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Mit uns und neben uns leben "Schattenmenschen"! Schon heute gehören bis zu 40% der Bevölkerung zu ihnen: Menschen, die fleißig ihrer Arbeit nachgehen und die scheinbar gut in unserer Gesellschaft zurecht kommen. Und dennoch unterscheiden sich ihre Lebensumstände wesentlich von denen der Bevölkerungsgruppe, die man gemeinhin als die "urbane Mitte" bezeichnet. "Schattenmenschen" besitzen in der Regel keine Häuser oder Eigentumswohnungen, sie arbeiten im zumeist niedrig entlohnten Dienstleistungssektor und ihre Aufstiegschancen sind gering. Aber nicht nur ihre ökonomische und soziale Situation ist stets unsicher, auch ihre Zukunfstaussichten sehen beängstigend aus: Schon heute können sie sich ausrechnen, dass ihre Rente vorne und hinten nicht reicht. Lange Zeit haben die "Schattenmenschen" zu alledem geschwiegen, doch jetzt sind sie politisch aktiv geworden...
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Seitenzahl: 197
Veröffentlichungsjahr: 2020
Dank an all` die Schattenmenschen, die mir heute schon begegnet sind...
Vorwort
Kapitel : Wie alles begann
Kapitel : Grenzenlos glücklich
Kapitel : Fürchte Dich im Dunkeln
Kapitel : Zerschellte Träume
Kapitel : An den Rand gedrängt
Kapitel : Schizophren
Kapitel : Der Kampf gegen die„Schattenmenschen“
Kapitel : Die geistige Erschöpfung der„Urbanen Mitte“
Kapitel : Die Krise der repräsentativen Demokratie
(Quellen aus dem Internet werden der Einfachheit halber mit den wichtigsten Stichworten gekennzeichnet, wodurch sie ebenso leicht auffindbar sind, wie durch die Nennung einer IP-Adresse, bei deren Eingabe sich leicht Fehler einschleichen können.)
Kennen Sie noch die alten Hollywood-Filme aus den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts? Oftmals erscheinen darin als Butler, Koch oder Köchin oder als Reinigungskraft Personen, die in zwei Eigenschaften den übrigen Akteuren dieser Filme überhaupt nicht entsprechen: einerseits sagen sie kaum etwas und andererseits sind sie schwarz.
Wie Schatten tauchen sie ab und an in den zumeist Schwarzweiß-Filmen auf, selten erfährt man etwas von ihnen. Vielleicht wohnen sie irgendwo in einer Kammer - das war`s.
Und irgendwie gehören sie allem Anschein nach nicht zu Cleversten.
Die Situation der realen Schwarzen in den USA, mittlerweile Farbige oder Afroamerikaner genannt, hat sich seitdem nur graduell gebessert - trotz der Bürgerrechtsbewegung, trotz JFK und Martin Luther King. Weiterhin stehen sie sozial im Schatten, auch wenn es jetzt erheblich mehr schwarze Stars gibt, ja es sogar einen schwarzen Präsidenten gab. Nicht nur bestimmen bei der weißen Bevölkerung, wie eh und je, oftmals Vorurteile bis hin zum Rassismus die Einstellung zu Ihnen, nein auch die Möglichkeit gesellschaftlich aufzusteigen, steht ihnen in der Regel nicht offen.
Sagen wir es offen: Viele Schwarze leben weiterhin am Rande der Gesellschaft, leben in unsäglichen Wohnungen, in unsäglichen Gegenden, in unsäglichen Umständen.
Kurzum: Im (gesellschaftlichem) Schatten…
Was ihre Situation noch verschlimmert: Mehr und mehr bilden sie eine kleiner werdende Minderheit zwischen asiatischen und mexikanischen US-Neubürgern. Ein Schwarzer, der sich um einen Job bei seiner Kommune beworben hatte, erfuhr dies beispielhaft, als er deswegen abgelehnt wurde, weil er kein Spanisch konnte, was auf Grund der vielen dort lebenden Mexikaner Voraussetzung für die Einstellung war.
Nun gibt es auch bei uns solche schattenmenschenhaften Minderheiten, etwa Sinti und Roma , insbesondere aus Rumänen und anderen osteuropäischen Ländern stammend, aber um solche Minderheiten geht es mir nicht in erster Linie. Es geht um Menschen von „nebenan“, die im Schatten stehen, und zwar derart, dass die anderen dies nicht wahrnehmen. Sie verschmelzen mit dem Schatten zu einer unwahrnehmbaren Einheit.
