Rettungskreuzer Ikarus 70: Kopfgeld - Holger M. Pohl - E-Book

Rettungskreuzer Ikarus 70: Kopfgeld E-Book

Holger M. Pohl

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Beschreibung

Roderick Sentenza und Arthur Trooid sind auf der Flucht vor den Clanhändlern, die den Captain des Rettungskreuzers des Mordes bezichtigen. Während der Rest der Crew der Ikarus derweil von Bord des Schiffes aus versucht, mit diplomatischem Geschick das Leben ihrer Mannschaftskollegen zu retten, versteht Dorian Darkwood, dass es noch etwas geben muss, was vor allem seinen Augen bislang verborgen blieb. Und als das Wissen zurückkehrt, beginnt er die Hintergründe der Geschehnisse zu begreifen …

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Seitenzahl: 154

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Inhalt

Impressum

Prolog

Epilog

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Impressum

Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg Januar 2018 Alle Rechte vorbehalten. © Dirk van den Boom & Thorsten Pankau Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin Titelbild: Lothar Bauer Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Endlektorat: André Piotrowski ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-563-1 ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-569-3 Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de

Prolog

Der Rettungskreuzer Ikarus des Freien Raumcorps wird dafür eingesetzt, in der besiedelten Galaxis sowie jenseits ihrer Grenzen all jenen zu helfen, die sich zu weit vorgewagt haben, denen ein Unglück zugestoßen ist oder die anderweitig dringend der Hilfe bedürfen. Die Ikarus und ihre Schwesterschiffe sind dabei oft die letzte Hoffnung bei Havarien, Katastrophen oder gar planetenweiten Seuchen. Die Crew der Ikarus unter ihrem Kommandanten Roderick Sentenza wird dabei mit Situationen konfrontiert, bei denen Nervenstärke und Disziplin alleine nicht mehr ausreichen. Man muss schon ein wenig verrückt sein, um diesen Dienst machen zu können – denn es sind wilde Zeiten …

Das Erwachen war … seltsam. Als ob er aus dichtem Nebel ins helle Sonnenlicht trat. Was im Nebel geschehen war, daran erinnerte er sich vage, doch es blieb verschwommen.

Er schlug die Augen auf. Ein Gesicht schwebte über ihm. Dunkelhäutig, mit grauen, fast weißen Haaren. Ein unbekanntes Gesicht, obwohl er meinte, sich daran erinnern zu müssen. Er horchte in sich hinein. Alles schien in Ordnung. Doch er hatte das Gefühl, dass dem nicht so war.

»Wie geht es Ihnen, Mr. Darkwood?«

Zunächst wusste er nicht, wen der Dunkelhäutige meinte, aber dann dämmerte es ihm. Der Mann hatte die Frage an ihn gerichtet. Darkwood … War das sein Name? Ja, richtig, so hieß er. Darkwood. Dorian Darkwood.

Und plötzlich, wie eine unvorhersehbare Welle, kamen die Erinnerungen über ihn. Er wurde beinahe von ihnen hinweggespült. Wie ein winziges Boot torkelte sein Geist in einem aufgewühlten Meer aus Erinnerungen, Gedanken, Namen, Gesichtern … Beinahe wäre dieses Boot gekentert und er wäre ertrunken. Oder verrückt geworden. Doch nach und nach beruhigte sich die See und er konnte klarer denken.

Dorian Darkwood erinnerte sich. Er hob den Kopf. »Ich muss Roderick Sentenza sprechen. Sofort!« Seine Stimme war klar und deutlich.

Der Dunkelhäutige hob überrascht die Augenbrauen. Dann schüttelte er den Kopf. »Im Augenblick müssen Sie gar nichts, Mr. Darkwood. Außer sich erholen.«

Darkwood versuchte, sich aufzurichten. »Ich muss mit dem Captain der Ikarus sprechen. Er ist in Gefahr!«

»Sagen Sie mir, was es zu sagen gibt, und ich werde es an McLennane weitergeben. Sie kann es dann dem Captain ausrichten.«

Erneut versuchte Darkwood, seinen Oberkörper aufzurichten, doch wieder war er zu schwach dazu. Zu schwach?, ging es ihm durch den Kopf. Was um alles in der Welt ist geschehen? Laut sagte er: »Ich kenne Sie nicht und ich weiß nicht, wo ich bin.«

»Mein Name ist Niob Nepanter. Ich bin der Chef des VOCH. Und Sie sind mein Patient.«

Das VOCH! Zumindest befand er sich nicht in Gefahr. Vortex Outpost bedeutete ein gewisses Maß an Sicherheit. Aber alles im Leben war relativ. Das wusste Dorian Darkwood nur zu gut.

