Reinhold Würth - Kristin Rau - E-Book

Reinhold Würth E-Book

Kristin Rau

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Beschreibung

Die Buchreihe "Mein Leben, meine Firma, meine Strategie" porträtiert herausragende Unternehmerinnen und Unternehmer, die in ihren Branchen einen bedeutenden Beitrag geleistet haben – von den Patriarchen etablierter Familienunternehmen bis hin zu aufstrebenden Köpfen der Gründerszene. Die Autoren der WirtschaftsWoche schreiben nicht über sie, vielmehr lassen sie die Unternehmer selbst zu Wort kommen. Jeder Band ist einer Persönlichkeit gewidmet, die sich in mehreren langen Interviews den Fragen der Autoren stellt. Die Gespräche über Erfolge, Krisen, Verantwortung, Führung und unternehmerischen Mut zeichnen ein authentisches Bild der Unternehmer. Sie zeigen auch den Menschen hinter dem Firmenlenker: seinen Blick auf sich selbst, seine Familie und die Gesellschaft. Der erste Band der Reihe widmet sich Reinhold Würth, der aus dem Zweimannbetrieb seines Vaters einen Weltmarktführer für Befestigungs- und Montagetechnik mit 77.000 Mitarbeitern machte. Würth erzählt von seiner Kindheit, den Anfängen des Betriebs und die Erfolgsgeheimnisse des jahrzehntlangen Wachstums. Er spricht über Werte wie Fleiß, Verantwortung und Vorbildhaftigkeit ebenso wie über seine Rolle als Chef, Ehemann, Familienvater und Kunstmäzen. Reinhold Würth blickt auf ein beispielloses Unternehmerleben zurück und richtet gleichzeitig – stets bestens informiert – den Blick nach vorn.

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Beat Balzli (Hg.),

Kristin Rau, Martin Seiwert

Reinhold Würth

Mein Leben, meine Firma, meine Strategie

Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft. Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-95623-954-0

Lektorat: : Anke Schild, Hamburg

Umschlaggestaltung: Martin Zech, Bremen | www.martinzech.de

Coverillustration: Nigel Buchanan

Bildredaktion: Patrick Schuch, Düsseldorf

Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de

Copyright © 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

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Inhalt

Vorwort

Erstes Kapitel

Der junge Reinhold Würth

Ehrgeiz, Arbeit und Luxus

Zwischen Klinkenangst und der Liebe zum Verkauf

Übernahme des Unternehmens

Zweites Kapitel

Der Unternehmer und sein Unternehmen

Über Zuverlässigkeit und andere Erfolgsgeheimnisse

Hohe Zielvorgaben und Freiräume für erfolgreiche Mitarbeiter

Über Fehlentscheidungen und unternehmerischen Mut

Der Patriarch und die nachkommenden Generationen

Wachstum jenseits konjunktureller Schwankungen

Drittes Kapitel

Der Weltbürger

Kunst und Kultur

Engagement in der Heimat und der Welt

Geld verdienen und Geld ausgeben

Zwischen grün und schwarz – ein freier Geist

Weltpolitik und Kapitalismus

Viertes Kapitel

Der Ehemann, Vater und Freund

Familie und Religion

Freunde und Freizeit

Vermächtnis

Zeittafel: Von der Schraubenhandlung zum Weltkonzern

Über die Autoren

Bildnachweis

Vorwort

Die zentralen Fragen des Lebens kommen meist schlicht daher. »Wie baue ich erfolgreich ein Unternehmen auf?« ist so eine. Ein Heer von Gründerinnen und Gründern stellt sie sich regelmäßig. Ein Heer von Coaches, Unternehmensberatern und Managementgurus glaubt, die Antwort zu kennen.