Da aus Umfragen bekannt ist, dass immer mehr Bürger immer weniger Bücher lesen und das vor allem diejenigen Bücher lesen, die sowohl eine etwas höhere Bildung als auch ein auskömmliches Einkommen ihr eigen nennen können, gehe ich davon aus, dass die Mehrheit der Leser dieses Buches, sich kaum besondere Gedanken über diese Schattenmenschen mitten unter uns gemacht hat, weil sie diese gleichsam „übersehen“. „Falsch“, werden Sie sagen, “ich bedauere die Obdachlosen, die Hartz IV-Empfänger, na ja, genauer deren Kinder, die zwischen riesigen Flachbildschirmen und Alkohol aufwachsen müssen.“
Richtig, diese am sozialen Rand lebenden Menschen gehören auch zu den Schattenmenschen, aber die meine ich nicht in erster Linie. Es gibt noch viel mehr Schattenmenschen, die Ihnen bislang nicht aufgefallen sind und wenn sie dann wirklich Mal in den Focus Ihrer Aufmerksamkeit geraten, meine lieben Leser, dann tauchen bei Ihnen, wie Sie noch sehen werden, eine ganze Reihe von Vorurteilen auf, die Sie gegenüber dieser Gruppe hegen.
„Ach, Vorurteile? Wir doch nicht! Aber wen meinen Sie überhaupt?“
Diese Frage versuche ich in diesem Buch zu beantworten.
Und deswegen richte ich nunmehr meinen gedanklichen Scheinwerfer genau auf diese Schattenmenschen, damit sie endlich sichtbar werden.
Auch für Sie!
Historische Rückblicke sind in der Regel für den Leser eher langweilig. Deswegen möchte ich nicht zu weit ausholen und bemühe mich das Ganze in aller Kürze abzuhandeln.
Bei dieser Vorgehensweise vereinfacht man bekanntermaßen, so dass sich an einzelnen Punkten eine Kritik an meiner mangelnden Durchdringung des Themas ergeben mag. Insofern stellt dieser Rückblick einzig ein grobes Raster dar, erscheint mir aber dennoch grundsätzlich zutreffend zu sein.
Beginnen wir nach dem 2.Weltkrieg: Gleich mehrere Faktoren führten dazu, dass kurz nach diesem Krieg in den meisten westlichen Staaten, wenn auch teilweise zeitlich versetzt, ein enormer wirtschaftlich/industrieller Aufschwung begann, der alsbald auch breite Bevölkerungskreise erfasste. Bezogen auf die Bundesrepublik hieß dies: Da die Siegermächte die Forderungen nach Reparationsleistungen nicht erhoben, die USA durch eine Vielzahl von Aufbauplänen die BRD (aber auch Westeuropa ) finanziell auf die Beine halfen (Marschallplan), und durch die Betonung und Herausarbeitung einer „sozialen Marktwirtschaft“ durch Ludwig Ehrhardt – wusste man doch nicht, ob das ostdeutsche Gegenmodell nicht möglicherweise erfolgreich sein würde -, gelang es der westdeutschen Wirtschaft, vor allem nach der Währungsreform, erstaunlich schnell wieder in Gang zu kommen. Bekanntermaßen nannte man dieses „in Gang kommen“ „Wirtschaftswunder.“
Nun erfasste dieses Wirtschaftswunder keineswegs sofort in gleichem Maße die gesamte Bevölkerung: Millionen von Flüchtlingen mussten integriert werden, lange Zeit gab es noch hohe Arbeitslosenzahlen, die Löhne stiegen nur mäßig. Rein faktisch profitierten von dieser Entwicklung zunächst die Industrie, die Immobilienbesitzer und jener Mittelstand, der diese Aufbruchsstimmung für sich zu nutzen verstand. Aus kleinen Unternehmungen, wie etwa Neckermann oder Grundig, wurden z.T. wirtschaftliche Giganten; eine junge Frau, Beate Uhse, die nach dem zweiten Weltkrieg Kondome verkaufte, wurde dann zur Chefin eines immer größer werdenden Sex-Unternehmens usw. usf. .
