Schockverliebt - Der Schwur - Stefan Kovacz - E-Book

Schockverliebt - Der Schwur E-Book

Stefan Kovacz

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Beschreibung

Schockverliebt ist der 18-jährige Erik Schreiber, als er zu Beginn seiner Ausbildung beim Autohaus Lockermann auf die gleichaltrige Blondine Lara trifft, die sein Leben fortan völlig auf den Kopf stellt. Im Gegensatz zu dem jungen Computerfreak kommt Lara aus schwierigen Verhältnissen und ist stets knapp bei Kasse. Mit allen Mitteln versucht er das Herz seiner Traumfrau zu erobern und muss schon bald feststellen, dass auch andere an der zierlichen und naiven Schönheit Interesse zeigen und es dabei nicht von Vorteil ist, in einer kleinen Ortschaft zu leben, wo jeder jeden kennt und die eigene Mutter als Friseurin arbeitet. Das seine Widersacher jedoch ausgerechnet aus den Reihen des Autohauses kommen und ganz eigene Interessen an der jungen Lara haben, stellt den unerfahrenen Jungen vor große Herausforderungen. Zentrale Rolle scheint dabei Laras unscheinbare Kollegin Melina zu spielen, die augenscheinlich in Geld schwimmt und etwas zu verbergen hat. Doch auch der Juniorchef spielt ein falsches Spiel und stellt sich ihm entgegen. Gleichzeitig muss Erik feststellen, dass auch er nicht frei von Fehlern ist und den Reizen anderer Frauen erliegt. Als Lara sich dann jedoch entscheidet, den Führerschein zu machen und er hinter das Geheimnis der rothaarigen Melina kommt, gerät die Situation zunehmend außer Kontrolle.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Schockverliebt- Der Schwur - 

 

Impressum

Erstausgabe: November 2022

Text: © S. Kovacz

Kontakt: [email protected] 

S.Kovaczc/o AutorenServices.deBirkenallee 2436037 Fulda

Coverbild oben: © Михаил Решетников – stock.adobe.comCoverbild unten: © kerkezz – stock.adobe.com

Alle Rechte vorbehalten.Stefan Kovacz

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Alle in diesem Buch beschriebenen Personen sowie die Handlung sind rein fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist nicht beabsichtigt und rein zufällig. Für Jugendliche unter 18 Jahren nicht geeignet.

 

 

 

 

 

 

 

Schockverliebt – Der Schwur!

 

1.

Schockverliebt!

Als die Tür des üppig gefüllten Besprechungszimmers geöffnet wurde und eine junge Blondine den Raum betrat, war es um den gerade mal 18-jährigen Erik Schreiber geschehen. Wie ein Blitz hatte es ihn aus heiterem Himmel erwischt. Er streckte den Hals und verfolgte gebannt jeden Schritt des offenbar gleichaltrigen Mädchens, das im nächsten Augenblick von ihrem gemeinsamen künftigen Chef, dem Inhaber des Autohauses Lockermann, willkommen geheißen wurde. Der schüchterne Junge konnte sich nicht vom Anblick des bildschönen Mädchens lösen und bekam somit nicht mit, dass die anderen Azubis, die mit ihm zusammen auf den Beginn der offiziellen Begrüßung warteten, ebenfalls ihre Hälse streckten und der blonden Schönheit hinterher starrten.

„Jetzt beginnt der Ernst des Lebens.“, hatte sein Vater Egon ihm am Vorabend gesagt und ihm kumpelhaft auf die Schulter geklopft.„Jetzt wird aus meinem Sohn ein richtiger Mann.“Eigentlich waren Eriks Vorstellungen von seiner Zukunft eine gänzlich andere, als eine Ausbildung beim einzigen örtlichen Autohaus zu machen. Zumal die Ausbildungsstelle sein Onkel Udo ihm besorgt hatte. Onkel Udo arbeitete seit vielen Jahren im Verkauf des Autohauses, war stets adrett angezogen und liebte seinen Job wie kein anderer. Er war der geborene Automobilverkäufer und lebte für seinen Beruf. Udo erfüllte sämtliche Klischees, präsentierte sich selbstverliebt und war jemand, der seinen Job nie ablegen konnte. Erik hatte ihn noch nie leiden können und doch hatte er es ausgerechnet ihm zu verdanken, dass er nun mit zahlreichen anderen jungen Menschen in einem Raum saß und auf die Begrüßungsrede seines Chefs und den Ausbildungsleitern wartete.

Dass er die letzten anderthalb Schuljahre in den Sand gesetzt hatte, ärgerte ihn selbst am meisten. Aufgrund von Müdigkeit und mangelnder Konzentration waren seine Noten derart in den Keller gesackt, dass es zu häufigen Fehlzeiten gekommen und ihm das Erreichen der finalen Abiturstufe verwehrt geblieben war. Hätte er bloß auf den Rat seiner Eltern gehört und sich mehr um schulische Belange gekümmert, statt sich die Nächte mit Onlinegames um die Ohren zu schlagen. So war er nun gezwungen, eine Ausbildung anzutreten, zu der er im Grunde überhaupt kein Interesse hatte. Er hatte seinen Traum, ein Studium der Betriebswirtschaftslehre oder eine Ausbildung zum mathematisch-technischen Softwareentwickler in einer weit entfernten Stadt begraben müssen. Dabei wollte er nur eines – Weg von zu Hause! Eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker war für ihn die letzte infrage kommende Option gewesen, aus einer ohnehin kläglichen Auswahl. Er hatte es selbst vermasselt.

Erschüttert stellte Erik fest, dass das Mädchen sich in die erste Reihe gesetzt hatte. Niemand setzte sich freiwillig in die erste Reihe, es sei denn, man gehörte zu den Strebern und Besserwissern der Gesellschaft. Er wusste, wovon er sprach. Es war ein ungeschriebenes Gesetz. Von hinten sah Erik nur ihre glatten blonden Haare, die sie sich gelegentlich mit einer Hand hinters Ohr strich. Die Abteilungsleiterin ging zur Tür und machte diese zu. Nervös sah sich Erik um. Mit ihm waren es acht Auszubildende, sechs Jungen und zwei Mädchen, die an diesem Tag ihre Ausbildung bei Lockermann begannen.

Der alte Herr Lockermann, den er bereits vom Vorstellungsgespräch kannte, trat an das in die Jahre gekommene Rednerpult und sah interessiert in die Runde.„Herzlich willkommen!“, sagte er mit fester Stimme.Er lächelte und schien den Blickkontakt zu jedem einzelnen im Raum zu suchen.„Ich heiße sie herzlich willkommen beim Autohaus Lockermann, meine Damen und natürlich auch meine Herren.“Erneut lächelte der alte Sack und ließ seine Worte wirken.

„Sie, meine werten Damen und Herren, sie sind die Zukunft des Autohauses Lockermann und daher lassen sie mich zum offiziellen Beginn ihrer Ausbildung ein paar Worte an sie richten.“Gequält blickte Erik in die Runde und fragte sich, ob er der Einzige war, dem die Rede bereits jetzt auf den Sack ging. Erneut blieb sein schweifender Blick bei den auffallend blonden Haaren der unbekannten Schönen hängen. So wie das Mädchen aussah, hatte sie sich bestimmt auf eine der beiden Stellen im kaufmännlichen Bereich beworben. Erik holte tief Luft und versuchte einen Hauch ihres Parfums zu erhaschen. Natürlich blieb dieser Versuch nicht ohne Folgen und so erntete er irritierte und missbilligende Blicke seiner Sitznachbarn.

Der Seniorchef schwafelte in einer Tour und philosophierte von den Anfängen, wie er als junger Mann seine Ausbildung gemacht, große Herausforderungen gemeistert und schließlich das Autohaus Lockermann gegründet hatte. Erik stellte die Ohren auf Durchzug und begutachtete die anderen Azubis, die sich mit ihm für eine Ausbildung bei Lockermann entschieden hatten. Viele der Jungs wirkten wie typische Schrauber, die an den Wochenenden ihre Karren polierten und aufmotzten, um damit bei den Mädels zu landen.

„… und damit möchte ich bereits zum Ende meiner kleinen Begrüßungsrede kommen und das Wort an meinen Sohn weitergeben. Ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg, frohes Gelingen und einen erfolgreichen Verlauf ihrer Ausbildung in unserem Hause.“ Mit einem aufgesetzten Lächeln verließ der alte Sack das Podium und warf seinem Sohn Daniel Lockermann, dem aufstrebenden Juniorchef, einen missbilligenden Blick zu. Onkel Udo vergötterte den jungen Lockermann, der nun an das kleine Rednerpult trat und überheblich lächelnd in die Runde blickte, wobei er den beiden Mädchen in der ersten Reihe besondere Aufmerksamkeit widmete. Daniel tat es seinem Vater nach und schwadronierte vom Erfolg des Autohauses und wie glücklich sich die Anwesenden schätzen könnten, einen der begehrten Ausbildungsplätze ergattert zu haben.

Desinteressiert ließ Erik die Rede von Daniel und auch die Begrüßungsansprachen der verantwortlichen Abteilungsleiter über sich ergehen und hoffte, im weiteren Verlauf des Tages mehr über die blonde Schönheit in Erfahrung bringen zu können. Er wusste, dass Mädchen wie sie meist mit irgendwelchen dubiosen Typen zusammen waren, die entweder ein schnelles Auto fuhren, Kraftsport machten oder sonst irgendwelche krummen Dinger drehten. Mädchen von ihrem Kaliber schienen auf solche Typen zu stehen. Normale Jungs wie er hatten dagegen kaum eine Chance, denn sie waren zu gewöhnlich und hatten kaum Ecken und Kanten, um interessant für derart schöne Frauen zu sein. Er war ein Nerd, einer, der sich mit Computern und Gaming beschäftigte und der nur selten aus seinem Zimmer kam. Freunde hatte er nur wenige, aber das war ihm auch ganz recht, denn die meisten seiner bisherigen Mitschüler waren ihm ohnehin permanent auf den Sack gegangen. Für Erik ein weiterer Grund seiner versäumten Qualifikation nachzutrauern, denn am liebsten hätte er dieses beschissene Dorf für immer verlassen und woanders sein Glück gesucht. Hinzu kam, dass er gerade erst volljährig geworden und auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen war. Somit war ihm nichts anderes übrig geblieben, als das beschissene Angebot von Onkel Udo anzunehmen und eine Ausbildung beim Autohaus Lockermann zu machen.

