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Erst gab es die Kinofilme, dann Videocassetten, DVDs und heute das Internet. Das ist jedoch nur eine Beobachtung aus den 35 Jahren Pornogeschichte von 1970 bis 2005, die Markus Franz verfolgt. Als langjähriger Fan beleuchtet der Autor in immer wiederkehrender schonungsloser Selbstreflexion die Facetten des Pornogeschäftes und seiner Akteure. Gibt es eine Art Beziehung zwischen Pornostar und Konsument? Was macht einen Pornostar aus? Und inwieweit decken sich eigene Erfahrungen und Beobachtungen mit den Standpunkten aus wissenschaftlicher Sicht?
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Seitenzahl: 561
Veröffentlichungsjahr: 2018
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in memoriam Erica Boyer, John Dough und Trinity Loren
Die wichtigsten 35 Jahre der Branche,
deren Innenleben und Auswirkungen (1970 bis 2005)
mit ausführlichem Pornostar Lexikon
Vorwort zur 2. Auflage
Persönlicher Teil
So etwas wie ein (jedoch völlig unscharfer) Anfang
„Graf porno“ (Eine erste Annäherung, 2005)
Und überhaupt: Wie wird man Sammler von „so etwas“?
Die Mauer fiel in Berlin, und der Porno ward auch im Osten entdeckt…
Venus erotik messe berlin (1997 bis 2003 und 2017)
Exkurs: Erotikmessen
Ein zufälliger Anruf eröffnet mir eine Tür
Jahrtausendwende - Niveauende?
Venus 2002 Special
Update: Venus messe 2017
Mein veröffentlichter Brief an eine Pornokönigin
Wissenschaftlicher und Allgemeiner Teil
Wie alles begann (Frankreich, USA, Deutschland, Skandinavien und Co)
Noch Einmal: Was ist pornographisch und was ist richtige Pornographie? Das Erbe von Arentino und Sade
Die Deutung der Pornographie und ihre Ausläufer
Die Wirtschaftskraft der Branche
Exkurs: Sex im Oktavheft-Format Die Pornomagazine erobern Europa
Porno - Wirklich anerkanntes Mainstream Produkt oder nur geduldetes Vergnügen für das Proletariat?
Der Star in Amerika und in unseren Gefilden Wohin mit den vermeintlichen Triumphen?
Ein Job wie jeder andere?
Das erotische Koloss Buch per excellence: Vanessa del Rio (mit Dian Hanson) „Fifty Years of Slighty Slutty Behavior”
Exkurs: Avn award Verleihung 2004
Der Pornofilm als Thema in der ZDF Krimiserie „Derrick“
Porn Chick - Nur Schnickschnack?
Exkurs: „Pornostar“ von Jenna Jameson
Und was ist mit den männlichen Darstellern?
Exkurs: Der Mann, der zum Schwanz wurde
Die Definition von „Hardcore“ (unappetitlich geht es leider weiter)
Es geht etwas Weißes auf Reisen
PorNO und andere Imponderabilien
Die Frauen selbst führten Emmas PorNO Kampagne ad absurdum
Ein bisschen Onanie sowie Prostitution und Pornographie - Ein Zusammenhang?
Die Sexualwissenschaft hat das Wort
Seriös oder tendenziös? - Pornographie im „Spiegel“ und anderen Gazetten (1988 bis 1999)
Jetzt einmal „Konkret“
Filmbeispiele aus den 70ern, 80ern und dem neuen Jahrtausend
Statistischer Teil
The Best of Porno - Die 100 wichtigsten Darstellerinnen der Szene (1970 bis 2005)
Best of Filme
Zusammenfassung und ein versuchter Ausblick
Verwendete Literatur, weiterführende Bibliothek
Zum Autor
Ein Autor der ein Werk wie dieses über Pornographie herausgibt, hat nach der Fertigstellung immer damit zu kämpfen, noch neue Erkenntnisse und Materialien zu erhalten, für deren Einbau es aber dann eben „zu spät“ ist. Denn irgendwann ist eben Druckbeginn bzw. Redaktionsschluss. Das ist einerseits ärgerlich, weil man gerne frühzeitiger wichtige Hinweise genutzt hätte, um den Lesern den bestmöglichen Einblick zu vermitteln, andererseits bedingt es die nun vorliegende 2., erweiterte Auflage. Glücklicherweise war ich durch meine mich immer wieder wirklich selbst hinterfragende Arbeitsweise mit der 1. Auflage auch im Nachhinein zufrieden. Ich musste also wirklich „nur“ freudig den bestehenden Text erweitern und keine Totaloperation vornehmen, soll heißen; ich zeige mich weiterhin mit meinen bisherigen Zeilen komplett einverstanden. Indes ist der neue Anstrich der 2. Auflage ein höchst lohnenswerter geworden. 26 zum Teil immens relevante Werke konnte ich hierfür nutzbar machen, und das Buch selbst gründlich neudeutsch „updaten“. Was sogleich noch dazu führte, dass ich völlig neue Kapitel verfasste, auch um den recht eng gefassten Rahmen der ersten Auflage (von 1970 bis 2005) aufzuheben, und äußerst interessanten Paradigmen aus früheren Jahrhunderten und den Entwicklungen neueren Datums zudem, eben meine Aufmerksamkeit zu widmen.
Man mag gar nicht meinen, wie viel Literatur zu diesem enorm spannenden Thema bereits vorliegt, und wie das Sieben nach echt lehrreichen Stellen auch einen Experten immer wieder herausfordert. Damit ist sogleich ein weiteres Problem angesprochen. So bunt und vielseitig und hilfreich das Angebot auch ist, scheinen weiterhin eher triviale (bebilderte) Werke, vor allem von Frauen geschrieben, am besten „zu gehen“. Meine erste Auflage war ein ziemlicher Ladenhüter, was einerseits gewiss an mangelhafter PR lag, andererseits vielleicht auch an anderen Dingen (wie fehlenden Illustrationen). Der Vorteil meines persönlichen „Klinkenputzens“ („Hallo Martina, möchtest Du nicht mein Buch bei mir bestellen…?“) war jedoch, dass ich quasi direkte Reaktionen erfuhr, die ich auch bereits in einem großen Interview mit der Zeitung DISKRETES DEUTSCHLAND (Ausgabe 3/2017) wiedergab. (Diese Zeitung druckte tatsächlich ein 6-seitiges „Special“ über mich und mein Buch.) Schnell hatte sich bei den wenigen Käuferinnen und Käufern ein klares Bild ergeben. Die Damen waren interessiert am Buch, nicht die Herren! Sie verstanden am besten, wie ernst es mir mit diesem Thema war, und dass die persönliche Nabelschau zu Beginn des Buches nur ein guter Wegweiser sein sollte, für alles Weitere. Und die Reaktionen waren durchweg positiv.
Die Herren duckten sich indes eher weg, bestellten es verschämt, wenn überhaupt. Postings in sozialen Plattformen wie „Danke Markus, heute ist dein Buch angekommen!“, nebst einem Foto des Buches, waren nur von Frauen für mich und andere zu besichtigen. Als die Autorin Ayn Carillo-Gailey für ihr Buch „Pornology“, wo sie sich u.a. aber nicht so vorwiegend wie thematisch erwartet, mit Pornographie beschäftigt, mit einem Bekannten über ihre Arbeit spricht, entgegnet ihr dieser: „Ich bin total dagegen. Männer brauchen bestimmte Lebensbereiche, wo sie von Frauen ungestört sind. Dazu gehören Sport-Bars, Elitetruppen bei der Armee und die Möglichkeit, in aller Ruhe altmodische heterosexuelle Pornos zu konsumieren.“
Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Außer: Viel Freude mit der 2. Auflage, meine Damen…
„Mit Buchkritiken, Junge, mit Buchkritiken beginnt man doch kein eigenes Buch!“ würde mir mein Verleger sagen, wenn ich nicht schon längst den Entschluss gefasst hätte, besser mein eigener Verleger zu sein, und eben exakt so zu schreiben, wie ich es für angemessen halte.