Der politische Erfolg eines Bundeskanzlers namens Konrad Adenauer, dessen CDU/CSU schon 1957 die absolute Mehrheit der Wähler für sich gewinnen konnte, unterstreicht das sich ausbreitende Gefühl der Westdeutschen, trotz vieler sozialer Probleme alsbald auch „Teil“ dieses Wirtschaftswunders zu werden.
An diesem Punkt angelangt, sind wir auf einen Sachverhalt gestoßen, der herausgehoben gehört: wer sich auf der gesellschaftlichen „Gewinnerseite“ einordnet, muss keineswegs im Moment zu den wirklichen Gewinnern gehören, es genügt, dass er das Gefühl hat, morgen schon dazu gehören zu können.
Und die Menschen hatten sich nicht geirrt: abgesehen von einer kleinen Wirtschaftskrise 1966/67 nahm das Wirtschaftswunder von Jahr zu Jahr immer mehr an Fahrt zu, stiegen die Löhne, entstand das, was wir „Konsumgesellschaft“ nennen.
Die größte Oppositionspartei, die SPD, kapitulierte schon 1959/60 angesichts dieser Entwicklung. Godesberger Programm, so nennt sich dann die Kapitulationsurkunde, nichts weniger als eine fast vollständige Anerkennung der „sozialen Marktwirtschaft“ und der damit einhergehenden politischen Rahmenbedingungen, wie etwa der Westintegration inklusive einer neuen Bundeswehr.
Zwischen 1950 und 1975 verzeichnete die Bundesrepublik ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von jährlich 5,09 %, aber das Jahr 1973 leitete die Wende ein, die sich allerdings schon Anfang der neunzehnhundertsiebziger Jahre mit sinkenden Wachstumszahlen ankündigte . Indem arabische Ölförderländer nach dem für Israel siegreichen arabisch-israelischen „Jom-Kippur-Krieg“ die Ölforderung drosselten, um Israel dazu zu bringen, die im Krieg besetzten Gebiete zu räumen und den Westen, Israel die Unterstützung zu entziehen, erhöhte sich der Preis für Öl stark und löste ein wirtschaftliches Beben in den Industriestaaten aus. So fiel das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in Deutschland von 1976-1992 auf 2,36 %, die Arbeitslosigkeit stieg langsam aber stetig an und soziale Probleme wurden immer größer.
Die sogenannte Ölkrise war aber nur ein Faktor unter vielen, die für das Ende des rasanten Wachstums nach 1950 verantwortlich waren. Ein weiterer bestand darin, dass neue wirtschaftliche Konkurrenten wie etwa Japan oder Süd-Korea die alleinige wissenschaftlich/industrielle Vormachtstellung des Westens ins Wanken brachten, so dass selbst traditionelle Teile der Industrie in Schwierigkeiten gerieten, wie etwa die Werften, oder der lange Zeit boomende Unterhaltungselektroniksektor.
Die eigentliche Problematik geringer wirtschaftlicher Wachstumszahlen bestand und besteht aber darin, dass in einer solchen Situation durch Effizienzsteigerungen der industriellen Produktion mittels Rationalisierung und Automatisierung, mehr Industriearbeitsplätze wegfallen als neu geschaffen werden. Da aber gerade die Industrie die bestbezahlten Arbeitsplätze bot (und bietet), nicht zuletzt durch die Tätigkeit der durch die deutsche soziale Marktwirtschaft voll anerkannten Gewerkschaften, verringerte sich auch noch die Kaufkraft der Bevölkerung insgesamt, was wiederum das Wirtschaftswachstum negativ beeinflusste.
Etwas mehr oder etwas weniger, früher oder später, erfasste diese Entwicklung so gut wie alle westlichen Industriegesellschaften.
Das Erstaunliche war, alle Mittel, die die Ökonomen zur Veränderung der Situation vorschlugen, etwa staatliche Wirtschaftsprogramme, wie sie auch die SPD/FDP-Regierung unter Helmut Schmidt auflegte, besaßen plötzlich nur noch einen Strohfeuereffekt. In den USA löste der Präsident Reagan noch einmal einen kleinen Boom durch Steuersenkungen aus, der anhielt, bis Reagan seine zweite Amtsperiode beendet hatte und der Staat auf einem bisher so nie gekannten hohem Niveau verschuldet war. Und das, obwohl die USA im Vergleich zu den meisten Ländern in Europa im Grunde nur über ein rudimentäres und somit mehr als dürftiges soziales Netz verfügten und bis heute verfügen.
