Rheingauer Märchenstunden - Johannes O. Jakobi - E-Book

Rheingauer Märchenstunden E-Book

Johannes O. Jakobi

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Beschreibung

Rheingauer Märchenstunden sind eine fantasievolle Hommage an eine ganz besondere Region in Deutschland, die jedes Jahr Millionen Touristen anlockt. Geografisch begrenzt wird sie von Wicker in Flörsheim am Main im Osten bis Lorchhausen im Westen, den Taunuskamm im Norden und dem Rhein im Süden. Hier, wo der Fluss seinen 1300 km langen Nordwestkurs einmalig verlässt und sich für 35 km nach Südwesten bewegt, findet seit Jahrhunderten der Weinanbau ideale klimatische und geologische Bedingungen. Altes Kulturland braucht seine Geschichten, die zwar frei erfunden sind, sich aber dennoch auf vorhandene Stätten und Ereignisse beziehen. Dieser Band lässt eine eigene, geheimnisvolle Welt der Feen, Elfen, Zwerge und Hexen entstehen, die in dieser wundervollen Landschaft wirken.

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Seitenzahl: 111

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Abeingauer Marcbenstunden

Johannes O. Jakobi

mit Illustrationen

www.tredition.de

Über den Autor

Jahrgang 1948, verheiratet, von 1998 bis 2001 Aufenthalt in Namibia, lebt jetzt in Schlangenbad.

Studium der deutschen Sprache und Literatur, Politologie und Soziologie an der Johann Wolfgang Goethe - Universität in Frankfurt am Main. 1982 Promotion zum Doktor der Philosophie. Lehrtätigkeit am Gymnasium in Frankfurt am Main.

Wenn man einmal Lehrer war, dann kann man es mit der Literatur einfach nicht lassen. Und da man nicht mehr Rechtschreibung, Grammatik und Interpretation mit den Schülern üben muss, so verlegt man sich auf die Dinge, die am meisten Spaß machen, nämlich das Geschichtenerzählen. Zumal wenn man eine gewissen Zeit seines Lebens in Afrika verbracht hat, dann hat man so viel gesehen und erlebt, dass die Fantasie noch lange Purzelbäume schlägt.

Außerdem ist das Palavern, also das lange Erzählen, dort Teil der Lebenskultur. Wenn man sich nicht die Zeit nimmt, ein wenig zu plaudern, dann kommt man nicht weit, weil jeder einen für langweilig und unhöflich hält.

WIDMUNG

Für all die fleißigen Schwimmerinnen und Schwimmer

Und das freundliche Team der Bademeister

Des Freibades zu Eltville am Rhein

www.tredition.de

© 2015 Johannes O. Jakobi

Umschlag, Illustration: Brigitte K. Jakobi

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7323-5217-3

Hardcover:

978-3-7323-5218-0

e-Book:

978-3-7323-5219-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Der Geist im Weinberg

Die Schluesselblumenelfen

Der Kartoffeljunge

Der Wispertaler

Die Kiedricher Kirchenmaeuse

Das Zwerglein vom Hinterlandswald

Alarm im Rhein

Die Krone der Weinkoenigin

Fuer gruene Erdbeeren verboten!

Das rote Maedchen

EINLEITUNG

„Erzähl doch keine Märchen!“, hört man auch heute noch häufig. Aber warum eigentlich nicht? Das fragten wir uns auch. Jeder von uns hat, wann immer das auch war, Märchen gelesen, gehört oder in irgendeiner Inszenierung gesehen. Den Gebrüdern Grimm, die so eifrig gesammelt und aufgeschrieben haben, gebührt nach wie vor Dank. Ihre Märchen sind ortsungebunden und zeitlos in der mündlichen Überlieferung. Als wir auf die Idee kamen, selbst Märchen zu schreiben und zu illustrieren, war das, als würde man beschließen, die Jahre seines Lebens zurücklaufen zu lassen, um wieder Kind zu werden. Aber der Gedanke hatte etwas Faszinierendes, ein eigenes Märchen zu komponieren und es sich hernach wechselseitig vorlesen zu lassen. Alle Personen, denen wir von unserem Vorhaben erzählten, reagierten überaus positiv, gaben an, Märchen zu lieben und zwar unabhängig von Alter oder Bildung.

