Religion und Tourismus - Regina Tödter - E-Book

Religion und Tourismus E-Book

Regina Tödter

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  • Herausgeber: ibidem
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Verschwindet Religion im modernen Zeitalter, oder begegnet sie uns nur (wo)anders, zum Beispiel im Tourismus? Was haben Tourismus und Religion gemein, und welchen Stellungwert nimmt der Reiseführer in diesem Kontext ein? Regina Tödter wendet sich erstmals aus religionswissenschaftlicher Perspektive der Untersuchung von Religionsdarstellungen im Reiseführer Lonely Planet zu. Dafür wurde bewusst Singapur als Paradebeispiel für suggerierte perfekte Multikulturalität, Harmonie und Moderne gewählt. Bei der Untersuchung kristallisiert sich heraus, dass Religion nicht im luftleeren Raum steht, sondern durch gängige, immer wieder auftauchende Beschreibungsmuster geformt, beeinflusst und nicht selten auf einige zentrale Marker reduziert wird. Welchen Einfluss dabei der Reiseführer und die Tourismusindustrie haben, wird in der Analyse ebenfalls aufgezeigt. Dient Religion möglicherweise überwiegend als touristische Attraktion, für Vermarktungszwecke in einer Erlebnisgesellschaft? Die religionswissenschaftliche Reflexion lenkt den Blick auf die Vielseitigkeit der tatsächlich gelebten Religion vor Ort. Tourismus kann dann tatsächlich zur Sichtbarkeit von Religion beitragen.

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Seitenzahl: 161

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Regina Tödter

Religion und Tourismus

Darstellungen von Religionen im Lonely Planet Singapore

ibidem-Verlag

Stuttgart

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.d-nb.de.

Coverbild: © toa555 - Fotolia.com

Dieser Titel ist als Printversion im Buchhandel oder direkt bei ibidem (www.ibidem-verlag.de) zu beziehen unter der

ISBN 978-3-8382-0571-7

ISBN-13: 978-3-8382-6571-1

© ibidem-Verlag

Stuttgart 2014

Alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und elektronische Speicherformen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Vorwort

Kürzlich erzählte mir eine Freundin, frisch aus ihrem zweiwöchigen Indienurlaubzurück, von ihren spannenden Erlebnissen in diesem "spirituellen"Land. Sie habe hinduistische Tempel besucht, religiöse Zeremonien erlebt und zum ersten Mal "echten" Yoga praktiziert. Begeistert und irgendwieverzaubert kehrte sie nach wenigen Wochen zurück in ihren tristen Alltag. Sie stellte sich die aus Indien mitgebrachte Bronzefigur der Gottheit Shiva– eine tanzende achtarmige und von Feuer umkreiste Gestalt – in ihren Wohnzimmerschrank, lud mich auf eine Tasse Tee ein und holte ihren mittlerweile zerfledderten Lonely Planet hervor. Ab diesem Moment funkelten auch meine Augen.

Meine Freundin liebtihren Lonely Planet. Ohne ihn hätte sie ihre Reise nach Indien gar nicht erst alleine angetreten. Der Reiseführer gab ihr die wichtigsten Informationen zur Vorbereitung, und auch während der Reise war er stets an ihrer Seite. Sie fand in ihm Informationen über kostengünstige Unterkünfte, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, aber auch touristisch weniger erschlossene Pfade. "Das sind echte Geheimtipps", versicherte sie mit großer Überzeugung. Ihr Lonely Planethabe bei der kulturellen Orientierung geholfen, denn Indien sei ja schon "ziemlich andersartig". Schnell schloss sie sich einer internationalen Communityan, die sich als Lonely Planet Traveller outete ("Jeder hatte einen solchen Reiseführer in unterschiedlichen Sprachen in der Seitentasche stecken, kaum zu übersehen"). Ich lauschte ihren Geschichten an diesem Abend gespannt und bemerkte die immer wieder auftretenden Beschreibungsmuster, die ich schon in einem anderen Kontext häufig gehört hatte.

