Queen of the Track - Alina Nayyar - E-Book

Queen of the Track E-Book

Alina Nayyar

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Beschreibung

Olivia schreibt Geschichte, als erste Frau in der Formel 1. Voller Entschlossenheit reist sie zu den Wintertests nach Österreich, doch der Start in die Welt des Motorsports ist härter als erwartet. Nicht nur kämpft sie gegen Vorurteile und enorme Erwartungen, auch der arrogante und unnahbare John, ebenfalls Formel1 Fahrer, macht ihr das Leben schwer. Er hält nichts von ihr und lässt sie das deutlich spüren. Trotz der Herausforderungen lernt Olivia für ihren Platz auf der Rennstrecke zu kämpfen und an sich selbst zu glauben. Zwischen Höchstgeschwindigkeit, Selbstfindung und aufkeimenden Gefühlen stellt sich die Frage: Kann sie am Ende mehr gewinnen, als nur das Rennen?

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Seitenzahl: 255

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Hinweis: Dieser Roman enthält fiktive Personen, Handlungen und Orte. Jegliche Ähnlichkeiten mit realen Personen, lebendig oder verstorben, sind rein zufällig. Die Ereignisse und Situationen, die im Buch beschrieben werden, sind reine Produkte der Fantasie des Autors/der Autorin. Die Verwendung von realen Ortsnamen oder historischen Referenzen dient lediglich dem Zweck der atmosphärischen Gestaltung und sollte nicht als Verbindung zu tatsächlichen Ereignissen oder Orten betrachtet werden.

Playlist

Messy- Rose

Blinding Lights – The Weeknd

Runaway – AURORA

High Hopes – Panic! At The Disco

Electric Love – BØRNS

Can't Hold Us – Macklemore & Ryan Lewis

Somebody Else – The 1975

Midnight City – M83

Young Blood – Saint Motel

Falling – Harry Styles

Lose Yourself – Eminem

Sicko Mode – Travis Scott

Love Me Like You Do – Ellie Goulding

Go With It – Rose Messy

Life Is A Highway – Rascal Flatts (Cars

Soundtrack)

Für meinen Mann, der die gleiche Leidenschaft für Autos & Motorsport hat, wie ich.

Formel-1-Glossar

A

Aero / Aerodynamik

– Die Wissenschaft, wie Luft über das Auto strömt, um Anpressdruck zu erzeugen und Luftwiderstand zu minimieren.

Apex (Scheitelpunkt)

– Der innere Punkt einer Kurve, den der Fahrer optimal treffen muss, um die höchste Geschwindigkeit mitzunehmen.

Auslaufrunde

– Langsame Runde nach Rennende oder Qualifying, bevor das Auto in die Boxengasse fährt.

B

Box

– Garage des Teams, in der Reparaturen, Wartung und Reifenwechsel durchgeführt werden.

Boxencrew

– Team, das beim Boxenstopp Reifen wechselt, Teile repariert und Fahrer versorgt.

Boxenstopp

– Geplante oder ungeplante Fahrt in die Boxengasse zum Reifenwechsel, Tanken (historisch) oder Reparieren.

Boxengasse

– Bereich vor den Garagen, in dem die Boxenstopps stattfinden.

Boxenfunk

– Kommunikation zwischen Fahrer und Renningenieur während des Rennens.

C

Chassis

– Hauptrahmen und Karosserie des Rennwagens.

Cockpit

– Sitzbereich des Fahrers im Monocoque.

D

DRS (Drag Reduction System)

– Klappmechanismus am Heckflügel, der den Luftwiderstand verringert, um Überholmanöver zu erleichtern.

Dirty Air

– Verwirbelte Luft hinter einem anderen Auto, die den Anpressdruck reduziert und Überholen erschwert.

E

Erste Kurve / Turn 1

– Meistens die riskanteste Stelle nach dem Start, da das gesamte Feld dicht beisammen ist.

Engine Mode

– Motoreinstellung für Leistung oder Effizienz, per Schalter am Lenkrad steuerbar.

F

FIA

– Fédération Internationale de l’Automobile, der internationale Automobilverband und Regler der Formel 1.

Formation Lap (Einführungsrunde)

– Runde vor dem Start, um die Reifen und Bremsen aufzuwärmen.

Front Wing (Frontflügel)

– Vorderer Flügel, der für Abtrieb sorgt und das Auto in Kurven stabil hält.

G

Grid

– Startaufstellung der Fahrer nach dem Qualifying.

Grip

– Haftung der Reifen auf der Strecke.

H

Halo

– Titan-Sicherheitsbügel um das Cockpit, der den Kopf des Fahrers schützt.

Hot Lap

– Schnelle Runde im Qualifying oder Training.

K

Kiesbett

– Auslaufzone mit Kies, um Autos zu verlangsamen, wenn sie von der Strecke abkommen.