Schmunzelnd musste Erik an den beschissenen Werbespot beim lokalen Radiosender denken.„Bleib mal locker, man, komm zu Lockermann!“ Jetzt hatte er den Salat. Er musste das Beste draus zu machen. Der blonde Traum aus Reihe eins war für ihn der einzige Lichtblick, den er für den Moment hatte.

 

2.

Nach der offiziellen Begrüßung war Lara aufgestanden und zu ihrer zuständigen Ausbilderin gegangen, die sie vom Vorstellungsgespräch kannte. Frau Hasenkamp hatte eine angenehm ruhige Ausstrahlung und genau das war es, was Lara nun gut gebrauchen konnte. Ein vertrautes Gesicht und eine Person, an die sie sich orientieren konnte.„Na Lara, alles gut? Du wirkst ein wenig angespannt.“Lara seufzte und versuchte zu lächeln.„Ich hatte ziemlich viel Stress heute Morgen.“In der Tat hatte sich Lara den Morgen anders vorgestellt. Sie hätte auf den Rat ihrer Mutter hören und die letzte Nacht vor Beginn ihrer Ausbildung nicht bei ihrem Freund verbringen dürfen. Einerseits fand sie es gut, dass ihre Mutter ihr Freiheiten gewährte und keine Fragen stellte, doch manchmal hätte sich Lara eine strengere und konsequentere Mutter an ihrer Seite gewünscht. Eine, die sie auch mal in die Schranken wies und Verbote aussprach und die eben nicht versuchte, Versäumnisse und Verbote, die sie in ihrer eigenen Jugend erfahren hatte, an ihrer Tochter zu kompensieren. Einen Vater hatte sie leider nicht mehr. Er war vor vielen Jahren an einem Krebsleiden gestorben. Seitdem hatte ihre Mutter sie alleine großgezogen, ihr viele Freiheiten gewährt und ihr die Möglichkeiten gelassen, eigene Erfahrungen zu sammeln, daraus zu lernen und zu wachsen.

Und nun war sie erneut auf Jason hereingefallen und hatte sich von ihm mit einer harmlosen Einladung zu einem gemütlichen Netflix-Abend um den Finger wickeln lassen. Natürlich hatte der 23-Jährige etwas anderes als Netflix im Sinn und so hatte sie sich breitschlagen lassen und für ihn die Beine breitgemacht. Im Rausch der Lust hatte sie glatt vergessen, ihren Wecker zu stellen und den Termin nur mit Mühe und Not geschafft. Dieser verflixte Mistkerl. Ihre beste Freundin hatte sie vor diesem Bad Boy gewarnt und doch war sie auf ihn reingefallen. Auf dem Weg zu Lockermann hatte sie den Entschluss gefasst, der Sache ein für alle Mal ein Ende zu setzen und den Kerl in den Wind zu schießen. Sie wollte sich voll und ganz auf ihre bevorstehende Ausbildung konzentrieren.

„Wir lassen es ganz entspannt angehen und gehen jetzt zunächst einmal in mein Büro.“, sagte Frau Hasenkamp und winkte ein anderes Mädchen hinzu.„Hast du Melina schon kennengelernt?“Lara schüttelte den Kopf. Wie denn auch? Sie war als letzte gekommen und hatte aufgrund dessen die Gelegenheit versäumt, die anderen Auszubildenden kennenzulernen. Ein rothaariges Mädchen stand zögerlich auf, griff nach ihrer Handtasche und kämpfte sich durch die Stuhlreihen. Melina war einige Zentimeter größer als sie, trug eine Brille mit schwarzem Gestell, hatte zahllose Sommersprossen und machte auf Lara einen zurückhaltenden, ja fast schon schüchternen Eindruck. „Hallo.“, sagte sie leise, während ein verschämtes Lächeln über ihr sommersprossiges Gesicht huschte. „Melina, das ist Lara Kroesen. Lara, das ist deine künftige Kollegin Melina Fischer.“ „Hey, grüß dich.“, antwortete Lara und reichte Melina die Hand. Der kalte und feuchte Händedruck ließ sie erahnen, dass es dem Mädchen offenbar genauso erging wie ihr. Neugierig blickte sich Lara um und prüfte, ob sie zwischen all den jungen Menschen vielleicht das eine oder andere bekannte Gesicht erkannte. Achmet, ein Junge aus ihrer Parallelklasse, hob seinen Arm und winkte ihr zu. Schnell wandte Lara sich ab und tat, als habe sie sein Winken nicht gesehen. Ausgerechnet Achmet, der ihr mit seiner Gang immer nachgestellt und auf den Arsch gestarrt hatte.

„Die Herren Mechatroniker folgen jetzt nun bitte alle Herrn Simmerath in die Werkstatt.“, rief der Juniorchef in den Raum und ging Sekunden später mit einem Augenzwinkern an ihnen vorüber. Lara nickte lächelnd und wunderte sich über dieses gebaren. Wollte der Kerl ihr etwa schöne Augen machen oder war es vielmehr ein nervöser Tick? Melina hatte derweil einen Zettel aus ihrer Handtasche geholt und löcherte Frau Hasenkamp mit Fragen. Neugierig drehte Lara den Kopf und sah, dass alle anderen dem Werkstattleiter durch die Türe folgten. Noch während sie skeptisch der Gruppe hinterherblickte, bemerkte Lara einen Jungen, der sich zurückfallen ließ und immerzu in ihre Richtung starrte. Er hatte ein blasses Gesicht und auffallend gelockte Haare mit einem Undercut. Trotz seiner hübschen dunkelblonden Haarpracht wirkte er unscheinbar und gewöhnlich, sodass Lara schnell das Interesse verlor und ihre Aufmerksamkeit wieder Frau Hasenkamp und Melina widmete, die ihre Fragen offenbar allesamt beantwortet bekommen hatte.

 

3.

„Na Püppi, wie war dein Tag?“Genervt verdrehte Lara die Augen und stellte ihre Tasche an die Garderobe. Sie hasste es, wenn ihre Mutter sie so nannte. Obwohl Lara sie bereits mehrfach darauf aufmerksam gemacht hatte, konnte oder wollte sie es nicht unterlassen. Motte, Hasenzahn oder Püppi. Im Laufe ihrer Entwicklung hatte Lara eine Vielzahl kreativer Verniedlichungen über sich ergehen lassen müssen. Besonders peinlich war es dann, wenn sie dies vor ihren Freundinnen und Freunden praktizierte und es als das Natürlichste auf der Welt abtat. „Hey Mum. Alles ok!“Sabrina Kroesen saß auf der Couch. Sie lächelte, als ihre Tochter das Wohnzimmer betrat. Lara sah wirklich hinreißend aus und war ihr ganzer Stolz. Aus der kleinen Raupe hatte sich ein wunderschöner Schmetterling entwickelt. Seitdem viel zu frühen Tod von Laras Vater, hatte sie das Kind alleine großgezogen. Sie ging halbtags arbeiten und hatte unter großen Entbehrungen an den Wochenenden gekellnert oder ihre Hilfe als Putzkraft angeboten. Es war in der Vergangenheit nicht leicht gewesen, die kostspielige Miete für die geräumige 3,5 Zimmerwohnung aufzubringen, genug Essen auf den Tisch zu haben und die eigenen Bedürfnisse und den ihrer Tochter zu befriedigen. Von den Klamotten und dem bisschen Luxus, den sie sich gelegentlich gönnte, mal ganz abgesehen. Nun hatte sie die Schule beendet und sich zur Freude ihrer Mutter für eine Ausbildung bei Lockermann entschieden. Die finanziellen Sorgen gehörten endlich der Vergangenheit an. „Und? Wie war dein erster Tag? Erzähl mal!“Erschöpft ließ Lara sich in den Sessel fallen und sah ihre Mutter irritiert an. „Gehst du noch weg? Weshalb hast du dich so aufgebrezelt?“ Ihre Mutter lächelte verwegen und griff nach der Schachtel Zigaretten. Ein weiterer Punkt, den Lara an ihr hasste. „Du rauchst zu viel!“, mäkelte sie.Sabrina hatte sich die Zigarette bereits zwischen den rot geschminkten Lippen gesteckt und schüttelte desinteressiert den Kopf. Sie nahm das rosarote Feuerzeug und entzündete die Kippe. „Achim hat mich zum Essen eingeladen.“Achim war ihr Gelegenheitsstecher, mit dem sie sich unregelmäßig traf. Eigentlich war er seit vielen Jahren verheiratet, doch das schien weder ihn noch ihre Mutter groß zu stören.