Denn manchmal, und nun bin ich schon im Thema, muss man doch lächeln, obwohl einem eigentlich gar nicht danach zumute ist. So jedenfalls erging es mir, als ich das Buch „Porno in Deutschland“ von einem gewissen Philip Siegel durcharbeite. Bereits auf Seite 10 gerate ich geradezu ins Trudeln. Hier schreibt der Autor:
„Obwohl Pornographie fast täglich Thema in Zeitungen, Talkshows, sogenannten Reportagen und Gegenstand von Kampagnen ist, hat noch kein Journalist den ernsthaften Versuch unternommen, herauszufinden, was tatsächlich in Deutschlands unbekanntester Branche geschieht. Und ergo: „Wieso gibt es keine verlässliche Literatur über das Thema?“ Gut, ich möchte auflösen (ohne dass ich das inhaltlich als absolut richtig durchwinken kann, was er da erklärt, es ist eher als unrichtig, respektive als freche Halbwahrheit einzustufen). Denn bereits 1986 hatte ausgerechnet eine Frau, zugegeben in den USA, genau damit begonnen. Denn die „Geburtsstunde der Porno-Kritik“ (siehe „The Feminist Porn Book Band 1“) war 1986 durch Susie Bright eröffnet worden, die für das „Penthouse“ Magazin Film-Kritiken und Hintergründe zur Pornoszene lieferte, und als „Vorreiterin der Sexpositiv-Bewegung hielt Bright als Erste Vorlesungen über Pornografie an einer Universität ab…“ (Seite 43 aus besagtem Buch) Bright: „Als das Forum (welches sie im Penthouse-Magazin bearbeitete; Anmerkung des Verfassers) mir den Job gab, existierten jede Menge „Porno-Fanzeitschriften“, aber es gab keine unabhängigen Kritiken oder echten Journalismus. Nie sah man in einer Tageszeitung oder seriösen Zeitschrift einen Artikel über die wirtschaftlichen und ästhetischen Aspekte oder die Arbeitsbedingungen der Branche der „Filme für Erwachsene. (…) Keine Reporterin und kein Reporter mit Verbindung zu einer gewerkschaftlichen Organisation besuchte je einen Drehort oder ein Büro, keine Journalistin und kein Journalist außerhalb der Branche kannte die Zahlen.“
Aber zurück zu mir: In den Jahren 2005/2006 schrieb ich in „weiser“ Voraussicht einen solch „ernsthaften Versuch“ mit noch offenem Ende, etwas richtig Ausführliches, Erhellendes über das Fach „Pornographie“ zu publizieren, was der Markt eben derart noch nicht besaß. Dabei vermengte ich meine damalige persönliche Fan-Sicht mit wissenschaftlichen und literarischen Querverweisen. Doch während sich mein Werk einem „Finish“ näherte, stand ich noch immer ohne Verlag da. (Ein typischer und bekannter Anfängerfehler, der vermeidbar gewesen wäre.) Es ging dann ein Exposé an einen Verlag aus meiner Heimatstadt, der sich gerne mit Pop- und Sexualliteratur - vorwiegend aus dem Selbsterfahrungsbereich - auseinander setzt. Eine Antwort blieb man mir zwar schuldig (Verlage stehen allmählich zumindest bei mir, wie gewisse Autoren auch, generell unter dem Verdacht, sich nicht nur als Quasi-Erfinder von (deutscher) Sprache, Kultur und Allwissenheit aufzuspielen, sie haben es auch recht selten mit den einfachsten Regeln der Zivilgesellschaft, sprich Fairness, Respekt und Benimm). Diese „Wir - waren - als - Erste - da - und - wissen - nun - alles“ - Attitüde nervt mich persönlich wenigstens kolossal. Anstatt einer Antwort also erschien jedenfalls wenige Jahre später ein Werk in eben jenem Verlag über „mein Thema“, sie hatten eben lediglich einen anderen Journalisten ins Feld geschickt. Es wurde dann ein Interview-Buch, was zwar annähernd den Umfang, aber bestimmt nicht die inhaltliche Breite und Tiefe meiner bisherigen Arbeit tangierte. (Es half mir natürlich trotzdem meinen Horizont über horizontale Filme zu erweitern, der Arroganz anderer Autoren und Verlage bemächtigt sich unser einer ganz bestimmt nicht.) Aber auch Siegels oben erwähntes Buch „Porno in Deutschland“ besitzt nach meinem Dafürhalten bei aller guten Beobachtungsgabe und zweifellos talentierten Schreibe des Autors, eine vermeintliche „Schwäche“, es verliert den Abstand zum Thema. Ein „Schmiergeld namens Nähe“ schlug wieder einmal zu. Ich möchte hier eigentlich gar nicht aus freien Stücken oder aus einer miesen Laune als „Autor“ zu einer fundierten Buchkritik ansetzen, tue dies nur etwaig und lose im Rahmen einer eigenen beinahe Rechtfertigung, um aufzuzeigen, dass der Erwerb dieses meines Werkes dadurch eben zum Glück nicht obsolet geworden ist. Seine journalistische Reportage in Buchform ist lesenswert (auch hier etliches Neue für mich) aber je weiter Philip Siegel eintaucht in die „geile Welt auf Bestellung“, wie ich die Pornographie selbst nannte, spürt man förmlich körperlich, wie eine grundkritische Haltung schleichend abgelegt wird, so sie denn überhaupt je vollends vorhanden war. Doch auch daraus sei ihm kein Vorwurf gemacht, er hat ja unter dem Strich etwas echt Ordentliches abgeliefert. Er lobt wie sehr man ihm quasi „freie Hand“ bei seiner Arbeit von den Pornomachern ließ, doch, um ehrlich zu sein, wie glaubhaft ist es, dass das was er an Grundton bei den Drehs vorfand, wirklich „Alltag“ war, wer kann dies als einigermaßen realistisch annehmen, wenn man sich „off the record“ einmal richtig umhört?...
Es ist eine „Reise“ durch die (deutsche) Gegenwart des Pornos um 2009, dort wo dieses Werk welches Sie gerade in Ihren Händen halten, natürlich schon vom „Zeitfenster“ endet, dem Pornofilm als solches, seine Wirkung, empirische Breite und Bedeutung, wohl in allererster Linie ein Rückblick in die Vergangenheit ist, trägt wenig zur Gegenwartskultur bei, und er hat vermutlich auch keine richtige Zukunft mehr, durch seine schwindenden Inhalte.
(Außerdem hatte es solche gar nicht einmal verfälscht dargebotenen Reportagen - allerdings im TV-Format - bereits seit über 20 Jahren gegeben.) Zudem beschränkt sich (s)eine Reise auf Deutschland, das ist so gesehen nachvollziehbar und schulisch benotet ein „befriedigend“, nur wenn ich die Vergangenheit und vor allem die Korrelation mit anderen, stilprägenden quasi „pornohistorischen“ Ländern wie Frankreich, Dänemark oder den USA außer Acht lasse, wirkt dies in Summe eindimensional, und würde, wäre der Porno nicht so verpönt, eher für eine reine Zeitungsserie taugen. Ich komme von diesem arrogant klingenden, „noch kein Journalist ernsthaft den Versuch unternommen“ nicht los, es stört mich einfach, da es ungehörig ist. Was für ein „Ich weiß was, ich bin der erste ganz Harte, der sich selbstlos in gefährliche Abgründe begeben hat“ Aufgeblase. Und, nein, „Fotzen am Spieß“ ist eben kein „fantasievoller Titel“ wie Herr Siegel meint, sondern ordinär, peinlich und für mich frauenfeindlich, und man muss auch bei einem gerichtlich belangten Brutalo-Pornomacher aus dem Süden von Deutschland nicht krampfhaft versuchen, eine gesellschaftliche Salonfähigkeit herstellen, der erreichte Niveauabgrund bietet dazu auch kein Potential.
Um dieses meinige Buch nun doch noch fertig zu stellen (das Buch „Porn Chic“ von Frau Steffen traf beispielsweise erst zum redaktionellen Schluss ein, ich hätte es einfach ignorieren können, aber auch dieses trieb meinen Blutdruck einfach unfreiwillig in ungeahnte Höhen), und eben nicht nur eine stringente Sichtweise bis zum Überdruss (siehe oben!) mit allen möglichen und unmöglichen Belegen zu manifestieren, musste ich es zwar an mehr als nur einigen Stellen angleichen und abändern, das Grundgerüst blieb jedoch weitgehend erhalten. Dass es im Wesentlichen etwa 2005 stoppt, wird die Leserschaft kurzzeitig verwundern, ich habe jedoch relevante Gründe dies getan zu haben (wie eben kurz angerissen), und werde dies in der Schlussbetrachtung am Ende des Werkes verdeutlichen. So ist es ein Buch über die wohl wirklich entscheidenden 35 Jahre des Pornofilms geworden (mit seiner technischen Anbindung an die sehr entscheidende VHS Video(Kauf)-Cassette), nämlich jenen vom Beginn der 70er Jahre („Golden Age of Porn“) bis zur Mitte des ersten Jahrzehnts unseres neuen Jahrtausends. (Es ist aber keine cineastisch angelegte Untersuchung, da gibt es bereits relevante Werke von profunden Kennern, siehe die späteren Literaturhinweise.)
Meine Neutralität war aber nun auch hier nicht dauerhaft aufrecht zu erhalten, das verbietet ein derart emotionales Thema von selbst. Auch ich bin, wie es Philip Siegel korrekt über sich selbst wiedergibt, „eben wie jeder andere Erwachsene auch - ein sexueller Mensch“. Oder wie Matthias Frings schrieb: „Das ist es wohl auch, was uns zu Menschen macht. Unsere zeitweilige Hilflosigkeit beim Umgang mit dem Sexuellen. „Es war nur von Anbeginn meiner Arbeit mein wirklich dringendster Wunsch, so viel wie möglich an unterschiedlichen Sichtweisen und Aspekten nieder zu schreiben. Die Leserin und der Leser sollen sich eben ein eigenes, reflektiertes Bild schaffen, und sich an ihren eventuell vorhandenen Vorurteilen unfallfrei abarbeiten können.
In Kooperation mit der eigenen Authentizität und im Spagat zwischen „ehrlicher Socke“ und seriösem Sachbuchautor, hoffe ich überwiegend die richtige Wortwahl getroffen zu haben.
Wie dies Beate Hofstadler 1996 in ihrem fantastischen Buch („Stielaugen oder scheue Blicke“) zum Abschluss ihrer Studie richtig festhielt: „Wir haben gesehen, daß in der Wahrnehmung und Bewertung pornographischen Materials sexuelle Erregung (Triebe) und Vernunft (Über-Ich) in ein konflikthaftes Mischungsverhältnis geraten.“
Man mag mir ankreiden, dass ich dazu auch Bilder aus meinem privaten Fotoarchiv zur Hilfe genommen habe, (in der Erstauflage und als E-Book wird es jedoch ohne Fotos erscheinen!) um noch einmal zu verdeutlichen, dass der Mensch häufig geneigt ist - speziell in sexuellen (privaten!) Angelegenheiten - mit zweierlei Maß zu messen, oder besser: die eigene Erregung - egal ob zugeneigt oder gar angewidert - zu verdrängen. Dass es mir als allererstes nicht immer ganz leicht fiel, meine Emotionen mit den Fakten in eine entsprechende Balance zu bringen, verstand sich wohl von selbst. Auch die amerikanische Autorin Linda Williams brachte es bereits ziemlich genau für ihr Geschlecht auf den Punkt, als sie schrieb: „Weiß ich doch auch, dass ich mit dem Bestreiten jeglichen Vergnügens eine ebenso ärgerliche Doppelmoral perpetuiere, welche besagt, nur die nicht-sexuelle Frau sei die glaubwürdigere, die „gute“ Frau.“
Zwei Dinge muss ich jedoch - bevor die Kritik losschlagen will - doch noch hinzufügen. Erstens, dass ich hier keineswegs behaupte eine komplette, lückenlose Pornographie-Aufarbeitung hingelegt zu haben. Ein solches Unterfangen halte ich auch von vornherein für zum Scheitern verurteilt. (Allein was ich aus meiner filmischen Sammlung noch hätte herausholen können an Informationen, hätte ein weiteres Buch ermöglicht.) Auch deshalb entschied ich mich für die Unterzeile („Die wichtigsten dreißig Jahre der Branche“). Zweitens unterstreiche ich zwar vor allem das psychologische Moment, zeichne aber weniger die neuesten Entwicklungen nach. Welche XY-Blondine wie viel verdient beim Räkeln vor der heimischen Webcam ist mir nicht so primär wichtig, als vielmehr die zuvor bereits im Buch geklärten Fragen, was die Pornographie für Darstellerinnen im Allgemeinen mit deren Leben macht, wie Fans (wie ich selbst dereinst) den Sex-Ikonen begegnen, und ob das was gemeinhin als eine Illusion gilt, nicht doch direkt erlebbar gemacht werden kann, und unter welcher Prämisse. Und bitte sehr: mit welchen Konsequenzen?
In diesem Sinne wünsche ich mir, selbstverständlich nicht das Rad des Pornos mit dieser Arbeit neu zu erfinden, ich bin lediglich Berichterstatter und kein Mitglied oder Gestalter des X-Business, aber meinem Ziel nähergekommen zu sein, den bestmöglichen Blick auf mehrere Perspektiven für meine Leserinnen und Leser zu gewährleisten. Dass bei der Vielschichtigkeit des Themas alles nur relativ grob umrissen wurde (aber womöglich sicher mehr als nur einen Spaten tief gegraben, aber dafür lieber anschaulich und verständlich gemacht) bitte ich zu akzeptieren, dieses Buch wäre sonst zu komplex und „trocken“ geworden. (Ein Begriff der im Zusammenhang mit Porno einfach nicht zu passen scheint, wenn mir der Kalauer erlaubt sei.) Wie der Autor Grahame-Smith es wünscht, nämlich „verängstigte Pornogegner in stolze Fans verwandeln“ (wie er in seinem sehr anschaulichen „Das große Porno-Buch“ schrieb, in dem er übrigens der „Zukunft des Porno“ logischerweise nur eine läppische Seite widmete). Dieses Anliegen bezweifle ich für mein Werk zwar, dafür sind meine Zeilen insgesamt auch viel zu dezidiert kritisch, aber um mehr Toleranz für Andersdenkende/ -fühlende zu werben, und die radikalen Ecken ein wenig ausfegen, das ist gewiss auch in meinem Sinn. In der Inhaltsangabe, spätestens in den Literaturhinweisen können Sie nachsehen, wie recht tief ich mich geradezu liebevoll (und auch voller mentaler Tiefschläge) in die Materie eingegraben habe. Sonst hätte ich wohl auch keine Freude an der Veröffentlichung gehabt, die ich nun - natürlich immer mit Abstrichen - zum Glück ein wenig empfinde. Wichtiger ist mir jedoch primär, dass dies meiner Leserschaft so ergeht!
Markus Franz, im Januar 2017
Graf Porno! Was für ein aufsehenerregender Spitzname. Ich „verdanke“ ihn ausschließlich einem alten Kind-Kollegen, mit dem ich mich bisweilen schon im Kindergarten renitent gezeigt hatte, indem wir Streuselkrümel über die sauber geputzten Tische zu Boden schnippten. Er jedenfalls schrieb eine Postkarte an einen gemeinsamen Bekannten nach München, auf dem sich eine alte Ritterrüstung vorne auf der Ansicht befand. „Grüße vom Landsitz des Grafen Porno“ kritzelte er drauf, und meinte damit mich. Der pubertierende Jugendliche der ich war, nahm diesen Pass gerne an, und erfreute sich eines neuen Namens im Freundeskreis. Damit sank meine Seriosität sogleich in den Keller - ein spannendes, herrliches Gefühl. Mit vierzehn oder knapp fünfzehn Jahren („Was verboten ist das macht uns gerade scharf“ sang doch einst schon Wolf Biermann) sah ich wohl meinen ersten Pornofilm. Es gab eben in der Schulklasse aufmerksame Gesellen, die genau wussten, wo die Herren Väter ihre heimlichen Filmchen versteckten. In mir implodierte etwas, startete eine Initialzündung, die dazu führte, jene Streifen häufiger sehen zu wollen, bis ich schließlich mit der Volljährigkeit legitimiert war, sie mir selbst zu leihen, oder noch besser: zu kaufen. Das war ein Stück weit ein Trostpflaster wegen der ausgebliebenen, eigenen sexuellen Erlebnisse - und doch weit mehr. Die „Reaktionen im Bauch“ wie die Autorin Anette Kuhn das Resultat vom Pornosehen (in 1985) benannte, hatte auch mich gepackt.
„Pornographie ist Masturbationsmaterial. Sie wird als Sexualität benutzt. Sie ist daher Sexualität.“ (Catherine MacKinnon)
Im Hardcore-Film war alles blank, ehrlich, sichtbar. Und dies empfand ich gerade keineswegs als abstoßend. Sogar etwas Provokantes hatte es, sich zum Konsum von Pornos zu bekennen. Und Provokation war doch etwas, was ich von mir aufgenommenen Punkrock Musiktapes gerne angenommen hatte.
„…und wer keinen Partner hat, der sieht sich eben auf Video Vaters Lieblingspornos an...“ sangen Die Toten Hosen 1990 in ihrem Stück „Auf Wiedersehen.“ Auf dieser Doppel-LP befinden sich auch kleinere Bonmots in Form von Sprechparts von meinem Lieblingskabarettisten Gerhard Polt. Punk, Porno, Polt, die drei großen P. des Markus F. waren alle vermutlich links, geradezu aufmüpfig und doch auch heiter. Hier waren sie nun also auf Vinyl vereint. Kabarettisten erhoben sich spöttisch gegen die herrschende Klasse, Punkrock setzte zur Revolte durch die E-Gitarre und glasklare lyrische Aussagen, und Pornodarstellerinnen zeigten den Rest von diesem „Macht man nicht, weil gehört sich nicht.“ Ohne jegliche bewusste Verklärung passte diese Kette also für mich damit schon einmal gut zusammen.
(„Die Pornographie ist die Stiefschwester der bürgerlichen Moral“ Albrecht Koschorke)
Der männliche Darsteller Bill Margold (u.a. der Entdecker bekannter Damen des Fachs wie Seka oder Amber Lynn) hatte sein aktives Tun ebenso verdeutlicht: „Das wichtigste Wort ist R-E-B-E-L. Wenn du es nicht aus Rebellion machst, machst du es aus den falschen Gründen.“
Andererseits; wenn so viele Leute Pornos schauten und wiederum drei von vier Herren in ihrem Leben - natürlich „nur“ rein statistisch - in einem Bordell gewesen sein sollen, wen konnte man dann erbosen, in dem man schelmisch über Freier und Pornographie erzählte? War ich auf dem schlechten Weg zum „verstockten Ferkelbürger“, wie sich Roger Willemsen einmal wortgewaltig äußerte? Oder zählte ich gar bereits zur „Avantgarde der Frustrierten“ wie der Sexualitätsprofessor Hans Giese bereits Anfang der 1970er die dauerhaften Pornokonsumenten betitelte?
Es war von Beginn meiner Sammlerkarriere an so, dass die Pornographie nicht der Hauptbestandteil meines Denkens, Fühlens und Handelns war. Punk, Psychologie, Sachbuch-Literatur, Kabarett, vor allem der Fußballsport (eine weitere Parallelwelt, wo wiederum der Sex offenbar im ersten Moment keinen Einzug erhält, man versucht einen Ball über die Linie zu bringen, und nicht... wobei wie äußerte sich einmal ein Stürmer: „Das Gefühl beim erzielten Tor sei wie beim Sex“) waren für mich allesamt tiefsinniger und wichtiger. Aber wer würde schon jemanden der abends ein Schnitzel verspeist, schief ansehen, weil er am nächsten Tag abermals warm speist? Der sexuelle Appetit kehrt eben bei einem 18-Jährigen täglich wieder, die Videothek befriedigte meine Neugierde, den Rest erledigte ich halt selbst. Wo Mädchen in der Schule ihre Freunde fragten, ob „sie ihm nicht mehr reichen“ weil er den „Playboy“ las, glaubte ich mich mit Pornos nur auf der richtigen Seite zu befinden. Dass ich das Magazin auch gerne las, weil ich lange Interviews mag, erwähne ich nur beiläufig, da einem das ja die wenigsten abnehmen, obwohl es so ist. (Weshalb führe ich denn bis heute wohl gern lange Interviews mit Musikern?)
Natürlich offenbarte mir bereits mein erster gesehener Pornofilm, durch das laute Stöhnen der vermutlich erregten Frau (die Synchronisation blendete ich einfach aus), gepaart mit dem Anblick des Aktes eine schnelle, direkte Verbindung zwischen Großhirn und Unterleib. Da war kein abwartendes „na mal schauen was da so vor sich geht“ in mir vorhanden. Sofort pumpte das Herz der stupiden Leidenschaft, rasant ward ein trockener Mund erlebbar und weiteten sich die Pupillen und das andere natürlich auch. Dies allein, eine gewöhnliche in Abermillionen von Schlafzimmern vollzogene sexuelle Reaktion, löst aber weder allein den Sinn aus über Pornos schriftlich zu reflektieren, noch erklärt es meine jahrelange Sammelleidenschaft. Es war einfach eine Art Suche nach dem Optimum oder dem Realen. Svenja Flaßpöhler erklärt dieses Phänomen: „Der Pornokonsument hofft unentwegt, wenn nicht in diesem, so doch im nächsten Film das Reale zu entdecken - und deshalb geht er nicht mit einem, sondern mit fünf Filmen aus der Videothek.“
Später sammelte ich Fußballbücher, danach Vinylplatten, seit 1989 war es eben für rund zwölf Jahre Pornographie. Hefte, Videos, lebensgroße Pappaufsteller, Kataloge, Filmplakate, Sachbücher, Originalfotos, Autogramme, Zeitungsartikel. Vielleicht war es ein klein wenig die Verbindung des „Angenehmen mit dem Nützlichen“? Nach Abfuhren von Mädchen fühlte ich mich jedenfalls bestimmt nicht besser, als nach dem Genuss eines Hardcorefilmes… Denn es lag eben beim Pornokonsum auch immer eine gefühlte und reale Aktivität dabei. Slavos Zisek hat dies auch in 2002 so ähnlich geäußert: „Pornographie zwingt den Zuschauer, a priori eine perverse Position einzunehmen (…) Im Gegensatz zu dem Gemeinplatz, daß die Pornographie den anderen (die Person, die auf dem Bildschirm gezeigt wird) zum Objekt unserer voyeuristischen Lust degradiert, müssen wir betonen, daß es eigentlich der Zuschauer ist, der die Position des Objekts einnimmt, die wirklichen Subjekte sind die Schauspieler auf der Leinwand, die versuchen, uns sexuell zu reizen, während wir, die Zuschauer, auf paralysierte Objekt-Blicke reduziert sind.“
(„Für Focault ist die Geschichte der Sexualität geprägt durch den „Willen zum Wissen“, das Macht bedeutet. Pornographie wäre dann nichts anderes als „Wille zum Wissen“, sozusagen die Volkshochschule der Sexualität, wo mittels der Schaulust als Erkenntnistrieb der Diskurs der Macht begonnen hat (…) Schließlich begann auch die Pornowelle mit Filmen, die vor allem Aufklärung auf ihre Fahnen schrieben, wie die Serien des Oswald Kolle (...) schrieb die Professorin für Filmwissenschaft Getrud Koch.)
Die leider geringe Halbwertzeit durch das cineastische Vergnügen entdeckte ich erst später, dazu war oftmals im wahrsten Sinne des Wortes keine Zeit. Eine Dankbarkeit für die sexuelle Offenheit der Frauen aus diesem Gewerbe war hingegen schnell erreicht. Das war kurz gedacht, wohl falsch, ließ mich jedoch wenig später mit dem Besuch von Prostituierten beginnen. Eben durch jenen Grundgedanken, schnell und direkt ans „Ziel“ zu gelangen. Doch komme ich zum vermeintlich ästhetischen Gesichtspunkt der drastisch dargestellten Erotik. Denn im Kern war das Konsumieren der Filme für mich mit keinem Ekel, sondern mit dem Hintergrund einer besseren, wenn auch erst später einsetzenden „richtigen“ Sexualität behaftet gewesen. Denn die richtige Sexualität blieb mir in meiner Pubertät versperrt (auch aufgrund psychischer Probleme), und dies hätte dauerhaft zu Problemen führen können, wie uns dies Sigmund Freud sehr gut erklärte, als er schrieb: „Der fortwährende Autoerotismus macht es möglich, daß die leichtere momentane und phantastische Befriedigung am Sexualobjekte so lange an Stelle des realen, aber Mühe und Aufschub erfordernden festgehalten wird.“
Die Ästhetik welche ich meine, drehte sich nicht unbedingt um Spermamassen die in weibliche Gesichter klecksten, sondern um die hochglanzpolierten Schönheiten, die, meist aus den Vereinigten Staaten stammend, in unglaublicher Manier ihre Körper einsetzten. (Zu einem anderen Zeitpunkt werde ich auf ihre wenig fröhlichen Motive dazu eingehen, weshalb es oftmals überhaupt für sie dazu kam, die Darstellerin Ona Zee lieferte dazu sehr brauchbare Aussagen.) Was war das nur für eine Diskrepanz zu jenen Bildern, mit denen wir im Alter von zehn Jahren im Biologieunterricht unsere „sexuelle Aufklärung“ erfuhren. Es schien geradezu von der Lehrerkonferenz bewusst Wert darauf gelegt zu werden, das weibliche Geschlecht zum Zwecke gottgegebener Fortpflanzung abzulichten, wohingegen der Appetit auf die reine Sexualität ganz offenbar vermieden werden sollte. Ungekämmte Frauen mit winzigen Brüsten und einer üppigen Schambehaarung bis beinahe zu den Knien, erfüllten den Zweck, die Theorie zwar zu akzeptieren, die Praxis aber besser auf einen sehr entfernten Zeitraum zu verlegen…
Dass ich hierbei die Schulnote Vier (ausreichend und nicht befriedigend) bekam, zeigte wie wenig eifrig ich mich diesem im Grunde doch so mächtig spannenden Thema näherte. (Was Schamlippen sind erfuhren wir dann auch. Natürlich von einer aufschlussreichen Zeichnung. Na Danke.)
Die klasse Autorin Claudia Gehrke schrieb das in ihrem Buch sehr ähnlich („Heute herrscht Armut - aller angeblichen sexuellen Aufklärung zum Trotz - gerade auch im pädagogischen Sinne (…) Laut geltendem Jugendschutz dürfen Kinder weder scharfe Schamlippen noch aufgerichtete Penisse sehen. (Darum haben die Playboymädels immer so einen unscharfen Fleck zwischen den Beinen.) (…) Aber wie sollen Jugendliche diese Kunst (Liebeskunst, Anmerkung des Verfassers) erlernen. An welchen Bildern können sie sich orientieren. Es gibt keine Schulen der Liebeskunst.“
Nun kann man die menschliche Fortpflanzung, die Liebesbeziehung zwischen zwei Menschen und einem Pornofilm nicht in einen direkten Kontext stellen, aber alles hängt mit allem zusammen, und wir bekamen weder einen Wink von der Schönheit der Sexualität (den Begriff Aktfotographie, immerhin eine Kunstform, hörte ich jedenfalls nicht von meiner Lehrerin) noch wurde ansatzweise über die heftigen Probleme, welche die (auch sexuelle) Beziehungen zwischen Menschen ausmachen können, Bericht erstattet.
Für mich erwuchs eben rasch der verstärkte Eindruck der Scheinheiligkeit, genau wie beim Thema bei der Prostitution. Da reichte sich oft die sprichwörtliche deutsche Verklemmtheit mit der Bigotterie im fernen Amerika die Hand. Gab es im Bordell wirklich je die „Happy Bitch“, die bei der Auslebung ihrer Sexualität voller Vergnügen den großen Euro macht, oder bleibt dies bloß ein Märchen? Ist die Darstellerin wirklich überzeugt von dem was sie tut, und unter welchem Druck steht sie eigentlich? (1990 fertigte ich einen Flyer, auf dem ich Ginger Lynn und die Überzeugung für ihre Arbeit positiv hervorhob.) Warum werden die Frauen von Produzenten und Fans als „Schlampen“ tituliert und dann von den Autogrammsammlern auf diversen Veranstaltungen fast mit einem „Diener“ begrüßt? „Das ist doch…Mensch das ist doch eben wirklich Dolly Buster gewesen…Echt? Oh…“ Diesen Fragen wollte ich für meine Lesergemeinde nachgehen, auch wenn die endgültige Beantwortung zwar keine Quadratur des Kreises bedeutete, jedoch vielschichtiger angelegt war, als ich dies bei Arbeitsbeginn noch vermutete. Es war kein Start - Ziel Projekt, sondern ein enormer Prozess. Er bietet Chancen für eine Diskussion über das Thema, nun mehr denn je. Und wenigstens das wäre ja mehr als ich erwarten konnte bei meinem Start im Jahre 2005….
„Pornography is literature designed to be read with one hand.“ (Zitat von Angela Lambert, auf der Website der Porno-Ikone Ginger Lynn)
Der berühmte Satz von Woody Allen aus seinem Film „Der Stadtneurotiker“ war irgendwie ständig präsent, als ich mein Manuskript fertige. „Niemals würde ich einem Club beitreten, der mich als Mitglied aufnimmt.“ So geht es mir eben ein wenig, wenn ich an die anderen Leute (Männer) denke, die (auch) regelmäßig oder nicht, Pornographie konsumieren. Nur ein Vorurteil? Was nehme ich mir da nur raus? Natürlich sah ich viele krude Gestalten in den Porno-Ecken der von mir aufgesuchten Videotheken, und auch auf den Erotik-Messen gab es viele meiner Gattung zu sehen, bei denen es mich nicht gerade drängt, ein frisches Pils mit ihnen zu genießen. Dennoch eint mich ja mit „denen“ immerhin etwas, was der Berliner Jugendbetreuer Rabe-Rademacher unverblümt als „dieses Phänomen, dass man geil ist“ nennt. Dagegen ist kein Kraut gewachsen, helfen kalte Duschen nur sporadisch. Und ist in jungen Jahren der Weg zum anderen Geschlecht aufgrund eigener Unsicherheit (noch) versperrt, greift der Jugendliche bisweilen eben zur Porno-Krücke. In meinem Falle könnten sich Psychologen bei gebührender Langeweile dann zusätzlich damit befassen, warum ich auch weiter sammelte, obwohl ich bei den Damen endlich punkten konnte. Doch wen interessierte das? Blicke ich lieber zurück auf meine „verschleuderte“ Jugend, als ich alles „in die eigene Hand“ nahm, und gleiche sie ab, mit der sogenannten „Generation Porno“, die der Autor Johannes Gernert so formidabel nachgezeichnet hat. Gernert kommt nicht umhin, ständig auf das heutige Phänomen des freien Zugriffs auf das Internet zu sprechen, und hier auf das 2006 in der Bundesrepublik groß bekannt gewordene www.youporn.com Portal. Ein solches stand mir in den 80er Jahren freilich noch nicht zur Verfügung. Wahrscheinlich hätte mich eine solche Seite auch eher im ersten Moment verschreckt, aber eher doch das was man „Angstlust“ nennt, in mir ausgelöst. Gernert schreibt über zum Teil noch frühere Jahrgänge: „Ein Pornoheft konnte man weder downloaden noch streamen. Man musste es im Laden kaufen.“ Das war dann bei mir etwas anders, mein erstes Pornoheft entwendete ich im Sommer 1986 an einer Tankstelle…
Besonders dreist im Grunde genommen, Gott sei Dank oder besser durch die richtigen Freunde blieb es bis heute meine einzige Straftat. Das Heft habe ich noch immer hier, die Tankstelle ist längst fort…
Es war im Übrigen das obligate farbige, hochglanzpolierte DIN A5-Heft und hieß in diesem Falle „White Lady“ (Nr. 4). (Political Correctness war zu jener Zeit ohnehin nicht im öffentlichen Repertoire.) Auf dem Cover befand sich eine typisch frisierte Blondine mit ausgewachsener Dauerwelle, Hammer und Werkzeugkasten (!). Drinnen ließ sich rasch entdecken, dass Hände nicht nur zum Klatschen geeignet zu sein schienen, hier wurde Höhlenforschung einmal etwas anders betrieben. Ansonsten hatten die teilnehmenden Ladys wenig Busen und noch viel weniger hatten sie sichtlich Lust bei dem, was sie dort mit sich geschehen ließen. Jedenfalls steckte ich das Delikt in eine Fußball Zeitschrift und ging an den Tresen, um es - das Fußballheft! - beim Langzeitstudenten zu bezahlen. Ich behielt es aber in der Hand. Der Typ zog ein wenig am Heft um den Preis zu erspähen (damals wurde noch nicht gescannt) und befingerte damit zum Glück nicht das beiliegende „Extrablatt“, das jugendliche Zucken zwischen Bauch und Lendengegend hatte mich also schon nahe ans Kriminelle geführt…
Es war selbstredend nicht das erste Heft, das ich in die zittrigen Finger bekam oder sichten durfte. Dies geschah, als ich schätzungsweise elf Jahre alt war im Hausflur eines Kind-Kollegen. Dieser hatte einen „Frühreifen“ in der Nachbarschaft. Eines bösen Tages hielt dieser ein ganz in Schwarz gehaltenes Pornoheft unter unsere Nasen. Dass die Bilder also schwarz umrandet waren, konnte ich mir merken, schwarz war anscheinend die Farbe des Vertuschens, des Geheimen. Schwarz war spannend. Die Paarungsbilder, die prägnant aus dem dunklen Layout hervorstachen, brachten mich also zur bereits erwähnten „Angstlust“. Freud und Leid im Pendel der seelischen Waage, eben pornoimmanent. Ich drehte mich weg und schloss die Augen, spürte aber instinktiv, dass das Kapitel Porno für mich damit nicht beendet sein würde.
Im Jahr darauf, ich war zwölf Jahre jung und schlicht noch ein Kind, vor allem optisch, mit meinen Eltern auf Sylt in Urlaub und erfuhr ich unfreiwillig meinen zweiten „Angstlust“-Schub. Meine Erziehungsberechtigten wollten wohl einmal ihre Ruhe haben für was auch immer, was gut verständlich war, und schickten mich einfach ins Kino, welches sich gegenüber unserer Pension am betonierten Weg zum Strand von Hörnum befand. Auf der riesigen Leinwand wurde zuerst jemandem der Kopf abgeschlagen und kurz darauf lag ein Mann nackt auf einer Frau. Über die ganze meterbreite Leinwand nun also nackte Körper, die sich vereinten. „Conan der Barbar“ hieß der bekannte Streifen und bei meiner Rückkehr ins Ferienappartement zeigte ich mich auf die Nachfrage meiner Eltern wie mir der Film gefallen hatte, ziemlich einsilbig. Das kindliche Gemüt ward gehörig durcheinander gewürfelt, denn was die da zuvor auf dieser riesigen Leinwand präsentierten, war mir ziemlich neu - und schockierend… Die meinige Porno-Seher-Laufbahn war unwiderruflich geboren, was ich noch nicht wusste, nicht wissen konnte und gewiss auch nicht wollte. Entsetzlich war es. Herr Schwarzenegger, also bitte! (Und geil?) Wenn ich mir nun vergegenwärtige, dass der Film die FSK Ab 16 Jahren hatte, kann ich kaum verstehen, wieso man mich Milchbubi da seitens des Kino-Personals hineinließ.
Wenn ich eine Studie aus 2009 (Zeitschrift Bravo) lese, in der berichtet wird, dass „79 % der 14 bis 17-Jährigen schon Kontakt mit Pornographie“ hatten, kann ich dies auch für meine Zeit bejahen. Andere Forscher fanden angeblich heraus, dass „der Höhepunkt des Pornokonsums zwischen 16 und 17 Jahren“ liegen solle. Das wäre etwas verwunderlich, denn dies ist ja offenkundig illegal. (Auch wenn z.B. in Dänemark Pornos ab 16 Jahren freigegeben sind, bei uns sind sie es nun einmal erst ab 18 Jahren.) Hatten andere Jugendliche etwa damals das Thema durch eigene vermeintliche Reife einfach nur richtigerweise früher als unsereiner schon für sich abgehakt? Anzunehmen, diskussionswürdig. Für mich selbst fing es mit 15 Jahren an, und erreichte seinen Höhepunkt zwischen 18 und 25 Jahren…
Welche Erinnerungen hatte ich eigentlich in vorpubertärer Zeit, in der späten Kindheit, der nicht geschlechtsreifen Periode in etwa vom 9. Bis zum 12. Lebensjahr? Ich erinnere mich dunkel aber nicht unkonkret an gleich zwei Dinge, die sich mir ins Bewusstsein drängten, noch bevor ich deren Deutung auf ein späteres Sexualleben verstand. Zunächst waren es erstaunlicherweise die Indianer in den Karl May Verfilmungen. Sie besaßen eine androgyne Optik, und ich vernahm ihre optischen Merkmale mit einer tiefer gehenden Bewunderung. Stark, muskulös, mit freiem Oberkörper (die zwar Männlichkeit meinen sollten, aber mich scheinbar schon sehr an weibliche Brüste erinnerten, braun gebrannt, mit langem schwarzen Haar. Mir stellte sich im Moment der Betrachtung die Frage nach Männlein oder Weiblein einfach (noch) nicht, das war irgendwie erotisch, ehe ich mit dieser Vokabel etwas verband. Die zweite Szene wird die katholischen und evangelischen Bürgerinnen und Bürger womöglich gleichermaßen aufwirbeln, doch kann ich nicht umhin, meine kindlichen Empfindungen mit meinem erwachsenen Denken von Heute zu kombinieren. Und da sage ich; die Kreuzigung von Jesus von Nazareth war die erste Sado-Maso Szene in der Geschichte der Menschheit! Das mag ungebührend hart klingen, und wir sollten wissen, dass Jesus daran leider verstarb (was im Zusammenhang mit SM Spielereien nun gar keine Parallele bietet, aber dieses Bild eines halbnackten Menschen, der ja doch durch das Einschlagen der Nägel in Füße und Hände per se ermordet wurde (wie dies zum Beispiel später grausamer weise später die Guillotine zuhauf erledigte) zielte für mich auf die Verbindung von Lust (am Martyrium) und Leid (verursacht durch übermäßige, außergewöhnliche Schmerzen) auf das Szenario von Sadismus und Masochismus. (Ganz so abwegig ist dies ohnehin nicht, nehme ich mir nur Camilla Paglia zur Hand, die schrieb: „Seit zweitausend Jahren liefern die Qualen der heiligen Märtyrer – und die von Christus – der westlichen Phantasie ihre sadomasochistischen Tagträume.“) Weshalb gehen Leute in Sado-Maso Studios? Weil sie die Lust am Schmerz kennenlernen möchten (oder bereits erlebt haben und dadurch Befriedigung erfahren), Vergleiche zu anderen Malträtierten (auch Jesus selbst?) ziehen möchten und auch hier, ein Erledigen getätigter (vermeintlich eigener) Sünde nach Ablauf der Sitzung erleben könnten. Ein weiteres Beispiel: Die gläubigen Pilger die sich heute noch Jahr für Jahr selbst ans Kreuz nageln lassen, um nachzuempfinden, um Erfahrungen extremer Art auszuloten.
Zu einem nicht unbedeutenden Teil meiner sexuellen Sozialisation, zur Bekehrung (späteren) sexuellen Lebens ward mir - wie wohl zahlreichen anderen Menschen - die Musik. Damit meine ich keine Schmusesongs, die wir beim ersten Bluestanz mit einem Mädchen (auch mit 12 Jahren) hörten, an solche kann ich mich wirklich nicht erinnern. Nein, für mich war das eher das Text-Gut der bekannten Rock’n‘Roll Band Spider Murphy Gang, die viele weiterhin falsch ins NDW Fach legen. Von 1981 bis 1985 (die Gruppe existiert seit 1977!) brachten die Münchener vier Songs heraus, die viel mit dem Thema Sexualität zu tun hatten. „Dolce Vita Rita“ (1981, ein Song über die zunehmende sexuelle Vereinsamung und die Bestellung einer Gummipuppe), „Ich schau‘ dich an“ (Peep Peep 1982), wie unschwer zu erkennen dem Besuch einer Peep-Show, „Beate“ (1985, dem Versandhaus- Imperium von Beate Uhse gewidmet und ziemlich zu Beginn natürlich „Skandal im Sperrbezirk“ (1981). Dieses Lied spielte im Jahre 1982 ein Klassenkamerad auf seiner Akustikgitarre, bei unserer damaligen Klassenfahrt nach Amrum. Darin sang Günther Sigl eine wohl jedem bis heute sehr bekannte Refrain-Zeile „...und draußen vor der großen Stadt, steh‘n die Nutten sich die Füße platt.“ Nutten? Ich konnte als 11-Jähriger bestenfalls grob ausleuchten, was es damit auf sich hatte, ohne es freilich konkret zu wissen, und Füße, dass mir hübsche Frauenfüße einmal gefallen werden, ahnte ich sicher auch noch nicht. Dennoch, „das“, was diese Band da besang, das muss etwas ungeheuer Spannendes sein. Zwei Wörter in einem Lied, käufliche Liebe, Rotlicht, Verbannung… Anfang 1983 gab die Gruppe der BRAVO ein ausführliches Interview, das das Jugendblatt in der heimisch gesprochenen bayrischen Mundart beließ. Ich möchte daraus zitieren, ohne es ins Hochdeutsche zu wandeln, weil es unheimlich ehrlich ist, und mir im Nachhinein noch Mut macht, weil Anfangsschwierigkeiten, die bei mir nun wahrlich fast ausarteten, hatte Günther Sigl offenbar selbst. Nachdem er auf den Song „Ich schau‘ dich an“ angesprochen wurde, antwortete Sigl, dass das Lied „über die Einsamkeit der Menschen“ ginge, und um „unterdrückte Sexualität, was für mi selber lange Zeit a Problem war.“
BRAVO: „Wieso war Sexualität ein Problem für dich?“ Sigl: „Ja mei, des wor damals olles net so einfach. Die Neugier auf das andere Geschlecht war immer scho do. Als Schüler hob i meine ersten Versuche gestartet. Aber i war ziemli schüchtern. Und jeder Schritt war a furchtbarer Kampf. Mit meine Eltern hab i über das Thema net unbedingt red‘n woll‘n.“ Der Münchner Abendzeitung gestand Sigl auch Jahre später im selben Sinne: „Ich war früher ziemlich verklemmt. In meinem Elternhaus ist darüber nie gesprochen worden. Dass ich jetzt über Sex schreibe, ist für mich ‚ne Art Therapie.“ Besonders ehrlich auch die weitere Bekennung zum Gang in diverse Etablissements. Nicht, dass die Herren erfolgreichen Rockmusiker nicht auch weiterhin lebten, was sie besangen. Als nämlich eine Münchner Zeitung über das Treiben der Gang vor einer Tour im Jahr 1987 schrieb: „Derzeit machen sich die Münchner Rock’n‘Roller in einem Trainingslager mit Tennis, Schwimmen, Joggen und Fußball dafür fit.“ geriet Günther Sigl ins Lachen: „Da haben Zeitungsschreiber wohl einen PR-Text einfach übernommen. Wir waren vielleicht im Puff in diesem Krisenjahr 1987 - das war alles an Trainingslager.“ Die u.a. sogar von der SED Partei unterstütze Zeitung „elan“ war sicherlich keine allzu relevante, doch bot diese bereits im Jahr 1983 der Gruppe aufgrund ihrer Lieder die Stirn. Es war und ist eben das anscheinend für ewig gleichbleibende Manko, dass das Singen über Sex und den damit oft einhergehenden Problemen, gerne missverstanden wird. „Und wenn dich deine Frau nicht liebt, wie gut, dass es die Rosie gibt“, singt Günther über die Nutte Rosie (Skandal im Sperrbezirk). Und in dem Hit Dolce Vita ist die Frau nur eine aufblasbare Sexgummipuppe, die man sich für wenig Geld im Pornogroßversand kaufen kann (Beate Uhse versandte im Übrigen gar keine Pornographie, der Verfasser). Das ist nicht witzig oder ironisch, wie mir Günther weismachen will. Das ist frauenfeindlich. Das sind Reklamesongs für das miese Frauenbild der Spider Murphy Gang: „Frauen als Betthasen.“ Doch zurück zu den Pornofilmen.
An die ersten Filme die ich zu Gesicht bekam, kann ich mich kaum noch entsinnen. Einer aber hieß „Der Coup“ und ich habe ihn noch auf einem lädierten VHS AGFA Band als Kopie im Bestand (was VHS ist bzw. AGFA war wird etlichen nicht mehr geläufig sein, ich komme mir vor als schreibe ich vom Bauernkrieg...). Einen wesentlich bleibenderen Eindruck verschaffte mir ein Qualitätsporno aus Amerika, den die Firma Beate Uhse im Verleih hatte. Ich besuchte eine Oberschule im Märkischen Viertel in Berlin-Reinickendorf (im Norden der Stadt) und ein Mitschüler hatte die mich im Nachhinein mich noch teuer zu stehen kommende Idee, in einer längeren Unterrichtspause seine elterliche Behausung aufzusuchen. Er wusste, wo sein Vater die Pornos versteckt hatte. So wurde der 1984 gefertigte Film „Studhunter Exzesse in L.A.“ meine erste richtige Erleuchtung mit dem Phänomen, das da Pornofilm hieß und an sich schon ein wahres Schlagwort war. In diesem Streifen wurde alles gesprengt was ich mir erträumt hatte. Die blonde Schwedin Pippi Anderson war hierin die Hauptdarstellerin, über die sogar im „Stern“-Magazin berichtet wurde. Diese vernaschte die Männer selbstbewusst im Minutentakt und den Soundtrack dieses Filmes gab es sogar als 12inch Vinyl Schallplatte. Songs wie „You blow me away“ passten hier ins (und zum) Bild. (Vor Jahren wurde das „schwarze Gold“ für 39 Euro zum Kauf im Internet angeboten.) Regie führte im Übrigen Suze Randall, eine Frau! Das war, was ich erotisch fand, selbstbewusste, schöne eigenständige Frauen mit Humor, die sich ausdrücken konnten, und es sei es auch vorwiegend in dieser mich sprachlos zurücklassenden Art und Weise.
Spätestens 1984 war ohnehin ein wichtiges Jahr für das Engagement von Frauen in der Pornographie auch außerhalb der Kamera. Man meint immer vorschnell, Porno sei ein Ding, das „von Männern für Männer“ gemacht wird, doch das ist zu eindimensional betrachtet. Anfang der 1980er gründeten nämlich Darstellerinnen (u.a. Veronica Hart, Annie Sprinkle, Gloria Leonard und Nina Hartley) die Selbsthilfegruppe „Club 90“, welche auch wieder 1984 erstmals zu einem feministischen Kunstforum geladen wurde, wo es um die Frage „Gibt es eine feministische Pornographie?“ ging. Gleichzeitig gründete die im „Club 90“ auch beteiligte Candida Royalle die „Femme Productions“ wo sie Pornofilme, auch speziell von Frauen für Frauen/Paare herstellte. Und ebenfalls 1984 begann die bis heute im Porno-Biz aktive Nina Hartley für das Label „Adam and Eve“ Sex-Lehrvideos zu produzieren. Aber auch dies alles wiederum nur weitere begrüßenswerte Schritte von aktiven Frauen, denn bereits 1973 hatte eine gewisse Betty Dodson in New York City eine Vulva-Diashow veranstaltet, wo sie den „elektrischen Vibrator als Lustobjekt vorstellte“ (S.31. Feminist Porn- Book Band 1). Und Constanze Penley ergänzt in Teil 2 jenes Buchprojektes etwas Weiteres sehr Einprägsames. Dass nämlich Linda Williams bereits 1989 als „erste feministische Medien- Wissenschaftlerin“ mit ihrem Werk „Hard Core: Power, Pleasure and the Frenzy oft the Visible“ eine „Beschreibung eines Film-Genes (und einer Industrie) geliefert hat, deren niedriger sozialer und kultureller Status sie bis dato für ernsthafte WissenschaftlerInnen ausgegrenzt“ schien oder vielmehr war. Auch hier auf diesem Sektor war es also eine Frau die uns intellektuell voranbrachte.
Frauen nehmen pornographische Filme und auch Bilder mit Nacktheit oder sexuellen Inhalten bekanntlich offenbar anders wahr als Männer, und doch, Porno-Königin Teresa Orlowski (Teresa Moser) antwortete einmal auf die Frage im MDR Fernsehen nach der Erinnerung ihrer ersten Begegnung mit der Pornographie: „Ja, wenn man das so nennen kann, wahrscheinlich als ich 15 war, da hat mir ein Junge ein schwarz-weißes Bild gezeigt, wo fünf Menschen in Aktion waren. Ich weiß es fast bis heute, wie die Positionen waren. Es war wirklich ganz nett, hat mir sehr gefallen. Mir gefiel diese Abbildung, diese Situation, das fand ich ganz gut. Das hat wirklich sehr schön ausgesehen, auch wenn ich mit 15 keine sexuelle Erfahrung gehabt habe, trotzdem, irgendwie war es mir im Magen so mulmig, so nett, also da war ich wirklich wahrscheinlich angetan und angemacht, stimuliert durch das Bild.“ Und das war von meinen damaligen Empfindungen bestimmt nicht meilenweit entfernt. Außerdem wurde dieses vielfach übernommene Vorurteil (durch den Kinsey- Report aus den 50er Jahren) ausgelöst, und ist inzwischen mehrfach wissenschaftlich widerlegt. So fanden im Jahre 2004 Wissenschaftlerinnen der medizinischen Fakultät Stanford heraus, „dass Frauen beim Betrachten eines sexuell expliziten Films innerhalb von zwei Minuten vollkommen erregt wurden - schneller als der Durchschnitt der Männer.“ (Mary Lake Polan)
Traurig was mittlerweile daraus geworden ist, es gibt weder aufwendige echte Filmproduktionen in Deutschland, noch haben die aktuellen Darstellerinnen (abgesehen von der äußerst gestrengen Carmen Rivera vielleicht) etwas von diesem „Besonderen.“
„...und die sexuelle Porno-Rebellion ist auch leider weitgehend ausgeblieben, inzwischen sind die Darstellerinnen wieder mehr oder weniger zu Unlust-Darstellerinnen mit kurzer Halbwertezeit und ohne jede Message mutiert“ bilanzierte ich in einer meiner veröffentlichten OX-Fanzine Kolumnen in 2013 (im Kapitel „Der Star in Amerika und in unseren Gefilden“ beschreibe ich detaillierter was ich damit meine).