»Woran können Sie sich erinnern?« Sally McLennane sah ihn forschend an.

»Daran, dass wir auf ein Raumschiff gebracht wurden. Dann beginnen meine Erinnerungen zu verblassen und ich bin mir nicht sicher, ob danach alles so geschah, wie es mir im Gedächtnis geblieben ist, oder ob ich es mir nur einbilde.«

»Erzählen Sie einfach!«

Darkwood tat ihr den Gefallen. Er schilderte, wie er nach den Ereignissen auf Valeran, die nun schon einige Zeit zurücklagen, eine Spur verfolgt hatte, die ihn zu den Hintermännern der Boomium-Affäre führen sollte. Er war schließlich auf einem Waldplaneten namens Peinecke gelandet.

»Sagten Sie Peinecke?«, unterbrach McLennane seine Schilderung.

»Ja, warum?«

Sie winkte ab. »Später! Erzählen Sie erst weiter.«

»Auf Peinecke«, fuhr Darkwood fort, »haben die Clanhändler das Sagen. Ich kam dort in Kontakt mit Leuten, die Minenarbeiter suchten. Ab da sind meine Erinnerungen ungenau und verschwommen.«

Darkwood schilderte, dass er sich noch daran zu erinnern glaubte, dass sie auf ein Schiff gebracht wurden. Dort möglicherweise war er auf die Worte Sansiro Sandstar gestoßen. Dafür verbürgen wollte er sich jedoch nicht.

»Das sind dann aber auch die letzten Erinnerungen, die ich habe«, endete er. »Was danach geschah, weiß ich nicht. Mein Gedächtnis setzt erst wieder ein, als ich hier im VOCH aufwachte. Leider sind immer noch Lücken da.«

»Sind Sie auf Ihren Reisen jemandem mit Namen Nedmoob begegnet?«

Darkwood dachte einen Augenblick nach. »Der Name sagt mir etwas. Ich habe ihn auf Peinecke ein paarmal gehört. Und natürlich hat man mir erzählt, was auf Edding geschehen ist.« Er hob die Schultern. »Ich weiß jedoch nicht, ob ich ihm schon begegnet bin. Die Geschichte auf Edding lässt das zwar wahrscheinlich erscheinen, aber bestätigen kann ich es nicht.«

McLennane blickte ihn nachdenklich an.

»Warum fragen Sie mich nach diesem Mann? Oder nach Peinecke?«, wollte Darkwood schließlich wissen, als das Schweigen anhielt.

»Nedmoob ist wahrscheinlich nur einer von vielen«, erklärte sie. »Vermutlich ein kleines Licht in der Organisation, die für alles verantwortlich ist. Die Marshalls werden ihn und andere eines Tages zu fassen bekommen.« Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Die großen Hintermänner, sie sind es, an die wir herankommen müssen.«

»Es sind … Teile eines Puzzles, die ich kenne. Ich muss dieses Puzzle nur noch zusammensetzen.« Er lächelte bitter. »Wenn ich mich daran erinnern könnte.«

»Ihre Erinnerungen werden zurückkommen, dessen sind sich die Ärzte sicher. Es wird nur noch etwas dauern. Aber denken Sie wirklich, dass Sie dieses – wie sagten Sie? – Puzzle zusammensetzen können?«

»Ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich hoffe es. Vieles ergibt bislang noch kein klares Bild. Etwa die Sache mit dem Captain der Ikarus.«

»Sentenza?«

Darkwood ließ sich einen Moment Zeit mit der Antwort, dann sagte er: »Ich weiß aus sehr sicherer Quelle, dass jemand ein Kopfgeld auf Sentenza ausgesetzt hat.«