Doch in Wahrheit ist alles viel komplexer. Von der DNA des Erfolges gibt es beinahe so viele Varianten wie von der menschlichen. Aber das richtige Zusammenspiel unzähliger Bausteine funktioniert nach ein paar Gesetzen, die sich in vielen Aufsteigergeschichten wiederholen. Diesen Regeln des richtigen Handelns will die WirtschaftsWoche mit der neuen Buchreihe Mein Leben, meine Firma, meine Strategie nachspüren. Ganz bewusst handelt es sich dabei nicht um herkömmliche Biografien. Stattdessen erzählen prominente Unternehmerpersönlichkeiten, die in ihrem Leben Außergewöhnliches geschaffen haben, über Höhen und Tiefen, ihre Stärken und Schwächen, ihre Tops und Flops. So kommen Nahaufnahmen von Menschen zustande, die sich sonst nur einem engen Kreis Vertrauter öffnen. Sie lüften Geheimnisse, sprechen über richtiges Timing, falsche Freunde, einmalige Chancen, umstrittene Entscheidungen, großes Glück, große Fehler – und den unbedingten Willen, es trotzdem zu schaffen.

»Ich bin davon überzeugt, reine Ausdauer macht etwa die Hälfte von dem aus, was erfolgreiche von erfolglosen Unternehmern unterscheidet«, sagte einmal Steve Jobs, der 2011 verstorbene Gründer und CEO von Apple. Das Zitat könnte auf kaum jemanden besser passen als auf Reinhold Würth, mit dem die WirtschaftsWoche zusammen mit dem GABAL Verlag diese Buchreihe eröffnet. Aus einem kleinen Schraubenhandel baute er ein weltweit tätiges Milliardenimperium mit über 77.000 Mitarbeitern auf. Manche würden sagen, Selbstdisziplin ist nicht nur sein Credo, sondern sein zweiter Vorname. »Mein Vater sagte häufig, wenn einer von uns krank war oder uns etwas fehlte und wir jammerten, ›I merk nix‹«, schreibt Bettina Würth in einem Buch zu seinem 65. Arbeitsjubiläum.

Die WiWo-Redakteure Kristin Rau und Martin Seiwert haben sich mehrmals mit Reinhold Würth getroffen – und sind in stundenlangen Gesprächen dem Geheimnis seines Erfolges ziemlich nahegekommen.

Beat Balzli

Der junge Reinhold Würth, geboren 1935 im baden-württembergischen Öhringen, wurde maßgeblich vom Zweiten Weltkrieg und den unmittelbaren Nachkriegsjahren geprägt. Damals lernte er Sparsamkeit und Fleiß. Tugenden, die Würth bis heute als Grundlage seines unternehmerischen Erfolgs sieht.

Schon im Alter von zehn Jahren half er seinem Vater regelmäßig in der neu gegründeten Schraubenhandlung. Mit 14 begann er dort eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann – Abitur und Studium kamen nicht infrage.

Nur fünf Jahre später starb sein Vater überraschend und Würth wurde mit 19 Jahren über Nacht nicht nur zum Ernährer der Familie, sondern auch zum Chef des Betriebs. Während andere in diesem Alter eine solche Verantwortung als Last empfunden hätten, erkannte der junge Mann die Chance. Er begann, den Grundstein für seine späteren Erfolge zu legen.

Erstes Kapitel

Der junge Reinhold Würth

Ehrgeiz, Arbeit und Luxus

Herr Würth, irgendwie sind Sie schwer zu fassen. Sie sind ein feinsinniger Kunstsammler. Aber Ihr Lieblingsfilm ist Vier Fäuste gegen Rio mit Bud Spencer und Terence Hill.

(Lacht.) Sie haben recht, ich habe eine gewisse Bandbreite.

Was gefällt Ihnen an diesem Western-Klamauk?

Mir gefällt daran die Situationskomik, das hat für mich Unterhaltungswert.

Mitarbeiter beschreiben Sie als sparsam und bescheiden. Andererseits besitzen Sie eine riesige Jacht, ein Schloss und einen eigenen Flugplatz. Wie passt das zusammen?

Jeder Mensch hat viele Facetten. Das sind für mich keine Widersprüche. Es sind verschiedene Aspekte menschlichen Lebens, meines Lebens.

Wer ist der bessere Unternehmer: ein fokussierter Mensch oder einer mit tausend Facetten?

Es ist besser, wenn man in der Lage ist, über den Tellerrand hinauszublicken und abzuwägen, statt stur einer bestimmten Einstellung zu folgen. Nehmen Sie das Beispiel Sparsamkeit. Unternehmer müssen auf der einen Seite sehr wohl wissen, wo Sparen angebracht ist. Auf der anderen Seite brauchen sie auch eine gewisse Großzügigkeit beim Geldausgeben, so die Investition denn vernünftig ist und etwas bewirkt.

Geld ausgeben kann jeder. Sparen ist schon schwieriger. Wie haben Sie sparen gelernt? Als Kriegskind?

Wenn ich meine Kindheit vergleiche mit der meiner Kinder oder Enkel, dann war das Umfeld natürlich ein völlig anderes. Sparsamkeit und Verzicht hat man damals definitiv gelernt. Das fing schon beim Essen an. Dieses gab es nur auf Lebensmittelmarken. Es gab keine Butter aufs Brot und nur mit Süßstoff gesüßte Marmelade. Ich habe als Kind bei der Freibank am Schlachthof in Künzelsau angestanden. Dort wurden Tiere verwertet, die eigentlich nicht zum Verzehr vorgesehen waren, also krankes oder altes Vieh. Was habe ich mich gefreut, wenn ich da mal ein Stück Fleisch oder Leber ergattert habe! Sparsamkeit war für mich selbstverständlich. Das habe ich beibehalten.

Na ja. Die Jacht, die eigenen Flugzeuge, ihr eigenes Sinfonieorchester …

Das Fliegen, das Bootfahren und die Musik sind eben meine Leidenschaften. Bei all der Arbeit ist es schon in Ordnung, wenn ich mir das gönne. Auf der anderen Seite habe ich früher, wenn es bergab ging, den Motor von meinem Auto abgeschaltet, um ein paar Pfennige beim Benzin zu sparen. Das ist für meine Enkel unvorstellbar. Die schütteln bei solchen Geschichten nur den Kopf.

Als der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, waren Sie zehn Jahre alt. Welche Erinnerungen haben Sie an die Kindheit im Krieg?

Ich muss immer an meinen Vater denken, wie er mit einer Decke über dem Kopf Radio Beromünster angehört hat. Mein Vater war gegen Hitler. Wenn jemand mitbekommen hätte, wie er diese hitler-kritischen Sendungen hörte, dann hätte ihn das Kopf und Kragen gekostet. Das galt schon als Wehrkraftzersetzung. Ich muss sagen, die Hitler-Diktatur, die hat mich sehr geprägt.

Können Menschen meiner Generation überhaupt verstehen, wie es damals in Deutschland zuging?

Nein, sicherlich nicht. Wir leben heute in Frieden und Freiheit. Das ist schon seit einigen Generationen nun selbstverständlich. Eigentlich aber müssten die jungen Leute jeden Morgen erst mal minutenlang jubeln und Hurra schreien. Wir müssen uns daran erinnern, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist. Wenn ich meinen Enkeln oder meinen Studenten erzähle, wie ich als Zehnjähriger fast von einem amerikanischen Jagdbomber totgeschossen wurde, dann werden sie sehr nachdenklich. Sie merken, dass wir heute in einem Schlaraffenland leben.

Nach der Armut in den Kriegsjahren kam das Wirtschaftswunder. Wie muss man Sie sich vorstellen in dieser Zeit?

Ich war eher zurückhaltend, aber sehr neugierig. Als ich so zwölf oder dreizehn Jahre alt war, war ich mal mit meinen Eltern im Schwarzwald und bin mit meiner Kamera losgezogen. Mich reizte, zu sehen, was ums nächste Eck war, wie es hinter dem nächsten Berg aussah oder wie der Fluss hinter der nächsten Biegung weiterfloss. Ich ging immer weiter und weiter und habe dabei alles mit meiner Kamera aufgenommen.

Also ehrgeizig, schon damals.

Ehrgeizig? Ich glaub schon, ein bisschen ehrgeizig bin ich. Sicher nicht übertrieben. Aber ich bin nicht gerne Dritter oder Vierter oder Fünfter. Haben Sie meine Smartwatch gesehen?

Ja, schon, aber was hat die mit Ehrgeiz zu tun?

Sie diszipliniert mich, vor allem was die Bewegung betrifft, indem sie meinen Ehrgeiz weckt. Ich habe da drei Ringe auf dem Display: Bewegung, Training, Aufstehen/Sitzen. Und ich versuche immer, alle drei Ringe vollzubekommen. Diesen Ehrgeiz habe ich. Denn wenn man sich gut bewegt, kriegt man von der Uhr sogar Orden verliehen. Die will ich schon gern haben. Und die Uhr sagt manchmal: Reinhold, das hast du heute gut gemacht, mach morgen so weiter.

Neugierig, ehrgeizig – da waren Sie sicher ein guter Schüler.

Nicht so sehr. Die Schule hat mir sogar richtig gestunken. Ich bin da wahnsinnig ungern hingegangen.

»Ich war immer schon sehr neugierig.

Mich reizte, zu sehen, was ums nächste Eck war,

wie es hinter dem nächsten Berg aussah.«

Reinhold Würth bei einer archäologischen Expedition in Syrien

Warum? Hätten Sie lieber was mit Ihren Freunden unternommen?

Nein, dafür blieb keine Zeit. Mein Vater hat direkt nach dem Krieg seine Schraubenhandlung eröffnet. Während die anderen Kinder in dem Fluss Kocher schwimmen waren, habe ich als Zehnjähriger meinem Vater geholfen. Schon vier Wochen nachdem die Amerikaner einmarschiert waren, bin ich mit ihm auf einem Kuhfuhrwerk 15 Kilometer kocherabwärts zu Arnold, unserem ersten Lieferanten, gefahren, um Schrauben abzuholen. Im Lager habe ich die Schrauben dann verpackt und mit einem kleinen Leiterwagen ausgeliefert.

Heute würde man das Kinderarbeit nennen.

Ja, wenn Sie so wollen. Aber es hat mir nicht geschadet.

Aber Ihr Vater ließ Ihnen keine Wahl. Sie mussten bei ihm im Unternehmen anfangen. Hätten Sie sich nicht für etwas anderes entschieden, wenn Sie hätten frei wählen können?

Ich hatte keine anderen Pläne. Das war damals auch nicht üblich. Was der Vater sagte, das wurde gemacht. Das war das Evangelium, sozusagen. Meine Mutter wollte, dass ich Schulmeister werde. Sie hat gesagt: Dann hast du einen sicheren Job, hast ein gutes Einkommen und musst nicht viel tun. Aber was der Vater gesagt hat, hat gegolten. Damals gab es nicht diese Unsicherheit wie heute bei den jungen Leuten: Was willst du denn machen? Ach, lass dir Zeit. Mach dir nur keinen Stress. Du findest schon etwas, was dir gefällt. Mein Vater hat gesagt: So wird es gemacht. Ende.

»Meine Mutter wollte, dass ich Schulmeister werde.

Sie hat gesagt: Dann hast du einen sicheren Job und musst nicht viel tun.«

Reinhold Würth (links) mit Bruder Klaus-Frieder, Mutter Alma und Vater Adolf

Und so haben Sie bei ihm eine Lehre zum Großhandelskaufmann angefangen.

Ja. Er hat mich mit 14 Jahren nach dem Ableisten der Pflichtschuljahre von der Schule genommen. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar, denn er hat mich toll ausgebildet.

Haben Sie es wirklich nie bereut, dass Sie kein Abitur gemacht haben? Dass Sie nicht studieren konnten?

Das Leben war meine Universität.

Nach allem, was Sie erzählen, hatten Sie einen ziemlich strengen Vater.

Nein, dann ist das falsch rübergekommen. Mein Vater war vor allem ein lebensfroher Mensch. Er hat gerne ein Glas Wein getrunken und hatte permanent seine Zigarre an. Als er sich damals selbstständig gemacht hat, wollte er vor allem unabhängig sein und seiner Familie ein gutes Auskommen sichern. Das war ihm wichtig. Wir sind aber auch in Urlaub gefahren. Vor allem in eine Pension nach Schönmünzach im Schwarzwald und an die Ostsee. Auch schon vor dem Krieg.

Das Leben war meine Universität.

Wie, daran können Sie sich noch erinnern?

Ein wenig. Ich kenne es vor allem aus späteren Erzählungen. An ein Ereignis kann ich mich aber gut erinnern. Ich war wahrscheinlich vier Jahre alt oder so und wir waren gemeinsam an der Ostsee. Nivea hatte am Strand zu Werbezwecken Ritterhelme und Schilder aus Pappmaschee für Kinder verteilt. Das war ein Riesenspaß. Komisch, an was man sich manchmal so erinnert.

Nun ja, es war eine clevere Verkaufsaktion. Wundert mich nicht, dass das bei Ihnen hängen blieb.

Zwischen Klinkenangst und der Liebe zum Verkauf

Sie haben gerade von Ihrem Vater als Privatmann erzählt. Wie war er als Chef?

Er hat schon anerkannt, dass ich immer das gemacht habe, was er mir aufgetragen hat. Und wenn es mal nicht so ging, wie er sich das vorgestellt hat, dann gab es ab und zu eine hinter die Löffel. Im Großen und Ganzen habe ich ihn als fairen, vorbildlichen Chef in Erinnerung.

Was haben Sie von ihm gelernt?

Fleiß natürlich. Mein Vater hat immer schon mehr gemacht, als er musste, hat Eigeninitiative bewiesen.

Das würde wahrscheinlich jedes Unternehmen seinem Gründer bescheinigen.

Ja, aber bei ihm war das schon sehr ausgeprägt. Es gibt da eine sehr schöne Geschichte, die ich vom Hörensagen kenne. Nach der Weltwirtschaftskrise 1929 hat mein Vater zu seinem damaligen Chef gesagt: Ich fahre jetzt mal nach Berlin und verkaufe unsere Schrauben dort. Der Chef hat nur gelacht und gesagt: Die warten in Berlin ge-rade auf dich, damit du denen Schrauben verkaufst. Mein Vater hat es trotzdem versucht.

Und: Hat es funktioniert?

Ganz wunderbar hat es geklappt. Bis dahin hat kein anderer Schraubenhändler Kunden in der ganzen Nation bedient. Das war eine Innovation im Markt. Bis heute sind die meisten Schraubenhändler ausschließlich in einem Umkreis von 50 bis 100 Kilometer von ihrem Geschäftssitz tätig und fahren die Ware noch mit ihren Lastern beim Kunden vorbei. Aber 500 Kilometer weiter denkt kaum einer. So gibt es in Deutschland bis heute nur drei, vier wichtige Wettbewerber, die unser Konzept adaptiert haben. Den Anstoß dazu gab mein Vater mit seinem unverbrüchlichen Antrieb. Ich habe diese Expansion dann weiter vorangetrieben.

Fleiß ist also eine Eigenschaft, die Sie von Ihrem Vater haben. Was noch?

Berechenbarkeit. Mein Vater war immer ein sehr korrekter Kaufmann. Er stand für Kontinuität und Verlässlichkeit, sowohl gegenüber seinen Mitarbeitern als auch seinen Kunden. Er orientierte sich stets an seinen moralischen Vorstellungen und rückte von ihnen auch nicht ab. Auch nicht im Dritten Reich.

Das haben später viele Deutsche von sich behauptet, obwohl es nicht stimmte. Wie können Sie wissen, wie Ihr Vater es mit den Nazis hielt?

Er war nie mit den NS-Leuten verbandelt, war nie in der NSDAP. Deshalb haben die Amerikaner ihn auch als stellvertretenden Bürgermeister vorgeschlagen, nachdem sie hier einmarschiert waren.

Hat er es gemacht?

Nein, er hat abgelehnt. Er wollte lieber seine Firma aufziehen und unabhängig sein. Er war Verkäufer mit Leib und Seele.

Wann haben Sie bemerkt, dass auch Sie das Zeug zum Verkäufer haben?

Das kam eher so evolutionär. Am Anfang war es sicher anders. Wenn mein Vater mich mit 16 Jahren nach Düsseldorf oder Köln auf Verkaufstour geschickt hat, da war von dieser Leidenschaft noch überhaupt nichts zu spüren. Da hatte ich einfach Klinkenangst.

Klinkenangst? Was ist das denn?