Eine so alte Kulturlandschaft wie der Rheingau braucht eigene Geschichten, um auch seine sehr spezifische Identität zu wahren. Zwar sind unsere Märchen allesamt frei erfunden, doch wenn sie, liebe Leserin, lieber Leser, demnächst wieder durch eine der so hübschen und liebenswerten Rheingauer Ortschaften spazieren, dann werden sie dies künftig sicherlich mit anderen Augen und geschärften Sinnen tun. Wenn sie die alten Häuser, Gärten und Gemäuer betrachten, dann könnte es leicht sein, dass ein Zwerg um die Ecke lugt, oder ihnen eine freundliche Fee den rechten Weg weist. Wenn sie auf ihren Wanderungen durch den wunderschönen Rheingau auf eine der zahllosen Wiesen stoßen, dann seien sie besonders aufmerksam, denn es wäre durchaus möglich, dass sie zufällig den Gesang der Blumenelfen vernehmen können.

Lesen sie die Märchen in der Weise, als würden sie selbst diese einem Kind erzählen. Nehmen sie sich einfach die Zeit dazu, langsam und gemütlich durch diese Welt zu schlendern. Erinnern sie sich daran, dass in den Märchen die Zeit anders vergeht. Um ihnen diese kleinen Pausen zu gönnen, haben wir in unsere Märchen kleine Lieder eingewebt, die man laut lesen oder gar nach einer eigenen Melodie singen könnte. Ohnehin sollte man alles tun, um sich noch beim Lesen zusätzlich in diese Zauberwelten einzubringen. Seien sie mutig, übernehmen sie eine Rolle, seien sie Zwerglein oder Zaubervogel, was immer sie möchten! Durchstreifen sie den Märchenwald auf der Suche nach etwas, was wir in unserer Zeit bereits weitgehend verloren haben. Blicken sie über staubige Straßen ohne Teerbelag, auf denen gar bald eine goldene Kutsche heranrollt. Setzen sie sich ruhig selbst eine Krone auf, schauen in den Spiegel und lächeln sich zu. Vielleicht sehen sie in ihren Augen jetzt ebenfalls zarte Elfen tanzen. Haben sie keine Angst davor, wieder ein Kind zu werden, ihr Leben neu zu entdecken. Lassen sie sich in das Märchen hineingleiten, ein wenig verführen, betören und verzaubern. Beginnen sie zu träumen!

Brigitte und Johannes Jakobi

Der Geist Im Weinberg

ber das gesamte Rheintal zwischen Eltville und Lorch ziehen dicke, graue Regenwolken, die immer neue Wassermassen heranführen, obwohl es doch schon seit Tagen fast ununterbrochen regnet. Wer sich da draußen aufhalten muss, beeilt sich, schnell wieder ein Plätzchen im Trockenen zu finden. Außerdem ist es für die Jahreszeit viel zu kalt, und die jungen Weinstöcke an den Berghängen frieren ganz erbärmlich. Besonders dann, wenn auch noch der Wind auffrischt und durch ihre Reihen jagt, ist es kaum auszuhalten. Dann packt er die wehrlosen Rebstöcke und schüttelt sie mit aller Kraft. Wenn er so rüttelt, reißt er auch die Blätter von ihren Zweigen und verteilt sie über den ganzen Weinberg. Allerlei dumme Späße und Schabernack treibt er mit ihnen. Er singt:

„Puste, Wind, und lass die Trauben

An ihr schnelles Ende glauben!

Reiß’die Blätter von den Reben,

Lass den ganzen Stock erbeben!“

Doch so wild und ungestüm er sich auch gebärdet, den kleinen, grünen Trauben, die da an ihren Stängeln hängen, vermag er nichts anzuhaben, denn sie klammern sich derart fest, dass er sie nicht abreißen kann. Dennoch jammern und wehklagen sie:

„Du böser, böser Wind, du! Warum quälst du uns mit deinem kalten Atem? Willst du, dass wir erfrieren? Das finden wir ganz gemein! Wir müssen es doch warm und sonnig haben, damit wir wachsen und dick und rund und süß werden. Dann erst können uns Hände der fleißigen Winzer ernten und den Menschen herrlich goldenen Wein liefern. Lass also ab von uns, guter Wind, und puste stattdessen diese scheußlich nassen Regenwolken davon, damit uns die liebe Sonne wieder wärmen kann!“

Der Wind aber lacht nur über die Klage, biegt noch einmal spielerisch neckend die Weinreben hin und her, um dann doch, man mag es gar nicht mehr glauben, mit einem gewaltigen Pusteschwall seiner dicken Backen die schwarzen Regenwolken weit über die Weinberge und den Rhein hinauszutreiben.

