Rentner Mikado - T. D. Amrein - E-Book

Rentner Mikado E-Book

T. D. Amrein

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Beschreibung

Selbst Kommissar Krüger träumt mitunter vom Alter im Wohnmobil. Wer braucht einen festen Wohnsitz? Eine nette Gefährtin reicht aus. Die Sommer im Süden… Bis bei einem Mikadospiel ein ekliger Gedanke auftauchte. Könnte er wie eines dieser Stäbchen unbemerkt aus den Haufen kampierender Rentner ohne Nachkommen geklaubt werden? Ermordet, verscharrt! Von Gangstern, die sich zuvor Zugriff auf Konten und laufende Renten verschafft hatten? Der neue Fall scheint seine Vision zu stützen. Auf einem abgelegenen Campingplatz wurden bei Bauarbeiten Knochen eines betagten Paares entdeckt.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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T. D. Amrein

Rentner Mikado

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para MonicaImpressum Copyright Texte T.D. Amrein Cover:[email protected] Gestaltung A&K BuchcoverVerlag: T.D. Amrein Bevollmächtigte Vertr.: Firma Theo Wenger Mühlestr. 17 CH 3063 Ittigen www.tdamrein.com 

Inhaltsverzeichnis

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

Prolog

Lukas atmete tief durch, bevor er versuchte, die Leiche aus dem Etagenbett ihres Wohnmobils zu hieven. Sie war zwar noch nicht so lange tot, dass sie unangenehm roch. Aber eine alte, fast nackte Frau im Zustand maximaler Leichenstarre anzufassen, bedurfte doch einiger Überwindung. Besonders wenn man die derben Handschuhe mit den extralangen Stulpen zwar bereitgelegt, jedoch mitzunehmen vergessen hatte.

Sie lag in Embryo-Haltung seitlich mit angezogenen Beinen auf der Matratze. Ihr Gesicht wurde verdeckt durch die schwarze Mülltüte, mit der er sie erstickt hatte. Ihr Torso war eingeschnürt in einen gräulichen, offenbar uralten Body. Ein Wäschestück, das er noch nie gesehen hatte. Und keinen blassen Schimmer, wie es ohne Messer zu öffnen gewesen wäre. Egal. Dieses Teil würde wohl kaum jemand wiedererkennen. Also konnte sie es auch anbehalten.

Sie hatte sich nicht gewehrt. Die zuvor großzügig verabreichte Dosis K.-o.-Tropfen bescherten ihr einen sanften Tod.

Jedoch fand sich nirgends eine Stelle an der Leiche, wo er sie richtig greifen oder vollständig hätte umfassen können. Deshalb hatte er das Leintuch über ihr zusammengeknotet, um es sich als improvisierten Sack an die Schulter zu hängen. Den Knoten hatte er so eingestellt, dass sie nach dem Wegziehen vom Bett in gleicher Höhe schweben würde, ohne dass er sie tatsächlich hochzuheben brauchte. Die Alte war gut genährt und brachte bestimmt einen ganzen Doppelzentner auf die Waage.

Wenigstens lag ihr schon ausgehobenes Grab nur etwa zwanzig Schritte entfernt. Zuvor war jedoch die schmale Pforte des Wohnmobils zu passieren. Dies war bei ihr nur in Seitenlage möglich. Ihr massiver Hintern passte auf keinen Fall in seiner gesamten Breite durch die enge Öffnung. Deshalb musste sie genauso im Tuch hängenbleiben, um sie in einem Zug herauszutragen.

Trotzdem hatte er zuvor draußen eine dichte Unterlage auf dem Boden ausgelegt, um Kontaminationen zu vermeiden, falls er sie doch fallenlassen musste. Sonst hinterließ die Tote möglicherweise Gewebespuren oder Körperflüssigkeiten, die sich kaum jemals wieder vollständig entfernen ließen. Und beispielsweise einen Leichensuchhund direkt zu ihrem Versteck führen könnten.

Obwohl die Luschen von der Polente bestimmt nicht von selbst auf die Idee kommen würden, hier auf diesem Platz nach abgereisten Vermissten zu suchen.

Für einen genialen Planer, trotzdem unumgänglich, selbst das Unmögliche zu bedenken.

Mit ihrem Mann, dem dürren Kerl, würde ihm der Weg zur gemeinsamen Grube der beiden deutlich leichter fallen. Den hatte er in einem Teppich eingerollt, unter dem Esstisch zwischengelagert.

Mit einem Ruck zog er an. Ein scharfes Stechen in seiner Wirbelsäule war die Folge. Danach rutschte die Leiche vom Bett. Allerdings schwebte sie nicht, wie vorgesehen. Sondern sie schlug ihm massiv von hinten gegen die Knie, was ihn zusammenklappen ließ wie ein Taschenmesser.

Das war an sich schon schlimm genug. Aber sie blieb darüber hinaus auch direkt auf seinen Unterschenkeln liegen. Der Schmerz brachte ihn beinahe um den Verstand. Seine Fußgelenke und die Zehen fühlten sich wie mehrfach gebrochen an.

Mindestens!

Stöhnend versuchte er, unter der Last hervorzukriechen. Keine Chance, er musste sie von sich abrollen lassen. Die erneute Qual in den Füßen zwang ihn zu einem gellenden Aufschrei.

Genug!

Jedenfalls für heute.