„Und? Jemand dabei, den du kennst? Erzähl doch mal.“Lara seufzte und berichtete von der Begrüßung durch Heinrich Lockermann, der ersten Vorstellung ihrer zuständigen Ausbilderin Frau Hasenkamp und von Melina, die bei ihr einen zurückhaltenden, aber netten Eindruck hinterlassen hatte. Während Lara von ihrer Ausbildungsstelle und den erhaltenen Informationen erzählte, sah ihr Mutter wiederholt auf die Uhr und machte einen desinteressierten Eindruck. „Warum schaust du ständig auf die Uhr? Ist irgendwas?“ Trotz der umfassenden Berichterstattung war Lara die wachsende Unruhe ihrer Mutter nicht entgangen.„Du sorry, aber Achim kommt jeden Augenblick. Ich muss mich sputen.“Sabrina Kroesen stand auf und gab ihrer erstaunt dreinblickenden Tochter einen Kuss auf die Wange.„Und was ist mit mir? Ich habe Hunger!“ Lara war konsterniert und sah ihrer flüchtenden Mutter hinterher. „Ich lege dir Geld raus. Bestell dir was!“ Genervt schüttelte Lara den Kopf. So hatte sie sich den Feierabend ihres ersten Arbeitstages nicht vorgestellt. Viel lieber hätte sie die Zeit mit ihrer Mutter verbracht, gemeinsam mit ihr zu Abend gegessen und dem Anlass gebührend ein Gläschen Wein oder Sekt getrunken.

Es schellte.„Das wird er sein.“, rief Sabrina und warf einen Blick ins Wohnzimmer, wo Lara sichtlich frustriert auf dem Sessel hockte.„Triffst du dich nicht mit Jason?“„Es ist aus! Wir haben uns getrennt!“ „Ach! Das ist aber schade. Du, ich muss los! Achim wartet nicht gerne. Wir sehen uns später!“Lara wartete, bis die Tür hinter ihrer Mutter ins Schloss gefallen war, stand auf und ging an den Kühlschrank. Ihr Magen knurrte. Frustfressen stand auf dem Programm.Wenige Minuten später hatte sich das Mädchen eine Portion Spaghetti mit Tomatensoße und einen gemischten Salat gezaubert und setzte sich an den Küchentisch. Während sie sich die Nudeln in den Mund schob, checkte sie die Nachrichten auf ihrem Handy. „Na, hast du Feierabend? Wie war der erste Tag bei Lockermann? Melde Dich! Ich brenne vor Neugier?“Lara schmunzelte über die Nachricht ihrer besten Freundin und schrieb ihr beim Essen eine kurze Zusammenfassung des Tages. Hannah war ein halbes Jahr jünger als sie, strebsam und erfolgreich in allem, was sie anpackte. Sie kannten sich bereits seit der Grundschule und hatten gemeinsam die Gesamtschule im Nachbarort besucht. Die Noten ihrer Freundin waren jedoch deutlich besser als ihre eigenen, sodass Hannah dem Willen der Eltern entsprechend am Abitur bastelte, während sie die Schule beendet und eine Ausbildung zur Automobilkauffrau begonnen hatte.

Immer schon hatte sie ihre beste Freundin Hannah um deren Familie beneidet. Hannahs Vater Markus war ein angesehener und erfolgreicher Banker. Groß gewachsen, gutaussehend und immerzu gut gelaunt. Ihre Mutter Bettina war Mitinhaberin einer physiotherapeutischen Praxis. Jeder kannte und mochte sie. Bettina war hilfsbereit, intelligent und hatte eine Art, die man lieben musste. Zuletzt war da noch Hannahs Bruder Sören, der mit seinen 14 Jahren sicherlich manchmal nervte, aber eigentlich ganz nett war und flotte Sprüche auf Lager hatte.

„Soll ich vorbeikommen und dich beim Frustfressen unterstützen?“ „Gute Idee. Wir schaufeln Eis und schauen Netflix.“ „Super! Bin schon unterwegs! CU Süße!Lara legte das Handy zur Seite und warf einen Blick in die Modebeilagen der Wochenzeitung, die ihre Mutter hatte liegen lassen. Sie freute sich auf das erste Gehalt und darauf, mit ihrer Freundin shoppen zu gehen und es auf den Kopf zu hauen. Verträumt durchstöberte sie die zahlreichen Werbeblättchen und aß unterdessen ihr Nudelgericht. Schon früh hatte ihre Mutter sie zur Selbstständigkeit erzogen und sie häufig sich selbst überlassen. Das Geld war knapp und somit blieb der alleinerziehenden Sabrina keine andere Wahl, als das Kind allein zu lassen, wenn sie jobben ging.

Nach dem Essen spülte Lara das Geschirr und räumte die Küche auf. Sie hatte genug von Typen wie Jason. Er war ein Bad-Boy. Einer, der in den Tag hineinlebte und der schräge Dinge am Laufen hatte. Stundenlang hatte Hannah auf sie eingeredet und an ihre Vernunft appelliert. „Der will doch nur das eine! Merkst du das denn nicht?“Anstatt auf die gut gemeinten Ratschläge ihrer Freundin zu hören, hatte sie diese in den Wind geschlagen und sich auf eine heiße Beziehung mit ihm eingelassen. Die Entscheidung hatte sie in den vergangenen Wochen bitterlich bereut und musste sich eingestehen, dass ihre beste Freundin mit den Warnungen recht behalten hatte. Frustriert warf Lara das Besteck in die Lade und ärgerte sich, immer auf dieselben Typen reinzufallen. Obwohl dieser verdammte Idiot es nicht wert war, kamen ihr die Tränen.

Der Beginn ihrer Ausbildung schien für Lara ein treffender Zeitpunkt klar Schiff zu machen und sich neu auszurichten. Sie schloss die Lade und damit auch das Kapitel Jason ein für alle Mal. Es war an der Zeit, sich auf den neuen Lebensabschnitt zu konzentrieren und sich von Altlasten zu befreien. Lara riss ein Blatt von der Küchenrolle, tupfte ihre Tränen und putzte sich die Nase. „Fickt euch ihr Brians, Jasons und Kevins dieser Welt!“, sagte sie leise zu sich selbst, öffnete das Gefrierfach und sah nach dem Eis. Groß war die Auswahl nicht, aber für ein Frustfressen reichte es allemal. Sie stellte die Sprühsahne und Schoko-Chunks bereit und holte die weißen Dessertschälchen aus dem Schrank.

Gut 20 Minuten später stand Hannah vor der Tür. Sie hatte auf dem Weg einen Zwischenstopp eingelegt und verschiedene Sorten Ben & Jerry eingekauft, die sie nun aus ihrem Rucksack zauberte.„Zur Feier des Tages - Cookie Dough! Tarah!“ „Spinnst du? Weißt du, was das kostet?“ Lara freute sich diebisch, tänzelte auf der Stelle und herzte ihre allerbeste Freundin. Der Abend war gerettet.

 

4.

Ein unerträglich monotones Piepen riss Erik aus seinen Träumen. Mit geschlossenen Augen tastete er nach dem Wecker, um dem nervtötenden Garaus ein Ende zu bereiten. Seine Mutter hatte ihm das kleine Utensil zu Beginn der Ausbildung geschenkt, um sicherzugehen, dass ihr Sohn auch pünktlich zur Arbeit kommt. Qualvolle Sekunden vergingen, bis er endlich den erlösenden Knopf gefunden und den kreischenden Ton deaktiviert hatte. Erik fühlte sich wie benommen. So, als habe er kaum geschlafen. Schwerfällig richtete er sich auf und rieb seine Augen. Bis 3 Uhr in der Früh hatte er League of Legends gezockt, was sich nun rächen sollte. Stöhnend schlug er die Decke zurück und verließ die wohlige Wärme seines Jugendzimmerbetts. Seit Beginn der Ausbildung taten ihm die Knochen weh und er wusste, weshalb er der körperlichen Ertüchtigung bislang immer aus dem Weg gegangen war. Gähnend griff der Junge nach seiner Jeans und nahm sich ein frisches Shirt aus dem Schrank. Der einzige Grund, weshalb er die Ausbildung nach nunmehr vier Tagen noch nicht in den Sack gehauen hatte, war dieses Mädchen. Scheiß Lockermann!Scheiß Onkel Udo!

Der Blick in den Spiegel offenbarte Schreckliches. Er sah verheerend aus. Wie sollte sich bei diesem erbärmlichen Anblick ein Mädchen in ihn verlieben? Erik benetzte die Hände und strich mit den nassen Fingern durch seine natürliche Lockenpracht. Es hatte Jahre gedauert, sich an die gottgegebene Frisur zu gewöhnen. Zu oft hatten ihn seine Mitschüler aufgrund der Locken und seines blassen Erscheinungsbilds gehänselt und dafür gesorgt, dass er es selbst irgendwann geglaubt und sich zurückgezogen hatte. Seine virtuellen Freunde waren da anders. Sie schätzten ihn aufgrund seiner Fähigkeiten und seinem Kampfgeist und sahen von ihm nur das, was er bereit war von sich zu zeigen.

Erik griff nach dem neuen und aufregenden Bodyspray und verteilte es großzügig unter seine Arme und auf seinem flachen Brustkorb. Irgendwie musste es ihm doch gelingen, einen positiven Eindruck bei ihr zu hinterlassen. Seit zwei Tagen wusste er nun auch endlich ihren Namen:

Lara Kroesen.

Lara, was für ein wunderschöner Name. Er klang wie Musik in seinen Ohren. Das hübsche blonde Mädchen hatte es ihm wahrlich angetan. Bei nahezu jeder Gelegenheit, die sich ihm bot, hatte er verstohlene Blicke in die Räumlichkeiten der Verwaltung geworfen. In der stillen Hoffnung, sie dort zu sehen. Nie zuvor hatte es ihm ein Geschöpf des anderen Geschlechts derart angetan wie Lara. Jedes Mal, wenn er sie sah, hatte er Schmetterlinge im Bauch. Ein vollkommen neues Gefühl. Sie war der wahre Grund, weshalb er allabendlich seinen Wecker stellte und pünktlich zur Arbeit fuhr, denn sie fuhr, ebenso wie er mit dem Fahrrad zur Arbeit und er hatte die Hoffnung, ihr eines Tages zu begegnen. Es bestand kein Zweifel. Er war verliebt.