»Warum?«

»Das ist etwas, was mir meine Quelle nicht verraten konnte. Vielleicht ist er jemandem auf die Füße getreten, vielleicht ist er irgendjemand zu nahe gekommen. Fakt ist: Jemand will ihn haben – tot oder lebendig.«

»Sie vermuten, dass es einen Zusammenhang mit der Sache gibt, mit der Sie sich beschäftigen?«

»Richtig. Wo sind Sentenza und seine Crew gerade? Wir müssen ihn darüber informieren.«

»Ja, das sollten wir. Sofern das möglich ist.«

Etwas an der Art und Weise, wie McLennane das sagte, ließ Darkwood aufhorchen. »Es gibt Probleme?«

»So könnte man es nennen. Möglicherweise steht es im Zusammenhang mit dem, was Sie erzählt haben.«

»Wo ist er?«

»Auf Peinecke.«

Darkwood verstand plötzlich, warum McLennane vorhin aufgehorcht hatte, als er den Planeten erwähnte.

»Was wissen Sie über die Clanhändler?«

»Nicht mehr als das, was ich auf Peinecke erfahren habe. Ich hatte vorher noch nicht mit ihnen zu tun.«

»Peinecke ist eine Clanhändler-Welt. Und Sentenza …« Sie hob die Schultern. »Sagen wir es so: Er ist nach Darstellung dieser Clanleute mit ihrem Gesetz in Konflikt gekommen. Sie nennen es den Clanhändler-Kodex. Er soll jemanden aus der herrschenden Familie ermordet haben. Dafür wollen sie ihm den Prozess machen.«

»Aber das ist Unsinn!« Darkwood lachte. »Etwas Derartiges zu behaupten, ist absurd. Das würde Sentenza nie tun!«

»Sind Sie sicher?« Sie winkte ab, als Darkwood etwas erwidern wollte. »Natürlich glaube ich auch nicht daran. Und seitdem ich von dem Kopfgeld weiß, glaube ich noch weniger daran. Doch bedauerlicherweise sind mir die Hände gebunden. Peinecke ist eine souveräne Welt und die Clanhändler unterstehen nicht dem Freien Raumcorps. Zudem ist man an guten Beziehungen zu den Händlern interessiert. Jedenfalls kann ich nichts unternehmen, wenn ich nicht riskieren will, als jemand dazustehen, der die Gesetze anderer nicht achtet.«

»Hat Sie das schon jemals gestört?«

»Im Prinzip nicht, aber in diesem Fall schon.«

»Warum?«

»Politik, Darkwood, Politik.« Mehr sagte sie nicht.

»Gut, Sie können vielleicht nichts tun, aber ich bin nicht so sehr an die politischen Regeln gebunden wie Sie.« Er grinste. »Oder störe mich daran, diese Regeln einfach mal Regeln sein zu lassen.«

McLennane begann ebenfalls zu grinsen. »Warum, glauben Sie, wollte ich mich unbedingt mit Ihnen unterhalten? Bestimmt nicht nur des angenehmen Small Talks wegen.«

Das Schiff, das Darkwood in die Nähe von Peinecke bringen sollte, war ein Zerstörer der Steinberg-Klasse. Ein älteres Modell, aber noch tadellos in Schuss und für diesen Einsatz genau das Richtige. Die Besatzung bestand aus insgesamt 38 Personen, davon etwa ein Drittel Frauen. Kommandant war Commander Dirk Saarbridge, ein älterer, rundlich wirkender Mann von untersetzter Statur. Von seinen Leuten wurde er liebevoll – andere, bösere Zungen behaupteten spöttisch – Planless genannt.