L

Lenkrad

– Multifunktionsgerät mit Knöpfen, Schaltern und Displays zur Steuerung des Autos.

Long Run

– Längere Serie von Runden im Training, um Reifenverhalten und Rennpace zu testen.

O

Overcut

– Strategie, länger auf der Strecke zu bleiben, um nach einem späteren Boxenstopp vor einem Gegner zu landen.

Oversteer (Übersteuern)

– Wenn das Heck des Autos ausbricht.

P

Pace

– Renn- oder Rundenzeitgeschwindigkeit.

Parc Fermé

– Bereich nach Qualifying und Rennen, in dem die Autos unter Aufsicht stehen und nicht mehr verändert werden dürfen.

Pit Board

– Tafel an der Boxenmauer, die dem Fahrer Infos anzeigt (Position, Abstand, Runden).

Pole Position

– Schnellster Startplatz, von Platz 1 im Grid.

Push Lap

– Maximale Angriffs-Runde, z. B. im Qualifying.

R

Reifenmischungen

– Verschiedene Gummihärten (Soft, Medium, Hard) mit unterschiedlichen Haltbarkeiten und Grip-Leveln.

Rennleitung

– Offizielle Instanz, die Strafen und Regeln überwacht.

S

Safety Car

– Fahrzeug, das das Feld im Falle eines Unfalls verlangsamt.

Sector Times

– Zeitabschnitte einer Runde, in drei Sektoren aufgeteilt.

Setup

– Technische Einstellung des Autos für eine Strecke.

Slipstream

– Luftschleppe hinter einem Auto, die weniger Luftwiderstand bietet.

Stint

– Fahrzeit auf einem Reifensatz zwischen zwei Boxenstopps.

T

Telemetry

– Datenübertragung vom Auto ans Team, um Leistung und Zustand zu überwachen.

Track Limits

– Streckenbegrenzungen, die nicht überfahren werden dürfen.

Turn

– Nummerierte Kurven auf der Strecke.

U

Undercut

– Boxenstopp-Strategie, um durch frische Reifen direkt schneller zu sein und vor einem Gegner zu landen.

V

Virtual Safety Car (VSC)

– Elektronische Gelbphase, bei der das Tempo reduziert wird.

W

Warm-up Lap

– Reifen- und Bremsaufwärmrunde.

Windschatten

– Siehe Slipstream.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Epilog

Kapitel 1

Der erste Atemzug draußen fühlt sich an, als würde mir jemand winzige Glassplitter in die Lunge blasen.

Österreich. Februar. Ein Himmel, der aussieht wie aus gebürstetem Stahl. Ich stehe am Rollfeld des kleinen Flughafens in Graz und frage mich, warum ich nicht einfach in Bahrain bin.

Die Luft riecht nach Kerosin, nasser Erde und etwas Metallischem, das ich nicht benennen kann. Vielleicht Schnee. Vielleicht das Gefühl von „Du bist nicht mehr zuhause“.

Mein Trolley holpert über den Asphalt, als hätte er etwas gegen diese Reise. Die anderen Passagiere ziehen ihre Mäntel enger, einer hustet, eine Frau im Pelz flucht leise auf Deutsch. Ich habe meine Kopfhörer im Ohr, aber keine Musik an – nur die Dämpfung, nur meinen eigenen Atem.

„Wintertests in Österreich“, hatte der Teamchef gesagt, als wäre das völlig normal. Keine Erwähnung davon, dass wir sonst immer irgendwo in der Sonne sind, dass wir jetzt stattdessen in eine Klimazone reisen, in der sogar der Kaffee im Becher schneller abkühlt als man blinzeln kann.

Der Chauffeur steht am Ende der schmalen Ankunftshalle, schwarzes Schild mit meinem Namen.

Er erkennt mich sofort, obwohl ich die Mütze tief ins Gesicht gezogen habe.

„Willkommen in Österreich, Frau Keller“, sagt er, und ich bin mir nicht sicher, ob da ein Hauch von Respekt oder nur Höflichkeit mitschwingt.

Ich nicke, lächle knapp. Zu viel Freundlichkeit am Anfang macht es später schwer, die Distanz zu wahren.

Ich bin nicht hier, um Freunde zu finden. Ich bin hier, um schneller zu fahren als alle anderen.

Das Auto ist warm, aber nicht zu warm. Ich mag das.

Zu viel Heizung macht mich schläfrig. Wir fahren los, raus aus der Stadt, hinein in eine Landschaft, die aussieht wie eine schwarzweiße Fotografie. Nebel hängt tief zwischen den Hügeln, und dazwischen glitzern vereiste Wiesen. Der Fahrer spricht wenig. Mir ist das recht. Ich will meine Gedanken sortieren.

Warum hier? Warum jetzt?

Offiziell: Neue Testverfahren für Kälte, weniger Reisekosten, weniger CO₂-Ausstoß.