Als Erik die Küche betrat, hatte seine Mutter ihm das Frühstück bereits bereitet. Auch die Dose für sein Pausenbrot stand auf der Ablage. „Guten Morgen, Liebling. Hast du gut geschlafen?“ „Ja Mum.“Wie immer setzte sich Erik an seinen Platz, nahm das Brot und begann zu essen. Obwohl seine Mutter selbst berufstätig war und als Friseurin in einem der Salons im Ort arbeitete, ließ sie es sich nicht nehmen, allmorgendlich für ihre Männer aufzustehen und ihnen ein gesundes Frühstück zu bereiten. „Siehst du heute Onkel Udo?“ Ohne den Kopf zu heben, zuckte Erik gleichgültig mit den Schultern. Obwohl er ihm die Ausbildungsstelle zu verdanken hatte, hasste er den selbstverliebten und egozentrischen Bruder seiner Mutter. Das einzig Positive an dieser Stelle war Lara Kroesen, alles andere konnte sich Onkel Udo gepflegt in den Allerwertesten schieben.„Bestell ihm doch liebe Grüße und frag, ob ihm der Kuchen geschmeckt hat.“„Warum fragst du nicht selbst.“, erkundigte sich Erik mit vollem Mund und kassierte dafür einen bösen Blick seiner Mutter. „Er ist dein Onkel. Du hast ihm so viel zu verdanken.“ Genervt schüttelte Erik den Kopf und warf einen Blick auf die Uhr.

Onkel Udo schien sich hervorragend mit seinem Ausbildungsleiter Herrn Simmerath zu verstehen, was Eriks Situation nicht gerade erleichterte. Herr Simmerath galt als harter Hund und hatte hohe Erwartungen an die ihm anvertrauten Schützlinge. Er schien alles und jeden im Blick zu haben, sodass es für Erik äußerst schwierig war, während der Arbeitszeit auf die hübsche Lara Kroesen zu achten. Er hatte zudem die Vermutung, als habe es Simmerath auf ihn abgesehen, denn der Werkstattleiter machte ihn für jeden noch so kleinen Fehler über gebührend nieder, was vermutlich darin begründet lag, dass er im Gegensatz zu den anderen Azubis kein passionierter Autoschrauber war.

Mit einem erneuten Blick zur Uhr stopfte sich Erik das letzte Stück Brot in den Mund, brachte seinen Teller an die Spüle und verstaute sein Pausenbrot in den Rucksack. „Möchtest du einen Apfel mitnehmen? Soll ich dir noch schnell einen Apfel schälen?“„Keine Zeit!“, antwortete Erik brummig und eilte in den Flur.„Wenn du nicht so lange spielen würdest, kämst du auch besser aus dem Bett.“, mahnte seine Mutter und folgte ihrem Zögling in den Flur. „Nimm dir ein Beispiel an deinen Vater. Er geht abends zeitig zu Bett.“Erik gähnte, griff nach seiner Jacke und verdrehte genervt die Augen.„Fahr vorsichtig, mein Schatz.“Er musste sich beeilen, wenn er seinen Schwarm noch begegnen wollte. Erik lächelte seiner Mutter zu, öffnete rasch die Tür und verließ fluchtartig die Wohnung.„Und denk an Onkel Udo! Hörst du?“, rief Renate ihrem davoneilenden Sohn hinterher.  

5.

Für Renate Schreiber war das allnächtliche Spielen ihres Sohnes am Computer nur schwer zu ertragen. Die oftmals lautstarken Äußerungen und verbalen Entgleisungen, die er dabei hochemotional während des Spielens mit seinen virtuellen Freunden von sich gab, hatten in den vergangenen Jahren für so manchen Konflikt in der Familie geführt. Nun hatte sie die leise Hoffnung, dass er mit Beginn der Ausbildung endlich zur Vernunft kommen und erwachsen werden würde, anstatt pausenlos zu daddeln und sich die Nächte um die Ohren zu schlagen. Dieser verfluchte Computer war der eigentliche Grund für sein schulisches Versagen. Sie machte sich Vorwürfe, dem Treiben nicht mehr Einhalt geboten zu haben, aber an dieser Stelle waren sie und ihr Mann Egon anderer Meinung. Nun hatte sie die Quittung!

Wäre sie nicht auf die Idee gekommen, ihren Bruder Udo um Unterstützung zu bitten, stünde ihr Sohn ohne Ausbildungsstelle da und wäre arbeitslos. Nicht auszumalen! Was sollten die Leute denken? Mit Händen und Füßen hatte sich Erik geweigert, Bewerbungen zu schreiben oder beim Arbeitgeber seines Vaters anzufragen. Stattdessen hatte er Flausen im Kopf und von einem Studium oder einer kaufmännischen Ausbildung geredet. Dass seine Noten dafür nicht ausreichten, hatte ihren weltfremden Sohn scheinbar nicht interessiert. Weshalb konnte er nicht so sein wie andere Jungs in seinem Alter? Andere Jungen aus dem Dorf hatten Freunde oder bereits eine erste Freundin, gingen gemeinsam feiern oder machten einen Führerschein.

Als sie in seinem Alter war, hatte sie klare Vorstellungen vom Leben und die Hälfte ihrer Ausbildung zur Friseurin bereits absolviert. An den Wochenenden war sie mit ihren Freundinnen in den Nachbarort gefahren und hatte dort die kleine Dorfdiskothek besucht, wo sie mit 21 auch ihren Mann Egon kennengelernt hatte. Egon war gelernter Maschinenschlosser und zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens ein Traum von einem Mann, wovon leider nicht mehr viel übrig war. Die körperlichen Anforderungen seines Berufs hatten Spuren hinterlassen und aus ihm einen gebrechlichen Mann gemacht. Sie träumte davon, mal wieder auszugehen, zu tanzen und das Leben zu genießen, doch der Alltag hatte sie fest im Griff. Der einzige Lichtblick in ihrem Leben war die Arbeit im Salon. Sie war gerne unter Menschen und mochte den persönlichen Kontakt zu ihren Kundinnen und Kunden, denen sie bereits generationsübergreifend die Haare schnitt.

Im Austausch mit ihrer zumeist weiblichen Kundschaft hatte sie das destruktive Verhalten ihres faulen Sohnes immer wieder angesprochen und sich Ideen eingeholt, die sie zum Leidwesen ihres Gatten auch ausprobiert und die nicht selten in einen Ehestreit geendet hatten.„Lass den Jungen in Ruhe! Der wird seinen Weg schon gehen.“, hatte Egon gemahnt und sie zurechtgewiesen und seinen Sohn in Schutz genommen. Doch ihre mütterliche Sorgfaltspflicht hatte dies nicht akzeptieren wollen, was zu manchem Affront zwischen ihr und ihrem Sohn geführt hatte. Nachdem Erik dann den Schulabschluss in den Sand gesetzt hatte, war in ihr die Idee gereift, ihren Bruder Udo ins Boot zu holen und ihn um Unterstützung zu bitten.

Offenbar hatte sie damit einen Volltreffer gelandet, denn wider Erwarten stand ihr Sohn Erik nun jeden Morgen pünktlich auf und machte sich auf den Weg zu Lockermann. Seit Jahren war das ortsansässige Autohaus ein Garant für eine fundierte Ausbildung und hatte vielen jungen Menschen zu einer erfolgreichen Karriere im Automobilgeschäft verholfen.

Seufzend betrat Renate Schreiber das Zimmer ihres Sohnes, öffnete geschwind das Fenster und machte ihm das Bett. Trotz des Ärgers sollte es ihrem Erik an nichts mangeln. Schließlich war er ihr einziges Kind und somit auch ihr ganzer Stolz.

 

6.

„Na Hans, hältst du mal wieder Ausschau nach unseren weiblichen Frischlingen?“Ertappt drehte Hans Simmerath den Kopf und sah seinen Kollegen Udo Walter auf sich zukommen. Schon seit vielen Jahren waren sie Kollegen beim Autohaus Lockermann, woraus sich im Laufe der Zeit eine gewisse Freundschaft zwischen ihnen entwickelt hatte.„Udo! Grüß dich! Hab dich gar nicht kommen hören.“Der Verkaufsprofi begann herzhaft zu lachen und gesellte sich zu seinem Kollegen, der vor einem großen Fenster stand, welches die Kfz-Werkstatt vom Kundenempfang und der Serviceannahme trennte. „Eines meiner Talente. Anschleichen und die Kundschaft in ein Gespräch verwickeln.“ Die Kollegen sahen einander an und begrüßten sich mit einem freundschaftlichen Handschlag.

„Hübsch die beiden. Nicht wahr?“, grinste Hans und deutete mit dem Kopf in Richtung der Serviceannahme, wo ihre Kollegin Anita Hasenkamp im Begriff war, die neuen Azubinen über die Abläufe der Auftragsannahme zu informieren. Neugierig geworden, riskierte Udo Walter einen Blick durch die Doppelverglasung und konnte der Aussage des Werkstattleiters nur zustimmen. „A bisserl jung, oder?“, brummte er leise, sodass niemand in ihrer Nähe ihn hören konnte.„Süße achtzehn.“, schmunzelte sein Kollege und leckte sich demonstrativ die Lippen. „Na dann!“

Udo Walter wusste von den Vorlieben des befreundeten Meisters, so wie es die meisten der langjährigen Angestellten des Autohauses vermutlich auch wussten. Doch im Gegensatz zu ihm, einem passionierten Dauersingle, war Hans Simmerath seit mehr als 25 Jahren verheiratet und Vater zweier prächtiger und mittlerweile erwachsener Söhne, was ihn jedoch nicht davon abhielt, seine Frau nach Strich und Faden zu betrügen. Dabei war Barbara Simmerath wahrhaft keine unattraktive Frau. Das Gegenteil war der Fall. Sie war Inhaberin eines Nagelstudios im Ort und zudem eine enge Bekannte seiner Schwester Renate, was ihn mit dem Wissen um Hans Affären bereits mehrfach in die Bredouille gebracht hatte. Schon häufig hatte er sich vorgenommen, mit seinem Kollegen freundschaftlich über dessen Problem zu reden, doch bisweilen hatte sich keine passende Gelegenheit ergeben.

