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Maryse Condé

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Beschreibung

Blüte und Untergang der mächtigen Stadt Segu am Niger sind eng verknüpft mit dem Schicksal Dusika Traorés, Oberhaupt einer wohlhabenden Familie und ein Vertrauter des Königs. Es sind Zeiten des Umbruchs: Der Islam dringt in Afrika immer weiter vor, christliche Missionare und europäische Kolonisatoren kommen ins Land, der Sklavenhandel blüht. Dusikas Familie aber verliert immer mehr an Einfluss, bis sie schließlich auseinanderbricht. Maryse Condé hat die faszinierende Geschichte einer versunkenen Welt geschrieben. Sie erzählt von Kriegern und religiösen Eiferern, von Händlern und Bauern, von Eroberern und Sklaven und immer wieder auch vom Schicksal der Frauen.

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Über dieses Buch

Es sind Zeiten des Umbruchs: Der Islam dringt vor in Afrika, Missionare und Kolonisatoren kommen ins Land, der Sklavenhandel blüht. Maryse Condé hat die faszinierende Geschichte einer versunkenen Welt geschrieben. Sie erzählt von Händlern und Bauern, Eroberern und Sklaven – eine opulente Familiensaga in dramatischen Zeiten.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Maryse Condé (*1937 in Guadeloupe) studierte Literaturwissenschaften in Paris und lebte viele Jahre in Westafrika. Bis 2002 war sie Dozentin an der Columbia University in New York. 1988 wurde sie für ihre Familiensaga Segu mit dem LiBeraturpreis ausgezeichnet. 2018 erhielt sie den New Academy Prize für Literatur.

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Uli Wittmann, geboren 1948, promovierte in Ethnologie und Literaturwissenschaften. Er übersetzt aus dem Englischen und Französischen, u. a. Werke von J. M. G. Le Clézio, Philippe Djian, Ben Okri, Simone Schwarz-Bart, Alexis Jenni, Noëlle Châtelet und Michel Houellebecq.

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Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Maryse Condé

Segu

Roman

Aus dem Französischen von Uli Wittmann

Der Segu-Zyklus (1)

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

HINWEIS: Ihr Lesegerät arbeitet einer veralteten Software (MOBI). Die Darstellung dieses E-Books ist vermutlich an gewissen Stellen unvollkommen. Der Text des Buches ist davon nicht betroffen.

Impressum

Die Originalausgabe erschien 1984 unter dem Titel Ségou. Les murailles de terre bei Éditions Robert Laffont, S. A., Paris.

Die deutsche Erstausgabe erschien 1988 im Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln.

Die Übersetzung aus dem Französischen wurde unterstützt durch litprom – Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V.

Originaltitel: Ségou. Les murailles de terre (1984)

© by Éditions Robert Laffont, Paris, 1984

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Hector Conesa

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30526-7

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

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Version vom 23.11.2022, 22:13h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

