Seewölfe - Piraten der Weltmeere 444 - Roy Palmer - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 444 E-Book

Roy Palmer

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Beschreibung

Oben in den Steilfelsen lösten die Männer des Seewolfs die Steinbrocken, die sie für diesen Zweck vorbereitet hatten. Unten auf dem schmalen Gebirgspfad schrien die Soldaten auf, als sie hochblickten und sahen, wie die schweren Brocken auf sie zustürzten. "Zurück!" brüllte einer von ihnen. Aber es war bereits zu spät. Donnernd prallte die Steinlawine auf den Pfad. Es krachte, dröhnte und rumpelte, die gellenden Schreie der Soldaten mischten sich dazwischen. Gestalten wankten oder stürzten bereits in die Tiefe, die noch nie ein Mensch ausgelotet hatte. Aber kaum war diese Lawine des Todes niedergegangen, da krachten Schüsse - oben aus den Steilfelsen...

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Impressum© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.eISBN: 978-3-95439-852-2Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Roy Palmer

Lawine des Todes

Als die Verfolger anrückten – sprengten sie den Bergpfad

Vielleicht war es das verwegenste Abenteuer gewesen, das Philip Hasard Killigrew je angepackt hatte. Aber er hatte es geschafft: Mit nur zehn Männern war er in die reichste Stadt der Neuen Welt eingedrungen – Potosi, wo die Spanier das Silber nur so scheffelten, das die versklavten Indios unter der Peitsche der Aufseher aus dem Cerro Rico herausholen mußten. Mit dem Gouverneur als Geisel hatte er die Stadt in der Hand – eine wehrlose Stadt, denn er und seine Männer hatten den Pulverturm in die Luft gejagt. Und jetzt diktierte der Seewolf den erlauchten Señores vom Stadtrat, was zu geschehen hätte. Und sie gehorchten. Als die elf Männer wieder westwärts zogen, waren die Indios befreit, und es gab keinen Silberabbau mehr – die Stadt war gelähmt …

Die Hauptpersonen des Romans:

Philip Hasard Killigrew – rechnet mit Verfolgern und verhält sich dementsprechend.

Don Ramón de Cubillo – möchte gern sterben, aber damit ist niemand einverstanden.

Alvaro Gomez – der Teniente ist vom Ehrgeiz besessen, aber das nutzt ihm wenig.

Delon – der Aufseher über die Indiosklaven übernimmt mit seinem Kollegen Ventura eine Mission.

Salimbene – ein Stadtstreicher, der mit zwei Kumpanen die Gunst der Stunde nutzt.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Salimbene, El Moreno und Rubirosa – so hießen die drei Kerle, die am späten Abend des 29. Dezember 1594 in Potosi als erste wieder ihre Nasen ins Freie steckten. Es war ein in jeder Hinsicht denkwürdiger Tag gewesen. Aber er war noch nicht zu Ende. Das Beste, so fand das Trio, sollte erst noch geschehen.

Wer hätte jemals damit gerechnet, daß diese Stadt, die größte in der Neuen Welt und ein Prunkstück spanischer Baukunst und Macht, in ihren Grundfesten erschüttert werden würde? Niemand. Schon gar nicht die Bewohner. Wurde doch Potosi von Männern wie Don Ramón de Cubillo und seinen Günstlingen regiert, die die Zügel fest in der Hand hielten und jeden unnachgiebig bestraften, der gegen sie vorzugehen wagte.

Männer wie Salimbene, El Moreno und Rubirosa waren stets darauf bedacht gewesen, mit den Oberen der Stadt nicht anzuecken. Sie lebten im Halbdunkel und galten als übles Gelichter, fielen aber nie auf. Sie vegetierten in den Spielhöllen und den Kellern der Stadt dahin, immer am Rand des Existenzminimums.

Sie arbeiteten nicht, tranken viel Wein und bewegten sich auf dem winzigen, scharfen Grat, der das Gaunertum vom Verbrechen und offener Gewalt trennt. Sie schwammen mit auf der Welle von Wohlstand und Laster, ohne richtig daran teilzuhaben. An diesem Abend aber, zwei Tage vor dem Jahresende, schlug ihre große Stunde.