„Welche von den beiden Hübschen findest denn du attraktiv?“Udo seufzte und blickte konzentriert durch das frisch geputzte Fensterglas. Obwohl ihm die übergriffige, ja fast schon frauenverachtende Art seines Kollegen missfiel, war auch er nur ein Mann, der den Reizen des anderen Geschlechts nicht abgeneigt war. Zwar hatte er sich mit dem tristen Dasein als Alleinstehender abgefunden, jedoch nie die Hoffnung aufgegeben, irgendwann der Frau fürs Leben zu begegnen.„Die mit den roten Haaren.“, antwortete er verstohlen und sah seinen Kollegen grinsend von der Seite an.„Ein rostiges Dach lässt auf einen feuchten Keller schließen! Eine wirklich gute Wahl!“Trotz dieser äußerst niederträchtigen Aussage seines geschätzten Kollegen konnte sich Udo das Schmunzeln nicht verkneifen. Woher nahm Hans all diese humorvollen Sprüche?

„Dann nehme ich die andere. Alter Schwede, das blonde Luder ist ein Traum auf zwei Beinen. Schau dir mal den Arsch der Kleinen an.“Mit Argusaugen begutachtete der erfahrene Verkaufsberater die Figur der jungen Blondine, doch tendierte er weiter zu der rothaarigen Azubine. Schon immer hatte er ein Faible für hellhäutige Frauen mit feuerroten Haaren und Sommersprossen und dieses junge Ding entsprach so ganz seinen Geschmack.Udo besann sich eines Besseren und schüttelte entschlossen den Kopf.„Hans, Männer in unserem Alter sollten derart jungen Frauen nicht nachstellen. Das ziert sich nicht.“, mahnte Udo, woraufhin er schallendes Lachen erntete.Verstört blickte sich der Verkäufer um und bemerkte, dass sie bereits die Aufmerksamkeit einiger Gesellen auf sich gezogen hatten.„Mensch Udo, du solltest dich mal hören. Wenn ich dich nicht besser kennen würde, könnte ich fast glauben, dass du das wirklich glaubst. Ich mache doch nur Spaß!“

Freundschaftlich legte Hans Simmerath seinen Arm um die Schultern seines Kollegen und sah grinsend auf ihn herab. Obgleich der Verkäufer mit seinen 1,85 m einen stattlichen Eindruck machte, überragte ihn Hans mit hünenhaften 1,98 m um einiges. Udo wusste, dass die Aussagen keineswegs Spaß waren, denn Hans war für seinen Ruf und den Erfolg bei Frauen bekannt. So hatte er vor nicht allzu langer Zeit eine leidenschaftliche Liebschaft mit Anita Hasenkamp gehabt, in deren Verlauf sie sich von ihrem langjährigen Lebenspartner getrennt hatte. Neben einigen anderen intimen Techtelmechteln mit jüngeren Kolleginnen wurde ihm zudem eine heimliche Affäre mit Sina Kröger nachgesagt, der jungen Verlobten des Juniorchefs.

„Ja natürlich.“, antwortete Udo und beschloss, das Thema zu wechseln. „Wie schickt sich denn mein Neffe Erik?“ „Erik?“ So wie Hans Simmerath es sagte, klang es in Udos Ohren wie ein Echo. Udo nickte und warf einen verstohlenen Blick auf das rothaarige Mädchen. „Mit dem kannst du keinen Preis gewinnen. Der ist bei uns fehl am Platz. Wenn du mich fragst: Eine absolute Niete!“Obwohl Udo mit der Aussage gerechnet hatte, schmerzte es, diese Worte aus dem Mund seines erfahrenen und geschätzten Kollegen zu hören. „Wenn der nicht bald seinen Arsch bewegt, sehe ich keinen Grund, ihn nach Ablauf der Probezeit weiter zu beschäftigen.“Der Meister drehte den Kopf und grinste seinem erblassten Verkäufer ins Gesicht.

 

7.

„Und Jason hat es einfach hingenommen?“Theatralisch verdrehte die Blondine ihre tiefblauen Augen und führte den Halm des Caipirinhas zwischen ihre sinnliche geschwungenen Lippen. „Jason ist jedenfalls der Auffassung, dass ich ohne ihn nicht lebensfähig sei und früher oder später auf Knien zu ihm zurückkehren werde.“ „Was für ein Spinner!“Missbilligend schüttelte Hannah den Kopf. Noch immer war es ihr ein Rätsel, wie sich ihre Freundin auf so einen verfluchten Fuckboy hatte einlassen können. The Beauty and the beast!Immer wenn sie an Lara und diesen Jason dachte, kam ihr der Titel des Filmklassikers in den Sinn. Unzählige Male hatte sie Lara vor ihm gewarnt und sie wiederholt wissen lassen, dass sie etwas Besseres als diesen Vollhonk verdient habe. In ihren Augen spielte Lara ohnehin in einer ganz anderen Liga und hätte ohne jeden Zweifel Chancen, bei GNTM mitzuwirken, wenn sie bloß etwas größer wäre. Obwohl Hannah mit ihrem Äußeren schon sehr zufrieden sein konnte, beneidete sie ihre Freundin um deren Aussehen und der perfekten Figur. Lara konnte jederzeit bedenkenlos aus dem Haus gehen, ohne zuvor 27-mal in den Spiegel gesehen zu haben, so wie sie es tat.

Im Gegensatz zu ihr war Lara jedoch nicht wohlbehütet aufgewachsen, sondern hatte schon früh auf eigenen Beinen stehen müssen. Ihrer Auffassung nach war die Ursache für Laras Partnerwahl eindeutig bei deren Mutter Sabrina zu finden, denn so sehr sie ihre Freundin auch mochte, hatten sie und ihre Eltern schon immer ein gespaltenes Verhältnis zu dieser Frau. Seit dem tragischen Tod von Laras Vater hatte Frau Kroesen alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihren Lebensstandard zu halten und sich und ihre Tochter irgendwie durchzubringen.

Hannahs Eltern hatten wirklich alles getan, um der Freundin ihrer Tochter zu helfen, hatten Schulmaterial für sie gekauft, die Nachhilfe finanziert und sie immer dann aufgenommen, wenn Sabrina Kroesen am Ende ihrer Kräfte war. Aufgrund dessen war Lara für sie wie eine Schwester. Selbst ihr Bruder mochte ihre Freundin gut leiden, was ihm bei Laras Aussehen und ihrer fröhlichen Art allerdings nicht zu verübeln war. Lara gehörte quasi zur Familie.

Was sie allerdings störte, war die Tatsache, dass ihr Vater sich seit geraumer Zeit eigenartig verhielt, wenn ihre Freundin zu Besuch war. Angefangen hatte es vor fast zwei Jahren, als Lara bei ihr zu Besuch war und sie gemeinsam mit ihren Eltern einen gemütlichen Pyjamaabend vor dem Fernseher veranstaltet hatten. Während des Films hatte ihr Vater wiederholt unauffällig in Richtung ihrer Freundin geschaut, die an jenem Abend aufgrund der vorherrschend sommerlichen Temperaturen ein sehr knappes Pyjamahöschen getragen hatte. Sie war damals 15 und Lara gerade 16 geworden. Zunächst hatte sie sich nichts dabei gedacht und es nett belächelt, doch es war immer und immer wieder geschehen. Es hatte fast den Anschein, als habe ihr eigener Vater ein Auge auf Lara geworfen. Hannah hatte jedoch nie den Mut gefunden, das Thema gegenüber ihrer Freundin zu erwähnen und sich stattdessen gefragt, ob sie sich das Ganze nur einbildete und es einfach eine Aneinanderreihung dummer Zufälle gewesen war.

Doch konnte es wirklich Zufall sein, dass sie ihren Vater über den Flur schleichen sah, wenn ihre Freundin ins Badezimmer ging? Wenn sie sich im Sommer im Garten sonnten und ihr Vater auffallend häufig an ihnen vorüber ging? Hannah vermochte das Verhalten ihres Vaters nur schwer einzuschätzen. War doch die Ehe ihrer Eltern nach außen hin perfekt. Natürlich gab es hier und da mal einen kleinen Streit, doch waren diese Auseinandersetzungen im Vergleich zu den Erzählungen ihrer Freundinnen und Freunde noch harmlos und bewegten sich im normalen Rahmen einer glücklichen Ehe. Hannah hatte jedenfalls für sich beschlossen, es ihrer Mutter gleichzutun und sich für den richtigen Mann aufheben. An Angeboten und Interessenten mangelte es nicht, doch hatte sie im Gegensatz zu ihrer besten Freundin eine andere, romantischere Einstellung zur Liebe und Sexualität.