„Ich bin das wilde Himmelskind,

Ich zerre hier und zupfe dort!

Ha, ha, ich bin ein Wirbelwind

Und ziehe fort von Ort zu Ort!“

„Danke, lieber, lieber Wind!“, rufen da die Trauben, aber der hört es schon nicht mehr, weil er bereits mit Windeseile auf und davon ist. Zurück bleiben die zufriedenen Trauben und wachsen in der wärmenden Sommersonne. Noch ahnen sie nicht, dass der Wind und der Regen nur das kleinere Übel waren, denn alsbald sollte ein großes Unglück über sie hereinbrechen.

Eines späten Nachmittags verdunkelt sich plötzlich der Himmel. Selbst die kräftigen Strahlen unserer lieben Sonne vermögen es nicht, ihr Licht auf die Weinstöcke zu senden. Erschreckt wenden sich alle Traubengesichter nach oben, fürchten schon, dass der kalte Wind und die schwarzen Regenwolken zurückgekommen sind. Nein, das nicht! Weit gefehlt! Der Wind befindet sich gerade über dem fernen Meer und pustet mit seiner Kraft in die Segel der Schiffe, dass diese nur so über die Wellen sausen. Der Wind kann es also nicht sein, aber wer oder was ist es dann? Hier oben, genau hier in den Weinbergen, beginnt das Unheil, seinen Lauf zu nehmen.

„Was ist denn dieses Jahr nur los

Mit Schönhell, Sandgrub, Wasseros?

Da droht Gefahr, da naht etwas.

Oh je, das ist fürwahr kein Spaß!“

Rebläuse sind’s! Erst als sie näher kommen, werden aus den dicken Wolken, die den Himmel verdunkeln, Millionen und Abermillionen von diesen kleinsten Plagegeistern. Wie hungrige Wölfe stürzen sie sich gierig auf die wehrlos dastehenden Weinstöcke und setzen sich mit ihren Krallenfüßen auf deren Blättern fest. Dann, oh Graus, senken sich ihre langen Rüssel in die Adern der Blätter und saugen den süßen, klebrigen Saft aus ihnen heraus.

„Halt! Halt! So geht das nicht!“, rufen da die Trauben. „Ihr müsst sofort damit aufhören! Dieser Saft gehört uns! Wir brauchen ihn dringend! Wie sollen wir denn dick und rund werden, wenn ihr uns unsere Nahrung wegnehmt? Unsere Aufgabe ist es doch, den Menschen goldenen Wein zu liefern, damit sie nachts gut schlafen können und schöne Träume haben! Wenn ihr alles wegfresst, dann werden unsere Menschen unglücklich sein und vor lauter Durst nicht einschlafen können! Hört also sofort damit auf, unsere Blätter auszusaugen! Sonst sagen wir das dem Winzer!“

Der aber weiß schon längst Bescheid. Auch er hat die Rebläuse kommen sehen. Und er ist ratlos. So viele waren es noch nie! Was soll er nur tun? So ein Unglück, solch ein Unheil in seinem geliebten Weinberg!

Doch die Saft saugenden Rebläuse kümmern sich weder um die jammernden Trauben noch um den verzweifelten Winzer. Voller Gier und einfach nicht satt zu kriegen, senken sie ihre Rüssel wieder und wieder tief in die Blattadern und stehlen den Trauben den wichtigen Lebenssaft. Ja, gleichsam als wollten sie die bereits geplagten Trauben noch verspotten, fallen ständig neue Scharen von Läusen vom Himmel und beginnen sofort mit dem Fressen. Weit über die Hänge des Rheins ist ihr Schmatzen zu vernehmen:

„Schmatz! Schmatz! Schmatz!

Er gibt uns Kraft

Dieser geile Blättersaft!

Die grüne Brühe tut uns gut,

Wie auch der ganzen Läusebrut!“

Das wiederum freut die Fee Morena, die auf der anderen Seite des Rheins über ihr Reich herrscht. Sie war es, die die Rebläuse geschickt hat. Aber warum nur? Warum?