Gerade aber dieses niedrige Niveau der sozialen Sicherheit bei Arbeitslosigkeit und/oder Krankheit führte dazu, dass bisherige Industriearbeiter sich plötzlich in dem sowieso auf Grund der niedrigeren Löhne stetig anwachsenden Dienstleistungssektor einreihen mussten.
Typischer amerikanischer Optimismus und der ungezügelte Gebrauch der Kreditkarte führten dazu, dass die USA, die größte Exportnation nach dem zweiten Weltkrieg, nun allmählich zu einer Importnation wurden, wodurch noch weitere Industriearbeitsplätze vernichtet wurden, der Wert der Währung verfiel und ein monströses Handelsbilanzdefizit entstand, welches bislang nur dadurch nicht zu noch größerer Inflation geführt hat, weil alle jene Länder , die ihre Produkte in die USA verkaufen, diesen immer weitere Kredite gewähren, um nicht die eigenen Wachstumszahlen zu gefährden.
Aber: Obwohl geschönt, wie in allen anderen Industrieländern des Westens (wenn nicht sogar überall!) war die Arbeitslosigkeit in den USA kein wirkliches Problem mehr.
(Es gibt natürlich noch eine Reihe weiterer Faktoren für diese Entwicklung, u.a. eine Abnahme der Nachfrage insgesamt auf Grund der „Sättigung“ der Märkte u.a.m. – doch für unseren Gedankengang möge diese Vereinfachung genügen.)
Der Regierung Kohl gelang es in den 1980iger Jahren nicht, den allmählichen Anstieg der Arbeitslosigkeit wirklich zu stoppen, und das obwohl mit der Auflösung des realexistierenden Kommunismus sich ganz neue Märkte auftaten und durch die Wiedervereinigung Deutschlands nunmehr der absolut größte Binnenmarkt in Europa entstand.
Im Gegenteil: Die ehemalige DDR büßte innerhalb kürzester Zeit den größten Teil ihrer Industriearbeitsplätze ein, einerseits weil die bisherigen Kombinate sofort einer westdeutschen (und internationalen) Konkurrenz ausgesetzt waren und andererseits, weil die Treuhand wie eine Hedgefond-Heuschrecke bestehende Strukturen zerschlug.
Davon hat sich Ostdeutschland bis heute nicht erholt! Schon 1993 fiel sogar das Bruttosozialprodukt im vereinigten Deutschland um 1%!
Dementsprechend stieg die Arbeitslosigkeit, nach einem leichten Rückgang von 1989/90 bis 1998, auf über vier Millionen – ein wichtiger Grund dafür, dass 1998 eine Regierung aus SPD und Grünen unter Bundeskanzler Schröder Herrn Kohl ablösen konnte.
Aber zunächst gelang es auch dieser neuen Regierung nicht, den Zustand zu ändern, gleichwohl der „Neue Markt“ anscheinend durch die massenhafte Gründung von Internetfirmen kurzfristig eine Verbesserung versprach. Nachdem auch diese Blase platzte, die viele Deutsche auf Grund der scheinbaren unbegrenzten Möglichkeiten zu Aktienbesitzern gemacht hatte - Aktien allerdings, die wenig später oftmals zu wertlosem Papier wurden -, schlug die Regierung Schröder , ähnlich wie Blair in England, durch die Hartz-Gesetze einen Weg ein, den schon die USA in Hinsicht auf einen Abbau der Arbeitslosigkeit mit Erfolg gegangen waren: Den Umbau einer Industriegesellschaft zu einer Dienstleistungsgesellschaft!
Ohne böswillig zu sein, bedeuteten die Hartz-Gesetze eine radikale Senkung der Sozialstandards für Arbeitslose, die nach 18 Monaten auf den bekannten Hartz 4 – Satz herunter gesetzt wurden und das galt/gilt auch nur für diejenigen, die bis auf ein kleines Restvermögen keine eigenen Mittel mehr besaßen. Kurzum: es handelt(e) sich um moderne eine Form der Enteignung des „kleinen Mannes“ - in mehrerer Hinsicht.