„Hoffentlich bleibst du deiner Meinung treu.“, meinte sie schmunzelnd und griff nach ihrem Cocktail.„Ich konzentriere mich jetzt erst einmal voll und ganz auf die Ausbildung und freue mich auf mein erstes Gehalt.“, antwortete Lara und zwinkerte ihrer Freundin zu.„Hast du schon eine Idee, was du dir davon kaufen willst?“ Die hübsche Blondine verdrehte erneut die Augen.„Womit soll ich anfangen? Ich brauche Klamotten, viele Klamotten und Schuhe. Außerdem möchte ich gerne einen eigenen Laptop haben und auch den Führerschein machen.“Hannah begann zu lachen und stellte ihr Glas auf den weißen Hochglanztisch vor ihrer stylishen Paletten-Couch, die ihr Vater vor einigen Monaten für sie zusammengeschraubt hatte.„Darf ich fragen, wie viel du im ersten Jahr deiner Ausbildung verdienst?“ „Etwa 750 brutto. Warum?“ „Dann bekommst du etwa 600 Euro raus. Das ist nicht besonders viel, um all deine Wünsche zu befriedigen.“Lara presste die Lippen zusammen und sah ihre Freundin nachdenklich an.„Dann doch erst mal nur Schuhe und Klamotten. Wirst du mich beraten?“ „Klar doch!“Die Mädchen lachten und sahen einander an.

„Lass uns eine Liste machen.“, grinste Lara euphorisch und drehte sich in Richtung Schreibtisch, der wie immer voll lag mit aufgeschlagenen Büchern und jeder Menge Schulmaterial.„Die Zettel liegen da hinten.“ Mit dem Finger deutete Hannah auf die bunte Zettelbox direkt an der Wand. Lara sprang auf, nahm sich Zettel und Stift und legte beides vor ihnen auf den Tisch.„Aber erst muss ich zum Klo.“, sagte sie grinsend und eilte aus dem Raum. Mit einem Lächeln sah Hannah ihrer Freundin hinterher und freute sich über deren positive Energie und dem Ende ihrer Liaison mit Jason. Endlich kam Lara zur Vernunft. Hannahs Lächeln erstarb jedoch, als sie den Schatten ihres Vaters im Flur entdeckte. Er stand genau vor der Türe des Badezimmers und schien zu lauschen.

 

8.

Lara. Lara Kroesen. Der Name klang wie Musik in seinen Ohren. Es hatte ihn voll erwischt. Er war verliebt und konnte sich nicht entsinnen, jemals für einen anderen Menschen derart intensive Gefühle gehabt zu haben. Seit der ersten Sekunde ihrer Begegnung hatte er Schmetterlinge im Bauch und es wurden täglich mehr. Er war unsterblich verliebt und hatte keinen Plan, wie er es anstellen soll, dieses Mädchen kennenzulernen. Besonders schlimm waren die Wochenenden, an denen er die Stunden zählte. Sein einziger Trost waren ihre Accounts bei Instagram, Snapchat und TikTok, die er mehrmals täglich besuchte und sich nach Updates von ihr verzehrte. Die Aufnahmen zeigten Lara am Strand, im Park, beim Essen mit Freunden, im Zoo, auf Partys und verträumt auf einer Wiese liegend. Auffallend häufig war sie dabei mit einem anderen Mädchen zu sehen und Erik vermutete, dass es ihre beste Freundin war.

Die Verknüpfung auf den Bildern führte zum Account einer gewissen Hannah Poschmann, die jedoch seine Freundschaftsanfrage bislang nicht angenommen hatte. Auch Hannah war rein äußerlich nicht von schlechten Eltern, hatte ein wunderschönes Gesicht und eine traumhafte Figur. Ihre schulterlangen brünetten Haare standen im Kontrast zu den langen blonden Haaren seiner geliebten Lara, die ihre Freundin jedoch in den Schatten stellte. Auf allen Bildern, die Lara online gestellt hatte, war weit und breit kein Junge zu sehen, was in Erik die Hoffnung keimen ließ, dass sie entgegen seiner Vermutung doch Single war.

In Träumen versunken saß Erik auf seiner Couch und zupfte an der Konzertgitarre, die er vor Jahren mal geschenkt bekommen und die seitdem als Staubfang in der Zimmerecke gestanden hatte. Auf einem YouTube-Channel hatte ein bekannter Gamer von seinen Erfolgen bei Frauen berichtet und gestanden, dass die Mädels sehr auf sein Gitarrenspiel abgefahren wären. Aufmerksam hatte den Ausführungen des Youtubers gelauscht und im Anschluss die verstaubte Konzertgitarre aus der zugemüllten Zimmerecke gezogen.Es klopfte.„Möchtest du nicht doch etwas essen? Du kannst doch nicht den ganzen Tag hungern.“„Nein Mama!“, antwortete Erik derart laut, dass seine Mutter es durch die geschlossene Türe gut hören konnte.Trotz der Eindeutigkeit seiner Worte ließ es sich die 54-jährige Friseurin nicht nehmen, die Zimmertür ihres Sohnes zu öffnen.„Aber Junge, du musst doch etwas …“ Erstaunt hob sie die Augenbrauen und starrte auf ihn herab. „Du spielst Gitarre?“ „Was dagegen?“, sagte Erik genervt und war bemüht, seine Mutter zu ignorieren. „Erinnerst du dich? Die hat Onkel Udo dir vor fünf Jahren zu Weihnachten geschenkt.“ „Jau Mama. Könntest du jetzt bitte gehen!“„Wenn ich das Onkel Udo erzähle, Mensch, da wird der sich aber freuen!“„Mama bitte!“„Wenn du Hunger hast, das Essen steht auf dem Herd.“Begleitet von einem Seufzen verließ Renate Schreiber das Zimmer und zog die Türe hinter sich ins Schloss. Warum musste alles so kompliziert sein? Selbst das Erlernen der Gitarre schien eine Wissenschaft für sich zu sein. Wenn er Lara damit überzeugen wollte, musste er noch viel üben. Die Schmetterlinge in seinem Bauch machten jede Nahrungsaufnahme unmöglich und selbst das Zocken mit seinen Gaming-Freunden bereiteten ihm keinen Spaß, weil er sich nicht konzentrieren konnte und jedes Spiel verkackte. Erik stellte das Zupfinstrument neben die Couch und griff nach seinem Smartphone. Vielleicht hatte Lara neue Bilder ins Netz gestellt. Verträumt scrollte Erik durch die längst bekannten Aufnahmen und blieb erneut bei seinem absoluten Lieblingsbild hängen. Es war ein Porträtbild seines Schwarms und zeigte ihr engelgleiches Gesicht im warmen Licht des Sonnenuntergangs. Prüfend sah Erik zur Tür und öffnete sich die Hose. Er schob seine Boxershorts zur Seite und begann seinen hocherregten Schwanz zu stimulieren.

 

9.

Lara konnte kaum fassen, dass sie den ersten Monat ihrer kaufmännischen Ausbildung bereits absolviert hatte. Am Morgen hatte sie auf dem Weg zu Lockermann extra bei der Bank angehalten und ihren Kontostand geprüft, doch die heiß ersehnte Ausbildungsvergütung war noch nicht eingetroffen. Trotzdem hielt sie es für angebracht, diesen Tag ein wenig zu zelebrieren und so fragte sie Melina, ob sie Zeit und Lust habe, sich nach Feierabend mit ihr in der Eisdiele im Ort zu treffen. Ihre ansonsten eher introvertierte und wortkarge Kollegin sagte prompt zu und meinte, ihren geplanten Besuch der Fahrschule zu verschieben. So trafen sich die Mädchen nach Feierabend auf den Parkplatz des Autohauses, um gemeinsam zum nahe gelegenen Eiscafé zu fahren.

„Ist ja echt süß, dein kleiner Verehrer.“, grinste Melina und deutete mit dem Kopf in Richtung der Mechatroniker, von denen gerade einige aus der Werkstatt kamen, weil auch sie Feierabend hatten. Lara, die gerade im Begriff war das Fahrradschloss zu öffnen, sah sie irritiert an und drehte rasch den Kopf, um nach den Auszubildenden zu sehen. „Was? Wer denn? Ich habe nichts bemerkt.“Melina begann zu lachen und deutet mit dem Finger in Richtung des großen blassen Jungen, der gerade zu seinem Fahrrad ging. „Na, der da!“„Der?“Aufmerksam betrachtete Lara den jungen Kollegen und erinnerte sich, dass er ihr bereits am ersten Tag aufgefallen war. Beim Verlassen des Besprechungsraums hatte er auffallend lange in ihre Richtung gesehen. „Ich glaube, der heißt Erik. Kann mich aber auch irren.“, meinte Melina.

Die beiden Mädchen stiegen auf ihre Räder und fuhren los. „Wie kommst du darauf, dass er mein Verehrer ist?“, erkundigte sich Lara, der die ganze Geschichte keine Ruhe ließ. „Merkst du nicht, dass der dir ständig hinterher gafft und Stielaugen bekommt, wenn du mal in der Nähe bist?“Irritiert schüttelte Lara den Kopf. Nein, sie hatte nichts dergleichen bemerkt und war verwundert, dass ihr das nicht aufgefallen war. Aber durch Melinas Äußerungen ergab es einen Sinn, dass dieser Typ ihr als einer der ersten von Lockermann eine Anfrage bei Instagram gestellt hatte und ihr auch auf den anderen Social-Media-Kanälen folgte.„Das hat doch nichts zu bedeuten.“, antwortete sie und wunderte sich noch immer über die Aussage ihrer Kollegin.Im Vergleich zu ihr hatte Melina ein topmodernes E-Bike, sodass sie Probleme hatte, mit dem alten Klappergestell ihrer Kollegin zu folgen.

