SchreibLese - Ulrich Karger - E-Book

SchreibLese E-Book

Ulrich Karger

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Beschreibung

Von den Autorinnen und Autoren der Edition Gegenwind sind im Laufe mehrerer Jahrzehnte zahlreiche und im Wortsinn ausgezeichnete Buchveröffentlichungen erschienen. Sechs von ihnen sind nun der Einladung für diese Anthologie gefolgt und erörtern, reimen und erzählen in Essays, Gedichten und Kurzprosa-Stücken über ihre Anfänge und Erfahrungen mit dem Schreiben. Alles zusammen eine so gehaltvolle wie sehr interessante "SchreibLese" von "Ansichten – Absichten – Einsichten".

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Zu diesem Buch …

„SchreibLese: Ansichten - Absichten - Einsichten“ ist die 70. Buchveröffentlichung und zugleich das dritte Anthologie-Projekt der Autor*innen-Gemeinschaft Edition Gegenwind (s.a. Vorwort) – es wirkten daran mit:

Gabriele Beyerlein wurde durch zahlreiche Bücher für Kinder und Jugendliche bekannt und ist mehrfach ausgezeichnet worden, u. a. mit dem Heinrich-Wolgast-Preis, dem Gerhard-Beier-Literaturpreis sowie mit einem Buch des Monats von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur in Volkach.

Homepage: www.gabriele-beyerlein.de

Ulrich Karger ist Begründer der Edition Gegenwind und Herausgeber dieser Anthologie. Er veröffentlichte Bücher für Kinder und Erwachsene, darunter eine sehr erfolgreiche Nacherzählung der Odyssee von Homer. U. a. für den Berliner Tagesspiegel war er auch jahrzehntelang als Rezensent tätig.

Homepage: www.ulrich-karger.de

Manfred Schlüter ist der Illustrator u. a. von Büchern der Autoren Achim Bröger, Michael Ende und Boy Lornsen. Seit 1991 legt er auch Bücher mit eigenen Texten für Kinder und Erwachsene vor. Er wurde u. a. ausgezeichnet mit dem Friedrich-Hebbel-Preis, von der Stiftung Buchkunst und der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur in Volkach.

Homepage: www.manfred-schlueter.com

Pete Smith schreibt Kinder- und Jugendbücher, Essays sowie Romane für Erwachsene, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, zuletzt für seinen Roman Endspiel (2015) mit dem Robert-Gernhardt-Preis des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. Homepage: www.pete-smith.de

Ella Theiss, früher Journalistin, schreibt heute vor allem Kriminalromane und Erzählungen. U. a. belegte ihr Roman Die Spucke des Teufels Platz 2 beim Gerhard-Beier-Preis 2010 und mit Das Hurenkind gewann sie den Quo-Vadis-Kurzgeschichtenpreis 2013.

Homepage: www.ellatheiss.de

Christa Zeuch hat in namhaften Verlagen rund 60 Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht. Mehrfach ausgezeichnet, wurde bereits ihr erster Gedichtband Unten steht der Semmelbeiß in die Auswahlliste zum Deutschen Jugendbuchpreis und in die Ehrenliste zum Hans-Christian-Andersen-Preis aufgenommen.

Homepage: www.christazeuch.de

SCHREIBLESE

Ansichten – Absichten – Einsichten

von Gabriele Beyerlein, Ulrich Karger (Hrsg.),Manfred Schlüter, Pete Smith, Ella Theiss undChrista Zeuch

Edition Gegenwind

Originalausgabe in der Reihe Belletristik

herausgegeben von Ulrich Karger, Berlin

Texte © 2022 by Gabriele Beyerlein, Darmstadt; Ulrich Karger, Berlin; Manfred Schlüter, Hillgroven; Pete Smith, Offenbach;

Ella Theiss, Roßdorf; Christa Zeuch, Windeby

Bilder © 2022 by Manfred Schlüter, Hillgroven

Umschlagdesign und Innengestaltung unter freundlich gestatteter Nutzung der Bilder von Manfred Schlüter: Edition Gegenwind

Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte sind die Rechteinhaber verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne deren Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Herausgebers, zu erreichen unter:

tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

ISBN Softcover: 978-3-347-66464-7

ISBN E-Book: 978-3-347-66465-4

www.edition-gegenwind.de

INHALT

- SchreibLese (Editorische Hinweise)

Gabriele Beyerlein

- Von den Anfängen

- Der historische Roman – Mittel zum Zweck der

- Wissensvermittlung?