Nunmehr kam es nicht mehr darauf an, welche Ausbildung jemand hatte, in welchem Beruf er gearbeitet hatte, sondern er wurde durch Androhung von Sanktionen gezwungen, jeden ihm angebotenen Job anzunehmen, bei Weigerung wurde sogar sein Hartz-IV-Satz noch einmal gesenkt!
Dadurch gab es mit einem Mal Millionen von Bewerbern, die von Staats wegen, selbst niedrigste bezahlte Arbeitsplätze im sowieso größtenteils nur niedrige Löhne zahlendem Dienstleistungsbereich, annehmen mussten. Im Einzelfall stockt(e) das Job-Center, wie sich nun das Arbeitsamt nannte, sogar zu niedrige Löhne auf, um nun endlich mit aller „Gewalt“ die offiziellen Arbeitslosenzahlen zu senken, die zunächst sogar noch gewaltig angestiegen waren, weil man auch die bisherigen Sozialhilfeempfänger zu Job-Center-Kunden umdeklariert hatte .
Schröder selbst konnte einen möglichen Erfolg seiner Maßnahmen zumindest nicht mehr als Kanzler erleben, weil er auf Grund des Unmutes in weiten Teilen der Bevölkerung mit gewerkschaftlich organisierten Demonstrationen, Montagsdemos im Osten etc., nach einer SPD-Wahlniederlage in Nordrhein-Westfahlen, immerhin recht demokratisch handelnd, seine Politik und sich selbst einer vorgezogenen Neuwahl stellte, die er gegenüber seiner Konkurrentin, Frau Merkel, knapp verlor.
Gegen einen Erfolg der Hartz-Gesetze sprach allerdings von vornherein, dass geringere Löhne im Dienstleistungsbereich auch letztendlich eine verringerte Binnennachfrage bedeuteten, die allerdings eventuell durch einen Mittelstand ausgeglichen werden konnte, der nunmehr auch auf die Nachkriegsvermögen ihrer Eltern zurückgreifen konnte .
Doch es kam anders: In dem Moment, in dem China sowohl als Produzent, als auch als großer Markt, immer erfolgreicher zu einer führenden Industrienation wurde, erhielten traditionelle deutsche Unternehmen des Anlagenbaues etc. bis hin zu Automobilfirmen einen neuen Auftrieb – noch verstärkt durch wachsende Wirtschaften in den sogenannten Schwellenländer, wie Indien und Brasilien. Die Globalisierung sorgte dafür, dass mit einem Mal auch Deutschland wieder eine der führenden Industrie-und Exportnation wurde, doch die Zahl der Industriearbeitsplätze stieg nur wenig. Im Grunde wurden bestehende Produktionsstätten nur aufgestockt, rationalisiert, automatisiert oder gleich ins Ausland verlegt. Während 1950 im produzierenden Gewerbe 44,7% der Beschäftigten arbeiteten und nur 33,1% im Dienstleistungsbereich, waren es 2019 nur noch 24,1%, die im produzierenden Gewerbe und 74,5, die im Dienstleistungsbereich arbeiteten.1
Die durch die Hartz-Gesetze vorgegebene Richtung der Entwicklung hin zur Dienstleistungsgesellschaft blieb bestehen. Und die niedrigen Löhne gerieten noch einmal unter Druck, weil Arbeitskräfte aus anderen europäischen Ländern, insbesondere aus dem nunmehr mehrheitlich zur Europäischen Union beigetretenen Ländern Osteuropas, auf den deutschen Arbeitsmarkt drängten.
Schließlich blieb auch der Regierung Merkel, um das Lohndumping zu stoppen, nichts weiter übrig, als einen Mindestlohn einzuführen. Mit 7,50 Euro war er allerdings so niedrig, dass viele Menschen davon mal gerade so eben über die Runden kamen. Ab 2005 stieg die „statistische“ Armut in Deutschland drastisch an und erreichte 2017 mit 19% der Bevölkerung einen neuen Höchststand, ebenso die Kinderarmut, die in Westdeutschland 12,4% und in Ostdeutschland 23,7% aller Kinder betraf.