Mich hatte es jedenfalls (natürlich mit gehöriger Naivität und Verblendung) gepackt seit den „Exzessen in L.A.“, so waren wir Kids doch auch ohne dort gewesen zu sein, gefesselt von den Vereinigten Staaten. Wir hörten erst Breakdance Musik, später die Ramones, liebten Kaugummi, tranken Cola und trugen Joggingschuhe von Nike. Wir träumten von den kalifornischen Palmen (die Punkband die auf unsere Schule ging - Disaster Area - sangen doch als Skateboard Freunde „We dream about Del Mar!“) sahen diese Palmen im TV oder Kino, und nun auch - wer es mochte - im Pornofilm. Auch hier waren sie also was das große Ganze betraf feder- oder besser schwanzführend. Ich sah den aufklärerischen, lehrreichen „Grafenberg Spot“, „Ginger on the Rocks“ (Filmkritik im Buch) entdeckte die niedliche Schönheit Ginger Lynn (näheres über meine damals leicht krude Sichtweise im Kapitel „Best of“) und die platinblonde verruchte Amber Lynn. Verliebte mich fast in die mit spröder Schönheit und wundervollen Augen daherkommende Tracey Adams (die später als lesbisch geoutet wurde, und ausgerechnet mit jener Amber über viele Jahre eine Beziehung führte, Porno-Herz was erträumst du mehr…) Ja, die hätten mich gerne richtig anlernen dürfen. Die Filme waren lehrreich, durchaus „geil“ aber auch erotisch, null unappetitlich und sogar; man lese und zeige sich verwundert - mitunter sehr humorvoll. Die Rolle der Frau war die Maßgebliche. Offensichtlich kein bloßes Objekt, sie hatte Freude an ihrer Sexualität und bestimmte was gespielt wurde, so zeigte es jedenfalls das Endprodukt sehr häufig auf. Selige Zeiten! Meine Sammlung wuchs, die ersten sündig teuren Kauf-Cassetten kamen hinzu (sofern es mein schmales Budget zuließ) ...
„Metamorphose“ von Mike Hunter (einem ehedem großen deutschen Porno-Verleiher) war meine erste, Second Hand, 20 DM. Nach heutigen Maßstäben waren die Damen nicht gerade unbedingt „top gestylt“, aber der Film hatte einen gewissen Charme und sogar eine direkt nachvollziehbare Handlung. Meine Eltern bekamen zügig mit, dass ich keine Micky Maus Hefte mehr stapelte, sondern „Schweinisches“. Im Grunde gingen sie damit aber recht locker um („Besser als wenn er Drogen nimmt“). Zurück zum Sammlertrieb (selten fing eine Vokabel so genau mein damaliges Privatgeschehen ein). Es gab zu jener Zeit Fachmagazine, die sich mit der X-Szene genauso intensiv und mit gewollt seriösem Anstrich beschäftigten, wie es die vermeintlich normalen Kino-Zeitschriften auch taten. Die Frage stand generell im Raum. Bei den damaligen Porno-Skripten, aufwendigen Drehszenen, den technischen Kamerafertigkeiten und witzigen Dialogen, warum sich das Pornofilm-Genre - die so betitelten „Erwachsenen Filme“ - hinter der „seriösen“ Kinobranche verstecken sollte. In einer Porno-Videoecke standen die VHS-Filmboxen und trugen ziemlich „angezogene“ artifizielle Coverbilder, die geradezu züchtig einen wohl geheimen Inhalt suggerierten. (Heutzutage springen einen ja schon die spritzenden Pimmel - nebst teilweise übelsten Beleidigungen der gezeigten Frauen - von alleine entgegen, und lassen nicht die Spur einer inhaltlichen Spannung offen.)
Damals schwärmte ich für Seka, Tracey Adams, Barbara Dare, Trinity Loren, Teresa Orlowski, Ona Zee, Porsche Lynn, Sandrine oder Miss Sharon Mitchell. Damen die ja gar keine im eigentlichen Sinne waren, aber durchaus prall gefüllt mit Grazie, Anmut, Haltung und Aussage. Das Fachmagazin „Videostar Intim“ (heute begehrtes Sammlerobjekt) wurde zu meiner Pflichtlektüre, mein „Der Spiegel“ für den Unterleib, denn die Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Branche besaß für mich eine, wenn auch nicht richtig klar zu definierende, Wichtigkeit. (Mich beschleicht schon wieder das untrügliche Gefühl eine kleine „Entschuldigung“ dafür anbringen zu müssen, doch sei bedacht, dass hier von einem nachpubertierenden jungen Mann aus den 90ern in der eigenen Nachbetrachtung die Rede ist, und dass dies fast gar nichts mehr mit meinen momentanen Leben und Denken zu tun hat. So viel an „Reife“ sei mir hoffentlich zugetraut…)
Bei meinen Urlaubsaufenthalten in Dänemark entdeckte ich von daher nicht sehr zufällig (die Neugierde ist ein nicht auszuschaltendes Instrument menschlichen Antriebs) ein mir persönlich entgegenkommendes, unverkrampftes Geschäftsgebaren. Die Kioske, und selbst die Supermärkte (!) besaßen VHS-Pornofilme zum Verkauf im Regal! Und dies nicht einmal sonderlich teuer. Frei verkäuflich für Kundinnen und Kunden ab 16 Jahren! Und das Entscheidende: In Dänemark ist das Synchronisieren, auch von regulären Kino-Spielfilmen, zu kostenintensiv. Deshalb gibt es die ausländischen (hier US-amerikanischen) Pornofilme im Originalton, mit dänischen Untertiteln. Endlich die geliebte Tracey Adams mit Originalstimme reden (und stöhnen!) hören, das niedliche Lispeln von Nina Hartley, die abzuschwörende, aber menschliche Pieps-Stimme mancher Aktrice… Ein Erlebnis für meine Wenigkeit, ein weiterer kleiner Schritt zu Ehrlichkeit und Unverfälschtheit. Ja, es gab sie wirklich, und sie taten „es“ auch wirklich (und immer wieder). Nicht vergessen werde ich auch die in Kopenhagen auf offener Straße aufgestellten Großautomaten, aus denen man nach dem Geldeinwurf tatsächlich Original VHS Pornofilme erlösen konnte.
Nicht erst der Regisseur Eduardo Cemano meinte neulich übrigens, um einmal in ähnlicher Hinsicht die Brücke zur möglichen positiven Wirkung der Pornographie zu schlagen: „Wenn man Golf oder Tennis spielen will, so macht man keinen Schritt, ohne eine professionelle Anleitung zu haben. Wenn man nun ein großer Liebhaber werden will, warum nicht einfach von den Experten lernen? Warum nicht einfach einmal Helden im Sexgeschäft statt ewig die gleichen Sportidole?“ Damit wirklich prima korrespondierend schrieb Claudia Gehrke im Jahre 1988: „Aber daß „Pornografie“ als Beschreibung der Liebeskunst, im Sinne von Können und derer, die sie sozusagen beruflich ausüben, vom Wortsinn her die Erniedrigung festschreibt, ist nicht richtig. Die Beschreibung der Liebeskunst war die Aufklärung für die Leidenschaft. Mit der Technik im Hintergrund wird auch Leidenschaft schöner.“
Doch klar, vom alleinigen Sehen wird man kein fähiger Frauenbeglücker, und das Geschwafel über Sex und Technik besitzt ja auch oft ein schwer grenzwertiges Niveau, aber es zeigte mein Interesse, eben wenigstens ansatzweise nach und nach selbst in diese Richtung zu gehen. So sehr man auch des Öfteren das bekannte Gefühl nach sexueller Entladung hat, schon der Lateiner weiß ja, dass einem Orgasmus die Traurigkeit folgt, erstaunlich wie sehr doch Geist und Trieb sich zumindest bei mir differenziert zeigten, sodass ich mich bei einer eigenen schleichenden „Doppelmoral“ ertappe, die mich fast besorgt. Denn zuhauf fand ich jenen Frauentyp in sexueller Hinsicht sehr reizvoll, den ich mir für meinen privaten Umgang nicht recht vorstellen konnte. Doch schließe ich an dieser Stelle vorerst noch einmal mit Woody Allen: „Onanie ist Sex mit jemanden den man wirklich liebt.“
Eine kleine, private Episode sei eingestreut. Im August 1990, die Mauer war seit einem dreiviertel Jahr gefallen und die deutsche Wiedervereinigung - die sich auch in sexueller Hinsicht weitläufiger abspielte, als wohl so mancher noch erinnern mag - stand vor der Tür. Wir verreisten nach Österreich und sollten in diesen Wochen Besuch aus der DDR ins eigene Einfamilienhaus bekommen. Eine alte Tante aus Sachsen reiste mit ihrem Enkel an, der etwa 15 Jahre jung war. Ich hatte somit die Aufgabe, meine noch zwar nicht opulente, aber im Zimmer stehende VHS Pornofilm-Sammlung gewissermaßen „unsichtbar“ zu machen. Ich fand einen tief gelegten Aufbewahrungsschrank als geeigneten Platz dafür, der Junge sollte doch schließlich auch in meinem Zimmer schlafen. Als mein Bruder dann einmal nach dem Rechten im Haus sehen wollte, empfing ihn jedoch die nette Tante schon ein wenig aufgelöst im Hausflur. Im schönsten sächsischen Dialekt sagte sie fragend: „Was findet der Junge nur an diesen Filmen?“ Mein Bruder ging die Treppe hinauf, öffnete meine Zimmertür und stutze mächtig. Auf dem Boden saß der Junge. Und vor ihm alle meine Pornofilme, die er interessiert inspizierte…Fand ich damals wenig lustig, heute aber umso mehr, ich hatte also auch meinen kleinen (unfreiwilligen) Beitrag zur pornografischen Grenzöffnung damit geleistet.