Er würde warten, bis sich seine Schmerzen ein wenig gelegt hatten und ihre Starre verflogen war.

Mit den angezogenen Knien würde die Leiche ohnehin selbst auf der Seite liegend kaum irgendwie nach draußen zu schaffen sein.

Eine andere Möglichkeit böte höchstens die breitere Beifahrertür. Aber dann müsste er ebenso den entsprechenden Sitz abmontieren. Werkzeug dazu besaß er zwar, hatte er jedoch ebenfalls nicht dabei.

Außerdem benötigte er dringend eine Sackkarre oder etwas dergleichen. Eventuell sogar einen Palettenheber. Aber der ließe sich in der Enge eines Wohnmobils wohl kaum wirklich einsetzen.

Immerhin konnte er sie hier an dieser Stelle ruhig einen oder zwei weitere Tage liegenlassen. Er hatte zwar erwartet, dass sie ein hartes Stück Arbeit werden könnte. Aber doch nicht so schlimm.

Und falls sich sein Zustand nicht rasch verbesserte, würde er mit einem Benzinkanister wiederkommen müssen, um die ganze Chose irgendwo draußen in der Pampa abzufackeln. Bevor irgendwer Verdacht schöpfte, weil die beiden zu verwesen begannen.

1. Kapitel

Riesgrund. Ein kleiner Ort in Bayern. 4.09. 2004 (Ein Samstag)

Kommissar Krüger überließ seiner Partnerin Elisabeth Graßel großzügig den Vortritt, nachdem er das in Bayern sogenannte Fremdenzimmer aufgeschlossen hatte. Es duftete nach Heu mit einem Hauch von Lavendel in dem Raum.

Obwohl es Anfang September mit der Heuernte natürlich längst vorbei war. Immerhin, das Wetter der kommenden Woche sollte für die Jahreszeit deutlich zu warm werden, war vorhergesagt. Ideal für diese Recherchen, die sie vor allem im Freien verbringen würden.

„Erinnert mich an zu Hause“, murmelte sie. „Fast alles aus Holz und die karierte Bettwäsche …“

„Es riecht auf jeden Fall nicht unangenehm“, brummte er.

***

Eine Stunde später bummelten Krüger und Elisabeth durch den Ort. Es herrschte zwar kein Gedränge in den Gassen, aber für einen gewöhnlichen Samstag war doch recht viel los. Die meisten Leute, die unterwegs waren, mussten von außerhalb kommen. Der Ort selbst hatte bloß einige Hundert Einwohner.

„Siehst du, wie wertvoll diese Besuche sein können“, brummte Krüger. „Dieses Dorf, abseits vom Schuss, zieht doch eine ganze Menge Leute an. Das wäre aus dem reinen Aktenstudium wohl kaum zu erkennen gewesen. Die These, dass praktisch nur ein Einheimischer in Frage kommen dürfte, ist absolut nicht klar!“

„Hat das jemand behauptet?“

„Es schien zumindest Konsens zu sein. Deshalb sind wir ja inkognito hier. Man wollte der örtlichen Polizei nicht zumuten, die eigenen Leute auszuspionieren. Das ist immer schwierig, an einem Ort, wo jeder jeden kennt.“

„Fragt sich natürlich, ob das vor 20 oder mehr Jahren auch schon der Fall war?“, warf sie ein.

„Selbstverständlich klären wir das. Aber es braucht nicht viele Touristen, um die Ablage von Leichen auf einem Campingplatz zu erklären. Ideal wäre für einen Täter von außerhalb, dass er nicht auffällt, aber trotzdem einigermaßen Ruhe für sein Vorhaben hat. Schließlich dauert es ein paar Stunden, um eine Grube für zwei Personen auszuheben.“

„Der Fundort war vermutlich nicht der Tatort, das habe ich im Bericht gelesen. Es braucht doch eine gewisse Portion Courage, um mit Leichen im Kofferraum in der Gegend herumzufahren.“

Krüger schüttelte den Kopf. „Das wird überbewertet. Wie oft hast du bislang in einer normalen Verkehrskontrolle das Gepäck zeigen müssen?“

„Vielleicht einmal?“ Sie zuckte mit den Schultern.

„Außerdem gehe ich eher davon aus, dass die beiden mit einem Wohnwagen oder einem Wohnmobil hergebracht wurden.“

Elisabeth nickte. „Das leuchtet mir ein. Aber man kann doch nicht riskieren, auf einem Stellplatz einfach eine Grube auszuheben. Dass man dabei nicht gesehen wird, ist praktisch unmöglich. Selbst in der Nacht!“

„Da hast du natürlich recht. Deshalb ging man zuerst davon aus, dass die beiden schon viel länger hier gelegen haben. Aber der Herzschrittmacher, der bei den Leichen lag, wurde 1983 produziert, das steht inzwischen fest. Der Platz wurde jedoch in den Siebzigern eröffnet.“

„Dann bleibt eigentlich nur noch der Besitzer des Campings übrig“, murmelte sie.

„Den haben die Kollegen gründlich überprüft. Aber weshalb sollte der eine neue Leitung mitten durch das gute Versteck legen lassen, wenn er von den Toten gewusst hätte?“

„Leuchtet ebenfalls ein“, gab sie zu.

„Wir sehen uns den Platz gleich an. Versuchst du bitte, keine Fragen zu stellen, die darauf hinweisen, dass wir schon Bescheid wissen?“, bat Krüger.