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Inhaltsverzeichnis

SEGU

DanksagungErster Teil — Worte, die in der Nacht fallen1 – Segu ist ein Garten, in dem die List …2 – Sira war allein mit ihrer Angst und ihrem …3 – Was aus der Nacht kommt, sind Worte von …4 – Die königlichen Ausrufer blieben an jeder Kreuzung stehen …5 – Vor den Toren von Segu beginnt die Wüste …6 – Nyas Kummer seit der Abreise ihres Sohnes war …7 – In Segu wurde das Verschwinden der jungen Jäger …8 – Ahmed, jemand will dich sprechen …«9 – Die Mulattin Anne Pépin ruhte auf einer Matte …10 – Vielleicht muss man sich von frühester Kindheit an …11 – Die Lusitania mit ihren etwa dreihundert Sklaven an …Zweiter Teil — Der Wind verweht die Hirsekörner1 – Als Malobali im Alter von etwa zehn Jahren …2 – Die Griots des Königs, gefolgt von Musikern …3 – Tiékoro klatschte in die Hände, und seine Schüler …4 – Malobali sah seinen älteren Bruder an und wunderte …5 – Trotz ihres Kummer war Nadié doch eingeschlafen …6 – Du hast wirklich einen härteren Dickschädel als ein …7 – Wie viele Männer haben nicht schon mit der …8 – Trotz der stechenden Sonne spürte Naba, wie die …9 – Manoel drehte den Kopf und runzelte die Brauen …10 – Unsichtbar für die Augen der gewöhnlichen Sterblichen ließ …Dritter Teil — Der böse Tod1 – Was für ein scheußliches Wetter! Seit Wochen …2 – Im Juni 1822 galt die Stadt Cape Coast …3 – Hau ab, Bambara, hau ab. Sie kommen …4 – Malobali spürte, wie der Blick des älteren der …5 – Ago!«6 – Eucaristus berührte Malobali am Arm und flüsterte: »Erzähl …7 – Wenn die verrosteten Kanonen von Fort Saint-Louis-de-Grégoy …8 – Hinter Wida wird der Sand von Erde abgelöst …9 – Die Belagerung von Hunjroto dauerte drei Monate10 – Nach Malobalis Tod fand Ayodele an nichts mehr …Vierter Teil — Das fruchtbare Blut1 – Tiékoro ließ seinen Sohn Mohammed kommen und sagte …2 – Die Stadt Hamdallay, deren Name »Zur Ehre Gottes« …3 – Fa, Fa! Du kannst nicht zulassen, dass er …4 – Ob fetischgläubig oder nicht, das Volk von Segu …5 – Die Stadt und das Reich erfuhren, dass der …6 – Mohammed war auf dem Weg zum Speiseraum …7 – Eucaristus da Cunha. Wie kann ein Neger solch …8 – Der Empfang war in vollem Gange9 – In Afrika hatte Eucaristus keinerlei Möglichkeiten gehabt …Fünfter Teil — Die Fetische haben gezittert1 – Seit einigen Jahren litt Siga an Elefantiasis …2 – Mohammeds Pferd ging im Schritt. Es spitzte die …3 – Der Tod, der überraschend eintritt, ist gemein …4 – Alhadji Gidado, einer der sieben Marabut, die in …5 – Mande Diarra hatte recht. Wegen des plötzlichen Todes …6 – Als Alhadji Gidado den Platz vor dem Palast …7 – Segu erfuhr am gleichen Tag zwei furchtbare Neuigkeiten …Historische und ethnografische AnmerkungenWorterklärungen

Anmerkungen

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Für meine Bambara-Ahnin

Danksagung

Ich kann nicht all diejenigen hier aufführen, die mir mit ihren bibliografischen Hinweisen geholfen haben oder mich ihre Dokumentation haben einsehen lassen. Dennoch möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich meinen Freunden, den Geschichts- und Geisteswissenschaftlern Amouzouvi Akakpo, Adame Ba Konare, Ibrahima Baba Kake, Lilyan Kestleloot, Elikia M’Bokolo, Madina Ly Tall, Olabiyi Yai, Robert Pageard und Oliveira dos Santos danken. Ihnen habe ich es zu verdanken, dass dieser Roman sich nicht allzu weit von der historischen Wirklichkeit entfernt.

Erster Teil

Worte, die in der Nacht fallen

1

Segu ist ein Garten, in dem die List wächst. Segu ist auf Verrat gebaut. Sprich von Segu außerhalb von Segu, aber sprich nicht von Segu in Segu.

Warum wollte Dusika dieser Gesang der Griots, den er schon so oft gehört hatte, ohne ihn groß zu beachten, nicht aus dem Sinn? Warum wurde er von finsteren Vorahnungen gequält wie eine schwangere Frau von Übelkeit? Warum diese Angst bei Anbruch des Tages? Dusika durchforschte seine Träume, um darin ein Zeichen oder einen Hinweis zu finden, was ihn erwarten mochte. Nichts. Er hatte tief und fest geschlafen, ohne von einem der Ahnen im Traum besucht worden zu sein. Dusika saß auf einer Matte im Vorraum seiner Hütte und nahm etwas dèguè zu sich, jene Mischung aus Hirsebrei, Sauermilch und Honig, die er morgens gern aß. Er fand sie zu flüssig für seinen Geschmack und rief gereizt seine erste Frau Nya herbei, um sie auszuschelten. Während er auf sie wartete, nahm er seinen Kaustab aus n’tomi-Holz, steckte ihn zwischen seine schönen, gefeilten Zähne, damit sich der Saft des Holzes mit seinem Speichel vermischte und seine Körperkraft und seine sexuelle Potenz erhöhte.

Als Nya nicht antwortete, stand er auf, trat aus der Hütte und ging in den ersten Hof des Anwesens, wo seine Frauen wohnten.

Der Hof war leer. Leer? Nur ein paar Kornschwingen für die Hirse lagen neben kleinen Holzschemeln auf dem makellos reinen Sand.