Alle kleine Nachbesserungen im Detail haben diese Entwicklung nicht aufgehalten, im Gegenteil: indem versucht wurde, die bisherige Form der Rentenfinanzierung, die Aufteilung der durch Arbeitende eingezahlten Sozialabgaben, zu denen noch ein etwas gesunkener(!) jeweiliger Arbeitgeberanteil kommt, durch Besteuerung und Krankenkassenbeiträge für Rentner und Heraufsetzung des Renteneintrittsalters , einigermaßen zu halten, droht nunmehr knapp 10 Millionen Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiten, später gleichsam automatisch eine Minirente. Die gerade eben von jetzigen großen Koalition verabschiedete „Grundrente“ belegt, dass diese Problematik den Politkern/innen bewusst geworden ist, aber da die im Moment noch zu verabschiedende Grundrente an jahrzehntelange Beitragsjahre gekoppelt ist, fallen schon wieder eine ganze Reihe von Arbeitnehmern aus dem Raster. Hinzu kommt: Die Einführung der Riesterrente, die eine solche schon vorhergesehene negative Rentenkarriere verhindern sollte, war letztendlich ein Fehlschlag, weil genau jene, die „riestern“ müssten, es auf Grund ihrer finanziellen Situation kaum oder gar nicht können, ganz abgesehen davon, dass sich die Versprechungen der Riesterrente erst in der Zukunft als richtig , teilweise richtig oder sogar als falsch erweisen werden.
Das alles widerspricht so sehr den vollmundigen Reden der Politiker/Innen von SPD/CDU/CSU/FDP und den Grünen, in denen es fast unisono heißt: es ginge den Deutschen doch insgesamt großartig , dass es eigentlich selbst recht naiven Zeitgenossen auffallen müsste!
Aber es kommen noch weitere negative Begleiterscheinungen hinzu, darunter Mietpreissteigerungen, weil die Städte zu Magneten für Menschen wurden, die Jobs , aber eben vor allem besser bezahlte Jobs suchen - und nicht nur Leute vom Lande ziehen in die Ballungsgebiete, sondern auch EU-Arbeitskräfte und Migranten.
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Exportüberschuss Deutschlands, der insbesondere nach Einführung des Euros zu einer ökonomischen deutschen Dominanz in Europa geführt hat, die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Ländern Europas so stark behindert, dass diese im Gegensatz zu Deutschland, wo zumindest die offiziellen Arbeitslosenzahlen deutlich gefallen sind, eine hohe Arbeitslosigkeit und vor allem eine zum Teil katastrophale Jugendarbeitslosigkeit aufweisen, wodurch dermaßen drastische soziale und politische Probleme entstanden sind, dass, wie z.B. in England eine Mehrheit der Bevölkerung in einem Referendum für den Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft stimmte.
Nun könnte man behaupten – und der Ex-Kanzler Schröder wird nicht müde, dies stets zu betonen-, die durch die Hartz-Gesetze eingeleitete Entwicklung sei doch im Grunde erfolgreich, wäre demnach die einzig mögliche Antwort überhaupt gewesen, um auf den Abbau von Industriearbeitsplätzen zu reagieren. Im Sinne der konkreten Handlungsmöglichkeiten eines bundesdeutschen Kanzlers könnte man ihm sogar zustimmen. Aber da gibt es ein kleines Problem: so richtig es ist, dass der Dienstleistungsbereich Arbeitskräfte benötigt – Fenster putzen sich nicht allein durch Maschinen, Pakete kommen noch nicht per Drohne angeflogen und Brötchen verkauft in der Regel kein Automat, so sehr herrscht gerade im Dienstleistungsbereich ein gnadenloser Wettbewerb der Unternehmen: Die Kosten zur Gründung eines Dienstleistungsunternehmens sind zumeist überschaubar und um sich dann zu behaupten, gibt es nur eine Möglichkeit konkurrenzfähig zu bleiben, indem man nicht überall, aber in vielen Bereichen an den Lohnkosten spart und zwar nicht nur, wie in der Industrie, indem Arbeitsplätze durch Automatisierung/Rationalisierung abgebaut werden, sondern indem man von vornherein mit niedrigen Löhnen kalkuliert. Deswegen fehlt diesem „Aufschwung“ ein ganz entscheidender Faktor, der die Wirtschaftswunderzeit stets begleitete: Das subjektive Gefühl schon morgen vielleicht von der allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungsbewegung zu profitieren.