„Ich gebe mir alle Mühe“, versprach sie. „Aber trotzdem weißt du, was mir durch den Kopf geht?“

Krüger blieb stehen. „Wenn ich das wüsste, mein Schatz …“

Sie winkte ab. „Das meine ich nicht. Aber haben wir nicht einmal einen Film gesehen, wo jemand durch den Boden eines Wohnwagens etwas vergraben hat. Er hatte unten einen Deckel eingebaut, so eine Art Falltür!“

„Echt? Daran habe ich überhaupt keine Erinnerung.“

„Du schläfst eben immer sofort ein“, stichelte sie.

Er schien nachdenklich. „Das könnte immerhin erklären, wo das überschüssige Erdreich geblieben sein könnte“, murmelte er.

„Du meinst die Menge Platz, welche die Leichen eingenommen haben?“

„Ja! Und auch diejenige Erde, die immer übrigbleibt, wenn man ein Loch wieder zuschüttet. Das war ein intensives Thema an der Lagebesprechung.“

„Die könnte er im Wohnwagen mitgenommen haben!“

„Immerhin vorstellbar.“ Er nickte anerkennend. „Du bringst immer wieder neue Aspekte ins Spiel, wie ich gehofft hatte. Es war auf jeden Fall eine gute Idee, dich mitzunehmen.“

„Eigenlob ist hier eher unpassend“, nörgelte sie.

Er stutzte. „So habe ich es natürlich nicht gemeint, mein Schatz!“, schwächte er ab.

„Ich gebe dir eine zweite Chance.“

„Du bist schlicht unbezahlbar“, schwärmte er.

„Auch Schleimer mag ich nicht, das weißt du doch. Aber für diesmal werde ich ein Auge zudrücken.“

***

Ausgestattet mit einem Lageplan schlenderten Krüger und Elisabeth über das Gelände des Campingplatzes. Sie hatten am Empfang angegeben, auf der Suche nach einem Dauerstellplatz fürs Alter zu sein. Die Angestellte hatte einen Bereich eingekringelt, auf dem in absehbarer Zeit eine Möglichkeit entstehen könnte. Immerhin flatterten an dieser Stelle ein paar Reste blau-weißes Absperrband. Die Gelegenheit, sich den Fundort wenigstens kurz anzusehen.

Wie erhofft, erregten sie rasch Aufmerksamkeit bei den Nachbarn. Dass diese Wohnwagen schon seit Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten hier standen, war unschwer zu erkennen. Durchgehende Lagen Moos auf den vergilbten Dächern oder völlig verrostete Fahrgestellteile, die bestimmt niemals wieder auf einer Straße rollen würden, zeugten davon.

Geduldig trugen die beiden ihr Anliegen jedem vor, der danach fragte. Jedoch erlosch das Interesse gleich, sobald klargeworden war, dass das Paar keinerlei spektakuläre Neuigkeiten zu bieten hatte. Offenbar hofften die meisten eher, dass der freie Platz bis auf Weiteres leer bleiben würde. Schließlich parkten mehrere PKW auf der Fläche und jemand hatte vor der Hecke zum Nachbarn ein improvisiertes Fußballtor aus hölzernen Leisten zusammengenagelt.

„Scheint eine Art Dorfplatz geworden zu sein“, schmunzelte Elisabeth.

Krüger nickte bloß und wandte sich zum Gehen.

Einige Wohnwagen weiter wurden sie erneut angesprochen. „Suchen Sie jemanden? Wenn ich helfen kann, fragen Sie ruhig?“

Krüger musterte den offensichtlich altgewordenen Hippie eher misstrauisch. Dessen Friseur dürfte wohl schon vor Jahrzehnten verhungert sein, ging ihm durch den Kopf. Eventuell lag es auch am Kontrast zu der äußerst akkurat geschnittenen Hecke, hinter der der Mann stand.

Elisabeth schien weniger skeptisch. „Wohnen Sie schon lange hier?“, wollte sie wissen.

„Schon fast seit 30 Jahren“, bestätigte er. „Ich bin sozusagen der Methusalem hier“, scherzte er.

Sie warf Krüger einen raschen Blick zu, bevor sie den Plan auseinanderfaltete. Er schien einverstanden zu sein.

„Wir interessieren uns für diesen Platz.“ Sie legte den Plan oben auf die Hecke. „Hier, der ist irgendwie frei oder soll es bald werden?“

„Ja, man weiß nicht genau, wie lange die den Platz noch untersuchen wollen“, bestätigte er.

„Die?“ Elisabeth wirkte echt ahnungslos.

„Die Bullerei. Man hat dort alte Knochen gefunden. Das Anschlussrohr an die Kanalisation sollte erneuert werden.“

„Menschliche Knochen?“

„Ja klar. Also genauer, zwei vollständige menschliche Skelette.“

Elisabeth musterte ihn angewidert. „Lag früher eventuell ein Friedhof hier?“

Der Typ schüttelte den Kopf. „Ne ne. Die wurden bestimmt nicht normal bestattet. Das sah hier aus wie im Tatort, als die Bergung stattfand.“

„Weiß man, wer die Toten waren?“

„Nein! Zumindest behauptet das die Polizei. Irgendeinen Verdacht dürften die längst haben. Die brauchen ja eigentlich bloß in den Listen der Vermissten nachzusehen. Aber bis das einem durchschnittlichen Beamten einfällt …“

Krüger nickte zustimmend. „Aber Sie haben bestimmt eine eigene Theorie entwickelt, oder?“

„Na ja. Man macht sich schon Gedanken. Früher haben auf diesem Platz Freunde von mir gelebt, die auf mysteriöse Weise abgetaucht sind. Aber so einfach kann es ja nicht sein. Da wäre ja selbst der dümmste Bulle schon längst darauf gekommen.“

„Dessen wäre ich jetzt nicht so sicher“, brummte Krüger.