Dusika war ein yèrèwolo, ein Mann aus adligem Geschlecht, Mitglied des königlichen Rats, persönlicher Freund des Mansa, Vater von einem Dutzend legitimer Söhne, und er herrschte in seiner Eigenschaft als fa, das heißt als Patriarch, über fünf Familien, und zwar zunächst über seine eigene und dann über jene seiner jüngeren Brüder, die mit ihm zusammen dort wohnten. Dusikas Anwesen spiegelte die Stellung wider, die er in der Gesellschaft von Segu einnahm. Die hohe Lehmfassade zur Straße hin war mit Skulpturen und dreieckigen Zeichnungen verziert, die in die Wand geritzt waren, und endete in ungleich hohen Türmchen, was einen sehr gelungenen Effekt erzielte. Im Inneren setzte sich das Anwesen aus einer Reihe von Lehmhütten zusammen, die alle flache Dächer hatten und durch mehrere Innenhöfe miteinander verbunden waren. Im ersten Hof stand ein prachtvoller dubale-Baum mit einem riesigen Blätterdach, gestützt von etwa fünfzig Säulen, die aus den am Hauptstamm herabwachsenden Wurzeln gebildet wurden.

Der dubale-Baum war in gewisser Weise der Zeuge und Hüter des Lebens der Traoré. Unter seinen mächtigen Wurzeln war die Nachgeburt zahlreicher Ahnen nach der glücklichen Entbindung vergraben worden. In seinen Schatten setzten sich Frauen und Kinder, um sich Geschichten zu erzählen, und die Männer, um Entscheidungen über das Leben der Familie zu fällen. In der Trockenzeit schützte er vor der Sonne. In der Regenzeit gab er Feuerholz. Und wenn die Nacht hereingebrochen war, versteckten sich die Geister der Ahnen in seinem Laub und behüteten den Schlaf der Lebenden. Wenn die Geister unzufrieden waren, ließen sie es wissen, indem sie eine Folge schwacher Laute von sich gaben, die zugleich geheimnisvoll und transparent wie eine verschlüsselte Botschaft waren. Dann nickten diejenigen mit dem Kopf, denen die Erfahrung die Macht gab, die Laute zu entschlüsseln: »Achtung, unsere Väter haben heute Abend gesprochen!«

Alle, die die Schwelle des Anwesens der Traoré überschritten, wussten, mit wem sie es zu tun hatten. Sie errieten sofort, dass die Leute, die hier wohnten, genügend Klafter guter Erde besaßen, die mit Hirse und Baumwolle bepflanzt war und von Hunderten von Haussklaven und Gefangenen bestellt wurde. In den Vorratskammern häuften sich die Säcke mit Kaurimuscheln und Goldstaub, den der Mansa großzügig verschenkte, und in einer Einfriedung hinter den Hütten schnaubten Araberpferde, die den Mauren abgekauft worden waren. Der Reichtum ließ sich an tausend Zeichen erkennen. Und nun war der erste Hof leer, in dem es gewöhnlich von Menschen nur so wimmelte? Von Mädchen, die bis auf eine Perlen- oder Kaurikette um die Hüften nackt waren, und Jungen, die stattdessen einen Baumwollfaden trugen; von Frauen, die Hirse stampften oder worfelten, die Baumwolle spannen und dabei den Scherzen eines Spaßmachers oder den epischen Gesängen eines Griot lauschten, der um einen Teller to bat; von plaudernden Männern, die ihre Pfeile für die Jagd vorbereiteten oder ihre Ackergeräte schärften. Mit zunehmender Verärgerung betrat Dusika den zweiten Hof, an dem die Hütten seiner drei Frauen und seiner Konkubine Sira lagen.

Er fand Sira auf einer Matte ausgestreckt, mit einem Ausdruck des Leidens, der ihr hübsches, schweißglänzendes Gesicht verzerrte. Er herrschte sie an: »Wo sind sie denn alle?«

Sie versuchte sich aufzurichten und flüsterte in ihrem schlechten Bambara: »Am Fluss, kokè.«

Er brüllte beinah: »Am Fluss? Was machen sie denn alle am Fluss?«

Sie stieß mit Mühe hervor: »Ein weißer Mann! Ein weißer Mann ist am Ufer des Joliba!«

Ein weißer Mann? Was fantasierte diese Frau? Dusikas Blick senkte sich bis auf ihren Bauch, der sich unter dem lose geknüpften Wickeltuch hoch aufwölbte, und glitt dann erschrocken wieder an den Wänden der Hütte hoch, die aus einer Mischung von Lehm und Kaolin bestanden. Allein mit einer Frau, die kurz vor der Niederkunft war! …