»Ich soll Sie also in die Nähe dieses Hinterwäldlerplaneten bringen?«, fragte Planless Saarbridge, nachdem Darkwood an Bord gekommen war. »Und dann?«

»Nehme ich die Bellgacock und reise allein weiter«, hatte Darkwood geantwortet. »Das ist zumindest der Plan. Oder haben Sie einen besseren Vorschlag?«

»Nein, habe ich nicht. Es ist Ihr Plan, nicht meiner.«

»Würden Sie es anders machen?«

»Weiß ich nicht. Ich habe keinen Plan, da mich die ganze Sache nichts angeht. Diese Doofköpfe der Einsatzleitung haben mich angewiesen, Ihren Anweisungen widerspruchslos zu folgen. Offensichtlich haben Sie ein paar einflussreiche Freunde ganz oben.«

Darkwood hatte schnell begriffen, dass Planless andere gern mal als doof bezeichnete. Aber es störte ihn nicht. Von ein paar Schwächen abgesehen, war Saarbridge ein erfahrener und zuverlässiger Mann.

»Nicht so viele, wie Sie denken. Ein paar lose Kontakte, das ist alles.«

Saarbridges Blick verriet, dass er Darkwood nicht glaubte. »Hgnrf!«, knurrte der Commander. »Das sind ganz hohe Tiere, die Sie da an der Hand haben! Lose Kontakte?« Saarbridge schüttelte den Kopf. »Sie wollen mir da was anderes erzählen? Nix!«

Darkwood hielt es für besser, darauf nichts zu sagen. Sollte Saarbridge glauben, was er wollte. Und so ganz unrecht hatte er ja nicht.

Während des Fluges versuchte er, seine verlorenen Erinnerungen wiederzufinden. Doch es wollte ihm nicht gelingen. Vieles blieb im Nebel und Darkwood traute seinem Gedächtnis nicht völlig. Manches, was er für Einbildung hielt, mochte sich tatsächlich so ereignet haben. Anderes, von dem er felsenfest überzeugt war, konnte sich als Trugbild herausstellen. Er blieb also vorsichtig, wenn ihm etwas aus den vergangenen Monaten durch den Kopf ging.

Ehe er Vortex Outpost verließ, hatte er versucht, an mehr Informationen über Peinecke zu kommen. Viel war es jedoch nicht, was er zutage förderte. Er hatte in seiner Zeit im Commonwealth oder im Multimperium nichts mit den Clanhändlern zu tun gehabt. Gehört hatte er von ihnen, doch das war auch alles. Erst auf der Waldwelt war er ihnen persönlich begegnet. Die Datenbanken der Station hatten sein Wissen nicht wesentlich erweitert. Es gab über sie dort noch weniger als über Peinecke.

Seine Tarnung wies ihn als Geschäftsmann des Freien Raumkorps aus und sollte oberflächlichen Überprüfungen standhalten. Offiziell war er Rohstoffmakler und daran interessiert, mit den Clanhändlern von Peinecke ein Handelsabkommen über Metallgas abzuschließen. So weit, so gut. Alles andere war eine Sache der Improvisation und musste situativ entschieden werden. Für ein paar Augenblicke hatte sein Vorgesetzter daran gedacht, ihm eine offizielle Funktion zu geben, damit er mit Sentenza und der Crew der Ikarus Kontakt aufnehmen konnte, ohne das heimlich tun zu müssen. Aber schnell war dieser Gedanke verworfen worden. Offiziell war gleichbedeutend damit, dass die Clanhändler jeden seiner Schritte beobachten würden.

Darum war er auf sich allein gestellt und das war in Ordnung. Auf diese Weise arbeitete er ohnehin am liebsten und am besten.

»Viel Glück, Darkwood!«, hörte er noch Saarbridges Stimme aus den Lautsprechern, dann trat die Bellgacock in den Hyperraum ein, um die letzten Lichtjahre nach Peinecke zurückzulegen. Das kleine, hyperraumtüchtige Schiff war ihm vom Geheimdienst zur Verfügung gestellt worden. Ob McLennane dabei ihre Finger im Spiel hatte, wusste Darkwood nicht. Jedenfalls hatte er das ›Geschenk‹ dankend angenommen.

Sein Einsatz hatte mit dem Start vom Zerstörer begonnen, und wie jedes Mal war Darkwood von einer leichten Nervosität ergriffen worden. Es war keine Unruhe, keine Aufregung, sondern eher gespannte Erwartung.

Der Flug verlief ereignislos, und als Darkwood in den Orbit um die von riesigen Wäldern bedeckte Welt einschwenkte, schaltete alles in ihm auf Agent.