Einige Jahre zuvorbesuchte ich Singapur als Studentin (selbstverständlich mit einem Lonely Planet im Gepäck). Daraufhin verfasste ich eine religionswissenschaftliche Abhandlung über die Darstellung von Religionen in diesem Reiseführer. Ich verwies in meiner Abschlussarbeit auf das Desiderat der Forschung und hoffte, weitere Studien anzuregen.Mittlerweile sinddrei Jahre vergangen, doch bislang ist wenig passiert. Jaworski etwa untersuchte den "genormten Blick"auf das Fremde in Reiseführern zu Ostmitteleuropa (Jaworski et al. 2011). Einige wenige Studien widmeten sich (erneut) der Erforschung von Pilgertourismus, Wallfahrten und religiösen Reisen (Steinbauer 2011, Stausberg 2011, Reuter & Graf 2011, Wöhler 2011, Schönemann 2011, Puschmann 2012, Gamper & Reuter 2012 und Ebertz 2012).Erwähnenswert sind die Bestrebungen von ökonomischer Seite: "Spiritualität" und das damit verbundene werteorientierte Reisen wird als "noch nicht ausreichend ausgeschöpfte" Marktchance und wichtiger Wirtschaftsfaktor im Tourismus entdeckt. In ihren Studien gehen Pechlaner et al. beispielsweise auf die Vermarktungsstrategien und Nachfrageentwicklungen des Pilgertourismus ein (Pechlaner et al. 2012a und 2012b).

Immer wieder wurde ich gefragt, warum ich meine Arbeit nie veröffentlicht habe, wo doch das Thema so spannend und aktuell sei. "Religionen machen einen beträchtlichen Teil der öffentlichen Kultur aus", so habe ich selbst damalseingeleitet. Stattdessen verstaubt meine Studie vermutlich in den Regalen meiner Professoren und wird wahrscheinlichbaldPlatz für neue Werke räumen müssen. Ich hatte mich in der Zwischenzeit anderen Projekten gewidmet und wurde plötzlich – an dem besagten Abend von meiner "Indien-infizierten" Freundin und einer TasseGewürztee – wachgerüttelt!

Die vorliegende Studie ist eine abgeänderte, aktualisierte und etwas gekürzte Version meiner im Jahr 2010 verfassten Magisterarbeit im Fachbereich Religionswissenschaft an der Universität Heidelberg. Die detaillierte Analyse jedes einzelnen Textabschnitts der bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen acht Auflagen des Lonely Planet Singapore habe ich für einen leichteren Lesefluss modifiziert.

Mittlerweile wurde die neunte Auflage im Jahr 2012 von den Autoren Low & McCrohan veröffentlicht. Diese habe ich ebenfalls durchgesehen und relevante Textabschnitte für die Analyse an entsprechender Stelle berücksichtigt. Allgemein lässt sich jedoch zusammenfassen, dass Bezüge zu Religionen in der neuen Auflage dem Vorreiter aus dem Jahr 2009 sehr ähneln, wenn nicht sogar ganze Textpassagen wortwörtlich übernommen wurden.

In dem Sinne bedanke ich mich bei meinen wissenschaftlichen Gutachtern Frau Prof. Dr. Prohl und Herrn Prof. Dr. Ahn, von denen ich jederzeit inspiriert und unterstützt wurde. Und ohne die Anregungen meines Manneswären sicherlich einige Passagen meiner Arbeit nicht so tiefgründig ausgefallen. Ferner gilt mein Dank den Singapurern Ed und Anja für die Hilfe und Gastfreundschaft vor Ort.