Um sein Entsetzen zu verbergen, fragte er schroff: »Was ist mit dir los?«

Sie stammelte im Ton der Entschuldigung: »Ich glaube, es ist so weit …«

Seit mehreren Monaten suchte Dusika die zum zweiten Mal schwangere Sira aus Rücksicht auf das Leben, das sie in sich trug, nicht mehr auf. Ebenso musste er sich während der gesamten Wehen von ihr fernhalten und durfte erst nach der Entbindung zusammen mit dem Fetischpriester auftauchen, wenn sie das Neugeborene bereits in den Armen hielt. Würde seine Anwesenheit zu einem Zeitpunkt, da ihre Wehen bereits eingesetzt hatten, nicht die Ahnen erzürnen? Er zögerte noch, sich zurückzuziehen und sie allein zu lassen, als Nya mit einem Kind auf dem Rücken auftauchte und zwei weiteren Kindern, die sich an ihre mit Indigo gefärbten Baumwollwickeltücher klammerten. Er explodierte: »Wo warst du? Ich kann verstehen, dass alle hier den Kopf verlieren, aber du?«

Ohne ein Wort der Erklärung oder gar der Entschuldigung ging Nya an ihm vorbei und beugte sich über Sira: »Leidest du schon lange?«

Sira flüsterte: »Nein, es hat eben erst angefangen!«

Bei keiner anderen Frau hätte Dusika ein derart respektloses Benehmen, das an Unverschämtheit grenzte, geduldet, aber Nya war seine erste Frau, seine bara muso, der er einen Teil seiner Autorität übertragen hatte, und daher konnte sie wie eine Gleichgestellte mit ihm umgehen. Außerdem war sie eine geborene Kulubari, verwandt mit dem alten Herrschergeschlecht von Segu, und Dusika, wenn auch adliger Abstammung, konnte sich nicht einer solch ruhmvollen Herkunft brüsten. Nyas Vorfahren hatten diese Stadt am Ufer des Joliba gegründet, die schnell zum Zentrum eines riesigen Reiches geworden war. Die Brüder ihrer Vorfahren regierten über Kaarta. Daher steckte in Dusikas Liebe zu ihr auch ein großer Teil Respekt, beinah Furcht. Er zog sich zurück und stieß im ersten Hof auf einen Boten des Palasts. Der Mann warf sich zum Zeichen des Respekts in den Staub und grüßte ihn in dieser Haltung: »Du und der Tag!«

Dann rasselte er die Devise der Traoré herunter: »Traoré, Traoré, Traoré, der Mann mit dem langen Namen zahlt nicht für seine Flussüberquerung.1«

Und schließlich übermittelte er seine Botschaft: »Traoré, der Mansa bittet dich, sofort in den Palast zu kommen! …« Dusika war überrascht: »In den Palast? Aber heute ist doch nicht der Tag der Ratsversammlung!«

Der Mann hob den Kopf: »Es geht nicht um eine Ratsversammlung. Ein weißer Mann ist am Ufer des Flusses und möchte vom Mansa empfangen werden …«

»Ein weißer Mann?« Sira hatte also doch nicht fantasiert? Dusika hatte allerdings auch schon von diesem weißen Mann gehört. Reiter, die aus Kaarta zurückgekehrt waren, hatten berichtet, sie hätten ihn auf einem Pferd reiten sehen, das ebenso erschöpft war wie er selbst. Aber Dusika hatte es für eine jener Geschichten gehalten, mit denen die Frauen abends die Kinder unterhalten, und hatte ihr keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Nachdem er seine kegelförmige Kappe aufgesetzt hatte, denn die Sonne stieg am Himmel allmählich höher, verließ Dusika sein Anwesen.

Im Jahre 1797 war Segu – die Stadt mit den 1444 heiligen balanza-Bäumen, der irdischen Verkörperung von Pemba, dem Gott der Schöpfung, und Hauptstadt des gleichnamigen Bambara-Reiches – eine weitläufige Siedlung aus vier Stadtvierteln am Ufer des Joliba, der an dieser Stelle gut dreihundert Meter breit war. In Segu-Koro befand sich das Grabmal des Stadtgründers Biton Kulubari, während sich in Segu-Sikoro der Palast des Mansa Monzon Diarra erhob. Im Umkreis mehrerer Tagesmärsche hätte man keinen belebteren Ort finden können. Der wichtigste Markt fand auf einem großen, viereckigen Platz statt, der von Schuppen mit Holz- oder Mattenwänden und Dächern aus gestampftem Lehm umstanden war, unter denen Frauen alles Erdenkliche zum Verkauf anboten: Hirse, Zwiebeln, Reis, Süßkartoffeln, geräucherten Fisch, frischen Fisch, Gewürze, Karitefett und Junghennen, während Handwerker ihre Produkte über Seile gehängt hatten: gewebte Baumwollbänder, Sandalen, Pferdesättel und kunstvoll verzierte Kalebassen. Links vom Markt befand sich der Basar, in dem dicht gedrängt und mit den abgerissenen Zweigen junger Bäume aneinander gefesselt die Kriegsgefangenen untergebracht waren. Dusika schenkte diesem allzu vertrauten Anblick keinerlei Beachtung. Selbst auf die Gefahr hin, seine Würde aufs Spiel zu setzen, eilte er daran vorbei und wies mit entschlossener Geste die Griots zurück, die überall auf den Straßen darauf warteten, einen Lobgesang auf die Männer von hoher Geburt anzustimmen.

Segu war auf dem Gipfel seines Ruhms. Bis zu den Märkten von Dschenne, der großen Handelsstadt am Ufer des Bani, erstreckte sich seine Macht. Segu war gefürchtet bis nach Timbuktu am Rand der Wüste. Die Fulbe aus Massina waren seine Vasallen und zahlten Segu jährlich hohe Abgaben an Vieh und Gold. Das war jedoch nicht immer so gewesen. Hundert oder hundertfünfzig Jahre zuvor hatte Segu unter den Städten des Sudans2 noch keinerlei Bedeutung. Es war nur ein Dorf, in dem Niangolo Kulubari Zuflucht gesucht hatte, während sich sein Bruder Barangolo weiter nördlich niederließ. Und dann war sein Sohn Biton zum Freund des Gottes Faro geworden, dem Herrn des Wassers und des Wissens, und hatte unter seinem Schutz eine Ansammlung von Lehmhütten in ein stolzes Gebilde verwandelt, dessen Name allein Somono, Bozo, Dogon, Tuareg, Fulbe und Sarakole zum Zittern brachte … Mit all diesen Völkern führte Segu Krieg und erhielt dadurch Sklaven, die es auf den Märkten verkaufte oder von denen es seine Felder bearbeiten ließ. Der Krieg war der Antrieb seiner Macht und seines Ruhms.

Der Grund für Dusikas Eile lag darin, dass der Ruf des Mansa ihn beruhigte und überzeugte, dass er nicht in Ungnade gefallen war, wie er befürchtet hatte. Am Hofe fehlte es nicht an Leuten, die auf seine allzu große Vertrautheit mit Monzon Diarra und die besondere Beziehung, die zwischen ihnen bestand – jene Bande der Freundschaft, des scherzhaften Spottes und der gegenseitigen Unterstützung –, eifersüchtig waren. Daher hatten sie seine Einstellung zum Krieg als Vorwand benutzt, um Monzon ins Ohr zu flüstern: »Dusika Traoré ist der Einzige, der sich deinem Ruhm entgegenstellt. Er sagt, die Bambara hätten genug vom Krieg, und das alles, weil er auf dich und deinen Reichtum eifersüchtig ist. Vergiss nicht, dass seine Frau eine Kulubari ist!«

Und nach und nach bemerkte Dusika, wie das Misstrauen im Blick von Monzon aufkam und jedes Mal, wenn dieser ihn ansah, sich eine Frage darin abzeichnete: »Ist er mein Freund oder mein Feind?«

Dusika betrat den Hof des Palastes. Es war ein prächtiges Gebäude, erbaut von Maurern aus Dschenne. Eine Mauer aus Lehmziegeln umgab es, die ebenso dick war wie eine Stadtmauer, mit nur einem einzigen Tor, vor dem immer Wächter standen; sie waren mit Gewehren bewaffnet, die über die Sklavenhändler von der Küste gekommen waren. Dusika durchquerte sieben Vorräume voller Tondyons, bis er zum Raum der Ratsversammlung gelangte, vor dessen Tür Fetischpriester damit beschäftigt waren, die Zukunft mithilfe von Kolanüssen und Kaurimuscheln zu entziffern, während Höflinge auf das Wohlwollen der Griots warteten, um beim Mansa eingeführt zu werden.

Monzon Diarra lag auf einem Rinderfell, das auf einem Podest ausgebreitet war, und hatte den linken Ellbogen auf ein mit Schnörkeln verziertes Kissen aus Ziegenleder gestützt. Er machte einen besorgten Eindruck. Mit der einen Hand streichelte er einen der beiden dicken Zöpfe, die vom Scheitel aus geflochten waren und sich unterm Kinn kreuzten. Mit der anderen drehte er den Ring, der sein linkes Ohr schmückte. Drei Sklaven fächelten ihm Luft zu. Zwei andere, die nicht weit davon hockten, bereiteten in kleinen Mörsern den Tabak zu, bevor sie ihn ihm in schweren goldenen Tabakdosen reichten.

Der Rat war vollzählig versammelt, und Dusika stellte voller Wut fest, dass er der Letzte war. Er verbeugte sich tief, wie es der Brauch war, schlug sich dabei auf die Brust und rutschte auf den Knien zu seinem Platz neben seinem Todfeind Samaké.

Monzon Diarra hatte die Schönheit seiner Mutter Makoro geerbt, die die Griots noch immer besangen. Seine ganze Persönlichkeit flößte Respekt und Grauen ein, als habe die Königswürde, die sein Vater Ngolo den Nachfahren von Biton Kulubari entriss, in ihm ihre Legitimität gefunden. Er hatte ein weißes Baumwollhemd an, das aus den besten Webstühlen von Segu stammte, und eine ebenfalls weiße Hose, die an der Taille von einem breiten Gürtel gehalten wurde. Er trug ein Stirnband aus Baumwolle, und seine muskulösen Arme waren mit Tierhörnern und -zähnen geschmückt, die ihn beschützen sollten, aber auch mit Amuletten, die von Marabuts hergestellt worden waren: kleine, sorgsam gefertigte Ledersäckchen, die Koranverse enthielten. Er senkte den Blick auf Dusika und fragte spöttisch: »Nun, Dusika, welche von deinen Frauen hat dich denn so lange zurückgehalten?«

Die spottlüsterne Versammlung der Höflinge brach in Lachen aus, während Dusika sich mit unterdrücktem Zorn entschuldigte: »Herr der Kräfte, dein Bote hat mich erst vor sehr kurzer Zeit benachrichtigt. Sieh, ich bin so schnell gegangen, dass ich jetzt noch schwitze …«

Nach dieser Unterbrechung erhob sich Tiétiguiba Danté, der oberste Griot, der der Versammlung die Worte des Mansa übermittelte, und sagte: »Der Herr der Götter und der Menschen, der auf dem königlichen Fell lagert, der große Mansa Monzon hat euch aus folgendem Grund einberufen: Ein weißer Mann – weiß und mit zwei Ohren rot wie ein glimmendes Holzstück – befindet sich am anderen Ufer des Flusses und möchte vom Mansa empfangen werden. Was will er?«

Daraufhin setzte sich Tiétiguiba wieder, und dem Zeremoniell entsprechend erhob sich ein anderer Griot. Tiétiguiba wurde von allen gefürchtet wegen seiner großen Vertrautheit mit dem Herrscher. Er war auf recht eindrucksvolle Weise mit einem indigoblauweißen Baumwollkaftan gekleidet und trug einen Kopfschmuck aus Raubtierfell und Kaurimuscheln. Da er gleichzeitig als Spion fungierte, ließ er seinen Blick langsam über jedes Ratsmitglied schweifen, als wolle er jeden Einzelnen abschätzen und Bericht über ihn erstatten. Als der zweite Griot verstummt war, erhob er sich erneut und sagte: »Dieser weiße Mann behauptet, er sei kein Maure und habe nichts mit ihnen gemein. Er will nichts verkaufen und nichts kaufen. Er sagt, er sei gekommen, um sich den Joliba anzusehen …«

Schallendes Gelächter. Gab es im Land des Weißen keine Flüsse? Und ähnelt ein Fluss nicht dem anderen? Nein, die Sache musste einen Haken haben, und der weiße Mann wollte nicht die wirk-liche Absicht seines Besuchs verraten. Dusika meldete sich zu Wort: »Sind die Seher und Marabuts befragt worden?«

Samaké spottete leise: »Meinst du, wir hätten erst auf dich gewartet, um darauf zu kommen?«

Dusika schluckte erneut seinen Zorn herunter und wiederholte seine Frage. Tiétiguiba antwortete ihm: »Sie äußern sich nicht!«