„Du magst die Brüder also auch nicht!“, stellte der Hippie zufrieden fest. „Wollt ihr nicht reinkommen? Ich habe einen Schnaps zum Probieren und ganz frisches Gras da.“

Er musterte Elisabeth ausgiebig. „Du erinnerst mich an eine alte Bekannte. Du warst nicht schon zufällig mal auf einem gemeinsamen Trip mit mir?“

„Hast du gerade ein Flashback?“, fragte sie zurück.

„Jedenfalls kennst du dich aus, Schwester“, brummte er.

„Wollen wir?“, wandte sich Elisabeth an Krüger.

„Meinetwegen. Aber ich nehme höchstens einen Schnaps. Für Gras …“, stockte er, „… ist es für mich zu früh am Tag.“

***

Krüger stellte etwas später nachdenklich fest, dass Elisabeth sehr geschickt einen Joint für sich drehte. Ihre Kenntnisse stammten wohl aus der Zeit vor ihm, über die sie beharrlich schwieg.

An ihm waren Drogen jeder Art, außer etwas Alkohol in Form von Wein oder Bier, spurlos vorbeigegangen.

Der Hippie hatte sogar einen trinkbaren Kaffee aufgebrüht, an dem Krüger nun regelmäßig nippte. Er überließ es ihr, dem Typen nach und nach die Würmer aus der Nase zu ziehen.

„Am Anfang waren wir nur ein paar wenige Aussteiger, die hier gewohnt haben. Touristen haben sich praktisch nie hierher verirrt“, erklärte er. „Für den Bauern, dem der Grund gehört, waren wir ein Nebeneinkommen ohne viel Arbeit. Erst als der Besitzer richtige Waschräume und Toiletten gebaut hat, lief es besser mit den durchreisenden Campern. Aber der harte Kern, das waren wir, die Dauercamper. Dazu haben auch die beiden gehört, die ich meine. Ein älteres Ehepaar, die ihren festen Wohnsitz aufgegeben und sich ein Wohnmobil gekauft hatten. Den größten Teil des Jahres standen sie hier, auf diesem jetzt freien Platz. Ab und zu sind sie losgezogen, aber immer nur für einige Wochen. In den Urlaub, sozusagen.

Dass die vorhatten nicht wieder zu kommen, ohne ein einziges Wort, kann ich mir echt nicht vorstellen.“

„Hat damals niemand nach ihnen gefragt?“, hakte Elisabeth ein.

„Aber nein. Die waren ja ständig unterwegs. Und Kinder hatten die keine. Glaube ich jedenfalls. Das ist ja auch schon mindestens 20 Jahre her.“

„Erinnern Sie sich an die Namen der beiden“, fragte Krüger gewohnheitsmäßig.

Der Hippie schien wirklich nachzudenken. „Tatsächlich nicht“, brummte er schließlich. Er musterte Krüger kurz. „Warum interessieren dich die Namen der beiden?“

Krüger winkte jovial ab. „Es geht nicht um die Namen. Ich erkläre ihr seit Jahren, dass Kiffen das Gedächtnis wegbläst, aber das glaubt sie mir natürlich nicht.“

Elisabeth sah ihn entrüstet an. „Wie bitte?“

„Schon gut, meine Liebe!“

Der Hippie wirkte irritiert. „Das ist doch bloß ein Gerücht. Genauso wie, dass zu viel Pimpern auf die Augen schlägt.“

Elisabeth kämpfte tapfer dagegen, laut loszulachen.

„Ja dann, beweisen Sie mir das Gegenteil“, forderte Krüger. „Wie hießen die beiden?“

„Isolde! Und er, ähm, äh, Frieder oder Friedel.“

„Okay, Sie scheinen ja tatsächlich eine Ausnahme zu sein“, brummte Krüger.

„Sag ich doch!“

„Siehst du!“, doppelte Elisabeth nach, indem sie mit dem Finger auf ihn zeigte.

„Ich werde trotzdem nicht damit anfangen, meine Liebe.“

„Du stammst eben aus einer typischen Spießerfamilie“, stichelte sie.

Krüger sah demonstrativ auf seine Uhr. „Wollten wir uns nicht an diesem anderen Ort heute noch umsehen?“

„Ja, sicher. Aber mir gefällt es hier. Wenn wir diesen Platz bekommen, kennen wir schon einen netten Nachbarn“, schleimte sie.

Krüger stand auf. „Also dann, komm jetzt. Wir sind spät dran!“

„Drängle doch nicht immer so!“, maulte sie. „Die laufen uns bestimmt nicht weg.“

Der Hippie schüttelte den Kopf. „Ihr erinnert mich daran, weshalb ich nie geheiratet habe.“

Elisabeth winkte ihm grinsend zu, „danke und bis bald“, während Krüger sie an der Hüfte fasste und gespielt mühsam mitschleppte.

Erst nach einem guten Stück Weg, außer Sicht des Hippies, ließ er sie wieder los. „Gut gemacht Schatz!“, lobte er. „Er ist voll darauf reingefallen!“

„Du denkst, an der Sache könnte etwas dran sein?“

„Warum sollte er das erfinden? Eventuell stimmen die Namen zwar nicht. Aber selbst wenn. Ein neuer Anhaltspunkt dürfte damit wohl gewonnen sein.“

2. Kapitel

Am Abend des nächsten Tages saßen Elisabeth und Krüger im Restaurant des Hotels. Die Chefin hatte sich zu einem Gläschen einladen lassen und entsprach der Bitte, ihnen ein wenig aus früheren Zeiten zu berichten. Konkret aus den Anfängen des Campingplatzes, auf den sie eventuell ziehen wollten.

„Natürlich waren wir zunächst skeptisch. Aber eine echte Konkurrenz waren die damals nicht. Leute, welche Geld haben, übernachten doch nicht in schmuddeligen Unterkünften auf einem morastigen Gelände. Selbst für Gastarbeiter hätte man die ersten Bretterbuden als zu schäbig bezeichnet.

Aber so waren die Hippies eben. Hauptsache ungestört Drogen konsumieren und jeder mit jedem, Sie wissen, was ich meine.“

Krüger unterdrückte sein Grinsen kaum und warf Elisabeth einen verstohlenen Blick zu. Die schien jedoch gar nicht richtig hingehört zu haben.

„Wir hier im Ort legten vor allem Wert darauf, mit denen nicht verwechselt zu werden. Der Besitzer hat schließlich auch bemerkt, dass es an dieser Bagage nichts zu verdienen gibt. So hat sich die zottelige Kommune Gott sei Dank bald wieder aufgelöst!“

Es war ihr anzusehen, dass sie dieses Trauma bislang nicht restlos verarbeitet hatte.

„Das heißt, dass Sie kaum Kontakt mit den Dauermietern pflegen?“, hakte Krüger nach.

„Mit den Normalen, die später kamen, habe ich keinerlei Probleme. Die gönnen sich ab und zu ein Abendessen oder eine größere Feier bei uns. Das sind Gäste, die wir sonst kaum haben würden.“

„Erinnern Sie sich eventuell an eine frühere Bekannte von mir“, übernahm Elisabeth vorsichtig. „Es könnte sein, dass sie auf diesem Platz gewohnt hat, sicher weiß ich es jedoch nicht? Isolde hat sie geheißen.“

Die Chefin reagierte nachdenklich. „Isolde? Könnte sein. Wie war denn ihr Nachname?“

Elisabeth war natürlich darauf vorbereitet. „Ich habe sie nur als ledig gekannt. Wie ihr späterer Mann geheißen hat, weiß ich leider nicht. Sie war jedoch schon verheiratet, als sie mit dem Campen angefangen haben.“

„Da war mal eine, die Isa genannt wurde. Aber das ist schon ziemlich lange her.“

„Könnte ebenso für Isabelle stehen“, brummte Krüger.

Die Chefin zuckte mit den Schultern. „Möglich. Aber jetzt muss ich zurück an die Arbeit. Tut mir leid, wenn ich nicht helfen konnte.“

„Keine Ursache“, brummte Krüger.

***

Am Mittwoch besuchten Elisabeth und Krüger diesen zweiten Campingplatz, der bloß wenige Kilometer entfernt lag. Zwar deutete bislang nichts darauf hin, dass er irgendeine Rolle im konkreten Fall spielte. Aber Krüger wollte trotzdem hin, nicht zuletzt deshalb, um im Ort glaubwürdig zu bleiben.

„Eigentlich wäre dieser Platz viel besser geeignet gewesen, um Leichen zu vergraben“, stellte Elisabeth fest, nachdem sie angekommen waren. „Keine Nachbarn und kein Ort direkt in der Nähe.“

„Es ist allerdings schon fast eher eine Gartensiedlung“, gab Krüger zurück. „Für Touristen oder Besucher stellt man gerade mal etwa zehn Plätze zur Verfügung. Der ganze Rest sind Dauermieter. Das hat Meyers Innendienst bereits im Vorfeld recherchiert.“

„Könnte sein, dass auch Dauercamper die Stellplätze ab und zu wechseln, wenn sie beispielsweise Streit mit den Nachbarn haben?“, überlegte Elisabeth laut.

„Durchaus möglich“, gab er zu. „Worauf willst du hinaus?“

„Dass sich einer auf dem Platz beim Ort gut auskennt, obwohl er nicht, beziehungsweise nicht mehr, dort lebt. Und die Sache gerne den berüchtigten Hippies in die Schuhe schieben möchte.“

Er zuckte mit den Schultern. „Das Risiko, erkannt zu werden, wäre allerdings wohl ziemlich hoch“, warf er ein. Schweigend schlenderten sie durch die Reihen, jeder mit Varianten der eigenen Theorie beschäftigt.

Allzu weit kamen sie nicht, bis sie angesprochen wurden. An einem Platz, der offensichtlich schon seit vielen Jahren vom gleichen Wohnwagen belegt war, lehnte sich ein älterer Herr an seinen Gartenzaun. „Suchen Sie jemand? Kann ich vielleicht helfen?“, fragte er.

Er musterte Elisabeth indessen gründlich von oben bis unten, bis er zufrieden nickte. „Sie sind eine sehr schöne Frau“, stellte er fest. „Sie erinnern mich an meine Rosalie, die ist jedoch leider mittlerweile verstorben.“

„Mein Beileid“, brummte Krüger.

Der Greis winkte ab. „Ist schon länger her.“

Elisabeth stupste Krüger an, sodass er sich eine Antwort verkniff. „Sah sie mir denn ähnlich?“, fragte sie den Alten.

„Ähnlich nicht. Aber sie hatte die gleiche Art zu gehen. Ich erkannte sie jederzeit am Rhythmus ihrer Schritte. Deshalb sind Sie mir zuerst aufgefallen. Entschuldigen Sie bitte, ich bin manchmal etwas zu direkt, wenn mir eine Frau gefällt. Liegt wahrscheinlich am Alter. Ich bin jedoch nicht auf der Suche. Rosalie kann keine ersetzen, egal wie schön sie aussieht.“

„Ich höre gerne Komplimente, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen“, wehrte Elisabeth ab.

„Ja, dann! Kann ich Ihnen etwas anbieten. Ein schöner Rosé stünde zufällig im Kühlschrank?“

Krüger überließ ihr das Feld und mischte sich nicht ein.

„Zufällig“, stichelte Elisabeth lächelnd. „Das glaube ich Ihnen nicht hundertprozentig.“

„Sie haben natürlich recht. Eine kluge Frau lässt sich von einem Mann nicht so leicht täuschen. Das müsste ich ja eigentlich längst wissen. Aber irgendwie falle ich auch immer wieder gerne darauf herein.“

„Ich finde es gut, wenn ein Mann sogar auf Besuch eingestellt ist“, lobte sie.

Krüger verkniff sich jegliche Reaktion. Sie stupste ihn aufs Neue an. „Wollen wir?“, fragte sie energisch.

„Wenn du möchtest?“

Der Alte entriegelte sein Gartentor und deutete einen Knicks an. „Bitte sehr, die Herrschaften!“

Während der zweiten Runde Wein konnte Elisabeth die Frage nach ihrer "alten Kollegin" schließlich anbringen. Der Greis, der sich inzwischen als Georg Hempel vorgestellt hatte, nickte sofort. „Ja, ich kenne eine Isolde. Und das ist ein seltener Name. Wir meinen bestimmt dieselbe!“ Erst nach kurzem Nachdenken trübte sich seine Begeisterung. „Ich kannte eine Frau, die Isolde hieß“, berichtigte er leise.

„War sie alleinstehend?“

„Nein! Sie war doch die Frau vom Wilfried! Isolde und Wilfried Fechter! Eiserne Camper, genauso wie wir.“

„Haben die Fechters auch hier gewohnt?“

„Nein! Da unten“, zeigte er nach Süden, „liegt noch ein weiterer Campingplatz. Sind bloß vier Kilometer Luftlinie.“

„Was ist denn passiert?“

„Die waren plötzlich einfach nicht mehr da!“

„Ohne sich zu verabschieden?“

Georg winkte ab. „So eng waren wir nicht, dass man sich immer abgemeldet hätte, für jeden Ausflug. Aber dass sie ganz weggezogen sind, ohne ein Wort …“

„Wir waren vorgestern dort. Sie wissen vom Fund, der Entdeckung menschlicher Knochen?“

„Ja, natürlich habe ich davon gehört. Und wer sonst käme in Frage? Es war ihr jahrelanger Stellplatz.“

„Das soll ja schon ziemlich lange her sein“, warf Krüger ein. „Das sagen alle. Aber keiner weiß, wann genau die verschwunden sind. Das beschäftigt mich. Kaum ist man tot, ist man vergessen. Sogar von guten Freunden.“

„Sie haben recht“, gab Georg zu. „Wenn nicht zur gleichen Zeit meine Schwester ihren ersten Herzinfarkt gehabt hätte, würde ich es ebenso nicht mehr nachvollziehen können.“

„Sie wissen in welchem Jahr?“, ging Elisabeth dazwischen.

Georg schüttelte den Kopf. „Erwischt, meine Liebe. Ich erinnere mich, dass es im Frühling war. Aber in welchem Jahr, da müsste ich meine Schwester fragen. Leider ist die mittlerweile auch verstorben.“

***

Meyer zeigte sich an der Lagebesprechung am folgenden Montag beeindruckt von Krügers Ergebnissen. „Sie sind unglaublich effizient, Herr Kollege. Mit so wenig Aufwand …

In den letzten drei Tagen hat unser Innendienst schon einiges über die Fechters zusammengetragen“, stellte er zufrieden fest. „Die waren tatsächlich Dauercamper auf diesem Platz und sind vor etwa zwanzig Jahren unter ungeklärten Umständen verschwunden. Falls wir den Herzschrittmacher näher eingrenzen können, dürften die letzten Zweifel an der Identität danach ausgeräumt sein. Übrigens richten Sie doch Ihrer Lebensgefährtin meine Anerkennung aus. Falls sie sich beruflich verändern möchte, würde ich sofort einverstanden sein und sie der Abteilung wärmstens empfehlen.“