2. Einleitung

Die zentrale Aussage der Säkularisierungsthese lautet, Religion werde aufgrund ihres Spannungsverhältnisses mit der Moderne immer weiter an Bedeutung verlieren. Die mit dem Modernisierungsprozessaufkommenden Entwicklungenwie Individualisierung, Rationalisierung, Technologisierung, Ausdifferenzierung – in Bezug auf die von Max Weberdamals schon angekündigte Entzauberung der Welt –trügen in den Industrieländern zueinem allmählichen "Verschwinden" von Religion bei(Weber 2011 [1919], Berger 1980, Bruce 2002, Pollack 2008 und Norris & Inglehart 2011). Die Thesen stützen sich unter anderem auf die Beobachtung rückläufiger Kirchenmitgliederzahlen und eines allgemeinen Bedeutungsverlustesreligiöser Werte im Alltagshandeln.

Doch können solche Annahmen tatsächlichetwas über die gegenwärtige Religiosität aussagen? Welchen Stellenwert nimmt Religion heute in unserer Gesellschaft ein? Verliert sie tatsächlich immer stärker an Bedeutung, oder hat sich die Form der Religiosität lediglich gewandelt? Mit der Entzauberung der Welt verwies Max Weber am Anfang des 20. Jahrhunderts auf die Ablösung des Glaubens an "unberechenbare Mächte" durch diemoderne Entwicklung.

"Nicht mehr[…] muß man zu magischen Mitteln greifen, um die Geister zu beherrschen oder zu erbitten. Sondern technische Mittel und Berechnung leisten das." (Weber 2011 [1919]: 17).

Das Fach Religionswissenschaft ist eine verhältnismäßig junge wissenschaftliche Disziplin. Sie ist nicht – so leider oft die falsche Annahme – auf der Suche nach einer allgemeingültigen Wahrheit der Religion(en) oder bewertet religiöse Sinnsysteme. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, genau dieses Phänomen der angeblichen Säkularisierung zu analysieren und Erklärungenzu liefern, nicht nur anhand von quantitativer Erhebung etwa der aktuellen Kirchenmitgliederzahlen, sondern mit Hilfe einer empirischen, am Menschen orientierten Sozialforschung (Baumann 21998, Krech 2008, Stolz 2011 und Miczek 2013).

Die Gegenstimmenzur Säkularisierungsthese gehen eher von einer religiösen"Rückkehr"aus (Luckmann 1991, Riesebrodt 2000, Knoblauch 2009, Bochinger 2009 und Habermas 2012). Religionen machen nach wie voreinen beträchtlichen Teil der öffentlichen Kultur aus.Sie haben sich aber gewandelt. DieBegegnung mit ihnen im Alltag (und auf Reisen, um bereits auf den Schwerpunkt dieser Untersuchung hinzudeuten), etwa über zahlreiche Medien (z.B. Bücher, Internet, Fernsehen),ist nicht zu übersehen.

In dieser Studie wird es jedoch weniger um die Übersicht medialer Präsentation von Religionen gehen, auch weniger um Pilgertourismus oder religiös motiviertes Reisen, sondern um die Produzenten:Informationen über Kulturen und Religionen werden in den Medien hergestellt, transportiert und selektiert, ohne dass sie immer einer sachgemäßen Kritik bezüglich ihres Gehalts unterzogen werden. Wer sind die "Macher" (Gladigow 1994:9) der Berichterstattung? Welche Intention steckt hinter der Produktion?Geschieht an dieser Stelle eine Art "Wiederverzauberung" der Welt? Der Reiseführer gehört zu der Sorte Medien, die Informationen über (fremde) Religionen beinhaltet.

Die vorliegende Studie widmetsich – erstmals aus religionswissenschaftlicher Perspektive –der Untersuchung der Darstellungen von Religionen im Reiseführer. Dafür wurde derLonely Planetzu Singapore ausgewählt.

Ich werde im Laufe der Analyse verdeutlichen, weshalb Reiseführer mit ihrer Wirkungskraft einen bedeutenden, gleichzeitigeinen noch völlig unbeachteten Gegenstand der Forschung ausmachen und erhoffe mir damit, einen Beitrag zumgegenwärtigen Säkularisierungsstreit zu leisten. Statt des Verschwindens wird die "Sichtbarkeit" von Religion(en) in Bezug auf Reisen und Tourismus deutlich werden.