Sie äußerten sich nicht? Das konnte nur ein Zeichen dafür sein, wie ernst die Situation war. Tiétiguiba fuhr fort: »Sie sagen, was immer wir auch mit diesem weißen Mann machen, es werden andere kommen, die so sind wie er und sich unter uns vermehren.«

Verblüfft blickten sich die Ratsmitglieder an. Weiße Männer, die sich in Segu niederließen und unter den Bambara lebten? Freunde oder Feinde, das schien unmöglich! Dusika beugte sich vor und flüsterte in Richtung seines Freundes Kone, der nicht weit von ihm saß: »Hast du ihn gesehen, den weißen Mann?«

In dem allgemeinen Schweigen wurde diese etwas kindische Bemerkung unglücklicherweise von allen gehört. Der Mansa richtete sich auf und entgegnete ihm ironisch: »Wenn du ihn sehen willst, er ist am andern Ufer des Joliba. Dort triffst du Frauen und Kinder und die Männer der niederen Kasten …« Die Versammlung brach noch einmal in ein hämisches Gelächter aus. Und Dusika stand erneut im Mittelpunkt des Spottes und des Hohns. Was warf man ihm eigentlich vor? Dass er in gewisser Weise ein doppeltes Spiel trieb, dass er seinem Hass auf den Krieg bei jeder Gelegenheit Ausdruck verlieh, aber dennoch seinen Teil an der Kriegsbeute einstrich und sich somit auf leichte Art bereicherte, da er nur selten an den Expeditionen teilnahm. Außerdem schienen ihm seine Vertrautheit mit dem Mansa und die königliche Abstammung seiner Frau derart zu Kopf gestiegen zu sein, dass er alle Leute mit Verachtung behandelte: Kurz, man warf ihm Arroganz und Überheblichkeit vor. Manche sagten, er müsse das wohl von seinem Vater Fale geerbt haben, der der stolzeste yèrèwolo war, den es je in der Stadt gegeben hatte, sodass die Götter ihn mit einem schmachvollen Tod bestraft hatten: Sein Pferd hatte ihn mitten in einem Sumpf abgeworfen, wo er stundenlang mit dem Tod gerungen hatte.

Man ging zwar nicht so weit, Dusika ein ähnliches Ende zu wünschen, aber dennoch waren alle am Hofe der Meinung, eine ordentliche Lehre könne ihm nicht schaden.

Währenddessen beugte sich Nya über Sira.

Die beiden Frauen waren nicht mehr allein. Die Zahl jener, die den weißen Mann sehen wollten, war derart groß gewesen, dass die Pirogen, die den Joliba überquerten, dem Ansturm nicht gewachsen waren. Nach mehrstündiger Wartezeit hatten daher viele Sklaven tief betrübt in ihr Anwesen zurückkehren müssen, um ihren Pflichten nachzukommen.

Nya hatte eilends Suka holen lassen, jene Matrone, die alle Frauen von Dusika entbunden und mit ihren geschickten Händen mehr als einen Säugling, der noch zögerte, in die Welt des Sichtbaren einzutreten, zum Leben erweckt hatte. In der Zwischenzeit verbrannte sie schon Pflanzen, um böse Geister zu vertreiben und das Einschießen der Milch zu erleichtern. Dann kehrte sie wieder zu Sira zurück, die in der Hocke saß, um die Ausstoßung zu erleichtern.

Sira nahm eine Sonderstellung im Anwesen ein. Sie war keine Bambara, sondern eine Fulbe. Der Mansa Monzon hatte auf einer Strafexpedition gegen seine Fulbe-Vasallen aus Massina, deren Ardo nie ihre Steuer entrichteten, als Druckmittel ein Dutzend Jungen und Mädchen aus den besten Familien der Hauptstadt Tenenku festnehmen lassen. Er hatte vor, sie freizulassen, sobald die Schuld getilgt war. Aber eines Tages hatte Dusika, als er auf dem Weg zur Ratsversammlung durch einen der Innenhöfe des Palasts kam, Sira gesehen und sie sich als Konkubine erbeten. Aufgrund der engen Beziehung, die zwischen den beiden Männern bestand, hatte Monzon sie ihm trotz seines Missfallens nicht versagen können. Als anschließend die Steuern bezahlt worden waren, hatte Siras Familie eine Delegation geschickt, um sie zurückzuholen. Aber Dusika hatte sich geweigert zu gehorchen. Im Übrigen war es zu spät, denn Sira war bereits schwanger. Da sie jedoch aus einem fremden Volk stammte und noch dazu eine Gefangene war, hatte Dusika sie nicht heiraten können. Dennoch war es klar, dass er sie seinen rechtmäßigen Ehefrauen vorzog, die dieselbe Sprache sprachen und dieselben Götter verehrten wie er.

