Rettungskreuzer Ikarus 68: Steinalgenpest - Holger M. Pohl - E-Book

Rettungskreuzer Ikarus 68: Steinalgenpest E-Book

Holger M. Pohl

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Beschreibung

Roderick Sentenza und sein Team werden auf einen Minenplaneten gerufen. Dort gab es einen Unfall und das Rettungsteam ist gefordert. Doch der Unfall ist nicht alles. Und längst nicht das Bedrohlichste. Eine unerklärliche Krankheit greift um sich. Sie bedroht das Leben der Befallenen. Außerdem wird die Crew der Ikarus mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Sentenza, DiMersi und die anderen müssen erkennen, dass das eine mit dem anderen verknüpft ist.

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Seitenzahl: 154

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Inhalt

Impressum

Prolog

Atlantis Verlag

Impressum

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg Juli 2017 Alle Rechte vorbehalten. © Dirk van den Boom & Thorsten Pankau Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin Titelbild: Allan J. Stark Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Endlektorat: André Piotrowski ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-525-9 ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-526-6 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

Prolog

Der Rettungskreuzer Ikarus des Freien Raumcorps wird dafür eingesetzt, in der besiedelten Galaxis sowie jenseits ihrer Grenzen all jenen zu helfen, die sich zu weit vorgewagt haben, denen ein Unglück zugestoßen ist oder die anderweitig dringend der Hilfe bedürfen. Die Ikarus und ihre Schwesterschiffe sind dabei oft die letzte Hoffnung bei Havarien, Katastrophen oder gar planetenweiten Seuchen. Die Crew der Ikarus unter ihrem Kommandanten Roderick Sentenza wird dabei mit Situationen konfrontiert, bei denen Nervenstärke und Disziplin alleine nicht mehr ausreichen. Man muss schon ein wenig verrückt sein, um diesen Dienst machen zu können – denn es sind wilde Zeiten …

Roderick Sentenza saß in seinem Sessel vor dem Kontrollpult der Ikarus und sah auf den Bildschirm. Sally McLennanes maskenhaft starres Gesicht blickte ihn daraus an.

»Das ist jetzt nicht Ihr Ernst?!«, vergewisserte er sich und zog gequält die Mundwinkel nach unten.

»Und warum sollte das nicht mein Ernst sein, Captain?«, stellte sie die Gegenfrage.

»Wir sind gerade erst von einem Einsatz zurück«, stöhnte Sentenza. »Sie sollten uns wenigstens ein paar Tage Freizeit gönnen. Können nicht die …«

»Nein, können sie nicht«, unterbrach sie und musterte ihn mit kalten Augen. »Captain, Sie haben Ihre Befehle. Und ich möchte mich nicht gern wiederholen!« Ihr Blick wurde mit einem Mal versöhnlicher, auch wenn er nichts von seiner Härte verlor. »Ich kann verstehen, Roderick, dass Sie und Ihre Crew erst einmal ausspannen wollen. Doch leider halten sich weder Unglücke noch Katastrophen oder Epidemien an die persönlichen Wünsche des Captains der Ikarus noch an die des Leiters des Rettungsteams. Solche Ereignisse passieren, wann, wo und wie es ihnen gefällt.« Sie zuckte die Achseln. »Also bleiben Sie, wo Sie gerade sind. Ich werde Ihnen in Kürze alle erforderlichen Informationen übermitteln und zwei Frachtfähren sind bereits unterwegs. Sie haben alles an Bord, um Ihre Vorräte zu ergänzen. Wenn alles gut geht, sind Sie in ein paar Tagen zurück.«

»Wenn alles gut geht?« Sentenza runzelte die Stirn. »Was könnte denn schiefgehen?« Er erinnerte sich daran, dass er diesen Spruch nicht liebte und noch weniger gern hörte. In aller Regel war er der Auftakt zu Ereignissen, die ihm absolut nicht behagten.

»Nichts kann schiefgehen«, versicherte McLennane. »Es ist eine einfache Rettungsmission. Nichts Außergewöhnliches, nur leider ein wenig unter Zeitdruck.«

»Tatsächlich?« Sentenza glaubte ihr nicht so hundertprozentig, aber er wusste, dass es sinnlos war zu versuchen, sie umzustimmen. Sally McLennane hatte entschieden und das war fast so, als sei es in Stein gemeißelt. »Wenn es so eine einfache Sache ist, warum schicken Sie dann kein Hospitalschiff? Muss es ein Rettungskreuzer sein?« Er war kurz versucht zu fragen: »Muss es dann die Ikarus sein?«, umschrieb es aber lieber allgemeiner.