Der Inselstaat Singapurdient hierbei als besonderes Beispiel für eine interessante Beziehung zwischen religiöser Pluralität, touristischer Vermarktung und einerals "perfekt" beschriebenensozialen Harmonie. Zudem hielt ich michselbst während meinesAuslandssemesters 2009/10 in Singapur auf und konnte mir so durch qualitative Stichproben ein eigenes Bild der religiösen Lage vor Ort machen. Die dort geleistetenBeobachtungentragenfür die folgenden Ausführungen jedoch lediglich den Charakter einer anekdotischen Evidenz.

Bevor wir uns nun auf dieReise begeben, soll vorab geklärt werden, welche methodischen Grundüberlegungen für eine religionswissenschaftliche Untersuchung unabdingbar sind.

2.1. Methodische Vorüberlegungen

DieReligionswissenschaft ist vor allem eine interdisziplinär ausgerichtete Fachrichtung, die nicht die eine Methode besitzt oder von einerbestimmten Fragestellung geleitet ist.Je nach Forschungsgegenstand und das an ihn herangetragene Interesse muss vielmehr die Methodik gewählt werden, die am besten für die entsprechendeForschung geeignet ist. EingroßerVorteil der Religionswissenschaft sei außerdem, so betonen Kippenberg und Stuckrad, "dass sie gleichsam 'quer' zu etablierten Fächern ihrer Arbeit nachgeht und sich dabei Methoden bedient, die in anderen Disziplinen entwickelt wurden" (Kippenberg & Stuckrad 2003:8). Eine solche Arbeitsmethode geht aus der Entstehungsgeschichte des Faches hervor (Stausberg 2012: 3). Aus dem Paradigmenwechsel (von Religionsphänomenologie zur kulturwissenschaftlichen Ausrichtung) sind neue Beschäftigungsfelder hervorgegangen, um nicht erneut in "Theologieverdacht"zu geraten (Kippenberg & Stuckrad 2003:22). Nicht die Suche nach dem "Wesen"der Religion, wie oben bereits angemerkt, sondern die Untersuchung derjenigen Bereiche, in denen Religion(en) "als Kultur gestaltende Kraft und als wichtiger Faktor öffentlicher Debatten erkennbar wird" (Zinser 2010: 17), ist Gegenstand der Religionswissenschaft. Das Augenmerk liegt dabei auf eine für die Wissenschaft zugängliche gesellschaftliche und geschichtliche Produktion, welche in Form von öffentlicher Kommunikation erfolgt. In der jüngst erschienenen Abhandlung über die zentralen Grundfragen des Faches betont Zinser, dass die Religionswissenschaft nichts über das "Göttliche" oder "Transzendente" aussagen kann, sondern als empirisch arbeitendes Fach die Aussagen über die Vorstellungen der Akteure über das "Transzendente" sowohl in Geschichte als auch in Gegenwart zum Gegenstand machen und zudem nach den individuellen und kollektiven Konsequenzen fragen kann.

Für die Untersuchung des Reiseführers Lonely Planet in dieser Studie wird daher eine modifizierte Inhaltsanalyse aus der empirisch arbeitenden Kommunikationsforschung herangezogen, die vor allem der Untersuchung massenmedialer Produktionendient (Brosius et al. 42008, Mayring 92007, Atteslander 92007, Diekmann 142005 und Wegener 2005).Unter Inhaltsanalyse ist in dieser Arbeit, angelehnt an dieDefinition von Atteslander,