Ulrich Karger

- Begleitschreiben

- Lego, ergo sum − Ein Versuch über die Bedingungen des Lesens

- Selbstpublikationen unter dem Label einer Autorengemeinschaft – Ein Zwischenfazit

Manfred Schlüter

- Die Welt der Bilder, die Welt der Sprache −

Eine Wanderung zwischen Welten

Pete Smith

- Winnetou darf nicht sterben

Ella Theiss

- Rauntzkys Erben

Christa Zeuch

- Aus dem Arbeitszimmer

- Fräulein Speck

- Ungereimtes

- Grunewald

- Kleine Lesereisen-Impressionen

- Wortwörtliches

- Bildnachweise

- Quellennachweise

SCHREIBLESE

EDITORISCHE HINWEISE

Was setzt den Anfang eines Daseins als Autorin oder Autor? Sind es erste Lektüren während Kindheit und Jugend oder überhaupt erst mal das Lesen? Oder ganz bestimmte Personen, die Impulse gaben?

Und dann? Aus Manuskripten werden Bücher – was macht hierbei Erfolg oder Misserfolg aus? Was erweckt Freude nach einer Veröffentlichung oder muss ertragen werden – womöglich immer wieder?

Mit der 70. Buchveröffentlichung unseres Labels Edition Gegenwind wenden wir uns nach zwei Anthologien für Kinder mit dieser Anthologie an Erwachsene. Ihr Titel „SchreibLese“ verweist auf ein „Auflesen“ und Nachspüren eigener Schreibanfänge und sich daran anschließender Erfahrungen.

Sechs unserer derzeit neun Autorinnen und Autoren zählenden Gemeinschaft haben sich besagter Lese angenommen – und dabei unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt:

Einige geben einstige Lektüren aus Kindheit und Jugend preis, die ihr späteres Schreiben als Erwachsene bestimmen sollten. Andere nennen (auch) Personen, die sie auf ihrem Weg zur professionellen Autorenschaft angeregt und begleitet haben, und davon wiederum eine auch, welche Reaktionen ihre Lesereisen bei Schulkindern auslösten. Da manche von uns mehrere Beiträge eingebracht haben, sind hier neben den bereits angesprochenen auch noch Essays, Gedichte und Kurzprosa-Stücke über Bedingungen oder/und Zweck des Schreibens versammelt – einige davon durchaus in satirischer Zuspitzung und mit schwarzem Humor angereichert, wenn es z. B. ganz im Sinne Goethes um das (Nicht-)Ertragen missfälliger Äußerungen eines ungeliebten Rezensenten geht.

Das Gros der Beiträge wurde extra für diese Anthologie verfasst, die anderen waren (siehe Quellennachweise) bereits anderenorts erstmalig veröffentlicht, sind hierfür aber durchgesehen und ggf. auch aktualisiert worden.

Insgesamt also ein Kaleidoskop an durchweg gehaltvollen Erfahrungen, die sich, wie der Untertitel schon anzeigt, nicht selten sogar gleichzeitig in „Ansichten – Absichten – Einsichten“ spiegeln. Darüber hinaus tritt hier Manfred Schlüter einmal mehr nicht nur als Autor, sondern auch als Bildender Künstler in Erscheinung.

Angefangen mit seiner auf dem Buchumschlag so trefflich den Titel untermalenden Spitzweg-Variation des „armen Poeten“, markieren dann sechs eigenständige Arbeiten aus seinem Frühwerk jeweils den Beginn von Beiträgen einer Autorin bzw. eines Autors.

Ulrich Karger, Berlin im August 2022

VON DEN ANFÄNGEN

VON GABRIELE BEYERLEIN

Meine Kindheit kann ich mir nicht vorstellen ohne die Bücher, die ich gelesen, und die Geschichten, die ich mir ausgedacht habe. Und oft hing beides zusammen, spann ich die Fäden der Erzählungen weiter. In meiner Phantasie führte ich eine Gruppe Kinder an wie Die Rote Zora und ihre Bande1, lebte auf einer Alm wie die Langerudkinder2 und jagte Diebe wie Emil und die Detektive3.

Doch von allen Büchern hat mich keines so nachhaltig geprägt wie die drei Bände der Höhlenkinder4 von Alois Theodor Sonnleitner. Die Geschichte von Eva und Peter, die mit ihren Pflegeeltern in ein abgelegenes Alpental fliehen und nach dem Tod der beiden Alten ganz allein in dem abgeschnittenen Tal überleben müssen, hat mich jahrelang begleitet. Im nahen Wald vertiefte ich mit bloßen Händen eine puppenstubengroße Höhle unter einem Sandsteinüberhang und richtete sie mit Rinde, Moos und Steinen zur Miniatur-Wohnstatt für Peter und Eva ein.

Immer neuen Komfort ersann ich für die beiden. Ich baute ihnen ein Pfahlhaus aus Stöckchen, die ich mit Gräsern zusammenband, ich versuchte mich an einem winzigen Steinbau, und vor allem träumte ich mich in ihre Welt. Ich fand es eine faszinierende Vorstellung, ganz auf mich gestellt zu sein, fernab von jeder Zivilisation und jedem Menschen mein Leben selbst in die Hand zu nehmen, einzig und allein von meinem Erfindergeist, meiner Geschicklichkeit und Kraft abhängig zu sein – und dieses Schicksal zu meistern. Mir wuchsen Flügel dabei.

Nebenbei prägte sich dadurch mein Bild von der Vergangenheit. Hier kam ich zum ersten Mal mit der Urgeschichte der Menschheit in Berührung, mit ihrer Entwicklung von der Steinzeit über die Bronzezeit bis zur Eisenzeit, lässt doch Sonnleitner die beiden Kinder bis ins Erwachsenenalter diese Entwicklung im Zeitraffer nachvollziehen. Vielleicht wurde hier der Grundstein für mein Interesse an der Ur- und Frühgeschichte und für meine späteren prähistorischen Kinder- und Jugendbücher gelegt?

In meiner Geschichte Die Sonne bleibt nicht stehen bricht der junge Steinzeitjäger Dilgo zur „Probe“ für einen Mondmonat allein in den Wald auf, um ganz auf sich gestellt seine Fähigkeit zum selbständigen Überleben unter Beweis zu stellen, ehe er in die Gruppe der erwachsenen Jäger aufgenommen wird. Keine Sekunde habe ich, als ich das schrieb, an die Höhlenkinder von Sonnleitner gedacht – und doch, so frage ich mich nun, beruht der Einfall zu diesem Motiv nicht vielleicht auch auf meiner kindlichen Begeisterung für dieses Buch, beziehungsweise auf den Geschichten vom einsamen Leben in der Wildnis, die ich mir als Kind davon ausgehend erdacht habe? Und warum eigentlich kommen in so vielen meiner Bücher Höhlen vor …?

Ideen für Geschichten sind Geschenke. Plötzlich sind sie da. Ich kann sie nicht erzwingen. Nur öffnen kann ich mich ihnen. Oft werden sie ausgelöst durch ein äußeres Ereignis, einen bestimmten Ort, ein Bild, eine Zeitungsnotiz, ein Fachbuch, einen Satz. Aber das sind nur die Trigger. Der Ursprung liegt viel tiefer. Dort unten, im Dunkel des Unbewussten, braut sich zusammen, gärt und wächst, was Gestalt annehmen und ans Licht will und was dann – zumindest bei historischen und vor- und frühgeschichtlichen Stoffen – mit den Fakten und Überlegungen umfangreicher Recherche eine Synthese eingehen muss. Es beruht auf dem, was mich im Laufe meines Lebens geprägt hat. Und dazu gehören auch die Bücher, die für mich wichtig waren. Bücher wie in meiner Kindheit Die Höhlenkinder.

Die Idee zu meinem ersten Jugendbuch entstand auf einem Spaziergang mit meiner kleinen Tochter in unserer Nähe auf einem Berg im Umland von Nürnberg, bei dem wir einen überwucherten Erdwall entdeckten. Eine Infotafel erklärte, dies seien die Reste der Befestigung eines Keltischen oppidums. Meine Kenntnisse über die Kelten beschränkten sich auf vage Erinnerungen an Cäsars De bello gallico aus dem Lateinunterricht und auf die Asterix-Hefte, hatte ich doch nicht Vor- und Frühgeschichte studiert, sondern Psychologie. Doch weil meine Tochter müde wurde und der Weg zum Auto noch weit war, erzählte ich ihr zur Ablenkung eine spontan erfundene Geschichte von Kindern, „die einmal vor langer Zeit hier gewohnt haben.“ Während ich meiner Phantasie freien Lauf ließ, erhob sich mir die Frage: Wie mochten Menschen jener Epoche vor mehr als 2000 Jahren tatsächlich gelebt haben? Der Wunsch war geweckt, eine Geschichte aus dieser Zeit zu erzählen, die sachlich Hand und Fuß hat.

Am nächsten Tag fuhr ich in die Stadtbücherei mit dem Vorsatz, alle dort vorhandenen Bücher zum Thema Kelten auszuleihen. Es waren viele. Vom ersten Buch, einem sehr wissenschaftlichen Werk, verstand ich kaum etwas, zu fremd waren mir Fachsprache und Arbeitsweise der Archäologie. Vom zweiten Buch an wurde es leichter, und als ich sie alle durchgearbeitet hatte, stand der Entschluss fest: Ich schreibe auf der Grundlage meiner Recherche eine Erzählung aus der Keltenzeit und lasse sie in unserer Region spielen.