Die Landeerlaubnis kam schnell und formlos. Darkwood überließ es dem Autopiloten, das Schiff zu landen. Er plante indes sein weiteres Vorgehen.

Seit Tagen schon versteckten sie sich in Soleils Wohnung. Der Mann war selten da, und wenn er da war, ließ er Sentenzas Fragen nahezu unbeantwortet an sich abprallen. Ja, man suchte noch nach Sentenza und Trooid. Nein, Soleil hatte keine Verbindung zur Ikarus aufgenommen. Ja dieses, nein jenes, aber nichts davon war dazu geeignet, Sentenzas ständig wachsende Unruhe zu besänftigen.

»Wir müssen An’ta und die anderen informieren«, sagte er schließlich zu Trooid, als Soleil wieder einmal die Wohnung verlassen hatte.

»Glaubst du nicht, dass das ein zu großes Risiko ist, Captain?«

»Risiko hin, Risiko her, wenn wir herumsitzen und abwarten, wird entweder gar nichts geschehen oder An’ta verliert die Geduld.«

»Darius und Thorpa sind bei ihr«, erinnerte Trooid. »Die werden sie bremsen.«

»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wer weiß schon, was im Kopf der Grey alles vor sich geht?«

Besagte Grey saß auf der Ikarus und war in der Tat die Ungeduld in Person. Axis Gambon hielt sie zwar auf dem Laufenden, aber das war auch schon alles. Ja, Sentenza und Trooid ginge es gut und sie warteten auf ihre Verhandlung vor dem Clanrat. Nein, er könne nicht vorhersagen, wie der Prozess letztendlich ausgehen würde. Aber da alle Beweise gegen den Captain der Ikarus sprachen, sei alles andere als ein Schuldspruch unwahrscheinlich. Und nein, es sei ihm nicht möglich, der Grey oder einem anderen Zugang zu den Inhaftierten zu verschaffen.

Und Jovian meldet sich auch nicht!

Eine verfahrene Situation.

»Ich muss auf die Ikarus zurück«, eröffnete Anande seinem Gegenüber.

Riverin Gambon, Chef der Klinik von Peinecke, wiegte zweifelnd den Kopf. »Halten Sie das für eine gute Idee?«

»Haben Sie einen besseren Vorschlag?« Anande hatte ein paar Stunden geschlafen, doch sehr erholsam war die Ruhepause nicht gewesen. Zu viel ging ihm durch den Kopf und belastete ihn. Aber auch Gambon sah nicht sehr erfrischt aus. Die letzten Tage hatten ihre Spuren hinterlassen. Man hatte sie informiert, dass in der Nacht weitere Patienten gestorben waren. Von den ursprünglich 43 Frauen und Männern, die sie an Bord der Ikarus von Green World nach Peinecke gebracht hatten, waren noch zwölf am Leben. Nach Stand der Dinge würden jedoch auch sie im Laufe des Tages den Kampf gegen die Krankheit verlieren.

»Nein, den habe ich nicht«, erwiderte Gambon schließlich niedergeschlagen. Mehr noch als Anande machte ihm der Tod der Kranken etwas aus. Es waren seine Leute, die starben, vielleicht sogar Blutsverwandte und nicht nur einfache Clanangehörige.

»Dann werde ich mich auf den Weg machen.« Er legte dem Clanhändler die Hand auf den Arm. »Wir können nichts mehr tun, Riverin. Vielleicht hat derjenige, der für die Krankheit dieser Leute zuständig ist, ein Gegenmittel. Oder kann uns sagen, was genau er ihnen angetan hat, und das bringt uns möglicherweise weiter. Aber um das herauszufinden, habe ich auf der Ikarus bessere Möglichkeiten.«

»Glauben Sie?«

»Ja!« Doch so sicher, wie es klang, war Anande nicht. Aber welche Hoffnung gab es sonst?