Wenn Sie beim Kunden die Türklinke hinunterdrücken und nicht wissen, was Sie auf der anderen Seite erwartet. Werde ich gleich rausgeschmissen? Oder werde ich wohlwollend empfangen? Sind die Leute freundlich? Oder haben sie gerade keine Zeit? Das nennen wir Klinkenangst.

Für manchen wäre der Beruf des Verkäufers ein Graus. Warum lieben Sie ihn?

Ach, wissen Sie, es gibt keinen Beruf außer vielleicht dem eines praktischen Arztes, bei dem Sie so viele verschiedene Menschen treffen. Sie lernen alles kennen, was auf Gottes Boden herumrennt. Sanguiniker, Choleriker, Lügner, Bescheidene, Arrogante. Alles, was es gibt. Und dabei eignen Sie sich im Laufe der Jahre eine gute Menschenkenntnis an. Ich bilde mir jedenfalls ein: Wenn ich eine Stunde mit einem Menschen verbringe und mir anhöre, was da so rauskommt, kann ich recht gut einschätzen, was das für ein Mensch ist. Ein Angeber, ein Sympath, ein erfolgreicher Mensch … Daraus entwickelt sich natürlich auch ein gewisser Vorteil gegenüber einem Mitarbeiter, der das ganze Jahr nur vor seinem Computer hockt. Insofern ist das für mich eine unglaublich befriedigende Tätigkeit.

Als Verkäufer lernen Sie alles kennen,

was auf Gottes Boden herumrennt.

Wird man durch Menschenkenntnis zu einem besseren Verkäufer?

Natürlich muss man beim Verkaufen auch Menschen einzuschätzen wissen, auf sie eingehen, sie genau dort abholen, wo sie sich mental gerade befinden. Die Menschenkenntnis führt dazu, dass ein Verkäufer ganz besonders erfolgreich sein kann. Heute ist Würth allein in der Adolf Würth GmbH & Co. KG in Deutschland mit über 3000 Außendienstlern tätig. Weltweit sind es sogar über 33.000 Verkäufer. Die profitieren alle von meinen ersten Erfahrungen.

Inwiefern?

Ich habe dazu ein kleines Pamphlet geschrieben. Es heißt: »Wie werde ich ein guter Verkäufer bei Würth«. Das wurde mittlerweile in über zehn Sprachen übersetzt. Jeder junge Verkäufer und neue Außendienstmitarbeiter bekommt das. So bleibt was von meiner Erfahrung im Unternehmen.

Wie oft mussten Sie die Erfolgsrezepte schon umschreiben?

Gar nicht.

Es sind immer noch dieselben wie vor 65 Jahren? Die Verkaufswelt ändert sich doch rasant, zuletzt durch das Internet.

Natürlich sind es noch dieselben Regeln. Die gelten immer. Mit oder ohne Internet.

Was steht also in dem Buch?

Zum einen sind es eher allgemeine Erkenntnisse. Zum Beispiel, dass ein guter Verkäufer fleißig sein muss. Denn Erfolg besteht bekanntlich zu zehn Prozent aus Inspiration und zu 90 Prozent aus Transpiration. Das war schon immer so und das wird auch so bleiben. Zum anderen finden sich darin aber auch ganz praktische Tipps zur Arbeitskleidung oder zum Verkaufsgespräch. Zum Beispiel zeigt mir meine Erfahrung, dass ein aufgeschlagener Katalog meist schon ein halber Auftrag ist.

Katalog? Im Internetzeitalter funktioniert das aber nicht mehr so einfach.

Der Katalog ist bis heute eines unserer Verkaufsinstrumente.

Können Sie sich noch an Ihre erste große Verkaufstour erinnern?

Sicher. Schon während meiner Ausbildung schickte mich mein Vater für zwei Wochen nach Düsseldorf. Damals war ich 16 Jahre alt. Es war Winter, überall lagen Schnee und Matsch, ich hatte ständig nasse Füße. Ich wohnte im Hotel und machte mich jeden Morgen auf zum Verkaufen. Bis nach Wuppertal bin ich gefahren.

Die Regeln für den Verkauf gelten immer.

Mit oder ohne Internet.

Und: Waren Sie erfolgreich?