Inoffiziell: Manche Teams wollen sehen, wie wir mit Reifentemperaturen umgehen, die kaum über den Gefrierpunkt steigen. Außerdem – und das ist nur mein Verdacht – will die FIA beweisen, dass Elektrosysteme, Batterien und Hybridkomponenten auch unter harschen Bedingungen funktionieren.

Es passt ihnen, dass ich neu bin. Wenn etwas schiefgeht, können sie es auf „fehlende Erfahrung“ schieben.

Das Hotel liegt am Rand eines kleinen Ortes, in einem Tal zwischen zwei Bergen. Von außen wirkt es wie ein viel zu großes Chalet, mit Balkonen aus dunklem Holz und Fensterläden, die wahrscheinlich mehr Zierde als Funktion haben. Drinnen riecht es nach Kaminfeuer und frischem Brot.

Der Boden knarzt unter meinen Stiefeln, als ich zur Rezeption gehe. Die Dame dort spricht akzentfreies Englisch und lächelt professionell, als sie meinen Namen findet.

„Zimmer 207, Blick auf die Berge. Frühstück ab sechs, falls Sie es so früh wünschen.“

Ich will sagen: Ich wünsche mir vor allem, dass es schon morgen ist, dass ich im Auto sitze, dass ich den ersten Vollgaslauf habe. Stattdessen nicke ich nur.

Im Zimmer ist es still. Zu still. Die Heizung summt leise, der Balkon ist schneebedeckt. Ich öffne die Tür einen Spalt – kalte Luft strömt herein, klar und hart. Ich lasse sie ein paar Sekunden wirken, bevor ich sie wieder aussperre.

Ich setze mich aufs Bett, sehe meinen Helm im Koffer.

Er liegt da wie ein Versprechen.

Er ist der einzige Grund, warum ich hier bin. Der einzige Grund, warum ich das hier alles aushalte.

Ich lasse den Koffer unausgepackt. Alles, was ich morgen brauche, ist ohnehin griffbereit: der Unteranzug, die Stiefel, der Helm. Den Rest kann ich später ordnen.

Im Spiegel über dem Schreibtisch sehe ich ein Gesicht, das älter aussieht, als ich mich fühle. Nicht wegen Falten – davon habe ich noch nicht viele – sondern wegen dieser Schwere in den Augen. Sie kommt von der Erwartung. Meiner eigenen, der der Presse, der des Teams. Und dieser stillen, hartnäckigen Frage: Kann sie das überhaupt?

Unten im Speisesaal riecht es nach Rinderbrühe und irgendetwas mit Kümmel. Lange Tische, rot karierte Tischdecken, Kerzen in schweren Messinghaltern. Das Personal trägt Trachtenwesten, als wären wir in einem Heimatfilm.

Ich nehme einen Platz am Fenster, auch wenn es draußen längst dunkel ist. Der Schnee reflektiert das Licht der Straßenlaternen und macht die Nacht milchig.

Die Suppe ist heiß, aber der Löffel klirrt leise gegen den Teller, weil meine Hände noch nicht ganz warm sind. Ich esse langsam, beobachte die wenigen anderen Gäste: ein älteres Paar, das leise diskutiert; zwei Männer in dicken Pullovern, vermutlich Mechaniker von irgendeinem Team, die sich eine Flasche Bier teilen.

Nach dem Essen gehe ich raus. Der Schnee knirscht unter meinen Stiefeln, so klar, so sauber, dass jedes Geräusch doppelt laut wirkt. Das Dorf ist klein – ein paar Häuser, eine Bäckerei, ein Sportgeschäft, ein Gasthof. Hinter allem: Dunkelheit und Berge.

Ich mag diese Stille. Sie ist wie eine weiße Leinwand, auf die morgen die Motoren ihre Linien malen werden.

Ich bleibe an einer Brücke stehen, unter der ein schmaler Bach fließt. Das Wasser ist schwarz, aber am Rand glitzern Eiskristalle. Ich lehne mich ans Geländer, ziehe die Mütze tiefer ins Gesicht und höre einfach zu.

Morgen werde ich hier nicht mehr stehen können, ohne dass mir Bilder durch den Kopf schießen: Kurve drei im vierten Gang, kalte Reifen, späte Bremspunkte.

Morgen wird dieser Ort Lärm und Tempo sein.

Auf dem Rückweg zum Hotel fällt mir ein, dass ich seit meiner Landung nicht einmal ans Telefon gegangen bin. Das ist gut. Die Welt kann warten.

Im Zimmer lege ich mich aufs Bett, ohne mich umzuziehen. Die Decke ist schwer, und die Kälte draußen macht sie noch angenehmer.

Ich sehe wieder den Helm im Koffer. Übermorgen werde ich ihn aufsetzen, und dann bin ich nicht mehr „die erste Frau in der Formel 1“. Dann bin ich einfach nur eine Fahrerin.