Krüger winkte ab. „Ich denke nicht, dass sie ihre Bibliothek verlassen möchte.“

Meyer grinste. „Sie können ja trotzdem mal fragen, Herr Kollege!“

„Ja, natürlich!“

„Ach, das hätte ich beinahe vergessen. Bevorzugen Sie eine neue Assistentin oder doch eher einen jüngeren Kollegen, der für Sie die mühsamen Aufgaben übernimmt?“

„Frau Smolenska ist doch erst in Auszeit. Sind Sie denn sicher, dass sie die Stelle in Mainz tatsächlich antreten wird?“

Meyer zuckte mit den Schultern. „Selbst wenn nicht? Sie ist zur Oberkommissarin befördert worden. Mit diesem Dienstgrad kann ich sie nicht mehr als Ihre Assistentin einsetzen.“

„Ja dann! Aber einen jungen Kollegen? Ich weiß nicht. Ich arbeitete eigentlich immer am besten mit Frauen zusammen.“

Meyer nickte. „Ich versuche, einen adäquaten Ersatz zu finden, Herr Kollege. Obwohl, das dürfte schwierig werden, da sind wir uns wohl einig.“

Krüger zuckte mit den Schultern. „Ich denke, dass jede Kollegin in irgendeiner Art eine Bereicherung des Teams darstellt.“

„Aber sicher, Herr Kollege. Bloß, ganz unter uns, eine mit der puren Präsenz von Frau Smolenska dürfte kaum rasch aufzustöbern sein. Ich gönne ihr die Beförderung, die ich wirklich selbst angeregt und gegen einigen Widerstand durchgezogen habe von ganzem Herzen. Aber ein weinendes Auge bleibt.“

„Auge trifft es ausgezeichnet“, seufzte Krüger. „Dieses unglaublich schöne, dichte Haar. Habe ich in meinem ganzen Leben sonst nie bei einer anderen Frau gesehen!“

„Tatsächlich, Sie auch?“

„Ja, Herr Kollege. Aber …“

„Absolut klar, Herr Kollege. Dieses Gespräch hat niemals stattgefunden!“

***

Krüger berichtete natürlich stolz, sobald er nach Hause kam. Sie nahm das Lob gelassen hin, jedoch schien sie die Frage zu der neuen Assistentin mehr zu interessieren.

„Du kannst dir also ein für euch beide passendes Objekt aussuchen. Aber natürlich muss sie ansehnlich und etwas jünger als die Vorgesetzten sein.

Gerne auch mit zwei großen Hupen ausgestattet!“, stichelte sie weiter. „Du könntest wirklich ebenso mal einem jungen Kollegen eine Chance geben!“

Krüger seufzte bloß leise. Sie war dünnhäutig geworden, was das Äußere anbetraf. Dabei nahm er das überhaupt nicht wahr. Sie war fit und gelenkig, jammerte nie über Rücken oder ähnliche Beschwerden. Klar war ihre Haut nicht mehr so glatt wie früher. Aber die seine schließlich auch nicht.

Trotzdem konnte er jetzt nicht damit anfangen, wie hilfreich er es fand, ein gemischtes Team zu sein. Und einer hübschen Frau mit üppigen Brüsten schenkte Mann eher Gehör, das war einfach so. Das hatte sich doch gerade in dieser letzten Woche auf den Campingplätzen bei Riesgrund wieder deutlich gezeigt.

Sollte er doch versuchen, sie ins Team zu bringen?

„Ich würde jetzt gerne einen Spaziergang machen?“, begann er vorsichtig. „Kommst du mit?“

„Hast du den Berg aus deinen Hemden nicht gesehen, die ich noch bügeln muss?“, fragte sie spitz.

Krüger nickte sanft. Sie wusste bestimmt schon, dass sie überreagiert hatte. Aber der richtige Zeitpunkt für ein solches Gespräch war fast ebenso wichtig wie sein Inhalt.

***

Am nächsten Morgen, Krüger versuchte gerade in Nadjas Ablage ein System zu finden, rief Meyer unverhofft an. „Morgen!“, schnauzte er. „Die Recherche in Riesgrund war wohl doch nicht ganz so erfolgreich wie gedacht. Im Archiv ist eine Akte über einen Unfall in Spanien aufgetaucht, bei dem ein Ehepaar Fechter ums Leben gekommen ist. Tut mir leid, Herr Kollege!“

„Sie lassen mir die Unterlagen bald zukommen?“, grunzte Krüger zurück.

„Ja klar. Ein Kurier ist schon auf dem Weg. Sie haben den Hefter in weniger als einer Stunde auf dem Schreibtisch, Herr Kollege!“

Der Fall schien sonnenklar. In der Nähe von Malaga im Herbst 1986. Die meisten Touristen waren schon wieder zu Hause, wohl deshalb gab es keine Augenzeugen. Irgendwo in der Pampa lag ein ausgebranntes Wohnmobil. Im Wrack zwei verkohlte Leichen, eindeutig ein Mann und eine Frau. Beide in fortgeschrittenem Alter. Anzeichen von Gewalt konnten von der örtlichen Rechtsmedizin keine festgestellt werden. Die beiden dürften ganz simpel im Rauch erstickt sein, weil keiner von ihnen rechtzeitig aufgewacht war.