Wenige Minuten später saßen die beiden Mädchen an einem der Tische vor der Eisdiele, die inmitten des Dorfkerns am idyllischen Marktplatz gelegen war. Es war ein lauer Spätsommerabend und noch warm genug, um im Freien zu sitzen. Neben ihnen saßen überwiegend ältere Dorfbewohner, die ihr Eis oder ihren Kaffee bereits vor sich stehen hatten und sich angeregt unterhielten. Das Geldinstitut war in Sichtweite und Lara fragte sich, ob das erste Gehalt inzwischen eingetroffen war. Melina griff in ihre Gesäßtasche und zog ein nagelneues iPhone 12 pro hervor, dass sie vor sich auf den Tisch legte, bevor sie nach der Eiskarte griff.„Oh mein Gott! Ist das das neueste Modell? Darf ich sehen?“, fragte Lara und deutete auf Melinas Mobiltelefon. „Jepp.“, antwortete diese trocken und schob Lara das Gerät zur Ansicht rüber. Behutsam nahm Lara das kostbare Teil in die Hand und betrachtete es von allen Seiten. Mit Blick auf das kostspielige Gerät, traute sich Lara nicht, ihr in die Jahre gekommenes Huawei hervorzuholen, dass ihr letztens auf den Boden gefallen war und das unzählige Risse im Display hatte. „Ich gönne mir einen Tropical Dream.“, grinste Melina und legte die Speisekarte auf den Tisch.Ganz vorsichtig legte Lara das teure Smartphone ihrer Kollegin ab und griff nach der Karte. Es war Monatsende und in ihrer Geldbörse hatte sie noch ganze fünf Euro, sodass sich Lara für ein simples Spaghetti-Eis entschied. Neugierig blätterte sie weiter und sah, dass der Tropical Dream Becher satte dreizehn Euro kostete und mit Whisky verfeinert war.

Nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten, sah Lara ihre Kollegin aufmerksam an.„Obwohl wir im selben Ort wohnen, habe ich dich hier noch nie gesehen. Ich würde mich freuen, dich näher kennenzulernen.“Melina lächelte und lehnte sich entspannt zurück.„Ich bin erst vor einem halben Jahr in dieses Kaff gezogen. Du kannst mich also nicht kennen.“Lara nickte verständnisvoll und mied es, ihr Handy aus der Tasche zu ziehen, obwohl es gerade vibrierte.„Was hat dich hierhergeführt? Wo hast du vorher gewohnt?“Melinas braune Augen schienen Lara durch die Brille zu fixieren. Offensichtlich behagten ihr die vielen Fragen nicht.„In Frankfurt.“, antwortete sie zögernd. „Ich habe mit meinem Vater in Frankfurt gelebt, bis er ein verlockendes Jobangebot bekam, das er nicht hatte ausschlagen können. Und nun lebe ich hier.“ „Mit deinem Vater? Und was ist mit deiner Mutter?“ „Sie ist abgehauen, als ich noch klein war. Ich kenne sie nicht einmal.“ „Das – das tut mir leid.“, antwortete Lara und bedauerte ihre neugierige Ader. „Und selbst?“, fragte Melina, woraufhin Lara in epischer Breite offen von ihrer alleinerziehenden Mutter, ihrer besten Freundin Hannah und deren fürsorglichen Eltern berichtete. Laras Ausführungen wurden lediglich für einen Moment unterbrochen, als die Bedienung ihnen das Eis servierte. „… und dann habe ich da noch einen Opa, den ich aber nur selten und ungern besuche.„Wow.“, schmunzelte Melina beeindruckt und biss in die kreisrunde Waffel, die zuvor wie ein Ufo auf der Sahnehaube ihres gigantischen Eisbechers gethront hatte.Laras Eis war im Vergleich zu Melinas imposanten Becher eher mickerig und sie fragte sich, ob ihre schlanke Kollegin diese Portion überhaupt würde bewältigen können.„Hat dein Vater dir das Ganze finanziert?“, fragte Lara und dachte an Herrn Poschmann, den gut situierten Vater ihrer besten Freundin, für den Geld ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle spielte.„Was meinst du?“„Na, dein Fahrrad, das Handy …“ „Nein!“, antwortete Melina brüskiert. Mit großen Augen schob sich Lara einen Löffel Vanilleeis in den Mund. Sie wunderte sich über die Reaktion ihrer Kollegin. Hatte sie etwa einen wunden Punkt getroffen?

 

10.

„WAS SOLL ICH? Sag mal, spinnst du?“ Mit hochrotem Kopf und außer sich vor Wut stand Lara in der Küche. Sie hatte die Hände in die Hüfte gestemmt und verfolgte ungeduldig, wie ihre Mutter sich seelenruhig eine Tasse Kaffee eingoss. Sabrina Kroesen hatte mit dem Wutausbruch ihrer Tochter gerechnet und schien bemüht, Ruhe zu bewahren. „MAMA! Mama, das ist nicht fair.“ „300 Euro, mehr verlange ich nicht. Der Rest gehört dir.“Lara bleckte ihre Zähne und begann hysterisch zu weinen, während sie wütend auf den Boden stampfte und mit den Armen wedelte. Der Kontoauszug, den sie noch immer in ihrer Hand hielt, wurde dabei wie eine Fahne im Sturm herumgewirbelt. „Du übertreibst Püppi!“

Sichtlich unbeeindruckt ging die Mutter an ihrer tobenden Tochter vorbei und setzte sich auf die dunkelgraue Küchenbank, welche sie und ihr verstorbener Mann noch kurz vor dessen Tod gekauft hatten. Die Bank hatte ihm gefallen, hier fühlte sie sich ihm besonders nah. „Mama, bitte!“Lara schien sich nur langsam zu beruhigen. Tränen liefen über ihre Wangen und tropften zu Boden, wo sie auf den hochglänzenden Fliesen winzige Seen hinterließen. „Püppi. Seit Papas Tod habe ich alles alleine bezahlen müssen. Du bist jetzt erwachsen und bekommst dein eigenes Geld. Nun ist es an der Zeit, dass du dich anteilig an den Kosten unserer kleinen Wohngemeinschaft beteiligst.“Das Mädchen drehte den Kopf und sah mit tränenunterlaufenen Augen aus dem Fenster. „Das ist nicht fair.“, stammelte sie schluchzend. „Ich weiß Hasenzahn, aber dein Vater hat uns anstelle eines Vermögens leider nur Schulden hinterlassen. Ich hätte es mir auch anders gewünscht.“„Fick dich!“, zischte Lara, machte auf der Stelle kehrt und verließ überstürzt die Küche.„Ich verbiete mir diesen Ton, junges Fräulein!!“Lara rannte in ihr Zimmer und schmetterte die Türe hinter sich in Schloss. Weinend warf sie sich auf das Bett, zerknüllte den Kontoauszug und beförderte ihn in den Papierkorb, der im Zwischenraum neben ihrem Bett und dem angrenzenden Schreibtisch stand. Sie konnte und wollte die Argumentation ihrer Mutter nicht verstehen. Weshalb sollte sie sich von dem wenigen Geld, was sie ohnehin nur verdiente, an den allgemeinen Ausgaben beteiligen? Immer hatte sie zurückstecken und sich mit dem arrangieren müssen, was ihre Mutter ihr vom Kuchen übrig gelassen hatte. Allen ging es besser als ihr. Selbst ihr Ex-Freund Jason, dieser dämliche Schwachmat, hatte mehr Geld zur Verfügung. Lara nahm ihr rosafarbenes Kuschelkissen und den Schmusebären Andy, den sie als Kind von ihrem Vater Andreas bekommen hatte in den Arm, drehte sich zur Wand und ließ ihrer Enttäuschung freien Lauf.

Vor zwölf Jahren war ihr Vater binnen weniger Monate an einem bösartigen Hirntumor verstorben. Lara hatte kaum noch Erinnerungen an die Zeit, in der er erkrankte und letztendlich verstarb. Sie erinnerte sich kaum noch an ihn als Person und an seine Stimme, sondern nur noch an die wenigen Videos, in denen er sie auf seinen Schultern trug oder sie lachend und glucksend in der Luft herumwirbelte. Hätte er sie und ihre Mutter nicht im Stich gelassen, wäre ihr so manches in ihrer Jugend erspart geblieben und hätte ihrem Leben möglicherweise einen anderen, viel besseren Verlauf gegeben.

Ein dunkles Kapitel waren dabei die verhassten Besuche und Übernachtungen bei ihrem Opa Günter. Laras Großmutter war gestorben, als sie noch im Kindergarten war. Seitdem lebte Opa alleine und hatte ihre Mutter in der schweren Zeit nach dem Tod ihres Gatten unterstützt. Finanziell hatte er ihr keine Unterstützung bieten können, doch er hatte sich stets angeboten, die kleine Lara zu beaufsichtigen, wenn ihre Mutter es nicht konnte. Schon in ihrer Kindheit hatte sie die Besuche bei ihrem Opa gehasst, was sich während ihrer Pubertät noch um ein Vielfaches verstärkt hatte. Mit Widerwillen und Verachtung erinnerte sich Lara an die ekelhaften Berührungen dieses Mannes, an das widerwärtige Kneifen in den Hintern und das Betatschen ihrer sich gerade entwickelnden Brüste. „Jetzt hab dich nicht so. Opa macht doch nur Spaß.“, hatte er geflüstert und schäbig dabei gegrinst.Wenn sie sich an die Zeit entsann, hatte sie noch immer seinen widerlich stinkenden Atem in der Nase, der nach Fäulnis, Alkohol und Zigarettenrauch gestunken hatte. Am schlimmsten war es, wenn sie auf seinem Schoss sitzen sollte und er seine Pranke auf ihren nackten Oberschenkel gelegt hatte. „Dein Opa hat dich lieb.“, hatte er gesagt und: „Kleine Mädchen mögen es, wenn der Opa sie dort streichelt. Jetzt zier dich nicht.“

Lara hatte ihrer Mutter nie davon berichtet, doch jedes Mal gebettelt zu ihrer Freundin gehen zu dürfen und stattdessen bei ihr zu übernachten anstatt bei ihrem Opa. Inzwischen war Opa ein bemitleidenswerter einsamer Mann, der viel Zeit vor seinem Computer verbrachte. Es war für ihn das Tor zur Welt. Das Einzige, was ihm geblieben war.