"eine Methode der Datenerhebung zur Aufdeckung sozialer Sachverhalte (verstanden werden), bei der durch die Analyse eines vorgegebenen Inhalts […] Aussagen über den Zusammenhang seiner Entstehung […] und/ oder auf die soziale Situation gemacht werden" (Atteslander 112006:189),

zu verstehen. Reiseführer als schriftliche Quelle gehören Mayring zufolge zur "fixierten Kommunikation" (Mayring 92007: 29), was für ihre Analyse von großem Vorteil ist. Die Methodik der Inhaltsanalyse trägt unter anderem zur notwendigen Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Untersuchung bei, da der Reiseführer beliebig oft untersucht werden kann, ohne dabei von bestimmten Personen zeitlich oder räumlichabhängig zu sein. Mit einer entsprechenden Kontextualisierung des Gegenstandes – dazu zählt etwa die geschichtliche Einbettung, die Betrachtung des sozio-kulturellen Hintergrunds des darin dargestellten Inhalts, Informationen zum Autor und weitere für die Arbeit wichtige Faktoren, die zur Erschließung des Hintergrunds beitragen – soll außerdem Willkür in der Interpretation vermieden werden. Der Text "versteht sich nicht von selbst"(Wegener 2005: 205),und die Kommunikation findet nicht im "luftleeren Raum statt" (Atteslander 112006: 182), sondern ist in einem bestimmten sozial-historischen und kulturellenKontext eingebettet (Atteslander 112006: 182, Franke 2009: 26 und Wegener 2005: 204). Die Auswahl des Materials muss aus einer Fülle erfolgen, geklärt und nachentsprechenden Gesichtspunkten gegliedert werden. Gezielte Fragestellungen, die an den Text herangetragen und im Gesamtkontext betrachtet werden, gewährleisten erst dann eine möglichst intersubjektive, nachvollziehbare, empirische und mehrdimensionale Inhaltsanalyse und erzeugen dabei eine Inferenz von Text und Kontext (Wegener 2005: 201, Mayring & Hurst 2005: 211). Dass die Analyse nicht völlig "objektiv" geschehen kann, hängt insbesondere mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse zusammen (Früh 62007: 25 und Diekmann 142005: 481). Bereits die Auswahl und Gliederung des Materials sowie der Fragen sind von subjektiven Auswahlkriterien und der notwendigen Selektion geprägt. Aufgrund der sonst unüberschaubaren Fülle des Materials und der erdenklichen Fragestellungen an den Textmüssen Vorauswahlen getroffen werden. Die methodische Besonderheit, unter anderem die damit erfolgte Strukturierung mit ihren eben genannten Vorteilen, verspricht allerdings die größtmögliche wissenschaftliche Transparenz bei der deskriptiven inhaltlichen Analyse des Gegenstands (Mayring 92007: 45).

2.2. Gliederung und Fragestellungen

Ein historischer Überblick über die Entwicklung Singapurs soll den soziokulturellen Rahmen für die weiteren Ausführungen bilden. Dabei wird der Fokus besonders auf die religiöse Landschaft gelenkt, um ein Verständnis für die Vielfalt der Bevölkerungzu schaffen, unter Berücksichtigung der Einteilung dieser in vier "races" durch die singapurische Politik. Daraufhinwird die touristische Ausrichtung der Institution Singapore Tourism Board (STB) näher betrachtet. Es soll geprüft werden, wie stark sie zur Verbreitung, Verfestigung und Vermarktung von Religionenals "kultureller Besonderheit"beiträgt. Hierfür soll die wissenschaftliche Überlegung zu "Religion und Tourismus" von Stausberg herangezogen und Verbindungsstränge geprüft und explizit auf den Untersuchungsgegenstand der Studie angewendet werden. Welcherder drei von Stausberg konstruierten Idealtypenlässt sich annähernd für die Analyse eines Reiseführers verwenden? Welche Korrelation von Religion und Tourismus kann herausgearbeitet und für die Untersuchung des Reiseführers Lonely Planet Singapore fruchtbar gemacht werden? Zum besseren Verständnis fundiert die Arbeit auf einer allgemeinen theoretischen Grundlage zu Reiseführern, die sich vor allem aus der Tourismuswissenschaft schöpft. Dabei soll der gegenwärtige Forschungsstand skizziertund damit erklärt werden, weshalb sowohl die Tourismusforschung als auch die Religionswissenschaft in der Reiseführer-Analyse noch in den Anfängen stecken. Ein weiterentwickelter Ansatz von Steinecke, mit besonderer Ausrichtung auf die Funktionen und Merkmale eines Reiseführers, soll schließlichdie definitorische Unklarheit aufheben. Zentrale Fragestellungen richten sich besonders anden Einfluss und die (Aus-)Wirkungen vorhandenerBeschreibungsmuster in Reiseführern. Zur weiteren kontextuellen Erschließung werden der Autor und der Verlag des Reiseführers im Besonderen betrachtet. Welche Bedeutungskraft kann den Aussagen des Autors zugeschrieben werden und wie lässt sich dies anhand seiner Rhetorik imLonely Planetdemonstrieren? Wie stellt sich der Verlag Lonely Planet als ein Agenda-Setterdar,und welche Strategien verfolgt er über die Jahre seit seiner Gründung? Nach Klärung dieser Fragen kann explizit auf den für diese Arbeit ausgewählten Untersuchungsgegenstand des ReiseführersLonely Planet Singapore City Guide eingegangen werden.