Ich öffne das Fenster, lasse die kühle Luft ins Zimmer strömen, und für einen Moment vergesse ich alles andere. Nur das Summen der Stadt in der Ferne, das Rascheln der Bäume im Wind, das leise Knarren des Hotels unter mir. Ich schließe die Augen und atme tief ein, so als könnte ich die Spannung in meinen Lungen ausdehnen und sie dann einfach loslassen.

Mein Blick fällt wieder auf den Helm. Morgen werde ich ihn aufsetzen und den Asphalt unter mir spüren, die Kurven, die Geschwindigkeit, das Adrenalin, das durch jede Ader fließt. Ich habe mich vorbereitet, habe trainiert, habe mich vorbereitet auf genau diesen Moment. Aber trotzdem klopft mein Herz schneller, als könnte es mir sagen: „Bist du bereit?“

Ich sitze auf, lasse die Beine aus dem Bett baumeln und fühle die Härte des Bodens unter meinen Füßen. Alles wirkt gleichzeitig vertraut und fremd. Ein Zimmer in einem Hotel, das ich nie wirklich kennen lernen werde.

Ein Helm, der mein Leben verändern könnte. Und ich mittendrin, auf dem schmalen Grat zwischen Kontrolle und Chaos, zwischen Angst und Freiheit.

Langsam lege ich mich wieder hin. Die Decke umschließt mich, schützt mich. Ich schließe die Augen, lasse die Gedanken schweifen, und für einen Moment ist alles still. Nur ich. Nur der Atem. Nur der leise Herzschlag, der mir sagt, dass morgen ein neuer Tag beginnt – und dass ich bereit bin, ihn zu fahren.

Am nächsten Morgen stehe ich früher auf, noch bevor die Sonne über die Berge klettert. Das Hotel ist still, nur das leise Summen der Heizung und das entfernte Klappern von Geschirr in der Küche dringen zu mir. Ich schlüpfe in die Jacke, ziehe die Kapuze tief ins Gesicht und trete nach draußen.

Die Luft ist klar, fast schneidend, und riecht nach feuchtem Gras und harziger Erde. Vor mir erstreckt sich das Tal, in dem die Stadt wie ein kleines Puzzle aus Dächern, Straßen und Menschen liegt, die langsam wach werden. Ich folge einem schmalen Pfad, der zwischen Wiesen und Feldern verschwindet, vorbei an Bächen, deren Wasser kristallklar über Steine springt, und kleinen Hügeln, die zu erklimmen ich sofort Lust habe.

Überall summt das Leben. Vögel fliegen dicht über den Baumwipfeln, und irgendwo in der Ferne höre ich das Rattern eines Traktors. Ich bleibe stehen, lehne mich gegen einen alten Zaunpfahl, schließe die Augen und lasse die Geräusche auf mich wirken.

Ich entdecke einen kleinen Hügel, von dem aus ich das ganze Tal überblicken kann. Die Sonne bricht langsam durch die Wolken, wirft goldene Streifen auf die Felder, die Häuser, die Straßen. Ich atme tief ein, spüre die Kühle auf meiner Haut, den leichten Wind in den Haaren. Alles scheint möglich zu sein – alles, was morgen auch kommen mag.

Ich gehe weiter, erkunde jede Ecke, jede kleine Straße, jeden versteckten Pfad, finde einen alten Steinbrunnen, in dem das Wasser leise gluckert, und setze mich auf den Rand. Für einen Moment lasse ich die Hände ins Wasser gleiten, beobachte die kleinen Fische, die vor mir aufschrecken. Das Leben hier ist ruhig, einfach, anders als das laute, schnelle Treiben auf der Rennstrecke. Und gerade deswegen spüre ich, wie sehr ich diesen Moment brauche – bevor das Adrenalin, bevor die Geschwindigkeit, bevor die Welt wieder an meine Tür klopft.

Ich verlasse das Hotel noch vor dem Frühstück, die Straße ist feucht vom Morgentau, und die Bergspitzen sind noch in Wolken gehüllt. Jeder Schritt auf dem Kies knirscht unter meinen Schuhen. Ich gehe langsam, ohne Ziel, nur der Neugier folgend. Auf der linken Seite erstreckt sich ein alter Obstgarten.

Weiter den Pfad entlang höre ich das Rauschen eines Baches, der sich seinen Weg durch das Tal gebahnt hat.

Ich folge dem Geräusch, bis ich auf eine kleine Holzbrücke stoße, deren Balken von Regen und Sonne gegerbt sind. Das Wasser darunter ist so klar, dass ich jeden Kiesel auf dem Grund erkennen kann. Kleine Fische huschen davon, als ich meine Hand ins Wasser tauche. Ich lasse sie eine Weile laufen und beobachte die Reflexionen der Sonne, die sich in kleinen Blitzen auf der Wasseroberfläche fangen.