»Man hat einen Rettungskreuzer angefordert, Captain«, erklärte McLennane, »und diesen … Wunsch ziemlich eindeutig formuliert. Es gibt Gründe, warum ich diesem Wunsch nachkomme. Und da die Ikarus der einzige Rettungskreuzer ist, der gerade zur Verfügung steht …« Sie ließ den Rest unausgesprochen.

Sentenza ergab sich schließlich in sein Schicksal. »Ich muss aber noch Miss Anfield informieren. Freddys Aufenthalt wird sich um … wie viele Tage, sagten Sie? … verlängern.«

»Vier Tage, maximal eine Woche«, gab die hagere Frau zurück.

Sentenza nickte. »Gut, dann sage ich denen, dass Freddy drei Tage länger bleibt. Wir hätten ihn sowieso erst Ende der Woche zurückerwartet.«

Freddy, sein und Sonja DiMersis gemeinsamer Sohn, fand immer mehr seinen Spaß daran, an den regelmäßigen Erkundungsausflügen auf Vortex Outpost teilzunehmen, die die Vorschule veranstaltete.

Der Captain sah darin durchaus seine Vorteile. Auf diese Weise lernte Freddy andere Menschen, auch Nichthumanoide, und deren Welt kennen. Für einen zukünftigen Raumfahrer sicher nicht das Verkehrteste. Mittlerweile kannte sich sein Sohn auf der Station wahrscheinlich besser aus als der Vater.

Und das war das Einzige, was Sentenza daran missfiel. Freddy interessierte sich – zumindest im Augenblick – mehr für das Leben auf Vortex Outpost als für die Ikarus. »Außerdem fehlt Thorpa. Er ist an Bord einer der Fähren?«

»Nein. Er ist von seiner Konferenz noch nicht zurück, hat mich jedoch informieren lassen, dass es wohl länger dauert als ursprünglich gedacht. Es gibt ein paar Meinungsdifferenzen, wie sich der Übermittler der Nachricht ausdrückte.« Sie winkte ab, als Sentenza etwas sagen wollte. »Mehr weiß ich nicht, Roderick.«

Sentenza wusste, dass der Pentakka etwas in dieser Richtung erwartet hatte, als er vor zwei Wochen aufgebrochen war.

»Wahrscheinlich«, hatte er zum Abschied gemeint, »wird nicht alles so glattlaufen, wie ich hoffe. Es gibt Denkströmungen, die nicht alles gutheißen, was ich und meinesgleichen tun. Aber ich werde sehen.«

Dann war er an Bord des Shuttles gegangen, das ihn zum Konferenzort bringen sollte. Worum es genau bei dieser Konferenz ging, darüber hatte er sich nicht ausgelassen, aber Sentenza vermutete, dass man über irgendwelches Psychozeugs debattierte, von dem er wenig bis keine Ahnung hatte.

»Dann ist nun alles klar«, hörte er die Stimme seiner Chefin.

Sentenzas Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. »Ist es, Sally«, ergab er sich in sein Schicksal. »Wir warten auf die beiden Fähren.«

Sie nickte, dann wurde die Verbindung unterbrochen.

Der Captain lehnte sich zurück. Nun muss ich das nur noch den anderen beibringen. Aber darüber machte er sich keine Sorgen. Außer Sonja würde niemand groß protestieren.

Wie erwartet war Sonja die Einzige, die mit dem neuen Auftrag nicht einverstanden war. Sie vermisste ihren gemeinsamen Sohn Freddy beinahe noch mehr als Sentenza. Das brachte sie auch deutlich zum Ausdruck. Doch nachdem ihr Mann ihr versprochen hatte, nach ihrer Rückkehr ein ernstes Wort mit Sally McLennane zu reden, war sie für den Augenblick einigermaßen beschwichtigt. Auch wenn Sentenza noch keinen blassen Schimmer hatte, wie er Sally dieses »ernste Wort« beibringen wollte, ohne dass sie ihn hinauswarf. Kommt Zeit, kommt Rat!, räumte er sich eine Schonfrist ein.

