Pferdeheimat im Hochland - Danny Boy - Ursula Isbel - E-Book

Pferdeheimat im Hochland - Danny Boy E-Book

Ursula Isbel

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Beschreibung

Laura ist glücklich auf der Farm ihres Onkels. Auf "The Laurels" hat sie eine Zukunft für sich gefunden und liebt ihre Arbeit mit den Pferden. Doch eine schicksalshafte Begegnung mit Danny vom Nachbarhof ändert Lauras Leben. Der Nachbarsjunge und seine Liebe zu den Tieren gehen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Doch eine Familienfehde steht zwischen den beiden Teenagern. Schaffen es die Jugendlichen trotz aller Widrigkeiten zueinandern zu finden? Eine junge Liebe, doch an wen hat Laura ihr Herz verloren? An die Pferde oder den Nachbarjungen Danny?Die 16-jährige Laura konnte ihre Eltern endlich davon überzeugen ein Jahr auf dem Gnadenhof ihres Onkels zu verbringen. Sie liebt die Arbeit dort mit den Tieren und als ihr Onkel Laura in Aussicht stellt den Hof an sie zu vererben, ist die junge Pferdenärrin im absoluten Glück. Lauras Eltern stimmen zu, dass sie auf dem Hof bleiben darf und die Teenagerin beginnt eine Freundschaft mit Danny vom Nachbarhof. Doch die Familien leben seit langer Zeit im Streit. Kann Lauras und Dannys Freundschaft dagegen bestehen?

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Ursula Isbel

Pferdeheimat im Hochland Danny Boy

 

Saga

Pferdeheimat im Hochland Danny Boy

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1990, 2021 Ursula Isbel und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726877359

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont ein Teil von Egmont, www.egmont.com

1

Der Postie kam um neun, als wir die Pferde versorgt und einen Schaden am Gatter der Pferdekoppel Laurels Pasture repariert hatten. Er brachte einen Brief aus Deutschland von meiner Freundin Annika; doch ich nahm mir nicht Zeit, ihn gleich zu lesen, denn ich hatte an diesem Morgen noch nicht geduscht und gefrühstückt; und die Hunde waren hungrig und wichen nicht von meiner Seite. Obwohl ich erst seit zehn Tagen auf The Laurels war, erwarteten sie schon, dass ich ihnen ihr Futter gab, und Rascal, der Terrier, saß jetzt morgens regelmäßig vor meiner Tür und führte einen Freudentanz auf, wenn ich erschien.

»Rascal ist ein Frauenhund«, sagte Onkel Scott. »Als er noch ein Welpe war, hat Anne ihn mit der Flasche aufgezogen. Er hat ihr lange nachgetrauert, als sie starb. Für ihn bist du wohl der lang ersehnte Ersatz für sein verlorenes Frauchen. Außerdem siehst du Anne ähnlich, bewegst dich sogar manchmal wie sie. Das mag der Grund sein, weshalb er dich so rasch ins Herz geschlossen hat.«

Anne war Onkel Scotts Frau gewesen, die Schwester meiner Mutter. Während ich Kaffeewasser aufsetzte, für meinen Onkel Speck und Eier in der Pfanne brutzelte und dann eine Dose mit Hundefutter öffnete, dachte ich, dass es nicht einfach sein würde, wenn ich The Laurels nach Ablauf des vereinbarten Jahres verlassen und nach Deutschland zurückkehren musste – für Rascal nicht und ebenso wenig für mich.

Doch ich wollte jetzt noch nicht ans Fortgehen denken; war ich doch erst so kurze Zeit hier und fing gerade erst an, das Leben im schottischen Hochland kennen und lieben zu lernen.

Ins Schmatzen der Hunde hinein hörte ich die Haustür gehen. Onkel Scott, in Arbeitshose, Strickjacke und Gummistiefeln, kam in die Küche, begleitet von MacDuff, dem Kater, der einen schiefen Blick auf die Hunde warf und zu seinem Futternapf stolzierte, hineinsah und dann maunzend davor sitzen blieb.

»Hör auf, dich zu beschweren!«, sagte Onkel Scott. »Du kommst schon nicht zu kurz!« Und er goss Milch in die Katzenschale.