Genau das Gegenteil ist der Fall, wie wir noch sehen werden.
1 Quelle: statista/online : Anteil der Wirtschaftsbereiche an der Gesamtbeschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland von 19502019
Nun werden nicht überall in der Dienstleistungsbranche nur niedrige Löhne bezahlt, sondern es gibt eine Reihe von Bereichen, sei es in der Verwaltung, im IT-Bereich und dort, wo gut ausgebildete Fachkräfte dringend benötigt und dementsprechend bezahlt werden, in denen also die Bezahlung sogar gut bis sehr gut ist.
Neben einem kleiner werdenden traditionellen Mittelstand (Selbstständige Berufe, höhere Angestellte) und einem Mittelstand, der deswegen auch zum Mittelstand gezählt werden kann, weil er kleinere oder größere (Nachkriegs-)-Vermögen vererbt bekommt, und gut entlohnten Industriearbeitern, kommen nun zum Mittelstand auch die gut verdienenden Fachkräfte im Dienstleistungsbereich hinzu. Und diesem gesamten Personenkreis, inklusive der „oberen Zehntausend“, geht es in der Tat wirtschaftlich gut. Ihre Kinder besuchen die höheren Schulen, bevölkern die Universitäten und sehen einem Leben ohne besondere finanzielle Probleme entgegen, während ihre Eltern in großer Zahl die Welt bereisen, je weiter, desto besser. Ein Studienplatz für Junior oder Juniora in Spanien oder den USA?
Na klar!
Der neueste Mercedes-SUV?
Eine Kreuzfahrt um die Welt?
Zu Sylvester in Kitzbühl? Oder Kalkutta?
Alles erschwinglich: die Welt gehört uns!
Heute arbeiten die Eltern bei großen Konzernen in Deutschland, morgen schicken diese Konzerne diese Eltern nach Singapur und übermorgen nach Brasilien. Die Welt ist ein Dorf!
Der politische Niedergang der Sozialdemokraten nach jener knapp verlorenen Bundestagswahl , durch die Angela Merkel zur langjährigen Kanzlerin wurde – hätte Schröder sie gewonnen, wäre es ihm wahrscheinlich gelungen weite bürgerliche Kreise für sich einzunehmen-, und trotz der Enttäuschung vieler alter SPD-Genossen/Innen darüber , dass Schröder die SPD zur stärksten Partei machen wollte, indem er eine Politik für die bürgerliche Mitte machte -, hat dazu geführt, dass die SPD bisherige traditionelle Wähler aus der Arbeiterschicht verlor, und sich die bürgerliche Mitte wieder verstärkt der CDU/CSU zuwandte. Kurzum: Die bürgerliche Mitte sah nun auch keinen Grund mehr, in ihrer Mehrheit die SPD zu unterstützen, denn der Mohr, der Kanzler der Bosse, hatte seine Schuldigkeit getan. Und Bundeskanzlerin Merkel, zwar oftmals entscheidungsschwach und ohne eigentliche politische Vision, ist als Politikerin einsame Spitze. Geradezu mit traumwandlerischer Sicherheit gelang es ihr, die CDU zu modernisieren. Plötzliche und vollkommen unerwartete politische Kehrtwendungen waren für sie kein Problem: Erst soll es keine Mehrwertsteuererhöhung geben, dann, nach der Wahl, legt Frau Merkel doch 3% drauf; erst steigt sie aus dem Atomausstieg der vorherigen SPD/Grünen-Koalition wieder aus, um dann, nach dem Super-Gau im japanischen Atomkraftkraftwerk Fukushima, wieder voll in den Ausstieg einzusteigen.
Mindestlohn, Homo-Ehe – bis gestern für eine CDU Bundeskanzlerin eigentlich undenkbar, heute durch sie selbst schon Realität. Oder: Eben noch Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge und morgen Verschärfung der Asylgesetze – all diese Pirouetten vollführte sie, ohne die Miene zu verziehen.
Die Wähler haben es ihr bis zur Bundestagswahl 2017 stets gedankt.