Die anderen waren da schon pflegeleichter.

Besonders Trooid störte sich nicht daran, dass es gleich weiterging.

Weenderveen meinte nur: »Dann muss ich Jason eben auf das nächste Mal vertrösten.«

Jovian Anande zuckte lediglich die Achseln, als Sentenza die neuen Einsatzbefehle eröffnet hatte.

Und An’ta sagte gar nichts. Sie hatte sich entschlossen, wieder einmal an einem Einsatz der Ikarus teilzunehmen. »Fortbildung«, hatte sie nur gemeint, als Sentenza sie nach ihren Gründen gefragt hatte. Er war nicht weiter in sie gedrungen und hatte zugestimmt. Vielleicht vermisste sie ihre alten Gefährten und wollte das nur nicht zugeben.

Die beiden von Old Sally angekündigten Transportshuttles hatten mittlerweile ihre Fracht abgeliefert und befanden sich bereits auf dem Rückweg nach Vortex Outpost. Auch die Informationen zu ihrem Einsatz waren eingetroffen. Sentenza kannte das Ziel und mit dem Rest konnte er sich während des Flugs beschäftigen. Die Ikarus war aufbruchbereit.

»Ein Minenunglück?«, fragte Anande und sah Sentenza stirnrunzelnd an. »Dafür schickt man uns los?«

Der Captain zuckte die Achseln. »Sieht so aus, Jovian. Die Verantwortlichen haben die Hilfe eines Rettungskreuzers angefordert und Sally konnte schwer Nein sagen. Immerhin ist es unsere Aufgabe zu retten.«

Der Arzt hob die Hände. »Das ist mir schon klar, Roderick, und das meinte ich auch nicht. Ich meinte nur … ich dachte …« Er suchte nach Worten. »Wir können Verletzte versorgen. Dafür ist die Ikarus ausgerüstet. Wir sind aber kein Hospitalschiff und schon gar kein Bergungsschiff. Die wären dafür wahrscheinlich besser geeignet. Und wenn ich dich außerdem richtig verstanden habe, dann weiß niemand genau, was überhaupt geschehen ist. Lediglich dass es eine Explosion gab und Minenarbeiter eingeschlossen sind. Einmal von der Frage abgesehen, warum dort überhaupt Lebewesen statt Automaten arbeiten, können wir nichts tun, solange die Verletzten nicht geborgen sind. Bis zu einem gewissen Grad können wir sicher helfen, aber darüber hinaus …«

Sentenza wusste, wie er das meinte. Er hatte aus den Informationen, die Sally übermittelt hatte, nur wenig über den aktuellen Stand der Dinge erfahren.

Die Situation schien ein wenig verworren und niemand wusste genau, wie die Lage tatsächlich war. Die Verantwortlichen, ein Minenkonsortium mit Namen Lapis Mount Mining, hatte sich nicht sonderlich mitteilungsfreudig gezeigt. Eine Explosion, ja. Wahrscheinlich viele Verletzte und eine unbekannte Anzahl an Toten. Eine Epidemie sollte zudem auf dem Planeten drohen, weil in dieser Mine irgendetwas gefördert wurde, was in Verbindung mit Sauerstoff zu einer Art Krankheitserreger wurde.

Die Ikarus-Besatzung sollte sich zum einen um die noch nicht geborgenen Verletzten kümmern und zum anderen dafür sorgen, dass der Ernstfall, die Epidemie, nicht eintrat.

Das waren so ziemlich alle Informationen, die Old Sally hatte zur Verfügung stellen können. Und natürlich den Namen und die Zielkoordinaten des Planeten: Edding im Reblin-Sektor.

Sentenza hatte sich erst einmal informieren müssen, wo das genau war. Er hatte weder von der Welt noch von dem Sektor zuvor etwas gehört. Viel schlauer war er danach aber nicht. Edding war ein öder, felsiger Planet, zwar mit atembarer Atmosphäre, aber sonst nichts, was eine Besiedlung lohnte. Es gab dort ausschließlich Minen, in denen etwas gefördert wurde, was die ominöse Bezeichnung Steinalgen trug. Was genau das war – ob Pflanzen, Tiere oder ein Mineralien –, darüber fand sich nichts. Es schien aber zumindest wertvoll genug, dass der Abbau sich lohnte.

Das Erstaunlichste an der Sache war, dass sich der Reblin-Sektor in nur wenigen Lichtjahren Entfernung von Vortex Outpost befand. Erstaunlich deshalb, weil Sentenza bislang gedacht hatte, die nähere Umgebung der Station hinreichend zu kennen.

Sie brauchten daher nur wenig mehr als zwei Tage, bis sie in den Orbit um den Planeten einschwenken konnten.

»Keine sehr einladende Welt«, meinte Weenderveen, nachdem sie die ersten Bilder von der Oberfläche auf den Schirmen hatten. Auch die holografischen Darstellungen zeigten nichts anderes als eine öde, steinige Welt.

»Nicht wirklich, nein«, bestätigte Sentenza. »Aber wir sind ja nicht hier, um Urlaub zu machen.« Er nickte dem Ingenieur zu. »Verschaff mir eine Verbindung zu diesem Belly-Jenkins.«

Stone Belly-Jenkins war der örtliche Repräsentant des Minenkonsortiums. Sentenza sollte ihn kontaktieren, sobald sie den Planeten erreicht hatten, und die weitere Vorgehensweise mit ihm abstimmen.

Es dauerte ein paar Augenblicke, dann hatte Weenderveen jemanden am anderen Ende. Sentenza hörte nur halb hin, was die beiden sprachen. Doch nach ein paar Augenblicken meldete der Ingenieur: »Mr. Belly-Jenkins für dich, Captain.«

Sentenza nickte und gleich darauf erschien das Gesicht eines Mannes auf dem Bildschirm vor ihm.

»Mr. Belly-Jenkins, nehme ich an. Ich bin Roderick Sentenza, Captain des Rettungskreuzers Ikarus vom Freien Raumcorps.«

»Ich grüße Sie, Captain. Ich bin froh, dass Sie endlich hier sind.«

Ein leiser Vorwurf schwang in der Stimme mit. Sie war nicht unangenehm, hatte aber etwas Arrogantes an sich. Ein hoher Vertreter eines Konzerns eben.

Sie sind alle gleich, ging es Sentenza durch den Kopf. Laut meinte er: »Wir sind sofort aufgebrochen, nachdem wir den Einsatzbefehl erhalten haben, Mr. Belly-Jenkins.«

»Sie wissen, worum es geht?«, kam der andere gleich zur Sache.

»Eine Explosion in einer Ihrer Minen. Es gibt Tote und Verletzte. Um Letzteres sollen wir uns kümmern.« Sentenza runzelte die Stirn. »Außerdem ist noch die Rede von einer drohenden Epidemie, die wir nach Möglichkeit verhindern sollen. Dazu hat man mir aber nicht mehr gesagt.«

»Zunächst einmal ist die Versorgung der Verletzten wichtig. Den Rest sehen wir dann.«

Sentenza hatte die kurze Pause zwischen den beiden Sätzen nicht überhört. Belly-Jenkins verschwieg eindeutig etwas.

»Sind die Rettungskräfte schon zu dem Unglücksort vorgestoßen?«, wollte er wissen.

»Noch nicht, aber sie arbeiten mit Hochdruck daran.«

»Ich …«, begann Sentenza, aber der Konzernmann unterbrach ihn:

»Am besten landen Sie erst einmal, dann können wir über alles reden. Ich lasse Ihnen die Koordinaten zukommen und Sie nach der Landung abholen.« Belly-Jenkins nickte erneut, dann unterbrach er ohne ein weiteres Wort die Verbindung.

»Ein unsympathischer, arroganter Zeitgenosse«, nahm An’ta ihrem Captain die Worte aus dem Mund.

»Sind sie das nicht immer, diese Bosse, Befehlshaber oder Generäle, die das Sagen haben?«, gab auch Sonja ihre Meinung dazu.

»Ihr habt beide recht. Aber wie auch immer, er ist hier der Chef und wir sollten zunächst einmal seinen Anweisungen folgen.« Sentenza grinste die Grey und seine Frau an. »Ihr wisst aber auch, dass solche Typen manchmal ziemlich schnell kleinlaut werden und schließlich förmlich darum betteln, dass wir die Verantwortung übernehmen.«

Von den beiden Frauen kam zustimmendes Gelächter.