An’ta hatte überlegt, Axis Gambon von dem Gespräch mit Lenow und seiner unverschämten Forderung zu erzählen, aber schließlich davon abgesehen. Falls der junge Gambon über alles Bescheid wusste, hätte es sowieso nicht geholfen. Axis Gambon war dann Teil des ganzen Komplotts und würde kein Interesse daran haben, der Crew der Ikarus zu helfen. Wenn er aber nichts davon wusste, dann würde er womöglich einen Fehler begehen, der ihn genauso wie seinen Bruder das Leben kosten konnte. Dann würde sie Roderick des einzigen Clanhändlers berauben, der auf seiner Seite stand. Eine verfahrene Situation!, schoss es ihr erneut durch den Kopf.

Thorpa und Weenderveen waren ihr momentan keine große Hilfe. Natürlich konnte der Pentakka sein psychologisches Profil dessen, was und warum es geschehen war, verfeinern, aber das würde sie keinen Schritt weiterbringen. Die Zeit arbeitet gegen uns! Würde ihr am Ende nichts anderes übrig bleiben, als Lenow die Ikarus zu übergeben, wollte sie Sentenzas und Trooids Leben retten?

Als eine Stunde später ein Gleiter bei der Ikarus erschien, war An’ta im ersten Augenblick überrascht. Axis Gambon hatte seine wenigen Besuche bislang kurz vorher angekündigt. Und von Lenow hatte sie seit dem Gespräch am Vortag nichts gehört.

Ihre Überraschung steigerte sich noch, als die sah, wer dem Gleiter entstieg: Jovian Anande.

»Jovian!«, begrüßte sie ihn, als er zusammen mit Weenderveen die Zentrale betrat. »Ich bin erfreut, dich zu sehen. Ich habe nicht mit dir gerechnet, nachdem wir gar nichts mehr von dir gehört haben.«

»Tut mir leid, aber das lag nicht an mir«, erwiderte Anande. »Wo ist Thorpa?«

»In seiner Kabine. Er ist ein wenig eigenbrötlerisch in letzter Zeit.«

»Ich weiß. Doch er sollte bei unserem Gespräch dabei sein. Ich habe Antworten für ihn.«

»Antworten?«

Anande nickte. »Er hat mich um etwas gebeten und ich habe es für ihn besorgt. Nicht alle Clanhändler sind gegen uns.«

An’ta setzte sich mit dem Pentakka in Verbindung und kurz darauf erschien dieser in der Zentrale.

»Nun schieß los!«, verlangte die Grey, nachdem auch Thorpa Platz genommen hatte.

Anande schilderte in wenigen Worten den Inhalt des Berichtes, den er auf Wunsch des Pentakka von Riverin Gambon angefordert hatte. Ausführlicher erklärte er die Schlussfolgerungen, zu denen er und der Clanhändler-Mediziner gekommen waren. An’ta ließ ihn zu Ende reden und gab Weenderveen ein Zeichen zu schweigen, als dieser Anande einmal unterbrechen wollte.

»Das passt zusammen«, sagte Thorpa, als Anande fertig war.

»Zusammen?«

»Ja.« Der Pentakka wandte sich an An’ta. »Erzähle ihm von Lenows Angebot.«

Mit wenigen Worten schilderte die Grey dem Arzt, was sich am Vortag zugetragen hatte. »Natürlich habe ich seinen Wunsch abgelehnt, aber …«, beendete sie ihre Ausführung und zuckte mit den Schultern.

Anande interpretierte ihre Geste richtig. »Du befürchtest anscheinend, dass wir nicht umhinkommen, ernsthaft darüber nachzudenken, diesem Lenow die Ikarus zu überlassen, wenn wir Roderick und Arthur retten wollen.«

An’ta nickte. »Uns sind in jeder Beziehung die Hände gebunden«, erklärte sie. »Der Clanhändler-Kodex ist in dem Punkt ziemlich eindeutig.« Ein bitteres Lächeln begleitete diese Worte. »Was wir auch wollen oder fordern, es gibt sicher irgendwo einen Paragrafen, der besagt, dass unsere Wünsche oder Forderungen irrelevant sind. Es ist ein abgekartetes Spiel und wir haben keine Chance. Jemand, der sich verdammt gut mit dem Kodex auskennt, hat die Fäden in der Hand.«

»Was an und für sich dafürspricht, dass es sich um einen Clanhändler handelt. Niemand kennt sich so gut mit dem Kodex aus«, ergriff Thorpa das Wort.