Es war etwas ins Wanken geraten – im ganzen großen spanisch-portugiesischen Königsreich. Wie sonst konnte es geschehen, daß eine Stadt wie Potosi überfallen und ihres Reichtums beraubt wurde? Und wer waren diese Kerle – nur eine Handvoll –, die die einmalige Unverfrorenheit aufgebracht hatten, den Provinzgouverneur Don Ramón de Cubillo gefangenzunehmen und zu verschleppen? Gehörte nicht mehr als Kühnheit dazu, einen solchen Schlag zu landen? Waren sie – Sendboten des Teufels?

Nein. Sie waren ganz normale Menschen, aus Fleisch und Blut. Man mußte schon sehr abergläubisch sein, um an einen derartigen Unsinn und Mummenschanz zu glauben. Nein. Sie waren zwar Teufelskerle, aber sie waren nicht den Schlünden der Hölle und Finsternis entstiegen, sondern kamen von einem Schiff, das irgendwo an der Küste ankerte. Anders konnte es nicht sein. Sie hatten einen langen Marsch auf sich genommen, aber sie hatten einen immensen Erfolg zu verzeichnen. Es hatte sich gelohnt. Jetzt kehrten sie zu ihrem Schiff zurück.

So jedenfalls dachte Salimbene, ein kräftig gebauter Kerl mit grob geschnittenem Gesicht und kurzen grauen Haaren.

El Moreno – so genannt, weil er pechschwarze Haare und einen ebenso pechschwarzen Bart hatte – pflichtete ihm voll bei.

Und auch Rubirosa, ein flinkes, gewandtes Kerlchen, das durch größte Fingerfertigkeit bestach, war nicht geneigt, die Dinge anders zu betrachten.

Ja, in gewisser Weise imponierten die Fremden dem Trio sogar. Hatten sie nicht eine große Tat vollbracht? Potosi war wie gelähmt. Nichts rührte sich. Die Angst ging um. Wer keine Furcht hatte, konnte sich ungestört bewegen und jeden Platz und jedes Haus aufsuchen, ohne befürchten zu müssen, kontrolliert zu werden.

Dieser Umstand kam Männern wie Salimbene, El Moreno und Rubirosa sehr gelegen. Konnte man nicht beispielsweise einen Abstecher zur Münze unternehmen – oder zur Gouverneursresidenz? Warum nicht? Wer hinderte einen daran?

Salimbene stand an der halb geöffneten Tür des verfallenen Hauses, in dem sie Unterschlupf gefunden hatten. Es stand etwas erhöht am südlichen Stadtrand. Man hatte von hier aus einen recht guten Ausblick.

„Ich glaube, sie sind fort“, murmelte er.

„Sicher sind sie fort“, meinte El Moreno, der dicht hinter ihm war. „Und sie haben jede Menge Silber mitgenommen.“

„Und wo sind jene, welche die Stadt umstellt hatten?“ wollte Rubirosa wissen.

„Die haben nie existiert“, erwiderte Salimbene. „Alles nur ein Bluff.“

„Aber alle haben gesagt, daß ein Heer von Feinden Potosi umzingelt hätte“, sagte Rubirosa.

„Hast du sie gesehen?“ zischte El Moreno.

„Nein.“

„Ich glaube nur, was ich sehe“, sagte El Moreno.

„Ich auch“, sagte Salimbene, dann schlüpfte er ins Freie.

Es war totenstill. Ein paar Lichter funkelten und flackerten noch in der Stadt, das war alles. Keine Stimme ertönte. Kein Tier ließ auch nur einen Laut vernehmen. Kein Hund bellte, die Bluthunde des Luis Carrero waren tot, beseitigt von einer kräftigen Pulverladung.

Ein leichter Windhauch strich vom Altiplano ins Tal. Es war kalt. Ein Eispanzer schien sich über Potosi zu senken, Geister streckten ihre kalten Klauen aus. Salimbene hüllte sich in seine lumpige Kleidung und begann mit dem Abstieg. El Moreno und Rubirosa folgten ihm.

Und Rubirosa dachte daran, daß das erste, was er klauen würde, ein Paar Stiefel sein würde. Davon träumte er schon seit langem. Es war nicht sehr angenehm, barfuß über die kahlen Felsen stolpern zu müssen, obwohl die Fußsohlen schon eine beachtliche Hornhaut hatten.

„Da tut sich nichts“, murmelte Salimbene. „Die hocken alle in ihren Häusern und schlottern vor Angst.“

„Auch die Soldaten?“ fragte Rubirosa.