Hinter der Brücke beginnt ein schmaler Pfad, der sich in die Hügel schlängelt. Das Gras ist feucht, und ich spüre jeden Schritt durch die nassen Socken hindurch.

Ich bleibe stehen, blicke zurück ins Tal und bemerke ein kleines Dorf in der Ferne, dessen Schornsteine noch Rauch abgeben. Die Dächer glänzen leicht im Morgenlicht, und ich stelle mir vor, wie die Menschen dort ihren Tag beginnen: der Bäcker öffnet die Tür, ein Hund bellt irgendwo, Kinder stapfen durch den Tau.

Ich setze meinen Weg fort und entdecke eine kleine Lichtung, auf der wilde Blumen wachsen. Gelbe, blaue und violette Blüten wie ein kleiner Teppich aus Farbe.

Ich knie mich hin, atme den Duft ein, und plötzlich fühle ich mich, als wäre ich auf einer anderen Welt.

Keine Rennen, kein Druck, kein Medienrummel – nur ich, die Natur, das Rauschen der Bäume im Wind.

Am Rande der Lichtung steht eine alte Hütte, halb aus Stein, halb aus Holz. Die Fensterläden sind verwittert, und die Tür hängt ein wenig schief in den Angeln. Ich gehe näher, sehe alte Werkzeuge an der Wand hängen, ein zerbrochenes Vogelhaus liegt im Gras. Ich setze mich auf die Schwelle, schließe die Augen und lasse die Stille auf mich wirken. Ich kann den Wind in den Baumwipfeln hören, das ferne Läuten einer Kirchturmglocke, das Summen der Insekten.

Während ich dort sitze, merke ich, wie eine seltsame Ruhe in mir wächst. Morgen werde ich auf der Rennstrecke sein, schneller als alles, was ich bisher erlebt habe. Aber jetzt, hier auf dieser Lichtung, scheint die Welt einfach zu warten – geduldig, unbeeindruckt von Rekorden und Medienaufmerksamkeit. Ich fühle eine Art Verbindung zu allem um mich herum, ein stilles Wissen, dass ich mich auf etwas vorbereite, das größer ist als ich, aber dass ich dafür stark genug sein werde.

Als ich zurück ins Tal gehe, nehme ich mir Zeit, jeden Baum, jeden Bach, jede Kurve des Weges bewusst wahrzunehmen. Ich merke, dass ich jede kleine Einzelheit speichern will – die Kälte der Steine, das Rascheln der Blätter, den Geruch des feuchten Mooses.

Morgen wird alles anders sein, und vielleicht werde ich diese Stille vermissen. Aber genau diese Erinnerung wird mich tragen, wenn der Motor aufheult und die Reifen auf Asphalt beißen.

Zurück im Hotel beschließe ich, mir einen Kaffee zu holen. Die kleine Hotelbar ist noch leer, nur die alte Barista bewegt sich ruhig hinter der Theke. Sie lächelt, als ich eintrete, und ich lächle zurück, ohne ein Wort zu sagen. Ich bestelle einen Cappuccino, beobachte, wie der Dampf aus der Maschine steigt und der Geruch von frischem Kaffee den Raum füllt. Ich setze mich an einen kleinen Tisch am Fenster, schaue hinaus auf die Berge, und lasse die Wärme des Kaffees durch meine Hände ziehen.

Danach gehe ich in den kleinen Supermarkt im Dorf.

Die Regale sind voll mit lokalem Käse, Brot und Obst.

Ich nehme mir Zeit, die Etiketten zu lesen, die Namen der Bauern zu merken, die das produziert haben. Ein älterer Mann, der die Kasse bedient, nickt mir freundlich zu, und ich nicke zurück. Ich kaufe ein Baguette, einen Apfel und ein kleines Stück Käse, dann setze ich mich draußen auf eine Bank und esse langsam, während die Sonne sich langsam über die Berge schiebt.

Später beschließe ich, noch ein bisschen die Gegend zu erkunden. Ich gehe zu einem kleinen See, der auf der Karte eingezeichnet ist. Das Wasser ist ruhig, fast spiegelglatt, und die Berge spiegeln sich darin. Ich setze mich ans Ufer, ziehe die Schuhe aus, und lasse meine Füße ins kalte Wasser tauchen. Ein paar Enten schwimmen vorbei, und für einen Moment gibt es nur dieses leise Plätschern und das Zwitschern der Vögel.

Auf dem Rückweg zum Hotel gehe ich durch die kleinen Gassen des Dorfes. Kinder spielen auf der Straße, ein Hund läuft bellend hinter ihnen her. Ich beobachte einen alten Mann, der seine Werkzeuge vor seinem Haus sortiert, und denke, dass das hier alles so unaufgeregt und echt wirkt – kein Lärm, kein Druck, nur Leben.