Der Hauptteil ist somit gegliedert in eine deskriptive Analyse zur Darstellung von Religionender neun einzelnen Auflagen des Lonely Planet Singapore (1991-2012)und anschließender Untersuchung zu den verschiedenen Beschreibungsmustern der Religionen, insbesondere am Beispiel der a) chinesischen Religion, b) des Islams und c) des Hinduismusim Stadtführer zu Singapur.

In Hinblick auf die Korrelation der bildlichen Darstellungen und destextlichen Inhaltswerden folgende Fragen an den Untersuchungsgegenstand herangetragen: Wie werden die einzelnen Religionen Singapurs in den jeweiligen Auflagen des Reiseführers dargestellt? Wie wird mit der Komponente "Religion" im Reiseführer Lonely Planetumgegangen? In welchen Kapiteln und Abschnitten kann der Bezug zu Religionen festgestellt werden? Gibt es gängige Beschreibungs- bzw. Darstellungsmuster? Wenn ja, welche? Und wie haben sie sich im Laufe der Jahre gewandelt?

Im Fazit werden abschließend die Analyseergebnisse der Religionsdarstellungen festgehalten.

3. Singapur

3.1. Geschichte Singapurs

Der seit dem Jahr 1965 unabhängige kleine Stadtstaat Singapur zählt heute etwa 4,8 Millionen Einwohner und entspricht mit seinen 710km² etwa der Größe Hamburgs. Es ist nicht viel über Singapurs frühere Geschichte übermittelt. Die erste Erwähnung als Temasek findet sich in chinesischen Reiseberichten um 1349. Erst mit dem Pachtvertrag von Raffles, einem britischen Handelsvertreter, mit dem malaiischen Sultan von Johor gewinnt Singapur 1819 als Handelszentrum und Umschlagsplatz (zwischen Asien und Europa) große Bedeutung (Bach 1991: 21 und Frost & Balasingamchow 2009: 41).

Zu Zeiten der Ankunft Raffles lebten nur wenige Fischerfamilien auf der damals zu Malaysia gehörenden Insel, weshalb die britische East Indian Company (EIC) zur Errichtung eines Handelspostens viele Arbeiter aus den benachbarten Ländern holte (Polaschegg 2005: 104, Kiong 2008: 29 und Baumann 2003: 123). Folgend war eine große Einwanderungswelle zu verzeichnen. Um die Vielfalt der unterschiedlichen Gruppierungen zu überblicken, wurde unter der britischen Besatzung die Einteilung dieser in vier races (Leong 2003: 85), orientiert nach Herkunftsland, vollzogen: Chinese, Malay, Indian und Other (kurz CMIO). Besonders Chinesen dominierten und prägen heute noch das alltägliche Stadtbild.