„Auch die Soldaten“, entgegnete El Moreno gedämpft. „So, und jetzt halt’s Maul! Oder willst du, daß sie uns hören?“

Schweigend drangen sie in die Gassen ein. Ihre schemenhaften Gestalten bewegten sich huschend von Haus zu Haus. Aber sie waren nicht die einzigen. Weitere Schatten waren in den Gassen und Gängen und am Rande der Plazas zu beobachten. Salimbene bemerkte sie als erster, und er wußte sofort Bescheid.

„Die anderen sind auch schon unterwegs“, raunte er seinen beiden Kumpanen zu. „Wir müssen uns beeilen.“

„Sonst bleibt für uns nichts übrig“, murmelte El Moreno. „Wir sollten uns als erstes die Münze vornehmen!“

Sie beschleunigten ihre Schritte. Sie dachten nur an das eine: Silber, Reichtum, eine günstige Gelegenheit, sich zu bereichern, eine Chance, die sich in dieser Form nie wieder bieten würde. Potosi gehörte dem lichtscheuen Gesindel, den Dieben, Marodeuren und Galgenstricken.

Die drei Kerle irrten sich nicht: Der Feind hatte Potosi verlassen. Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, und sein Trupp hatten der Stadt noch an diesem Abend den Rücken gekehrt und zogen westwärts. Sie befanden sich auf der Route – eine Art Straße, wenn man sie so nennen wollte –, die durch das Gebirge von Potosi nach Arica führte.

Hasard musterte nicht ohne Stolz seine Begleiter. Sie hatten sich großartig geschlagen. Jetzt hatte er die Gewißheit, daß er den kleinen Trupp richtig zusammengestellt hatte. Bei ihm waren Jean Ribault, Karl von Hutten, Pater David, Pater Aloysius – als Bergführer und „Lotse“ –, Dan O’Flynn, Carberry, Matt Davies, Gary Andrews, Stenmark und Mel Ferrow.

Fred Finley hatte den Marsch unterbrechen müssen, weil er sich den Fußknöchel gebrochen hatte. Er befand sich bei einer Indio-Familie, die ihn pflegte. Dort würden sie ihn auch wieder abholen.

Mit von der Partie waren auch drei Indios aus dem Tacna-Tal, die vor Zwei Jahren nach Potosi verschleppt worden waren. Sie hießen Toparca, Chupa und Atitla. Hasard und seine Männer hatten sie wie die anderen Sklaven aus der Gefangenschaft befreit. Endlich konnten sie in ihre Heimat und zu ihren Angehörigen zurückkehren.

Hasard konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er zu dem dicken Don Ramón de Cubillo blickte. Der sehr ehrenwerte und hochwohlgeborene Señor Provinzgouverneur von Potosi schien am Ende seiner Kräfte zu sein. Nur schnaufend bewegte er sich voran. Geschieht dir recht, dachte der Seewolf, und es ist noch die geringste Strafe.

Im übrigen schien der Señor Furcht vor den zwanzig Maultieren zu haben, besonders aber vor Diego, Carberrys besonderem Liebling, der bei den unmöglichsten Anlässen Trompetensignale loszulassen pflegte.

Die Animosität war aber nicht einseitig. Diego beäugte den Dicken hin und wieder, als verspüre er Lust, ihm mit seinen Hinterhufen kräftig gegen den Bauch zu trampeln.

Zehn von den Maultieren waren mit Silberbarrenkisten beladen. Auf die zehn anderen Maultiere – darunter auch Diego – hatten die Männer ihr Gepäck verladen. Zum Beispiel die Waffen: In Potosi hatten sie sich endlich auch wieder Musketen und Blunderbusses besorgt, auf die sie während des langen Marsches zu ihrem Ziel aus praktischen Gründen verzichtet hatten. Sie hatten sie sich aus dem Zeughaus von Potosi geholt. Ebenso hatten sie sich reichlich Pulver in handlichen kleinen Fässern beschafft, die sie aus dem danach gesprengten Pulverturm hatten „mitgehen“ lassen.

Auch ihren Proviant hatten sie in Potosi entsprechend ergänzt, damit kein Mangel an Nahrung bestand. Trinkwasser und Wein waren auch ausreichend vorhanden – und Kleidung. Zelte und Decken gehörten mit zu der Ausrüstung. Pater Aloysius hatte sie nicht oft genug darauf hingewiesen, wie wichtig gerade sie für die Expedition waren.