Dann klingelte das Telefon. Ich war froh, dass mein Onkel zu Hause war und das Gespräch entgegennahm. Telefongespräche lösten noch immer ein Gefühl von Prüfungsstress in mir aus. Ich konnte mich zwar mit meinem Schulenglisch inzwischen schon recht gut verständigen – es war fast ein Wunder, wie rasch ich Übung bekam –, doch in einer fremden Sprache zu telefonieren, ohne das Gesicht meines Gesprächspartners dabei zu sehen, kam mir ungleich schwieriger vor als eine normale Unterhaltung; und der schottische Dialekt machte die Sache nicht gerade einfacher.

Der Wasserkessel begann zu pfeifen. MacDuff, der seine Milch ausgeleckt hatte, sprang aufs Fensterbrett und von dort aus in den Holunderbaum, wütend über das schrille Geräusch. Ich brühte den Kaffee auf, stellte die Pfanne beiseite und deckte den Tisch.

Schon stapelte sich wieder ein Berg Geschirr im Spülbecken. Der Boden, den ich erst vergangene Woche geschrubbt hatte, war schmutzig wie eh und je, und ich hatte nicht die blasseste Ahnung, was ich mittags kochen sollte.

»Das war eine Frau aus Dingwall«, sagte Onkel Scott, als er wieder in die Küche kam. »Sie hat meinen Zettel in der Apotheke gelesen und wäre bereit, dreimal wöchentlich herzukommen und sauber zu machen.«

»Prima!«, sagte ich. »Hast du zugesagt?«

»Noch nicht. Ich will sie mir erst ansehen. Vielleicht ist sie geschwätzig; dann scheidet sie schon mal aus. Ich hasse Frauen, die mir pausenlos die Ohren vollschwatzen.« Er setzte sich an den Tisch und goss uns beiden Kaffee ein. »Oder sie ist eine von denen, die hellhörig werden, wenn sie merken, dass ich Witwer bin. Eine, die um mich herumscharwenzelt, mir schöne Augen macht und versucht mich einzuwickeln.«

Lachend bugsierte ich sein Bacon and Egg auf einen Teller und stellte ihn vor ihn hin. »Ja«, sagte er, »du findest das komisch, aber ich hab’s erlebt. Nach Annes Tod sind hier ein paar Damen aufgekreuzt, die sich gern bei mir eingenistet hätten. ›Ach, mein lieber Mr. Montrose, ein Mann wie Sie, in den besten Jahren, so ganz allein. . . ‹, und all das übliche Gesäusel.«

An dem düsteren Ausdruck auf seinem knochigen Gesicht und dem Blick seiner durchdringenden grauen Augen merkte ich, dass er die Sache durchaus nicht lustig fand. Deshalb hörte ich auf zu lachen und fragte: »Und was hast du mit ihnen gemacht?«

»Sie vor die Tür gesetzt natürlich.«

Ich stellte mir bildlich vor, wie Onkel Scott eine Dame nach der anderen am Kragen packte, wie eine lästige Katze vom Sessel hob, vors Haus trug und auf die Vortreppe plumpsen ließ; doch ich gab mir große Mühe, nicht wieder zu kichern.

»Sie wissen, dass ich eine gute Pension habe«, fuhr Onkel Scott finster fort. Sein blonder Schnurrbart, in den sich schon Grau mischte, schien sich zu sträuben wie das Nackenfell eines angriffslustigen Hundes. »Und ein Besitz wie The Laurels sticht natürlich so manchem in die Augen.«

»Wär’s nicht möglich, dass auch eine dabei war, der du ganz einfach gefallen hast?«, fragte ich, doch er wehrte entrüstet ab. »Ich kenne die Sorte!«, behauptete er. »Das Geld ist’s, worauf sie es abgesehen haben, sonst nichts. Aber dazu müssen sie sich einen größeren Esel suchen als mich.«

Ich nickte mit ernstem Gesicht und öffnete das Fenster. Der frische Hochlandwind trug den Geruch von Moor und Heidekraut, das Gewieher der Pferde und das verlorene Kreischen der Möwen zu uns herein. Im Efeu rumorten die Vögel. Sonst war es still; eine Stille, die mir noch immer unbegreiflich schien, denn bis vor zwei Wochen war es mir vorgekommen, als könnte es ein Leben ohne den ständigen Lärm von Autos, Motorrädern, Flugzeugen, nachbarlichen Radios und Kindergeschrei nicht geben.

»Wann kommt sie?«, fragte ich, während Onkel Scott raschelnd seine Zeitung auseinanderfaltete.

»Wer?«

Ich wusste nicht, was Putzfrau auf Englisch heißt. »Die Frau, die hier sauber machen soll.«

»Oh, Mrs. MacGillicuddy? Heute Nachmittag.«

Ich zog Annikas Brief aus der Hosentasche und öffnete den Umschlag mit einem Messer. Es waren fünf inzwischen schon ziemlich zerknitterte Seiten, übersät mit wildem Gekritzel.

»Du ekelhafter alter Glückspilz!«, war die freundliche Anrede. »Ich habe eine Neidallergie, seit dein Brief hier angekommen ist (übrigens viel zu spät; du hast versprochen, gleich am ERSTEN TAG zu schreiben!!!). Lauter rote Pickel auf gelbem Grund (im Gesicht). Es ist schon eine ätzende Ungerechtigkeit, dass manche Leute Verwandte mit riesigen Gütern in Schottland haben, wo Pferde und Hunde, recht ordentliche Onkel und ein gewisser Danny herumlaufen, während andere in stinkigen Großstädten ihr Leben fristen, in der Dunkelkammer eines Fotografen schmachten müssen und froh sein dürfen, wenn sie zusehen können, wie frisch verheiratete Paare vor dem Fotoapparat sitzen und sich lieblich lächelnd in die Augen blicken.« (Annika liebte lange, möglichst verschachtelte Sätze.) »Pfui Geier, kann ich da bloss sagen . . . Du schreibst ja recht wenig über Danny, den rotblonden Highlander, was ich übel vermerkt habe; aber schließlich bin ich nicht auf den Kopf gefallen und kann zwischen den Zeilen lesen. Im nächsten Brief erwarte ich eine gewissenhafte Berichterstattung, nicht bloß eineinhalb popelige Seiten! Oder noch besser: Ruf mich doch mal abends an, wenn’s dein Geiz erlaubt! Du verdienst schließlich mehr als ich armes zurückgebliebenes Würstchen – zurückgeblieben im wahrsten Sinn des Wortes. . .«

In dieser Art ging es weiter. Ich kicherte ein paar Mal vor mich hin, worauf Onkel Scott den Scotsman sinken ließ und mich forschend ansah.

»Meine Freundin hat geschrieben«, erklärte ich.

»Sie scheint Humor zu haben.«

»Ja, den hat sie allerdings«, sagte ich; doch ich verschwieg, dass Annika sich auch über die seltsame Familienfehde zwischen ihm und den benachbarten MacClintocks lustig machte und mich aufforderte, auf The Laurels nach geheimen Wandschränken zu suchen, falls irgendwo das Skelett eines unglückseligen Abkömmlings der MacClintocks steckte und vor sich hinmoderte.

»Die Highland-Clans waren immer blutrünstig«, behauptete Annika. »Das weiß man ja aus dem Geschichtsunterricht. Sie haben sich gegenseitig verraten und niedergemetzelt. . .« Das Wort »gemetzelt« war mit Großbuchstaben geschrieben.

Ich dachte, dass ich auf The Laurels wohl kaum etwas anderes als Mäuseskelette und vergammelte Socken finden würde, falls ich mich auf die Suche machte. Dann stürzte ich mich auf den Abwasch, während Onkel Scott eine Einkaufsliste aufstellte und sich von mir diktieren ließ, welche Lebensmittel wir brauchten. Es fehlte praktisch an allem – angefangen bei Reis, Salz, Nudeln und Mehl bis zu Gemüse, Butter, Essig und Öl, Eiern, Brot und Milch. Im Augenblick hatten wir eigentlich kaum mehr als ein paar Kartoffeln und Zwiebeln im Haus und im Kühlschrank lag noch ein einsames Ei. Auch Gewürze fehlten, doch davon erwähnte ich nichts. Sie lagen bei Danny MacClintock im Auto und spätestens am Freitag würde ich sie von ihm bekommen.

Noch waren ungespülte Töpfe und Pfannen im Spülbecken, als ich hörte, wie Onkel Scott den Rover aus der Garage fuhr. In Gedanken war ich bei Danny, dem Nachbarssohn, und der seltsamen Feindschaft, die zwischen seiner Familie und meinem Onkel herrschte. Es hatte mit alten Grundstücksrechten zu tun, aber auch mit neueren Streitigkeiten, deren Ursprung und Hintergrund ich noch nicht kannte; und ich hätte die ganze Sache sicher komisch und verstaubt gefunden, wenn Danny und seine Schwester Sheila nicht gewesen wären.

Ich ließ frisches Spülwasser ein. Danny und Sheila – ich hatte die beiden wenige Tage nach meiner Ankunft bei einem Ausritt kennen gelernt und auf Anhieb gemocht; doch Onkel Scott wünschte nicht, dass ich mit einem Mitglied der Familie MacClintock verkehrte. Und obwohl ich nicht bereit war, mich in diese alberne Clanfehde hineinziehen zu lassen, wollte ich es doch auch nicht mit meinem Onkel verderben. Immerhin hatte er mir die Chance gegeben, ein Jahr lang bei ihm zu arbeiten und in seinem Haus zu wohnen.

Das bedeutete, dass ich vorsichtig und diplomatisch vorgehen musste, wenn ich mich mit Danny und Sheila traf. Am Freitagabend wollten sie mich auf einen Ceilidh mitnehmen, eine Art Volksmusiktreffen; und ich wusste noch immer nicht, wie ich es meinem Onkel beibringen sollte.

Doch Annika hatte mir eingeschärft, Probleme an mich herankommen zu lassen, mir keine Sorgen zu machen und darauf zu vertrauen, dass sich alles wie von selbst ordnen würde.

Im Augenblick war schon das Mittagessen ein Problem für mich. Mrs. Tweedie, Onkel Scotts alte Haushaltshilfe, war gestern hier gewesen, was bedeutete, dass sie heute nicht kommen würde. Das war einesteils erfreulich, weil ich ihre seltsamen »Spezialitäten« nicht zu essen brauchte; andererseits aber blieb das Kochen mir überlassen und damit hatte ich nach wie vor gewisse Probleme.

Schließlich fasste ich den Entschluss, Kartoffelpuffer zu machen – »Reiberdatschi«, wie wir das in Bayern nennen – und suchte im Küchenschrank fieberhaft nach einem Rest Mehl. In meine Suche hinein klingelte das Telefon. Es war eine Mrs. Muir, die sich in breiter schottischer Mundart nach der Putzstelle erkundigte und wissen wollte, wie groß das Haus sei und ob es noch weitere Bedienstete gäbe.

»I dunno want no dogs«, verkündete sie mit ihrer Feldwebelstimme. »Make a lot of dirrt, that’s what they do!«

Das entschied die Sache. Ich erklärte in kühlem Ton und in meinem besten Englisch, dass wir nicht nur zwei Hunde, sondern auch eine Katze im Haus und einunddreißig Pferde hätten; und sie schmetterte den Hörer auf die Gabel, ohne ein weiteres Wort zu erwidern.

Kaum hatte ich aufgelegt, da klingelte das Telefon schon wieder. Seufzend drehte ich mich um und nahm ab. Sicher, so dachte ich, war das wieder irgendeine Mrs. Mac, die sich erkundigte, ob wir Kinder, Hunde, Katzen oder einen Butler im Haus hätten; doch so war es nicht.

»Hallo, Laurie!«, sagte eine sanfte Stimme; und auch diesmal vollführte mein Herz einen überraschenden, ziemlich beunruhigenden Purzelbaum.

Ich holte tief Luft. »Danny!«, sagte ich. »Bist du das?«

»Höchstpersönlich. Da staunst du, was?«

Allerdings staunte ich. »Dass du dich traust, hier anzurufen! Wenn jetzt mein Onkel am Apparat gewesen wäre?«

»Dann hätte ich einfach nach dir verlangt. Schließlich kennt er meine Stimme nicht.« Er lachte leise. »Außerdem weiß ich, dass die Katze aus dem Haus ist. Ich bin ihm nämlich auf der Strecke nach Dingwall begegnet. Er fuhr gerade in die Stadt und ich war auf dem Heimweg.«

»Aha«, sagte ich nicht besonders scharfsinnig.

Ein kurzes Schweigen entstand. Dann sagte er: »Du hast was in unserem Auto vergessen.«

»Die Gewürze, ja. Hab ich schon bemerkt.«

»Warum bist du dann nicht gekommen, um sie dir zu holen? Wir sind schließlich Nachbarn.«

»Ich?«, sagte ich mit einem Kiekser in der Stimme. »Ich soll zu euch kommen? Damit deine Mutter mich rauswirft?«

Danny erwiderte: »Blödsinn. So was würde sie nie tun. Mom ist nicht so verbohrt. Sie hat sich aus diesem Streit immer herausgehalten; jedenfalls so gut es ging.«

Wieder schwiegen wir. Es wurde langsam peinlich. Mein Herz klopfte noch immer rascher als sonst; wahrscheinlich kam das von dem Purzelbaum. Weil ich nicht so recht wusste, was ich sagen sollte, fragte ich: »Bleibt’s bei Freitag?«

»Sicher. Aber was ist mit den Gewürzen? Wir könnten uns treffen. An der Grenze, die zwischen unseren Grundstücken verläuft. Das wäre doch passend, nicht?«

Ich musste lachen. »Mm, allerdings.« Dann fiel mir etwas ein. Ich hatte die Gewürze ja noch nicht einmal bezahlt! Rasch sagte ich: »Ich bringe das Geld mit. Treffen wir uns in der Nähe der Pforte zwischen euren Schafweiden? «

»In Ordnung. Wann?«

»In einer halben Stunde.«

Ich war ein bisschen zittrig, als ich auflegte. Während ich noch darüber nachdachte, dass mir so etwas selten passiert und dass ich heute offenbar meinen nervösen Tag hatte, schallte der Türklopfer durchs Haus. Ich ging zur Tür und öffnete. Draußen stand ein kleines, rothaariges Männchen mit Segelfliegerohren und viel zu großen Händen. Rascal, der bei mir zurückgeblieben war, begrüßte ihn freundlich.

Der Mann sagte, er wäre der Hufschmied und hätte Onkel Scott versprochen, so bald wie möglich vorbeizuschauen, um einem unserer Pferde einen Spezialbeschlag zu verpassen.

Davon hatte Onkel Scott mir nichts gesagt. Ich ahnte nicht, welches der Pferde einen Spezialbeschlag brauchte. Belle vielleicht? Doch sie hatte die Strahlfäule; ich war nicht sicher, ob sie überhaupt beschlagen werden durfte.

»Mein Onkel ist nach Dingwall gefahren«, sagte ich unschlüssig. Dann fiel mir Allan ein, der Pferdepfleger. Er musste es wissen; Allan kannte sich mit allem aus, was die Pferde betraf.

Während der Hufschmied sein Werkzeug aus dem Wagen holte, schlüpfte ich in meine Gummistiefel und lief ums Haus, um Allan zu suchen. Rascal rannte bellend hinter mir drein. Ich hatte es eilig, da ich noch duschen und mich umziehen wollte, ehe ich Danny traf. Sicher roch ich wie eine Schubkarre voller Pferdemist; und Dandy, der graue Wallach, hatte bei der Morgenfütterung seinen Kopf an mir gerieben und einen Schmutzstreifen auf meinem Pullover hinterlassen.

Der Stall war leer, ebenso die Sattelkammer. Auch im Schuppen, in dem die Futterkammer untergebracht war, fand ich Allan nicht. Der Hufschmied tauchte auf dem Stallhof auf und ich rannte zu Laurels Pasture hinüber; doch Siebenschön und Myrddin, unsere beiden schwierigen Neulinge, standen allein unter der Eiche und beobachteten mich misstrauisch, als wäre ich der Hauptmann einer Räuberbande.

Ich schrie: »Allan! Allan!«, so laut ich konnte und drüben auf Brooks Pasture hoben die Pferde die Köpfe und lauschten; ein Eichelhäher erhob sich kreischend aus einem Baum und flatterte davon, und vom Heathery Hill kam der Widerhall: »Allan! Allan!«, während Rascal aufgeregt bellte und an mir hochsprang.

Doch Allan tauchte nicht auf; wahrscheinlich, so dachte ich, versteckte er sich irgendwo, nur um mir eins auszuwischen. Natürlich war dieser Verdacht unsinnig, denn schließlich konnte er nicht ahnen, dass ich es eilig hatte, weil Danny vom benachbarten Braeside mich in einer Viertelstunde erwartete und weil ich weder geduscht hatte noch umgezogen war.

Ich raste mit Rascal den Pfad zwischen den Mäuerchen entlang, die die Koppeln säumten, und schnaufte heftig vor Zorn und Ungeduld. Allein die Tatsache, dass ich es war, die ihn rief, konnte Allan veranlasst haben, sich zu verkrümeln; denn er mochte mich nicht und hielt es vermutlich für unter seiner Würde, auf etwas zu reagieren, was von mir kam.

Dandy und Bonnie, das schwarze Shetlandpony, kamen herbeigaloppiert; ihre Mähnen und Schweife flatterten wie Gischtfontänen im Wind. Ich kletterte auf das Mäuerchen, um einen besseren Ausblick zu haben, und Dandy drückte seine Nase gegen meine Brust. Sein Atem kam pfeifend, obwohl er nur eine kurze Strecke zurückgelegt hatte, und ich streichelte ihn und sagte: »Du darfst dich nicht so anstrengen, mein Kerlchen; du weißt doch, dass du die Hartschnaufigkeit hast. . .« Dabei spähte ich über die Koppel mit den Farnkrautbüscheln, dem Heidekraut, das gerade zu blühen begann, und den moosbewachsenen Steinen.

Die Pferde standen an der Salzlecke und am Bach; Allan aber war nirgends zu sehen. Ich fluchte leise vor mich hin, während Dandy versuchte, einen Holzknopf an meinem Pullover zu verspeisen.

Als ich vom Mäuerchen sprang, schürfte ich mir das Schienbein auf, doch ich merkte es kaum. Ich sah auf die Uhr. Noch sieben Minuten bis zur verabredeten Zeit! Wieder schrie ich: »Allan, Allan!!« und hätte am liebsten ein paar Schimpfnamen hinzugefügt. Rascal drehte fast durch; kläffend sprang er an mir hoch und ich rannte zum Stallhof zurück, atemlos und wütend wie ein gereizter Truthahn, und entdeckte dort Allan, wie er sich seelenruhig mit dem Hufschmied unterhielt.

Der Hufschmied nickte mir freundlich zu, als ich keuchend angetrabt kam, Allan aber tat, als wäre ich Luft. Ich hätte ihm am liebsten einen Tritt versetzt und beschloss, ihn von jetzt an mit totaler Verachtung zu strafen, stolzierte wortlos an ihm vorbei, streckte die Nase in die Luft und versuchte mir vorzustellen, wie er von Kannibalen in einen Kessel gesteckt, mit Salz und Curry bestreut und in siedendem Wasser gar gekocht wurde. Die Vorstellung war recht angenehm und trug dazu bei, meine Stimmung rasch wieder zu bessern.

Im Haus stellte ich fest, dass ich noch genau zwei Minuten Zeit hatte. Also zerrte ich mir nur den schmutzigen Pullover über den Kopf, streifte einen sauberen über, fuhr mit der Bürste über mein zerzaustes Haar und stürmte wieder nach unten.

Das Telefon klingelte, aber ich kümmerte mich nicht darum. Erst als ich schon beim Wintergarten war, entdeckte ich, dass Rascal mir folgte; da musste ich noch einmal umkehren und ihn ins Haus bringen, für den Fall dass Danny seinen Hund Nessie bei sich hatte.

Vom Haus brauchte man ganze zwanzig Minuten bis zur westlichen Grundstücksgrenze, wenn man sich beeilte; so groß war The Laurels. Eine ganze Wohnsiedlung hätte darauf Platz gehabt oder ein mittlerer Stadtpark. Onkel Scott war kein vermögender Mann, doch sein Landbesitz erschien mir wie ein unerhörter Reichtum, der sich mit einem dicken Bankguthaben oder einem Safe voller Schmuck nicht vergleichen ließ; Geld, Gold oder Edelsteine kamen mir armselig vor, verglichen mit dem Besitz von Wäldern, Wiesen, Bächen und Berghängen, wo Pferde und Schafe weiden, Blumen blühen, Vögel nisten und Kaninchen ihre Gänge graben können. Das war ein Stück vom Paradies, schöner und kostbarer als die englischen Kronjuwelen.

Ich hörte die klingenden Schläge eines Hammers auf Eisen und sah den Hufschmied und Allan mit Primrose beim Schuppen stehen. Der Weg zwischen den Koppeln war aufgeweicht, gemustert von Hufabdrücken. Eine kleine Gruppe von Pferden stand unter den Bäumen und döste mit hängenden Köpfen. Sie hatten sich im Schlamm am Bachufer gewälzt und sahen aus wie Erdschweine. Wie sie da standen, träge und vor Schmutz starrend, hätte man fast Mitleid mit ihnen bekommen können; doch ich wusste, dass sie sich in diesem Zustand wohler fühlten als so manches Pferd, das auf Hochglanz gebürstet in seiner Box steht, die Mähne verzogen, die Hufe eingefettet, den Schweif in Zöpfe geflochten.

»Pferde fühlen sich wohl, wenn sie so richtig schmutzig sind«, hatte Onkel Scott vor kurzem gesagt. »Dass sie sich in Sand oder Schlamm wälzen, ist ein Naturinstinkt; es ist gut für ihr Fell. Nur wir Menschen glauben, einem sauber gestriegelten Pferd müsste besonders wohl in seiner Haut sein. Wir neigen dazu, den Tieren unsere Gefühle und Bedürfnisse – die ja auch meist anerzogen sind – unterzuschieben.«

Dandy wartete am Mäuerchen und sah mir mit gespitzten Ohren entgegen. Er dachte wohl, ich käme, um mit ihm auszureiten. Bis zum Ende der Mauer und weiter am Zaun entlang lief er mit und schnaubte, als wäre das ein interessantes neues Spiel, wie ich da mit fliegenden Haaren über den Pfad rannte, ohne das Gatter zu öffnen und zu ihm zu kommen.

Als er jedoch die Grenze der Koppel erreicht hatte und mir nicht weiter folgen konnte, sondern zusehen musste, wie ich über den Zauntritt neben der Pforte stieg, wieherte er entrüstet hinter mir her.

»Ich reite nachmittags mit dir!«, rief ich über die Schulter zurück und dachte, dass mein Herz nur deshalb so heftig klopfte, weil ich in der vergangenen halben Stunde pausenlos von einem Ort zum anderen gehetzt war. Vielleicht hatte Danny sich längst wieder auf den Heimweg gemacht, denn es war fünfundzwanzig Minuten über der vereinbarten Zeit. Er konnte ja nicht ahnen, dass sich alles gegen mich verschworen hatte; womöglich nahm er an, dass Onkel Scott vorzeitig aus Dingwall zurückgekommen war und ich es nicht geschafft hatte, heimlich das Haus zu verlassen.

Doch er war noch da. Ich sah ihn, als ich die Hecke aus Rotdorn und Brombeerbüschen umrundet hatte. Er saß auf dem Zaun am Wegrand und sah mir entgegen.

»Tut mir Leid, dass ich so spät komme«, sagte ich atemlos. »Der Hufschmied war da und ich konnte Allan nicht finden . . . und dann musste ich noch Rascal ins Haus bringen, weil ich dachte, du hast Nessie mitgebracht!«

»Schon gut«, sagte er. »Macht nichts. Hauptsache, du bist gekommen und er hat dich nicht in den Keller gesperrt.« (Damit meinte er wohl Onkel Scott.) »Ich habe Nessie nicht mitgenommen. Ich dachte, du hast einen von euren Hunden dabei!«

Wir lachten und ich schwang mich auf den Zaunbalken und ließ mich neben ihm nieder. Er trug wieder seinen naturweißen Pulli mit dem irischen Muster, doch inzwischen hatte jemand Lederflecke auf die Ellbogen genäht. In seinen Augen, die goldbraun wie Moorwasser waren, spiegelte sich der Himmel, und seine Haare waren zerzaust, als wäre er mit dem Kopf voran durch eine Dornenhecke gekrochen.

Es roch nach Heidekraut, den Kiefern des nahen Wäldchens, nach Thymian und Schafen. Über dem Ben Wyvis türmte sich lavendelfarbenes Wolkengebirge. Plötzlich überfiel mich wieder diese alberne Befangenheit, die ich nur in Dannys Gegenwart kannte. Vielleicht ging es ihm ähnlich, denn auch er schwieg und spähte über die Weide hinüber zu den Schafen, als wollte er nachprüfen, ob die Herde noch vollzählig war.

Die Vertrautheit, die wir nach unserem ersten langen Gespräch bei Deas The Bakers in Dingwall verspürt hatten, war verflogen; und ich fragte mich, ob ich sie vielleicht nur geträumt hatte.

Plötzlich zog Danny aus der einen Hosentasche zwei Päckchen und aus der anderen drei und gab sie mir.

»Curry und Petersilie, Zimt, Kümmel und Paprika«, sagte er. »Klingt fast wie das Lied von Simon und Garfunkel: >Are you going to Scarborough Fair<. Kennst du es?«

Ich nickte. »Aus dem Film Reifeprüfung