Und in der Tat: Der oben beschriebene Mittelstand ist leidet nicht etwa an politischer Blindheit. Im Jahre 2018 ließ der Sparkassen.- und Giroverband eine Umfrage zur finanziellen Zufriedenheit der Bevölkerung durchführen und der zufolge konnten sich 63% nicht beklagen.2
Und gerade weil sich diese 63% schließlich nicht dem Eindruck entziehen können, dass mittlerweile, sei es beim Umweltschutz, bei der Euro-Währung, bei der Europäischen Union, bei den weltpolitischen Spannungen, keineswegs alles mehr zum Guten steht, halten die meisten von ihnen, wenn auch mit fallender Tendenz bei Wahlen, treu zu einer parteipolitischen Konstellation (Große Koalition), die zwar nur auf Sicht Politik betreibt, aber dennoch bislang erfolgreich behauptet, es gäbe eigentlich gar keine besonderen Probleme, und die allem Anschein nach doch besonders erfolgreich für diese 63% gearbeitet hat.
Da wird es sogar hingenommen, dass Erspartes zinslos bleibt und genau diese 63% dadurch die Probleme anderer europäischer Länder, und die des eigenen in Hinsicht auf die Staatsverschuldung, indirekt bezahlen müssen, Probleme, die nicht allein, aber dennoch durch die deutsche ökonomische Dominanz im Euroraum angeheizt wurden und werden. Denn die deutsche Wirtschaftskraft vermag es, die übrigen europäischen Länder mit seinen Produkten zu überschwemmen, auch wenn vor allem in Nordeuropa weitere Staaten, ihrerseits große europäische Exporteure sind, aber da sind auch jene in Süd-und Osteuropa, die dieser Warenflut kaum etwas entgegenstellen können. Ohne die gemeinsame Währung gäbe es die Möglichkeit, diese Situation durch eine Abwertung ihrer eigenen Währung zu korrigieren und auszugleichen, weil dann die auf den einheimischen Markt drängenden ausländischen Produkte automatisch teurer und (so die Hoffnung) auch weniger würden, aber im Verbund der EU und dem Euro ist man geradezu hilflos.
Im Grunde wird mehr gespürt als gewusst, dass Deutschland dadurch auf dem Vulkan tanzt ( oder, den anderen davon betroffenen Ländern auf der „Nase“), aber warum sollte man nicht weitertanzen, wenn der Vulkan vielleicht erst in 10, 20 oder 100 Jahren ausbricht?
Daraus kann zunächst kein Vorwurf gegen diese politische Mitte abgeleitet werden, weil es sich um ein äußerst starres politisches System handelt, in dem sie sich befindet. CDU/CSU, SPD, FDP, „Die Grünen“ und seit einiger Zeit sogar die Linkspartei sind sich in fast allen wesentlichen Punkten einig: Wir leben hier in Deutschland in einer der besten Demokratien, die Deutschland je hatte; Wir sind ein reiches Land; wir sind tüchtig und wirtschaftsstark, gestern, heute und morgen. Und weil die 63% davon sowohl subjektiv als auch objektiv profitieren, vertrauen sie denen, die ihnen dies vollmundig für die Zukunft garantieren.
Und so düsen jene Deutschen bis in die entferntesten Winkel der Erde, ob nach Thailand, Brasilien oder China.
Wie wäre es mit Kenia?
Sie können dann gar nicht verstehen, weshalb in den USA ein gewisser Trump plötzlich Präsident werden konnte, weshalb es bei genauer Hinsicht in den vielen Winkeln der Welt geradezu erbärmlich aussieht, genauso erbärmlich wie es auch die dortigen Lebensverhältnisse für die meisten dort lebenden Menschen sind. Wer`s nicht mehr sehen will, bleibt eben in den weitläufigen Hotelanlagen und Tourismuszentren.
Aus jenen 63% rekrutiert sich auch die politische Führung, ihr Leben wird beschrieben in Romanen, in Fernsehserien, in Kinofilmen.
Achten Sie mal darauf: Diese fiktiven Helden und Heldinnen sind in der Werbebranche tätig, oder Rechtsanwalt/in, Arzt-/in, betreiben ein kreatives Weingeschäft oder arbeiten im gehobenen öffentlichen Dienst. Manche schlagen sich als Kommissare/Innen durchs gesellschaftliche Dickicht, entwerfen Mode, sind Ingenieure/innen und/oder sind im hochengagierten Auslandseinsatz für große Konzerne. Daraus ergeben sich dann landschaftlich schöne Filme: In Südafrika, den USA oder in Burma.