Bewußt hatte der Seewolf die Aricaroute gewählt.

„Wir bleiben zunächst auf dieser Strecke“, sagte er zu Ribault und den anderen, als sie eine erste kurze Rast einlegten.

„Du bist dir also nach wie vor sicher, daß man uns folgen wird?“ fragte Karl von Hutten.

„Ganz sicher sogar“, entgegnete Hasard. „Sobald die Leute in Potosi den Schock der plötzlichen Ereignisse überwunden haben, wird sich dort einiges ändern.“

„Früher oder später begreifen sie, daß sie vor ganzen elf Männern kapituliert haben“, sagte Ribault grinsend. „Ich schätze, dann verspüren sie große Lust, sich selbst in den Hintern zu beißen.“

Hasard lachte leise. „Eins steht jedenfalls fest: Die Dons werden Monate brauchen, um wieder Silber abbauen zu können.“

„Ganz abgesehen davon, daß die Silbermühlen und sämtliche Gerätschaften zur Silbergewinnung einschließlich der Vorrichtungen zum Schmelzen, Gießen und Prägen zerstört sind“, sagte Dan. „Das braucht schon seine Zeit. Vielleicht ein ganzes Jahr.“

„Von mir aus auch mehr, verdammt noch mal“, sagte der Profos. „Und wenn sie alles wieder in Ordnung haben, besuchen wir sie noch mal. Was?“

Er blickte drohend zu Don Ramón, und dieser verschluckte sich und begann zu husten. Als er registrierte, daß auch die drei Indios ihn mit unverhohlener Mordlust musterten, brach ihm der Schweiß aus.

„Das nennt man Tabula rasa“, sagte Pater David. „Reiner Tisch ist gemacht worden – was die gesamte Silberausbeute betrifft, vom Abbau bis zur Münze oder zum Barren.“

„Ein feines Stück Arbeit“, sagte Pater Aloysius grimmig. „So ganz nach meinem Geschmack. Freunde, ich werde ewig den Tag loben, an dem ihr nach Tacna gekommen seid. Das allerschönste aber ist, daß sich im Cerro Rico kein einziger Sklave mehr befindet.“

„Gut finde ich auch, daß wir die Silbermünzen, die eigentlich für den König von Spanien bestimmt waren, an die befreiten Indios verteilt haben“, sagte Matt Davies. „Das muß den Dons ganz hübsch in die Knochen gefahren sein.“

„Das denke ich auch“, sagte der Seewolf. „Aber es könnte einige Konsequenzen nach sich ziehen, habt ihr darüber schon nachgedacht?“

„Sie verlassen alle Mann Potosi?“ fragte Carberry. „Meinst du das?“

„Nicht ganz.“

„Laß mich mal raten“, sagte Ribault. Er grinste wieder. „Ich könnte mir ganz gut vorstellen, daß die Señores jetzt keine Rücksicht mehr auf das wertvolle Leben ihres Provinzgouverneurs nehmen, der als Geisel von uns Banditen mitgeschleppt worden ist. Liege ich richtig?“

„Goldrichtig“, erwiderte Hasard. „Was du sagst und was auch ich mir überlegt habe, gilt insbesondere für die Soldaten und Offiziere der Garnison in Potosi, die mit dem Stadtkommandanten auf Befehl des Gouverneurs nach Sucre in Marsch gesetzt worden sind.“

„Das war ein Befehl“, sagte Mel Ferrow. „Ha, so habe ich mich selten amüsiert!“

Don Ramón de Cubillo verstand kein Wort von dem, was sie sprachen, aber natürlich begriff er, daß sie auch über ihn redeten und sogar lachten. Zu der Schmach und Niederlage kam also auch noch diese Schande. Am liebsten wäre er im Erdboden versunken. Er hörte nicht auf zu schwitzen. Es wurde immer schlimmer. Er war klitschnaß, am’ ganzen Leib.

„Also, diese feinen Soldaten mit ihrem Rübenschwein von Kommandanten kriegen allmählich spitz, daß wir sie geleimt haben, meint ihr?“ Carberry grinste noch ein bißchen mehr als Ribault und die anderen.

Don Ramón stöhnte auf, als er diese Fratze im Mondlicht sah. Nie zuvor in seinem durchlauchten Leben war er einem ähnlich gräßlichen Ungeheuer begegnet, dessen war er sicher.