Zurück im Hotelzimmer setze ich mich ans Fenster, ziehe die Beine an und beobachte, wie der Himmel langsam in Orangetöne getaucht wird. Ich atme tief ein, spüre die Ruhe und die Normalität dieses Tages. Keine Rennen, keine Medien, keine Erwartungen – nur ich, hier, in diesem Tal. Und genau das fühlt sich an wie Ankommen.

Am nächsten Morgen wache ich früh auf, noch bevor die Sonne richtig über die Berge klettert. Das Licht ist blass und kalt, aber das stört mich nicht. Die Stille im Hotelzimmer hat etwas Tröstliches; kein Lärm, kein Telefon, keine Stimmen, die etwas von mir wollen. Ich ziehe meine Sportkleidung an – schwarze Leggings, ein schlichtes Top – und schlüpfe in die Laufschuhe, die noch leicht staubig vom letzten Training sind.

Der Fitnessraum im Hotel ist klein, fast spartanisch: ein Laufband, ein paar Hanteln, eine Matte, ein Spiegel, der die Stille zurückwirft. Ich starte mit dem Laufband, stelle es auf moderates Tempo. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, meine Beine fühlen sich noch schwer an vom Flug, aber nach ein paar Minuten gleitet der Rhythmus dahin. Jeder Schritt hallt leise, fast meditativ, und ich merke, wie sich meine Gedanken ordnen.

Während ich laufe, gleiten Erinnerungen durch meinen Kopf. Ich sehe mich wieder als Kind auf den staubigen Kartbahnen, die Hände fest um das Lenkrad gekrallt, die Augen auf die nächste Kurve gerichtet. Damals in meiner Heimatstadt, weit weg von all dem Glanz und Lärm, den die Formel 1 später mit sich bringen würde.

Meine Eltern verstanden nie ganz, warum ich Stunden um Stunden in der Sonne verbrachte, um Reifen quietschen zu hören und Kurven zu jagen. Aber sie ließen mich machen. Ich war die Kleine, die in der Garage schraubte, während andere Mädchen spielten, diejenige, die den Geruch von Benzin mehr liebte als Parfüm.

Nach dem Laufband rolle ich die Matte aus und beginne ein kurzes Krafttraining. Liegestütze, Planks, ein paar Hantelübungen für die Arme und Schultern.

Die Anstrengung ist angenehm, der Körper wird warm, die Muskeln strecken sich, ziehen sich zusammen, und ich fühle mich lebendig. Zwischen jeder Übung schweifen meine Gedanken weiter: die ersten Rennen in den unteren Formel-Serien, die Angst, die Nervosität, der erste kleine Sieg, der mir das Gefühl gab, dass dieser Weg, so steinig er war, richtig sein könnte.

Ich erinnere mich an die frühen Wochenenden, an denen ich in kleinen Hotels übernachtet habe, mit lauter Musik und Pizza auf dem Zimmer, um mich bei Laune zu halten. Die stundenlangen Fahrten zu Trainingsstrecken, die Müdigkeit, die endlosen Wiederholungen, um jede Kurve, jede Bremszone, jeden Atemzug zu perfektionieren. Alles, um irgendwann hier zu sein – auf diesem Weg, der mich wieder in das Herz des Rennsports bringen wird.

Nach dem Krafttraining liege ich eine Weile auf der Matte, die Augen geschlossen, die Hände auf dem Bauch. Ich spüre, wie der Atem ruhiger wird, die Muskeln entspannen, wie der Körper dankbar ist für die Bewegung. Ich öffne die Augen, sehe die Berge durch das Fenster, die Sonne, die langsam über die Spitzen klettert, und merke, dass dieser Moment, allein, ohne Druck, ohne Erwartungen, genauso wichtig ist wie jeder Rennkilometer.

Ich dusche lange, lasse das warme Wasser über mich laufen, spüre, wie es die Müdigkeit vom Flug aus meinen Muskeln wäscht. Danach ziehe ich frische Kleidung an, setze mich ans Fenster und beobachte die kleine Stadt unter mir. Die Leute beginnen, ihre Läden zu öffnen, ein paar Kinder rennen lachend über den Platz. Ich lächele kurz, fühle mich fremd und gleichzeitig merkwürdig verbunden – als könnte ich einen Teil meiner Heimat hier wiederfinden, weit weg von den Rennstrecken, den Interviews, den Erwartungen.

Ich nehme mir einen Moment, um einfach zu sitzen, zu atmen, anzukommen. Ich bin müde, aber ich fühle mich auch stark. Bald wird der Tag kommen, an dem ich den Helm aufsetze und wieder die Fahrerin sein werde, die die Welt kennt. Aber heute, genau hier und jetzt, bin ich nur ich,

Kapitel 2

Der Wecker klingelt um 5:45 Uhr. Ich bin schon vorher wach.

Nicht weil ich schlecht geschlafen hätte – im Gegenteil, die Kälte und die schwere Decke haben mich wie in Stein gegossen – sondern weil mein Körper weiß, was heute kommt. Ein stilles Summen unter der Haut, wie das leise Hochfahren eines Motors.