Die Sache verhält sich so. Der alte Geist des Weinbergs, der im schönen Rheingau wohnt, und die Fee Morena, die aus Rheinhessen kommt, streiten sich meistens, wer die süßesten und schmackhaftesten Trauben hat und wer daraus den besseren Wein herstellt. Dieses Mal aber streiten sie gar so heftig. Morena ist empört:

„Natürlich ist unser Wein aus Rheinhessen besser als der eure aus dem Rheingau!“

Das wiederum ärgert den Geist des Weinbergs:

„Das glaubst du nur, Morena. Warum kommen denn so viele Touristen nach Rüdesheim und trinken unseren Wein?“

Darauf antwortet Morena:

„Weil sie dumm sind und keine Ahnung von einem guten Wein haben!“

Jetzt wird der Geist des Weinbergs richtig wütend und er vergreift sich im Ton:

„Du weißt doch selbst nichts über Wein, du alte Hexe! Du kannst ja noch nicht einmal weiße von blauen Trauben unterscheiden!“

Oh, je, das war zu viel! Morena ist tödlich beleidigt. Das mit der alten Hexe hätte sie ja noch hingenommen, aber dass sie die Trauben nicht voneinander unterscheiden könne, das schlägt doch dem Fass den Boden aus! Während sie jetzt aufsteht und weggeht, dreht sie sich noch einmal um und ruft:

„Ich werde mich für deine Frechheiten rächen, Weingeist! Deine dummen Rieslingtrauben werden bald ihr blaues Wunder erleben!“

Bei ihrem Verschwinden ist ein unglaublich lauter Knall zu hören und blauer Rauch steigt auf über dem Rheintal.

Es kommt, wie die Fee Morena es angekündigt hat; das Unheil ist da, und nach wenigen Tagen sind unsere Trauben nicht mehr wiederzuerkennen. Kraft- und saftlos hängen sie an ihren Stängeln und haben keinerlei Freude mehr an der lieben Sommersonne. Die Läuse dagegen sind weiterhin an der Arbeit, unstillbar scheint ihr Hunger zu sein. In ihrer Not beschließen die Trauben, sich an den Geist des Weinbergs zu wenden und diesen um Hilfe zu bitten:

„Oh, Geist des Weines! Ein großes Unglück ist über uns hereingebrochen! Die gefräßige Reblaus hat uns fest im Griff. Sie trinkt uns den Lebenssaft weg, und wir können nicht mehr wachsen und reifen. Wenn nicht bald ein Wunder geschieht, werden wir vertrocknen und absterben. Wer soll dann den Menschen ihren geliebten goldenen Rheingauer Wein liefern? Wir jedenfalls vermögen es dann nicht mehr. Bitte, guter Geist, sprich du mit den Läusen und bringe sie dazu, von uns und ihrem bösen Tun abzulassen!“

Der Geist des Weinbergs lebt in einer kleinen Höhle zwischen uralten Weinstöcken. Für Menschen ist diese Höhle nicht zu entdecken, aber die Trauben kennen ihren Weg. So haben sie auch keine Mühe, den Geist davon zu überzeugen, dass er ihnen helfen soll, denn der Geist selbst ist einem guten Tropfen keineswegs abhold. Außerdem plagt ihn sein schlechtes Gewissen, denn schließlich trifft ihn ja ein gut Teil der Schuld. Hätte er die Fee Morena nicht herausgefordert, wären die Rebläuse nicht über seine Weinberge hergefallen. Aber das verrät er den besorgten Trauben natürlich nicht.

Noch vor Einbruch der Dunkelheit verlangt er, den Anführer der Reblausarmeen zu sprechen. Doch ganz so einfach, wie es klingt, ist das nicht, denn die Läuse sehen alle gleich aus, und keiner von ihnen will sein Fressen unterbrechen, um nach ihrem Chef zu suchen. Nur durch inständiges Bitten an eine besonders fette Reblaus, deren Bauch bereits zum Platzen voll ist und die beim besten Willen nichts mehr hineinbringt, gelingt es dem Weingeist, den Anführer der Rebläuse ausfindig zu machen. Der aber ist höchst ärgerlich, dass er beim Essen gestört wird, und lauscht nur missmutig dem, was der Geist des Weinbergs vorbringt. Ganz empört mit erhobenem Rüssel reagiert er dann: