Schwimmen lernen - Roland Richter - E-Book

Schwimmen lernen E-Book

Richter Roland

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Beschreibung

Schwimmen lernen steht in Buch für Leben lernen. Bei einen Klinik Aufenthalt bin ich nach innen gegangen, um meinen Ängsten, Depressionen, Traumata auf den Grund zu gehen. Wie beim Schwimmen lernen bekam ich Anleitungen wie dies gehen könnte. Letztendlich wird jeder Weg, sehr persönlich sein. Dennoch konnte ich von anderen Menschen, denen es ähnlich geht oder ergangen ist, viel lernen. Mit der Beschreibung meines Aufenthaltes möchte ich anderen Mut machen, nach ihrer eigenen Wahrheit zu suchen. Mir persönlich hat es oft geholfen, meinen Blickwinkel zu verändern. Manchmal werde ich dabei philosophisch. Das hat meinen Horizont erweitert und mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Besonders sensible Menschen erleben die negativen Dinge der Welt sehr intensiv. Aber es ist auch die Sensibilität, die sensible Menschen Dinge erleben lässt die wunderschön sind. Ich habe gelernt in dieser Welt zu schwimmen, so dass ich mich weniger fürchte vor dem Meer der Unsicherheit, die mich umgibt. Ich wurde unabhängiger und damit freier in meinen Entscheidungen. Dies erforderte von meiner Seite Mut. Meine Angst ist ein Zeichen dafür. Ohne Angst ist es nicht mutig etwas zu tun. Daher sei mutig und folge deinem Weg. Zu Schwimmen, bedeutet für mich, das Leben zu leben, ohne dabei zu verhärten. Man verliert beim Verhärten zu viel von den schönen Seiten der Sensibilität.

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Seitenzahl: 166

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Ankunft

Die ersten Tage

Motivationsbericht

Ziele

Stärken

Krankheit als Wegweiser

Was nehme ich bei mir wahr?

Der nächste Morgen

Der Akt des Schreibens

Schwimmbad

Ute

Zusammenbruch

Ein Teil von mir, aber welcher ist der richtige?

Allein sein

Verhaltenstherapie

Suchtgruppe

Einzelstunde beim Therapeuten

Raum der Stille

Familienaufstellung

Fast ein Rückfall

Gaya

Inventur

Spaziergang

Weihnachten und Silvester

Es verändert sich

Beate auch ein Therapiegeschenk

Meditation über den Tod

Gabriele

Inneres Kind

Arbeit mit dem inneren Kind

Ausflug in die Berge

Eine Therapeutin mit Herz

Regeln

Ich mache mir eine Checkliste

Ich verändere mich

Sein Drama ist nicht mein Drama

Beziehungen

Dinge tun, die ich eigentlich nicht tue

Heimweh

Nachsorge

Die Zeit nutzen

Begegnung mit der höheren Macht

Abschied

Zu Hause

Die ersten Tage

Ankunft im Alltag

Es ändert sich

Ich schwanke wieder mal wieder

Auf geht‘s!

Zeit der Ruhe

Dea kommt vorbei

Ein Fazit

Erkenntnisse

Nachtrag

Vorwort

Nackt durch die Wirklichkeit. Genauso fühle ich mich manchmal.

In diesem Buch möchte ich von einer Geschichte erzählen. Diese Geschichte ist meine Geschichte. Sie handelt von mir, wie ich mein Leben rekapituliere.

Ich habe sie während und nach einem Klinikaufenthalt aufgeschrieben – bis heute. Und ich spüre dabei, wie ich immer klarer werde.

Eines möchte ich vorwegnehmen: So unterschiedlich auch die einzelnen Lebensschicksale sein mögen, so denke ich doch, dass wohl jeder Mensch sich in irgendeinem Teil wiederkennen kann.

Ich bin einen Weg gegangen, der vielleicht auch für den einen oder anderen ein Wegweiser sein kann. Selbst, wenn es mir nur gelingen sollte, mit meinem Weg in eine bestimmte Richtung zu zeigen. Auf jeden Fall soll er dir Mut machen, nach deinem Weg zu suchen.

Wenn du magst, könntest du es so lesen, als wenn du eine Reise unternimmst.

Was dir zusagt, nimmst du mit.

Anderes lässt du einfach links liegen.

Die Ankunft

November. Dunkle Regenwolken bleiben an den Bergen hängen. Ich sehe durch den dichten Schleier die geliebten Berge nicht.

Dabei habe ich mir doch extra diesen Ort ausgesucht, weil er in den Alpen liegt.

Aber eigentlich war es ein Gefühl, ein innerliches Führen hierher. Ich habe gespürt, dass ich etwas tun muss. Dass ich mich aufraffen muss, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Was ist mit mir los? Warum fühle ich so, wie ich fühle? Was ist mit dieser unendlichen Traurigkeit; mit dem Gefühl der Leere? Was ist mit der Angst? Warum nur fühle ich mich trotz Gesellschaft immer so allein? Selbst in einer Beziehung waren die anfänglichen Liebeshochgefühle erst mal verschwunden.

Immer öfter hatte ich die letzten Wochen nach der Kiste im Regal geschaut, wo die Opiat-Tabletten gelagert sind. Die Suizidgedanken wollten einfach nicht verschwinden.

Natürlich hätte ich es nie getan. Hätte es meinen Kindern, meinem erst jüngst geboren Enkel nie angetan. Dennoch durchdrang mich ein Gefühl der Sicherheit, wenn ich an die Kiste dachte. Wenn es nicht mehr zu ertragen ist, dann gibt es etwas, was mich erlöst.

Nachts um drei Uhr bin ich losgefahren, um rechtzeitig anzukommen. Ich bin zuerst kurz an der Klinik vorbeigefahren, um mir einen Überblick zu verschaffen. Mir blieb noch eine Stunde, dann musste ich mich dort aufnehmen lassen.

Relativ schnell hatte ich den Platz bekommen, da ich mich auf die Warteliste setzen ließ. Ich wollte ja so schnell wie möglich dorthin. So habe ich es gespürt. Und so ist es eingetreten.

Also, noch eine kurze Pause unten im Ort. Noch eine dampfen. Ich versuche, meine Angst in den Griff zu bekommen. Was erwartet mich? Wird alles noch schlimmer? Oder kann ich mich befreien? Angst. Immer wieder diese tiefe, unbegreifliche Angst. Sie lässt mich immer fast erstarren.

Habe ich es richtig gemacht? Mich in diese Klinik ohne Ablenkung, also auch ohne Handy und meine geliebte Musik, einweisen zu lassen.

Ich brauche eine Woche, um die Bedingungen für die Aufnahme zu verdauen.

Erst, als ich verstehe, worum es geht, kann ich mich dazu durchringen.

Schließlich habe ich daran gedacht, dass ich ja schon immer mal ins Kloster wollte. Nun habe ich es. Also, was soll’s. Probieren geht über Studieren.

Ich atme tief. Tief in mich hinein.

Immerhin, nach einem Kurs bei einem Zen-Lehrer kann ich mich ein wenig zentrieren.

Überhaupt hat mir die Zen-Meditation beim Überleben geholfen.

Überleben klingt ziemlich melodramatisch, denke ich wieder einmal. Dennoch fühlt es sich es so an, obwohl es ein anderes Überleben ist bei Menschen, die wirklich um ihre Existenz bangen müssen. Dieses Denken, es sind ja nur Fraktale. Nichts Ganzes. Gedankensplitter. Wie eine Maus flitzen sie umher. Mal hier, mal dort. Na, wer da nicht den Faden verliert.

Wie soll ich das alles nur zusammenbringen? Zu einem ,,ich-bin-ganz‘‘-Gefühl werden lassen? Das Durcheinander in meinem Gehirn ordnen?

Irgendwie fühlt sich das Ganze so an, als wäre ich im Gefängnis.

Ich suche verzweifelt den Ausgang in Religion, Wissenschaft und allem, was mir irgendwie verspricht, ein Ausgang zu sein.

Zittrig stehe ich am Eingang und werde von einem Mann, der wohl schon länger hier ist, erwartet und begrüßt.

Nun geht es Schlag auf Schlag. Aufnahme, Papierkram, ärztliche Untersuchung. Anschließend gibt es auch noch eine Vorstellung in großer Runde.

Ich, der am liebsten allein ist. Der seit vier Jahren in seiner gemütlichen zwei Zimmer Wohnung vor sich hin brütet. Der zu Menschen kaum Vertrauen hat, bin hier plötzlich immer von Menschen umgeben.

Stress pur!

Kein Zurückziehen mehr möglich, da auch die Zimmer doppelt belegt sind.

Völlig erschöpft schlafe ich am ersten Tag tatsächlich gegen neunzehn Uhr ein. Schlaflosigkeit ist die letzten Wochen leider auch ein Thema geworden.

Die ersten Tage

Sechs Uhr in der Früh. Ich quäle mich aus dem Bett.

Zeit, um mir groß Gedanken zu machen, habe ich nicht. Merke aber, wie sich alles in mir anspannt.

Was kommt auf mich zu? Was erwartet mich?

Ich schaue aus dem Fenster. Die Klinik liegt auf einem Hügel, und ich kann auf die kleine Stadt herabblicken. Im Hintergrund die hohen Berge.

Die Stadt liegt fast vollständig im Nebel. Regen liegt in der Luft.

Mich beschleicht ein Gefühl, dass es in meinem Inneren genauso ist.

Irgendwie möchte ich hinauf auf die hohen Berge, wo ich weiß, dass über den Wolken die Sonne scheint.

Wie aber nur komme ich dahin?

Der Speisesaal ist voll von Menschen. Gesundes Essen ist ein wichtiges Kriterium der Klinik. Nach Tagen merke ich, dass die viele Rohkost auf die Verdauung schlagen. Eine echte Herausforderung für meinen Körper; melden sich die Darmwinde doch mit unkontrollierbarem Ausdruck.

Das ist nicht jedermanns Sache. Gerade für Menschen, die nicht auffallen wollen. Also so wie ich. Ich merke aber bald, dass viele weitaus größere Probleme mit der Verdauung haben als ich und lasse das Thema los.

Es ist so, wie es ist.

In der Vorstellungsrunde, in der etwa fünfzig Menschen sitzen, merke ich, dass die einzelnen Probleme zwar sehr unterschiedlich im Gewande sind, die darunter liegende Nacktheit ähnelt sich aber sehr. Traumata, Gewalt, Vernachlässigung, Stress, Ängste, Burnout haben in meinen Augen einige Gemeinsamkeiten.

Mir war relativ früh im Leben klar, worum es geht.

Letztendlich fliest in meinen Augen doch alles in einer Urangst zusammen.

Die Angst vor Auslöschung. Das Verhalten, was man annimmt, egal ob Arbeitssucht, Kontrollzentrum, Gier, Sucht dienen doch nur dem einen Zweck: diese Urangst in den Griff zu bekommen.

Ich kann gar nicht all die seltsamen Blüten aufzählen, die die Psyche dabei hervorbringt. Daher habe ich für mich diese Urangst als die Mutter aller Ängste bezeichnet.

So ist sie eher greifbar für mich. Sie nimmt Gestalt an. Da etwas begreifen von greifen kommt, wird sie greifbar. Zumindest für mich.

Plötzlich streift mich ein Gedanke: Diejenigen, die hier sitzen und versuchen, wieder Freude in ihr Leben zu bringen und diejenigen, die draußen im Alltag mitverantwortlich sind, dass Menschen psychisch aussteigen, haben einige Gemeinsamkeiten. Und gar mancher gehört wohl hierher. Ist nicht der Versuch, Macht über andere Menschen auszuüben, der hilflose Versuch, Liebe zu erpressen?

Wie wohl jeder die Mutter aller Ängste vermeiden möchte, so sucht jeder Mensch im Grunde seines Herzens die bedingungslose Liebe.

Ich frage mich oft, ob es nicht andere Organisationsformen gibt. Muss es denn diese Hierarchien wirklich geben? Schließlich leiden selbst diejenigen, die Macht haben.

Während ich dies zum Ende meines Klinikaufenthalts niederschreibe, muss ich aber gleich an eine Erkenntnis aus meinem Aufenthalt hier denken.

Ich kann nur für mich alleine reden. Ich bin nur für mich verantwortlich; für mein Denken und damit auch Fühlen. Alles, was ich über andere sage, sagt mehr über mich aus als über andere. Ich kann mich maximal im anderen erkennen. Mehr aber auch nicht. Leichter gesagt als getan. Immer und immer wieder ertappe ich mich dabei, meine Gedanken auf andere zu projizieren.

Dennoch habe ich aus diesem Grunde die Ich-Form gewählt. So kann ich besser bei mir bleiben.

Eins kann ich aber jetzt schon verraten. Dieses Bei-mirbleiben, es immer und immer wieder zu trainieren, ist ein wichtiger Schlüssel zur Selbsterkenntnis, da ich Schwierigkeiten habe, immer nur an mich zu denken, und es mit negativem Egoismus gleichgesetzt habe.

Es ist aber genau das Gegenteil von negativem Egoismus. Nur wenn ich mich selber verstehe, wenn ich meine Bedürfnisse kenne, nur dann ist es erst möglich, auch andere zu verstehen. Die Gründe, warum ich an mich zu denken mit negativem Egoismus gleichgesetzt habe, sind in meiner Kindheit zu suchen.

Greta Thunberg ist ein gutes Beispiel. Sie ist völlig bei sich. Auch wenn das wohl vermutlich ihrem Autismus entspringt, so ist sie sehr authentisch.

Ich lege meine Hand in deine Hand und gemeinsam schaffen wir das.

Ein Patient führt mich in die Mitte eines großen Raums. Weit über fünfzig Augenpaare schauen mich an. Alles Patienten und zwei Therapeuten. Mir schlottern die Knie. Ich schwitze. Angst durchzieht meinen ganzen Körper.

„Warum bist du hier“, fragt mich die Komitee-Leitung.

Ich stottere was von Angst und Depressionen. Mir fällt nichts ein. Bei der Frage, ob ich einen Lebenssponsor brauche, will ich mich durchmogeln. Ich doch nicht. Wo denkt ihr hin? Ich bring mich nicht um. Deswegen bin ich doch hier. Aber die Therapeutin bleibt hartnäckig und drückt mir zwei aufs Auge.

Ich hatte in meinem Motivationsbericht, den man vor der Aufnahme abgeben musste, angegeben, dass mich Suizid-Gedanken verfolgen. Was ja auch leider stimmte. Dennoch hatte ich mir gute Grundsätze nach einem Versuch mit sechzehn zurechtgelegt.

Damals in der DDR bekam ich keine Hilfe. In so einem schönen sozialistischen Staat bringt man sich schließlich nicht um.

Diese Grundsätze lauten wie folgt:

Du wirst nie wieder geboren (soweit man weiß).

Die Lebensjahre sind schnell vorbei.

Was sind schon siebzig Jahre im Vergleich?

Warum sie also vorher beenden?

Warum die Qualität der Jahre unnötig verschlechtern?

Sterben werde ich sowieso. Das Leben vorher zu beenden, ist daher absoluter Unsinn.

In diesen scheinbar einfachen Sätzen steckt für mich das starke Gefühl, es aushalten zu können. Egal, was kommt und was geschieht.

Das Leben durchstehen, annehmen und das Beste daraus machen.

Aber warum bin ich hier?

Ich habe noch eine körperliche Erkrankung.

Es passt zu meiner Geschichte. Meine Wirbelsäule ist krumm und macht mir an einer Stelle seit Jahrzehnten zu schaffen.

Man könnte auch sagen, als Kind hat man mir psychisch das Rückgrat gebrochen.

Nach einer jahrelangen Odyssee von Orthopäden zu Orthopäden habe ich einen gefunden, der mir wirklich reinen Wein eingeschenkt hat.

„Was? Sie arbeiten noch?“, war seine Frage. „Aber ja, ich liebe meine Arbeit“.

Manche Orthopäden rieten mir zu einer Versteifung der Wirbelsäule. Ausgang ungewiss.

Dieser Orthopäde aber schickte mich zu einer Kur, passend zu meiner Problematik, und ich habe mir ein Muskelkorsett aufgebaut.

Nun bin ich relativ schmerzfrei und so fit wie noch nie.

Allerdings hinkt die Psyche hinterher. So habe ich gefühlt, dass ich etwas tun muss, bevor es schlimmer wird. Ich wusste, dass man in einer akuten Phase einer Depression therapeutisch wenig tun kann. Dann steht die Stabilisation im Vordergrund.

Schließlich wollte ich nichts unversucht lassen. Die Aussicht, bei einer ambulanten Therapie aufgelöst über die Autobahn nach Hause zu fahren, erfüllte mich auch nicht gerade mit Zuversicht.

Bevor ich aufgenommen wurde, sollte ich einen Motivationsbericht schreiben.

Motivationsbericht

Ich bin in einem sehr kleinen Dorf in Thüringen aufgewachsen. Mein Vater besaß eine kleine Gärtnerei.

Ich habe zwei Schwestern. Meine Mutter ist, als ich noch ein Baby war, psychisch erkrankt.

Daher habe ich sie erst als fünfunddreißigjähriger Mann kennen gelernt, konnte aber keine Beziehung mehr zu ihr aufbauen.

Über das Ganze wurde ein Mantel des Schweigens ausgebreitet. Ich erfuhr nur Bruchstücke, nie Genaueres. So erzählte man mir, dass sie mit mir, als ich ein Baby war, die Treppe hinuntergefallen wäre, und mich fast erstickt hätte. Außerdem sei ich wohl im Straßengraben geboren worden, als meine Mutter die Ziegen ausführen musste.

Mehr weiß ich leider nicht von der Mutter.

Meine genaueren Erinnerungen setzen ein, als ich aus der Obhut der Großeltern mütterlicherseits wieder zurück zum Vater musste.

Davor sind die Erinnerungen bruchstückhaft, aber ziemlich genau.

Die Rückkehr, als ich schulpflichtig wurde, war für mich ein erschreckendes Erlebnis.

Die Jahre bis ich achtzehn wurde, waren von körperlicher und seelischer Gewalt geprägt.

Es gab Prügelattacken, bei denen ich nicht mehr wusste, ob er mich jetzt totschlagen würde.

Liebe gab es keine!

So komisch dies auch klingen mag, ich hatte nur dann einigermaßen Ruhe, wenn ich arbeitete. Da ließ mich mein Vater jedenfalls in Ruhe. Also wurde nach der Schule und am Wochenende nur gearbeitet.

Es war ein Gefühl von ständiger Angst und Unsicherheit.

Hilfe fand ich nur in heimlich gelesenen Büchern.

Dennoch habe ich mich aufgerafft, als ich etwa einundzwanzig Jahre alt war und mein Leben selbst in die Hand nahm.

Ich wurde auch sehr früh Vater und hatte ein hohes Verantwortungsgefühl.

Aus dieser Ehe sind vier Kinder hervorgegangen. Leider ist meine erste Frau dann psychisch krank geworden und wollte sich nicht helfen lassen.

Da sie aggressiv war, bin ich mit den Kindern ausgezogen und war eine Zeit lang alleinerziehend.

Ich habe dann zum zweiten Mal geheiratet und bin nach Hessen gezogen.

Der zweiten Frau gegenüber verhielt ich mich sehr unterwürfig. Die Ehe ist vor vier Jahren gescheitert. Seitdem wohne ich alleine.

Erwähnenswert wäre noch meine letzte Beziehung zu einer verheirateten Frau, der ich nun schon drei Jahre nachhänge.

Problematik:

Wenn ich mein Leben so anschaue, wiederholen sich bestimmte Muster, die in meinen Augen nicht gesund sind.

Ich kann nicht unterscheiden zwischen meinen eigenen und fremden Gefühlen. Kann keine Grenzen ziehen. Ich mache mir fremde Gefühle bis zur Selbstaufgabe zu eigen. Alles in der Hoffnung, selber angenommen zu werden.

Daraus resultieren in meinen Augen meine Beziehungsproblematiken. Nun traue ich mir momentan gar keine Beziehung mehr zu. Ich habe Angst, dass ich mich wieder ganz aufgebe.

Ich habe noch eine körperliche Problematik. Dabei handelt es sich um eine Skoliose, die mir körperliche Schmerzen bereitet. Diese habe ich aber momentan mit Sport einigermaßen im Griff. Allerdings hat sie Einfluss auf meine immer wiederkehrenden Depressionen.

Die Depressionen, die mich das ganze Leben mal mehr, mal weniger begleiten, sind oft von Selbstmordgedanken begleitet.

Momentan durchlebe ich eine mittelschwere Krise, bei der auch jüngste Ereignisse auslösend waren.

Diese Ereignisse haben eine heftige Depression ausgelöst.

Ich war für einige Wochen völlig erstarrt. Wichtig ist aber, dass ich immer noch robotergleich zur Arbeit gehe. Die Angst zu Hause zu bleiben, ist noch viel größer.

Opipramol hilft mir, besonders am Abend, seit ich den Alkohol vor drei Jahren ganz aus dem Leben verbannte.

Der Alkohol half mir abends, meine Angst, Depressionen und Einschlafschwierigkeiten zu überwinden. Die Angst zum Alkoholiker zu werden, war aber in diesen Fall förderlich, und ich beschloss den Alkohol wegzulassen, was mir auch gelungen ist.

Allerdings sehe ich einige Verhaltensweisen an mir wie in der Beziehung zu der verheirateten Frau, mein Umgang mit Nikotin und der Arbeit, die suchtartigen Charakter aufweisen.

Ziele

Aus dem Problematischen heraus entwickeln sich die Ziele:

wegzukommen von den sich verselbständigenden Selbstmordgedanken

Zugang zu meinen Gefühlen zu bekommen und sie klar als richtig einzustufen, da ich ihnen nicht vertraue

Strategien bei depressiven Phasen zu entwickeln, ohne in Suchtverhalten abzurutschen

Vertrauen zu mir aufzubauen

dieses tiefe Gefühl der Leere, die verzweifelte Suche nach Liebe irgendwie richtig einzuordnen

meinem spirituellen Hunger irgendeine sinnvolle Richtung zu geben

noch nie dagewesene Lebensfreude zu gewinnen

genaues Begreifen oder Datieren der erlebten Vernachlässigung in der Vergangenheit (die ich in kritischen Situationen immer noch wie ich als Kind erlebe)

berufliche Perspektiven entwickeln

unterscheiden zu können, wann ich „normal“ handle und wann ich in suchtartiges Verhalten wechsle.

Stärken

noch nicht aufgegeben zu haben

mir Hilfe zu suchen

Veränderungswille (Alkoholsucht überwunden)

Ich habe mein Leben im Griff bzw. kümmere ich mich gut um mich selbst. Allerdings immer von einer Angst begleitet, was alles schief gehen könnte. Auch die Angst vor dem Kranksein, dann allein zu Hause zu sein, schränkt mich ein

Geduld (Gelassenheit)

analytisches Denken

Selbstbeobachtung

Disziplin

mich künstlerisch ausdrücken zu können

Krankheit als Wegweiser

Was heißt Krankheit? Klar, die Krankenkasse braucht Namen. Klar ist aber auch, dass die Symptome verschiedenartig zu deuten sind.

In Indien ist ein nackter Sadhu keineswegs ein Fall für die Psychiatrie. Er wird verehrt. Mach das mal in Europa. Sie halten dich für verrückt. Vieles, was als Krankheit bezeichnet wird, drückt eher eine Lebenskrise aus.

Unsere Lebensweise und Arbeitsverhältnisse verstärken solche Lebenskrisen.

Dennoch halte ich eine Krise als Wegweiser dafür, dass etwas geändert werden sollte.

Klar wird mir, dass es nichts gibt, was heilen kann. Auch der Aufenthalt hier nicht. Der Wille zur Heilung ist entscheidend. So viel steht fest.

Mittags bei einer geführten Meditation lerne ich, wie ich ungelöste Probleme in einen Tresor packe, damit sie mich nicht weiter beschäftigen. So soll mein Kopf frei bleiben.

Und tatsächlich packe ich die offene Beziehung und andere Dinge gleich mal weg.

Es funktioniert.

Nachmittags zur Patientenwanderung stapfen wir durch den Regen und die Nebelbänke Richtung Fluss. Kurze Gespräche entstehen und vergehen.

Smalltalk war noch nie mein Ding. Doch die Menschen hier sind anders. Offen und ehrlich kommen sie bei mir an. Erzählen von ihren Problemen. Sie öffnen sich. Erste Umarmungen werden ausgetauscht.

Dabei kommt mir der Gedanke, dass es wohl doch nicht die Menschen sind, die mich immer gelangweilt haben. Eher ist es ihre Seelenlosigkeit. Sie sind meist im analytischen Verstand verankert. Und es geht irgendwie immer darum, wer besser ist. Ich weiß natürlich, dass dies nur mein verengtes, verzehrtes Bild vom Menschen ist.

Es wird sehr viel über andere geredet. Darauf hatte ich selten Lust. Hier scheint alles anders zu sein. Am Fluss angekommen denke ich, ich muss doch nur diesem Fluss nach oben in die Berge folgen und schon komme ich über diese Nebelbänke und Wolken zu dem strahlend blauen Himmel.

Eine gute Metapher dafür, was ich mir erhoffe. Ich will ins Licht. Den blauen Himmel sehen. Der Fluss des Lebens als Wegweiser dorthin.

Als wir von der Wanderung zurückkommen, beginne ich wieder mal meine Probleme philosophisch zu betrachten.

Ich denke, also bin ich.

Ich bin.

Ich.

Wer ist dieses Ich?

Zersplittert mal hier mal dort.

Ich suche das Zentrum. Ich schließe die Augen. Denke in das Schwarze hinein. Versuche, überhaupt nicht zu denken. Nur das Schwarze zu sehen. Male eine Acht im Kopf. Ich folge ihr mit den Augen. Sie steht für die Unendlichkeit.

Viele Bilder tauchen auf. Eine Welt öffnet sich. Alles ist mit allem irgendwie verbunden. Die Grenzen verschwinden.

Warum fühle ich dieses isolierte „Ich“ so schmerzhaft? Wie ein Gefangener suche ich den Ausgang.

Es ist ein Labyrinth. Egal welchen Weg ich nehme, ich lande in einer Sackgasse.

Die Geschichte ist voller Lügen. Diese ganzen Theorien über die Welt. Was ist wahr und was ist Lüge?

Ich denke, dass es so etwas wie Geschichte nur in den Köpfen stattfindet. So, wie die Länder künstlich sind. Woran sich festhalten?

Wie entsteht die Realität?

Fragen über Fragen.

Das „Ich“ einem Irrtum gleich.