Mit Begeisterung stürzte ich mich in das Projekt, saß Nacht für Nacht am Schreibtisch, während meine Kinder schliefen, und las ihnen am Tag vor, welche Abenteuer die jungen Kelten erlebten. Wie im Rausch entstand das Manuskript zu meinem ersten Buch Die Keltenkinder. Aber als ich mir überlegte, eine Veröffentlichung zu versuchen, kamen die Bedenken: Stimmt alles, was ich so nebenbei über die Lebensweise der Kelten erzähle? Schnell war mir klar: Ich brauche eine fachlich kompetente Durchsicht meines Manuskripts. Doch wie jemanden finden?

Ich entschied mich, Herbert Lorenz anzuschreiben, einen Prähistoriker und Keltenspezialisten, dessen Sachbuch Rundgang durch eine keltische „Stadt“ mir gut gefiel. Ich landete einen Volltreffer. Herbert Lorenz listete nicht nur Korrekturen für mein Manuskript auf, er war von der Geschichte begeistert und schlug mir vor, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten. So entstand unser Gemeinschaftswerk Die Sonne bleibt nicht stehen vom Beginn der Jungsteinzeit, für das er die Recherche und das erläuternde Nachwort übernahm, während ich die Geschichte schrieb.

Inzwischen hatte ich gemerkt, wie sehr es mich fesselt, etwas über unsere ferne Vergangenheit zu erfahren und daraus eine Erzählung zu entwickeln, die dem wissenschaftlichen Kenntnisstand über die jeweilige Zeit entspricht. Feuer fing ich bei Themen, die nicht nur mit der ehemaligen Epoche zu tun hatten, sondern auch von gegenwärtigem Interesse waren und mich persönlich bewegten.

So begann ich mich durch die Vergangenheit zu graben, mit jedem in der Vor- und Frühgeschichte verorteten Buchprojekt eine Unmenge Neues zu lernen. Meine Arbeit wurde zur Entdeckungsreise. Gerade die vielen Leerstellen, die Bruchstückhaftigkeit des Wissens über Kulturen und Gesellschaftsordnungen, von denen es keine oder kaum schriftliche Zeugnisse gibt, faszinierten mich und forderten mich heraus. Mehr und mehr fühlte ich mich in der einschlägigen Fachliteratur zu Hause. Immer wieder fand ich hilfsbereite Archäologinnen und Archäologen, die mir beratend zur Seite standen und oft auch ein Nachwort zu meiner Geschichte schrieben. Teilweise gingen die Kontakte über das Abfragen von Informationen und Korrigieren von Fehlern hinaus und mündeten in eine gemeinsame Suche nach einem möglichen, mit den Fakten verträglichen Gesamtbild einer untergegangenen Epoche, deren Kultur nur in Fragmenten bekannt ist. Ich bin für diese beflügelnde Zusammenarbeit unendlich dankbar. Und auch wenn ich mich später anderen Stoffen zugewendet habe – diese Anfänge meines Schreibens sind mir unverzichtbar.

1 Kurt Held: Die Rote Zora und ihre Bande, 1941

2 Marie Hamsun: Die Langerudkinder, 1924

3 Erich Kästner: Emil und die Detektive, 1929

4 Alois Th. Sonnleitner: Die Höhlenkinder im Heimlichen Grund (1918), Die Höhlenkinder im Pfahlbau (1919), Die Höhlenkinder im Steinhaus (1920)

DER HISTORISCHE ROMAN – MITTEL ZUM ZWECK DER WISSENSVERMITTLUNG?

VON GABRIELE BEYERLEIN

„Es ist jedermann klar, dass es absurd wäre, die Entwicklung des Maikäfers in Form eines Dramas oder einen chemischen Prozess in der Form eines lyrischen Gedichts darzubieten. Nicht so einig ist das Urteil, wenn, wie häufig geschieht, ein Autor verspricht, die Geschichte des 30jährigen Krieges in Romanform zu lehren oder die Verwerflichkeit der Trägheit und die Ersprießlichkeit des Fleißes in novellistischer Form eindringlich vor Augen zu stellen. Sicherlich verdienen solche Endabsichten alles Lob, aber der Weg ist verwerflich. Die Dichtkunst kann und darf nicht das Beförderungsmittel für Wissen und Moral sein. Sie wird erniedrigt, wenn sie in den Dienst fremder Mächte gestellt wird.“

So schreibt Heinrich Wolgast, ein Reformpädagoge des Deutschen Kaiserreichs, in seinem Buch Das Elend unserer Jugendliteratur.5

Gegenwärtig erfreut sich in der Jugendliteratur ein moralisierender pädagogischer Zeigefinger nicht einer solchen Beliebtheit wie zu Wolgasts Zeiten. Aber wie ist es mit dem Wissen?

Wird an historischen Romanen, wie ich sie schreibe, nicht gerade geschätzt, dass sie en passant sauber recherchierte Fakten vermitteln, ein plastisches Bild der Vergangenheit entwerfen, ein Stück Sozialgeschichte nahebringen? Was soll daran, um Wolgast zu zitieren, „verwerflich“ sein?