Im Bad ist der Boden eiskalt, trotz der Heizung. Das Wasser in der Dusche braucht lange, um warm zu werden, und ich stehe da, den Blick auf die dampfenden Fliesen gerichtet, als würde ich durch sie hindurch schon die Strecke sehen.

Ich ziehe den schwarzen Team-Hoodie über, die Winterjacke, dann den Schal. Der Helm bleibt im Koffer – noch. Es hat etwas Rituelles, ihn erst in der Box zu holen, unter den Blicken der Mechaniker.

Unten im Frühstücksraum riecht es nach Kaffee und frisch gebackenem Brot. Ich zwinge mich, etwas zu essen – ein Brötchen, ein bisschen Käse, eine Banane.

Leere Kalorien helfen niemandem, aber fahren mit leerem Magen ist noch schlimmer.

Ein Mechaniker vom Team sitzt am anderen Ende des Raumes. Wir nicken uns nur zu. Worte sind morgens wie diese unnötig. Jeder ist in seinem eigenen Kopf, bei seinen eigenen To-do-Listen, bei seinen eigenen Sorgen.

Der Fahrer wartet bereits draußen, Motor an, die Scheinwerfer schneiden durch den Dunst. Als ich einsteige, schlägt mir die Kälte entgegen, bevor die Heizung ihre Arbeit aufnimmt.

Wir fahren durch das Tal, Straßen, die noch glitzern vom gefrorenen Tau. Die Berge sind nur schemenhaft im Grau des Morgens zu sehen.

Dann biegt die Straße ab, und dort – fast wie ein Geheimnis, das nur wir kennen – liegt die Strecke. Der Asphalt ist trocken, aber die Ränder sind weiß. Die Boxengebäude stehen da wie eingefroren, und doch wirkt alles bereit, als würde gleich ein Herzschlag einsetzen.

Ich steige aus.

Der erste Atemzug hier ist anders. Er schmeckt nach Benzin und Metall, nach Technik und Kälte, und irgendetwas in mir will sofort laufen, rennen, ins Auto springen.

Das Logo des Teams prangt über der Box: Falcon Motorsport. Schwarzer Falke auf dunkelblauem Grund, die Flügel aus silbernen Linien gezeichnet. Ich hab es schon hundertmal auf Unterlagen und Pressemappen gesehen, aber hier, groß und scharf im kalten Morgenlicht, wirkt es anders. Echter.

Als ich in die Box gehe, ist es wie ein Schlag in eine andere Welt. Die Kälte draußen bleibt vor der Schwelle zurück – hier ist es warm von Heizlüftern, Heizdecken, menschlicher Betriebsamkeit. Und der Geruch – unverkennbar: Mischung aus Benzindämpfen, Gummi, kaltem Metall und dieser leicht süßlichen Note von Hydrauliköl. Ich atme tief ein, als müsste ich mir merken, dass genau das der Geruch von Arbeit ist.

Überall Bewegung. Zwei Mechaniker hocken vor einem Reifenstapel, Heizdecken drum, ein Dritter prüft die Temperatur mit einem Infrarotmessgerät. In der Ecke läuft ein Kompressor, sein Rhythmus wie ein langsamer Herzschlag.

„Olivia!“

Ich drehe mich und sehe Lukas, meinen Renningenieur.

Dunkelblonde Haare, Bartstoppeln, in der Teamjacke.

Er kommt mit einem Klemmbrett auf mich zu, reicht mir die Hand.

„Schön, dass du’s geschafft hast. Alles gut angekommen?“

„Ja. Kalt, aber sonst alles gut.“

Er lacht. „Das wird das Wort des Tages: kalt.“

Hinter ihm steht er. Der Wagen.

Dunkelblau wie das Teamlogo, mit silbernen Akzenten an den Flügeln. Die Nase schmal und aggressiv, Seitenkästen eng geschnitten. Der Halo ist matt schwarz, und selbst im Stand sieht das Auto aus, als würde es gleich lossprinten. Die Reifen sind in schwarze Decken gehüllt, aus denen leise Wärme aufsteigt. Kleine Kabel hängen an den Radnaben, Datenverbindungen zu den Laptops.

Ich gehe näher. Die Lackierung glänzt trotz des diffusen Lichts, als hätte jemand in der Nacht jede Kante poliert.

Über dem Cockpit steht mein Name in weiß: O. Keller – klein, aber unübersehbar.

Ich fahre mit den Fingern über den Rand der Seitenverkleidung. Glatt, kalt.

„Also, Plan für heute“, sagt Lukas und tippt aufs Klemmbrett. „Erst ein paar langsame Installationsrunden, damit wir sehen, ob alles so funktioniert wie es soll. Kälte frisst die Batteriespannung schneller, also wollen wir die Hybrid-Komponenten genau im Blick behalten. Bremsen brauchen länger, um auf Temperatur zu kommen, deswegen: keine plötzlichen Attacken.“

Ein Mechaniker – Jonas, steht auf seiner Jacke – bringt mir einen Kaffee.

