr. Schon manch unvorsichtiger Raumfahrer war der Gewalt aktiver Gravoschleudern zum Opfer gefallen.

Im Diagnostikholo wechselten die Kontrollanzeigen in ein beruhigendes Saftgrün. Die Apparatur war betriebsbereit.

»Geschafft. Zumindest der größte Teil.« Samfonnan di Quennion atmete durch. Er starrte durch das Glassit ins All, wünschte sich stattdessen einen sonnigen Planetenhimmel, einen weiten Platz mit wenigen Leuten und ein Getränk in der Hand. Seine Nerven waren am Ende. Nur die Arbeit hatte ihn eine Zeit lang davor bewahrt, die Enge an Bord wahrzunehmen.

Samfonnans und Tommisas Einsatz dauerte bereits einen halben Prago, einen Arkontag. Zum Glück hatte das aberwitzige Manöver der LORK die Feinjustierung der Schleuder nur geringfügig verstellt. Die Korrektur gelang Tommisa über die Fernkontrolle der LK-2234. Noch eine Vierteltonta, und der Rückstand war aufgeholt.

Die alte Zaliterin steuerte das Diskusboot zur nächsten Montageposition, 400 Bant vor dem Ring. Kreuzer, Schlachtschiffe und Transporter hielten respektvoll Abstand. Anscheinend hatte Drautherb sein Versprechen gehalten und die Kommandanten zur Mitarbeit ermahnt.

Am Zielpunkt leitete Samfonnan die Ausladung des Materiekollektors ein – die zweite notwendige Komponente des Müllrouten-Anschlusspunkts. Erneut öffnete sich das Frachtschott im Unterboden der LK-2234. Diesmal glitt ein kastenförmiges Aggregat von anderthalb Bant Kantenlänge hinaus. Der Kollektor trug die Modellbezeichnung NESTACOR 7BQ.

Diese Variante kannte Samfonnan bislang nur aus Fachjournalen. Dennoch wusste er, was zu tun war. Solche Maschinen folgten alle demselben Bedienkonzept. Verstand man ein NESTACOR-Gerät, begriff man alle. Seine Finger flogen über das Eingabefeld. Er startete die Aktivierungssequenz. Die Positronik erledigte den Rest. Es war der Endspurt. Bald ging es nach Hause.

Während er wartete und das Bordgehirn über Funk Programmroutinen installierte sowie Funktionstests startete, verfolgte er die Kurse der umgebenden Raumer. Die FAMA'ARK verharrte antriebslos im Zentrum des Aufmarschgebiets.

Dieses Schiff und ich ... wir sind noch immer miteinander verbunden. Samfonnan lockerte den Kragen der dunkelgrünen Einsatzkombination.

»Die FAMA'ARK fasziniert dich, oder?« Über die Schulter sah Tommisa ihn an. »Du starrst schon wieder hin.«

Samfonnan lächelte. Wann würde er bereit sein, endlich darüber zu sprechen? Morgen? Nächstes Jahr? Er schloss die Augen. Finsternis. Einen Moment lang glaubte er, sich wieder im Trockendock zu befinden. Dumpfes Wummern durchdrang seinen Körper. Er war gefangen in einem Raum, enger als ein Sarg. Mörderische Schwerkraft presste ihm die Luft aus den Lungen. Er schrie, doch niemand hörte ihn.

»Ich war als Ingenieur am Bau beteiligt«, wich er aus. Mit den Handflächen rieb er über die Armlehnen. Feuchte Striemen blieben auf dem Plastleder zurück, verdunsteten rasch. Die Erinnerung übermannte ihn.

Zwei volle Pragos hatte er an Bord der unfertigen FAMA'ARK im Fuß eines Antigravschachts gesteckt, ohne Wasser und Nahrung, unfähig, sich zu regen. Der Antigravprojektor war auf Höchstleistung gelaufen und hatte ihn eingequetscht. Samfonnan hatte ihn kalibriert gehabt und bei den Einstellungen geschludert.

Als ein Wartungsteam ihn endlich gefunden hatte, war sein Geist gebrochen gewesen – und seine Karriere als Gravo-Ingenieur im Dienst der Arkonidischen Flotte vorbei. Die Militärpsychologen duldeten keine psychischen Traumata in ihren Reihen. »Gesunde« Freiwillige gab es genug. Seither erledigte er die Drecksarbeit für jene, die ihn gedemütigt hatten. Sein Hass auf sie saß tief.

Plötzlich rüttelte Samfonnans Sitz. Die LK-2234 bockte.

»Samfonnan! Ein Traktorstrahl!« Tommisas Stimme zerrte ihn aus seinen Gedanken.

Er riss die Augen auf. »Was?«