Das Kennzeichen ließ sich dank der Prägung problemlos entziffern. Der Wohnwagen war in Deutschland auf ein Ehepaar Fechter zugelassen. Im Nachgang wurde ermittelt, dass die bis dahin regelmäßigen Geldbezüge der Fechters im Ausland nach diesem Datum plötzlich aufgehört hatten. Auch sonst fand sich kein einziges weiteres Lebenszeichen der beiden. Nachkommen waren nicht vorhanden. Ebenso fehlte ein Testament im Bankschließfach, das sie angemietet hatten, um ihre wichtigsten Dokumente und Wertsachen aufzubewahren. So waren sie schließlich für tot erklärt worden und ihr Vermögen an den Staat gefallen.

3. Kapitel

Meyer legte Krüger lächelnd drei Hefter auf den Tisch. „Das sind die Personalakten der Bewerber. Daraus können Sie sich einen oder eine auswählen. Es dürfte wohl eine ganze Menge Kleinkram anfallen, bis alle Möglichkeiten durchgearbeitet sind, um die Skelette aus Riesgrund zu identifizieren. Deshalb würde ich die Dame empfehlen. Die ist zwar als pedantisch verschrien, aber genau das brauchen wir ja in unseren Fällen meistens.“ Bloß mit dem Fingernagel schubste er den mittleren Hefter ganz leicht an.

Krüger zuckte mit den Schultern und griff danach. „Ich kann mich an fast alle Mitarbeiter anpassen. Ich mag am liebsten echte Partner, die eine eigene Meinung haben. Was ich nicht ausstehen kann, sind Schleimer, die bloß darauf achten, niemals einem Vorgesetzten zu widersprechen.“

Meyer grinste schwach. „Damit dürften Sie bei ihr kaum Probleme haben.“

Krüger öffnete den Hefter vorsichtig, als ob er einen gefährlichen Inhalt erwartete. Das Foto, das obenauf lag, irritierte und beruhigte ihn gleichzeitig. Auf die würde nicht einmal Elisabeth eifersüchtig sein, war der erste Gedanke. Eine Mischung aus grauer Maus und eiserner Lady. Make-up schien in ihrem Leben keine große Rolle zu spielen. Obwohl es ihren schmalen Lippen und dem strengen Blick nun wirklich nicht geschadet hätte. Ihr Alter war schwierig einzuschätzen, aber natürlich stand es auf der ersten Seite ihrer Akte. Ute Freitag stammte aus dem Jahrgang 1960, war also aktuell 44 Jahre alt.

„Die passt“, brummte er.

Meyer tippte mit dem Finger aufs Pult. „Die anderen wollen Sie sich gar nicht ansehen?“

„Nein, ich habe mich schon entschieden.“

„Natürlich hat auch sie eine Probezeit, in der Sie sich jederzeit neu orientieren können, Herr Kollege“, erklärte Meyer mit leichtem Unterton.

Krüger sah hoch. „Was hat sie denn angestellt?“

„Sie ist aus ihrer Abteilung geflogen wegen eigenmächtiger Entscheidungen.“

„Und im Klartext?“

„Sie hat Anordnungen ihres Chefs mehrfach ignoriert. Zwar hatte sie am Schluss recht, aber das geht natürlich einfach nicht bei einer Beamtin. Sie ist mittlerweile im Archiv gelandet, wo sie sich offensichtlich ziemlich langweilt. Der Leiter ist ein alter Freund von mir. Er befürchtet einen Aufstand unter seinen Mitarbeitern, wenn Frau Freitag nicht bald wieder versetzt wird.“

„Ich soll also den Drachen bändigen“, schmunzelte Krüger.

Meyer zuckte mit den Schultern. „Ihnen trau ich es zu, Herr Kollege!“

„Sonst noch was?“

„Ja, sie ist ein echtes Ass in Analyse und Recherche. Zu diesem Zweck nutzt sie gerne Computer und Internet. Damit kennt sie sich bestens aus. Man munkelt, dass sie bei etlichen Chefs schon nur deshalb nicht in Frage kam, um ihre eigenen Defizite in der Materie zu verschleiern. Vor allem diejenigen, die nichts mehr dazulernen wollen und bloß noch um ihre Pfründe besorgt sind.“

„Ich sagte doch gleich, dass die passt“, murmelte Krüger.

***

Elisabeth schien skeptisch, was die Neue anbetraf. „Glaubst du wirklich, dass sie die Richtige ist? Oder hast du sie bloß ausgewählt, um mich zu beruhigen.“

„Aber Schatz, wie kommst du denn darauf?“ Krüger konnte einen plötzlichen Hustenanfall nicht völlig unterdrücken.

Sie musterte ihn prüfend. „Ich kenne dich inzwischen einigermaßen. Aber ich rechne dir hoch an, dass du wenigstens einmal einer normalen Frau eine Chance gibst. Wenn es nicht klappt, dann ist sie eben selbst schuld.“

„Echt jetzt?“

„Ja, natürlich. In diesem Job braucht es besondere Fähigkeiten. Wer die nicht hat, muss sich anderweitig umsehen. Egal ob Mann oder Frau!“

„Sie hat drei Monate Probezeit wie üblich, danach sehen wir weiter“, murmelte Krüger.

„Mich lässt du trotzdem weitermachen, oder?“

„Was heißt hier trotzdem. Du bist für mich die wichtigste Quelle für weibliche Intuition.

---ENDE DER LESEPROBE---