„Willkommen bei Falcon Motorsport“, sagt er, mit einem Grinsen, das irgendwo zwischen Aufmunterung und Neugier liegt.

„Danke. Hoffentlich bring ich euch heute keinen Ärger.“

„Mach dir keine Sorgen. Das macht hier jeder irgendwann.“

Im Hintergrund höre ich eine andere Stimme, tief und klar, aber ich kann die Worte nicht verstehen. Sie gehört nicht zu den Mechanikern. Eher zu jemandem, der nicht oft erklären muss, wer er ist. Ich registriere sie, ohne hinzusehen.

Lukas deutet auf den Wagen. „Wenn du soweit bist, gehen wir rüber und passen den Sitz nochmal an. Ich will, dass du heute alles im Griff hast, auch wenn’s sich anfühlt, als würdest du auf gefrorenem Beton fahren.“

Ich nicke. Meine Augen bleiben am Auto hängen. Das ist kein Stück Technik. Das ist ein Lebewesen, und gleich werde ich es wecken.

Kapitel 3

Lukas redet, aber ein Teil von mir hört nur halb zu.

Nicht, weil es mir egal wäre – im Gegenteil. Aber mein Blick klebt am Auto, und alles, was er sagt, ordne ich automatisch in die Kategorien „lebenswichtig“ und „kann ich später nachlesen“.

Er zeigt auf den Wagen: „Sitzanpassung, dann Funksystem, dann rollen wir raus.“

Ich nicke. Sitzanpassung. Klingt banal. Ist es nicht.

Wenn du hier drin sitzt und irgendwas drückt oder scheuert, merkst du es nicht nur – du spürst es in jeder Bewegung, in jeder Kurve. Und wenn dein Kopf gerade bei der nächsten Linkskurve ist, willst du nicht daran denken, dass dein linker Oberschenkel einschläft.

Ich gehe rüber, ziehe die Jacke aus. Sofort schwappt die Kälte wieder rein.

Ich schlüpfe in meinen Rennanzug. Es ist ein moderner, figurbetonter Rennanzug in Falcon-Teamfarben – dunkles Blau mit metallisch-silbernen Akzenten, leichte rote Details am Kragen und an den Ärmeln. Der Anzug sitzt wie eine zweite Haut, jedes Panel ist auf Aerodynamik optimiert. Auf der Brust prangt das Falcon-Logo, auf den Armen Sponsoren-Patches, alles sauber und professionell angebracht. Sie trägt dazu passende Rennhandschuhe und leichte Rennstiefel, alles in den Teamfarben.

Dann lasse ich mich langsam in den Sitz gleiten. Er ist so eng, dass ich kurz das Gefühl habe, ich passe nicht rein. Passt aber doch. Immer.

Jonas beugt sich runter. „Gurte zu?“

Ich nicke, er zieht an den Riemen, bis meine Schultern gegen den Sitz gepresst sind. Atmen geht noch, aber reden ist schon Arbeit.

Okay, das ist jetzt mein Raum. Meine kleine Festung aus Carbon und Technik. Von hier aus wird heute entschieden, ob ich dazugehöre oder nicht.

Der Helm liegt auf dem Sidepod, ich greife danach.

Wenn ich ihn aufsetze, bin ich nicht mehr „Olivia, erste Frau in der Formel 1“. Dann bin ich einfach nur ein Fahrer im Falcon. Keine Sonderrolle, keine Schlagzeilen. Nur das, was auf der Stoppuhr steht.

„Radio-Check.“

„Laut und klar.“ Meine Stimme klingt tiefer im Helm, irgendwie entschlossener.

Die Box riecht noch immer nach diesem Mix aus heißem Gummi, Abgasen und Metall. Jeder Schritt, jede Bewegung hier hat eine Choreografie. Mechaniker greifen zu Werkzeugen, Kabel klicken in Ports, einer wischt mit einem Tuch über den Frontflügel, als ginge es um ein Ausstellungsstück.

Ich registriere wieder diese tiefe Stimme im Hintergrund. Gleicher Raum, anderes Team. Sie lacht kurz. Lachen in einer Boxengasse um diese Uhrzeit wirkt fast unhöflich.

Egal. Fokus. Heute ist kein Sozialprogramm.

„Reifen sind bereit“, ruft jemand.

Die Heizdecken gehen runter. Schwarzes Gummi dampft leicht in der kalten Luft.

Jetzt gibt’s kein Zurück.

Die Boxengasse wirkt schmaler, wenn man im Auto sitzt. Vielleicht, weil der Helm den Blick einschränkt, vielleicht, weil jede Bewegung hier plötzlich zählt.

„Go, go.“ Lukas’ Stimme im Ohr.