Leise klopfte es an Laras Türe.„Ja.“, antwortet Lara und drückte Andy fest an sich.Langsam öffnete Mutter die Tür und lugte ins Zimmer. „Liebling … – … Püppi … – … ich mein das doch nur gut. Lass uns drüber reden.“Das Letzte, wonach Lara der Sinn stand, war mit ihrer Mutter über die anteilige Zwangsabgabe ihres selbst verdienten Geldes zu verhandeln, doch sie nickte und gewährte ihrer Mutter den Raum zu betreten.Sabrina Kroesen setzte sich auf die Bettkante und strich ihrer Tochter liebevoll über den Kopf.„Papa wäre so stolz auf dich.“, flüsterte sie leise. Lara schloss die Augen und genoss trotz allem Ärgers die Berührungen ihrer Mutter.„Du bist zwar noch jung, aber doch schon Erwachsen und siehe es mal so, in einer WG werden die Kosten auch redlich auf alle Bewohner verteilt. Pass auf, wir einigen uns, dass du dein erstes Geld behalten darfst, aber du ab dem nächsten Monat 250 Euro in unsere Haushaltskasse tust. Ist das okay, Hasenzahn?Obwohl es ihr widerstrebte, begann Lara zögernd zu nicken. Was blieb ihr auch anderes übrig?

 

11.

„Ich bin so stolz auf dich, mein Jung.“Mit einem gewinnbringenden Lächeln und einladend offenen Armen trat sein Vater auf ihn zu und bevor Erik realisieren konnte, wie ihm geschah, hatte er ihn in seine Arme geschlossen und presste ihn an seinen in die Jahre gekommenen männlichen Körper. Sichtlich überrumpelt verzog Erik das Gesicht und ließ seinen alten Herrn gewähren. „Danke.“, hauchte er gepresst und hoffte, dass Vater die überaus peinliche Situation schnell beenden würde.Dabei hatte er gar nichts getan, außer der verhassten Ausbildung zum Kraftfahrzeug Mechatroniker nachzukommen. Dazu gehörte, sich jeden Morgen aus dem Bett zu quälen und die verfluchten Dummschwätzer, die mit ihm zusammen die Ausbildung begonnen hatten sowie die verbalen Entgleisungen und Einläufe seines Ausbildungsleiters Herrn Simmerath zu ertragen.

„Darf ich mal sehen?“, fragte Egon Schreiber, woraufhin ihm Erik den Ausdruck seiner Gehaltsabrechnung zeigte. Die Augen seines Vaters überflogen das Papier und strahlten ihm erneut entgegen. „Glaub mir, du hast die richtige Wahl getroffen Erik. Handwerk hat goldenen Boden.“Grübelnd, was sein Vater damit gemeint haben könnte, verzog Erik das Gesicht. „Ok.“, antwortete er und sah, wie Vater sich an die Gesäßtasche griff, seine Geldbörse hervorholte und ihm daraus 150 Euro in die Hand drückte. „Damit sind 1000 Euro für den ersten Monat voll. Mach damit, was du willst! Triff dich mit Freunden. Geh feiern! Hau ab! Ich habe damals mein erstes eigenes Geld in einen Roller investiert und bin damit zur Arbeit gefahren. Die Mädels liebten meinen Roller und standen Schlange, um mit mir eine Runde zu drehen.“Erik steckte sich das Geld in die Hosentasche und ließ die peinlichen Ausführungen über sich ergehen. Immer wenn Vater Egon von seiner Vergangenheit zu erzählen begann, fand er kein Ende und kam von Höcksken auf Stöksken.

„… mit einem Mal war ich beliebt und habe das natürlich voll ausgekostet.“ Egon Schreiber lachte und knuffte seinem skeptisch dreinblickenden Sohn gegen die Schulter. „Du glaubst mir nicht oder? Dein Vater hatte es faustdick hinter den Ohren. Tagsüber haben wir wie blöd geschuftet und abends ging es auf die Rolle. Das waren noch Zeiten! Als ich in deinem Alter war, habe ich die Mädchen reihenweise flachgelegt, bis ich eines Tages deine Mutter kennenlernte und, na ja, den Rest kennst du ja.“Erik nickte brav und sah seinen alten Herrn nachdenklich an. „Wie hast du die Mädchen damals kennengelernt?“Egon lachte. „Ich sah gut aus, hatte Geld und einen traumhaft schönen Roller unterm Hintern.“Erik seufzte und gab sich einen Ruck. „Dann hattest du wohl Glück. Heutzutage ist es schwierig, jemanden kennenzulernen.“Vater verzog das Gesicht.„Wieso? Wie kommst du denn darauf? Komm setzen wir uns.“Erik folgte seinem Vater auf die dunkelbraune Wildledercouch, die gut ins antik-rustikale Ambiente des Wohnzimmers passte, jedoch so gar nicht seinem Geschmack entsprach. „Erzähl, wo liegt das Problem begraben?“

Eigentlich widerstrebte es Erik, sich mit seinen nunmehr achtzehn Jahren gegenüber seinem Vater zu öffnen und ihm von seinen Problemen zu berichten, doch wer kam sonst für ihn infrage? Seine Gaming-Kollegin würden ihn nur auslachen und öffentlich an den Pranger stellen. Dauersingle Udo kam aus vielerlei Gründen nicht infrage. Erik holte tief Luft, nahm all seinen Mut zusammen und erzählte von seiner Verliebtheit und dem Problem, dass die Mädchen seiner Generation allesamt auf Bad Boys fixiert seien und normale Typen wie er durch das Raster fallen.„Aber das ist doch Quatsch!“, entgegnete Egon und schüttelte den Kopf.„Geh auf das Mädchen zu, sprich sie an und komm mit ihr ins Gespräch. Du wirst sehen, das wird funktionieren.“ „Du verstehst nicht. Im Zeitalter von WhatsApp, Instagram und Snapchat macht so was ganz schnell die Runde und dann bin ich im Arsch.“ „Wie heißt das Mädchen?“ „Lara.“ „Dann gehst du auf Lara zu, verwickelst sie in ein Gespräch und du wirst sehen, der Rest kommt von ganz alleine.“Verzweifelt blickte Erik seinen Vater an und spürte, wie ihm die Schmetterlinge im Bauch den Magen zuschnürten. In seinem tiefsten Innern wusste er, dass Mädchen wie Lara sich nie auf einen Jungen wie ihn einlassen würden, doch er nahm sich vor, über den Vorschlag seines Vaters nachzudenken und gegebenenfalls darauf zurückzukommen.

„Darf ich denn die Auserwählte vielleicht mal sehen?“, fragte Egon behutsam und sah seinen neben ihm sitzenden Sohn neugierig an. „Ich weiß nicht.“, stammelte Erik und nestelte sein iPhone aus der Gesäßtasche.Nachdem er das Gerät mittels Face-ID entsperrt hatte, glitten seine langen dürren Finger über das makellose Display. Staunend verfolgte Egon die rasend schnellen Bewegungen, mit denen sein Sohn das hoch technisierte Mobiltelefon bediente. „Das ist sie.“, sagte Erik und zeigte seinem Vater eine Aufnahme vom Instagram Account des jungen Mädchens. Es zeigte Lara bei strahlendem Sonnenschein auf einer Decke sitzend am nahe gelegenen Baggersee. Sie trug eine eng anliegende Jeans sowie ein rosafarbenes Shirt mit Blumenmuster und lächelte zuckersüß in die Kamera.

Das Betrachten der jungen Lady weckte in Egon Schreiber den unbändigen Wunsch, noch einmal jung sein zu dürfen. „Sie ist wirklich hübsch.“, sagte er anerkennend und hoffte, dass sein Sohn nicht merkte, wie sehr ihm der Anblick der jungen Göre gefiel. „Wie alt ist dieses Mädchen?“, erkundigte er sich mit belegter Stimme.„Achtzehn. Wieso?“„Nur so. Du solltest sie wirklich ansprechen.“Erik nickte und steckte das Mobiltelefon zum Bedauern seines Vaters wieder in die Tasche. „Danke Paps! Ich werde dann mal in mein Zimmer gehen.“ Sichtlich ergriffen sah Egon seinem Sohn hinterher und hoffte, dass er ihm die richtigen Gene vererbt hatte.

 

12.

„Ja bitte. Hereinspaziert!“Daniel Lockermann saß an seinem Arbeitsplatz und blickte aufmerksam zur Tür. Zögernd öffnete sich diese und er hoffte, dass seine Mitarbeiterin Anita Hasenkamp eine der neuen Azubinen beauftragt hatte. Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Juniorchefs, denn es war tatsächlich die hübsche Blondine aus dem ersten Lehrjahr, die ihm bereits bei der Begrüßung vor sechs Wochen aufgefallen war. „Frau Hasenkamp schickt mich. Ich soll bei ihnen Unterlagen abholen.“, sagte das Mädchen, dass sichtlich verunsichert vor ihm stand.„Ja, genau. Kommen sie doch rein.“, sagte er und lockte es mit einer Bewegung des Zeigefingers an seinen Tisch.Eigentlich hatte er eine Vorliebe für brünette Frauen, so wie seine langjährige Freundin Sina, mit der er bereits seit Längerem verlobt war. Er liebte ihre zierliche Figur und ihre aufreizende, teils verruchte Art sich zu kleiden, obwohl sie es dabei hin und wieder übertrieb und durch ihr Auftreten das Interesse anderer Männer weckte. Sein Vater, der alte Lockermann, fand kein gutes Haar an ihr und versuchte seit Jahren ihm diese Frau madigzumachen. Vermutlich war dies auch einer der Gründe, weshalb sich der Senior bislang beharrlich weigerte, das Feld zu räumen und die Leitung des Familienbetriebs an ihn abzutreten.