Doch ich möchte mich dem Thema „Porno und Erotik in der DDR“ dann doch wenigstens mit einer kurzen Abhandlung etwas ernsthafter zuwenden. Eine aktive Sexualität geht nämlich eher selten unmittelbar mit der Verbreitung von Pornographie einher, wie wir auch am Beispiel England sehen, das erst 2010 die Verbreitung von Pornographie freigab, und das trotzdem das europäische Land mit den meisten „One Night Stands“ war oder ist. Doch zunächst zu juristischen Fakten der DDR: Pornographie war glasklar per Gesetz verboten, und da sicherten sich die Genossen gleich doppelt ab. Im Strafgesetzbuch von 1968 hieß es da: „Wer pornographische Schriften oder andere pornographische Aufzeichnungen, Abbildungen, Filme oder Darstellungen verbreitet oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich macht, sie zu diesem Zwecke herstellt, einführt oder sich verschafft, wird mit öffentlichem Tadel, Geldstrafe, Verurteilung auf Bewährung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft.“ Das war also der berühmte Paragraph 125. Doch, wir kennen die Problematik, was war denn eigentlich Pornographie? Der richterlichen Willkür waren also auch hier Tür und Tor geöffnet. Doch man sicherte sich von staatlicher Seite doppelt ab, und fixierte den Paragraph 146 gleich noch dazu. Darin hieß es zur „Verbreitung von Schund- und Schmutzerzeugnissen“: „(1) Wer Kinder oder Jugendliche dadurch gefährdet, daß er Schund- und Schmutzerzeugnisse herstellt, einführt oder verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung oder mit Geldstrafe bestraft.“ Und in Punkt 3: „Schund- und Schmutzerzeugnisse sind Druck- oder ähnliche Erzeugnisse, die geeignet sind, bei Kindern und Jugendliche Neigungen zu Rassen- und Völkerhaß, Grausamkeit, Menschenverachtung, Gewalttätigkeit oder Mord oder anderen Straftaten sowie geschlechtliche Verirrungen hervorzurufen.“ Auch dies war jedoch, wenn man ehrlich ist, reine Auslegungssache. Die Autorin Uta Kalano hat in ihrem interessanten Buch „Kollektiv d`amour“ die Sexualität der DDR-Bürger untersucht. So berichtete sie vom ersten Sex Shop in der DDR, der 1990 in Ostberlin eröffnet wurde. „Da posieren gestandene DDR-Ehemänner mit Schmidtmütze und Kunstlederjacke neben einer barbusigen Animierdame, die Sekt ausschenkt. Die Ehefrauen stehen lachend und ungeniert daneben. Der Sexshop befindet sich genau dort, wo noch ein halbes Jahr zuvor ein Intershop war. Ein Symbol. Da wurden nicht einfach Westwaren von anderen Westwaren abgelöst. Mit dem Übergang vom Inter- zum Sexshop wurde offensichtlich, dass Sex und Erotik überhaupt Waren sein können! Das gab es zu DDR Zeiten nicht. Sex sells galt nicht in der Ostzone“, um dann eine Seite später zu konstatieren: „Bis 1995 wurden zwei Drittel der Sexshops in Ostdeutschland wieder geschlossen.“ Und sie beschreibt noch einmal die Szenen der Sexshop Eröffnung: „Dann kommt ein kräftig gebauter Hüne mit Vollbart und nimmt die Dame - vorsichtig - auf den Arm. Siegesbewusstes Lachen. Die Dame hingegen wirkt etwas verwirrt, zaubert dann aber doch ein professionelles Lachen in die Mundwinkel. Schließlich folgt ein gutgebauter Mittdreißiger, der - mit fragendem Blick - der Dame an Brust und Po greift und so für das Foto posieren will. Das lehnt die Dame jedoch energisch ab. Gucken ja, mehr aber nicht. Und danach bitte Geld im Shop ausgeben.“ (In meinem gleich folgenden 1997er Venus-Messe Kapitel wird es übrigens eine sehr ähnlich gelagerte Szene geben, der Verfasser.) Ob der Grabscher womöglich doch ein sogenannter „Wessi“ war? Schließlich sagte die Stripperin Heidi Wittwer (noch zu DDR Zeiten Ende der 80er Jahre die erste Stripperin Leipzigs, Misswahlen waren zudem beispielsweise erst ab 1986 genehmigt) der Autorin Kolano dazu: „Striptease in der DDR - das war einmalig. Erotik gab es ja kaum. Das kannte keiner, dass da jemand auf die Bühne rennt und sich nackt macht - und das Ganze auch noch auf lustige Art. Sowohl den Wessis als auch den Ossis gefiel es. Aber die Wessimänner sagten eher: „Na Baby, kannste ruhig noch ein bissel heftiger machen!“ Das hätte sich der Ostmann nicht erlaubt (…) Vor einem Auftritt bei der Landesregierung in Köln beispielsweise hatten uns alle gewarnt: „Vorsicht, die sind dort ja katholisch, da geht bestimmt nichts.“ Wir sind dann dort hingekommen - und die wollten alles! Die haben getobt - aber die wollten auch anfassen! Das war der Unterschied. Im Osten wollte keiner anfassen.“
Allerdings sollte auch der sukzessive Einzug von Erotik in Kino und TV nicht vergessen werden, da wurde - was das Fernsehen betraf - ganz sicher auf einer recht gleichen Ebene zwischen West und Ost gesendet. Ich entsinne mich vor allem an zwei TV-Ausstrahlungen des DDR- Fernsehens, die ich als Westberliner in den 80ern recht erstaunt vernahm. Zum einen „Außenseiter-Spitzenreiter“, in der stets eine entkleidete Dame zu sehen war (das gab es bei unseren Quizsendungen nicht!), zum anderen die eingekaufte Serie „Erotisches zur Nacht“. In den Kinos ging es noch etwas eher los, 1973 kam „Die Legende von Paul und Paula“, der extra vom späteren Pornosammler und Generalsekretär Erich Honecker höchst persönlich durchgewunken wurde. Darin Nacktheit, Liebe, Fremdgehen. 1976 kam dann „Hostess“, der sogleich mit einer Bettszene startete. Die Schauspielerin Annekathrin Bürger berichtete später der „Super Illu“: „Wenn sich zwei Menschen lieben, ist Sex am Sonntagmorgen normal. Wir sind mit FKK aufgewachsen. Die Prüderie hielt bei uns erst nach der Wende Einzug.“ Mit den Sexshops und den Pornos? Könnte man süffisant fragen…Die Filme hatten sich natürlich schon längst unter der Hand im DDR-Volk befunden. Es wurden sogar welche gedreht, wie Jan Josef Liefers in seinem launigen Rückblick „Soundtrack meiner Kindheit“ erzählt. Nämlich im Armeefilmstudio der NVA in Berlin-Biesdorf. „Für Offiziere und deren privaten Gebrauch oder falls ranghohe Angehörige einer Bruderarmee zu Besuch kamen und ihnen der Alkohol ausging“, so Liefers. Dieser Fakt des Drehs an jenem Ort, wurde später in der TV-Doku „Pornographie - Made in GDR“ noch einmal bestätigt. Bliebe noch ein letzter Blick auf veröffentlichte pornographische Literatur in der DDR.
Bocaccios „Dekameron” wurde nämlich bereits 1956 im Berliner Aufbau Verlag veröffentlicht. Das meiste andere an erotischer bis konkret pornographischer Literatur kam dann in den 70er Jahren in die Buchläden, und ward fast immer sofort vergriffen. Der erste literarische Pornograph Petro Arentino erschien 1980/81 in der DDR, und zwar die „Göttlichen Gespräche des Pietro Arentino“. Und „Fanny Hill“ kam zwar erst 1987 heraus, dafür aber erstmalig in einer „ungekürzten deutschen Fassung“, wie Uta Kalano zu berichten weiß.
Ein ehemaliger Bekannter hatte mir im Winter 1997 ins Sammlergewissen geredet. „Deinen Nick-Name Graf Porno kannst du abhaken, wenn du am Sonntag nicht mitkommst. Da ist nämlich der letzte Tag der ersten Venus Erotik Messe in Berlin. Sagst du ab, heißt du für mich nur noch Monaco Franze…“ Der Obolus betrug damals 25 DM (umgerechnet etwa 12,78 Euro) an Eintritt. Das hatte sich für uns sogenannte Endkunden dann bald auch erheblich verteuert, denn inzwischen liegt der Tageskarten-Preis bei geradezu happigen 38 Euro (VVK 32 Euro). Das nennt man dann wohl nicht wegdiskutierbar: verdreifacht.
„Die größte Erotik Fachmesse Europas. 125 Aussteller auf 10000 m2 Hallenfläche“ warb der Veranstalter. Die Juristin Susanne Baer eruierte hierzu bereits 1990: „Es fällt auf, dass die Informanten aus der Porno-Industrie sich auf die kühle Präsentation von Zahlen beschränkten, die mit besonderer Emphase-Arbeitsplätze und Löhne, Steueraufkommen und den Umsatz therapeutischer Hilfsmittel betrafen.“