»Die Landekoordinaten sind übermittelt«, meldete sich Trooid zu Wort. Wie üblich saß er am Steuer und würde die Ikarus im Zusammenspiel mit der KI sicher landen.

»Dann bring uns runter«, wies Sentenza den Droid an.

»Wie Sie zu befehlen belieben, mein Captain!« Trooid gab die Bestätigung in einem amüsierten Tonfall zurück.

Irgendwann würde der Droid von einem Menschen gar nicht mehr zu unterscheiden sein. Schon heute fiel es Sentenza manchmal schwer, Trooid noch als künstliche Schöpfung zu sehen.

Der Raumhafen von Edding war ein einfaches Landefeld ohne größere Einrichtungen. Das war aber verständlich, denn auf dem Planeten landeten ausschließlich Fracht- und Transportschiffe des Minenkonsortiums. Es gab keine Besucher, die einfach des öden Planeten wegen herkamen.

Bereits kurz nach der Landung war ein Passagiergleiter vor der Ikarus erschienen und Sentenza war über Funk dazu aufgefordert worden, an Bord zu gehen und ins Verwaltungszentrum zu kommen. Direktor Belly-Jenkins würde dort alles Weitere mit ihm besprechen.

Sentenza hatte entschieden, dass Anande sein einziger Begleiter sein sollte. Der Arzt natürlich deswegen, weil er am ehesten die Informationen brauchte, die der Direktor ihnen geben würde, und auch die relevanten Fragen stellen konnte. Er wünschte sich, dass Thorpa dabei gewesen wäre. Der Pentakka als Psychologe hätte Dinge herauslesen oder heraushören können, die Belly-Jenkins nicht in Worte fasste. Aber Thorpa stand leider nicht zur Verfügung.

»Und du bist sicher, dass ich dich nicht begleiten soll?«, wollte Sonja wissen, als Sentenza und Anande sich auf den Weg machten.

Er lächelte sie an. Er wusste, woran sie dachte. »Ich denke, wir werden hier nicht in Schwierigkeiten geraten. Es sieht so aus, als sei dies endlich wieder einmal eine ganz normale Rettungsmission.«

»Es macht am Anfang nie einen anderen Eindruck«, unkte sie.

Sentenza lachte.

Sie hatte ja nur zu recht! Viele Einsätze der Ikarus hatten einen gewöhnlichen und unverfänglichen Anfang genommen, waren dann aber unverhofft ins Gefährliche abgeglitten.

Wenig später saßen er und Anande in dem Gleiter und der Pilot startete.

Ihr Flug dauerte nicht lang.

Das Verwaltungsgebäude entpuppte sich als hässlicher Kasten aus Fertigbauteilen, wie sie für provisorisch errichtete Unterkünfte üblich waren. Sehr wahrscheinlich dachten die Bosse von Lapis Mount Mining nicht daran, auf Edding eine dauerhafte Siedlung zu errichten. Der Planet sollte ausgebeutet werden und das war es dann. Die Gesellschaft hatte nicht die Absicht, mehr als erforderlich in die Infrastruktur des Planeten zu investieren. Das hätte nur den Profit geschmälert. Und Profit ging einem Konzern wie LMM über alles.

Der Pilot parke den Gleiter direkt vor dem Gebäude und übernahm auch die Führung zu Belly-Jenkins’ Büro.

Sentenza hatte erwartet, dass sich zumindest das Büro des Direktors ein wenig von der sonst vorherrschenden funktionellen Tristesse unterschied, doch er sah sich getäuscht. Der Raum war ein schmuckloses Arbeitszimmer, auf Funktion ausgerichtet. Es gab weder Bilder an den Wänden noch optisch ansprechend verteilte dekorative Pflanzen. Ein großer Raum mit allen erforderlichen Einrichtungen, um die Minenkolonie zu leiten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Belly-Jenkins erwartete sie vor dem großen Schreibtisch und lächelte ihnen entgegen.

Er war der typische Vertreter seines Standes: groß und beeindruckend, etwas zu gut genährt um den Bauch herum und elegant gekleidet. Manager vom Scheitel bis zur Sohle. Dazu passte auch das Lächeln. Freundlich, aber völlig unverbindlich. Es verwischte den Eindruck, den er über den Bildschirm gemacht hatte, in keiner Weise – im Gegenteil: Es verstärkte ihn jetzt noch, da sie einander gegenüberstanden.

»Ich grüße Sie, Captain Sentenza.« Belly-Jenkins streckte dem Captain die Hand entgegen.

Sentenza ergriff sie kurz, dann stellte er Anande vor.

»Kommen wir gleich zur Sache«, begann Belly-Jenkins. »Wie ich schon sagte, bin ich sehr froh, dass Sie hier sind. Die Lage ist zwar stabil, aber wir müssen schnell handeln.«

»Was genau ist geschehen? Die Informationen, die ich bekommen habe, sind etwas … sagen wir: spärlich.«

Der Konzernmann nickte. Mit keinem Wort forderte er seine Gäste auf, Platz zu nehmen. »Im Grunde ist es schnell erklärt: In einem der Minenschächte ereignete sich eine Explosion, die einen großen Teil des Ganges zum Einsturz brachte. Etwas mehr als dreißig Arbeiter wurden verschüttet. Wir haben zwar Kontakt zu ihnen, doch es dauert noch, bis wir zu ihnen vorstoßen werden. Es gibt mehrere Schwerverletzte, soweit uns bekannt ist, dazu ein paar Leichtverletzte. Die meisten blieben jedoch bis auf den Schrecken verschont, was Verletzungen betrifft.«

Belly-Jenkins hob in einer übertrieben theatralischen Geste die Arme. »Das ist die Lage.«

»Und warum sind wir dann hier?«, wollte Sentenza wissen.

Ihm war nicht entgangen, dass Belly-Jenkins über eine Sache nicht gesprochen hatte: die Epidemie. Er verstand jedoch noch immer nicht, worin die Notlage bestand, die einen Einsatz der Ikarus und ihrer Mannschaft erforderlich machte.

»Das hört sich nicht so an, als ob Sie auf externe Hilfe angewiesen wären. Ich darf doch annehmen, dass Sie selbst über Ärzte und entsprechende medizinische Einrichtungen verfügen.«

»Das stimmt«, bestätigte sein Gegenüber. »Allerdings sehr eingeschränkt. Unfälle, einfache Krankheiten, sicher. Aber auf so einen speziellen Notfall sind wir nicht vorbereitet.«

Sentenza runzelte bei diesem speziellen die Stirn. »Was genau meinen Sie damit?«, hakte er nach.

»Was wissen Sie über Steinalgen?«, lautete Belly-Jenkins Gegenfrage.

Sentenza hob die Schultern. »Nichts«, gestand er.

»Das dachte ich mir. Die wenigsten Menschen können damit etwas anfangen. Lassen Sie es mich so erklären: Die Bezeichnung Steinalgen trifft es eigentlich sehr genau. Es handelt sich in der Tat um eine versteinerte Algenform, die etliche Millionen Jahre alt ist. Im Grunde ein Mineral, zumindest in seiner jetzigen Zustandsform. Allerdings …« Er unterbrach sich.

»Allerdings waren diese Algen auch einmal lebendig«, kam es von Anande. »Das haben Algen so an sich.«

Belly-Jenkins nickte dem Mediziner zu. »So ist es, Dr. Anande.

In den vergangenen Monaten sind wir immer weiter in die Lagerstätten vorgestoßen. Wir haben dabei natürlich Veränderungen in der Zusammensetzung des Minerals bemerkt, uns zunächst keinen Reim darauf gemacht. Bis wir vor etwa zwei Wochen zum ersten Mal auf noch lebende Exemplare dieser Algen gestoßen sind.

In ihrer mineralisierten Form sind diese Algen ungefährlich. Das Steinalgen-Pulver findet in vielen Bereichen Anwendung, insbesondere jedoch in der Medizin. Es ist eine Art Universalantibiotikum, das, vermischt mit ein paar anderen Dingen, Heilungserfolge erzielt, die man so sonst nicht kennt.

Es ist preiswert in der Herstellung und es sind keinerlei Fälle von Unverträglichkeit bekannt. Es wird die Medizin nicht revolutionieren, doch ein günstiges Heilmittel dieses hohen Wirkungsgrads ist bislang unbekannt gewesen.«

Belly-Jenkins dozierte das, als würde er einen Werbevortrag halten.