Zunächst hatte Nya Sira gehasst. Es war allerdings nicht das erste Mal, dass Dusika sich eine Konkubine nahm. Die Anzahl der Sklavinnen, die sich nachts in seiner Hütte ablösten, war nicht mehr zu zählen. Aber keiner von ihnen hatte er so viel Wertschätzung zukommen lassen. Nya täuschte sich nicht; sie konnte seine Leidenschaft an tausend kleinen Zeichen ablesen, die den anderen unsichtbar blieben. Und dann waren ihr Hass und ihre Eifersucht ohne eigentlichen Grund in eine Mischung aus Mitleid, Solidarität und Zuneigung umgeschlagen. Das Schicksal, das Sira beschieden war, hätte auch ihr widerfahren können. Die Gewalt der Männer oder die Laune eines Einzelnen hätte sie dem Haus ihres Vaters, den Armen ihrer Mutter entreißen und sie zum Objekt eines Tauschhandels werden lassen können. Und so hatte sie zum Erstaunen aller begonnen, ihre frühere Rivalin in ihren Schutz zu nehmen.

Trotz ihrer eisernen Selbstbeherrschung stöhnte Sira auf. Nya, die nicht wollte, dass man ihrer Nebenfrau nachsagen könne, im Augenblick der obersten Prüfung keinen Mut gezeigt zu haben, legte ihr schnell die Hand auf den Mund. Gleichzeitig nahm sie sich vor, eine weitere Opfergabe in der Hütte mit den Opferaltären im hintersten Hof des Anwesens niederzulegen, sobald Suka eintraf. Sie hatte zwar schon kurz nach dem Aufwachen jene Pflicht erfüllt, aber da sie wusste, dass Sira in der letzten Regenzeit ein totes Kind zur Welt gebracht hatte, war doppelte Vorsicht geboten. Sie hatte noch einen weißen Hahn zurückbehalten, dessen Farbe dem Gott Faro gefallen würde, der Tag und Nacht über den Gang des Universums wachte.

Suka trat ein. Sie war schon ziemlich alt und mit einem Schmied verheiratet, der wie alle Männer seiner Kaste zugleich das Amt eines Fetischpriesters ausübte. Aber auch sie selbst stand mit den Schutzmächten im Bund und hatte eine starke Ausstrahlung. Um den Hals trug sie eine Kette aus Tierhörnern, die mit Pulvern und Heilsalben gefüllt waren. Ein Blick auf Sira überzeugte sie davon, dass diese noch viele Stunden vor sich hatte, und sie begann, Wurzeln und Blätter in einem Mörser zu zerstampfen, und murmelte dabei Gebete, die nur sie kannte. Beruhigt über ihre Ankunft ging Nya fort, um ein wenig Ziegenmilch zu holen, denn es würde dem Neugeborenen guttun, ein paar Tropfen davon zu trinken, bevor es die Muttermilch bekam.

In den verschiedenen Innenhöfen des Anwesens herrschte wieder ein geschäftiges Treiben. Alle schienen vom Fluss zurückgekommen zu sein. Nieli, Dusikas zweite Frau, saß vor der Tür ihrer Hütte und verschlang mit Heißhunger Hirsekrapfen, n’gomi, die eine ihrer Sklavinnen ihr zubereitet hatte. Nya machte sich Vorwürfe, dass sie es nicht fertigbrachte, Nieli wie eine kleine Schwester zu behandeln. Doch wie sollte sie sich auch mit deren Faulheit, Launen und ständigem Gezeter abfinden? Aber Nieli konnte eben nicht vergessen, auf welche Weise sie in die Sippe gekommen war. Jahre zuvor hatte Dusikas Vater Fale den Mansa Ngolo Diarra nach Niamoma begleitet. Als er den Abend bei einem befreundeten Bambara-Edlen verbrachte, bemerkte er, dass die Frau seines Gastgebers schwanger war. Dem Brauch folgend bat er sich das Kind als Braut für seinen Sohn aus, falls es ein Mädchen sein sollte.

Dusika war ein respektvoller Sohn. Er hatte diese Ehefrau, die er nicht gewählt hatte, stets gerecht behandelt, aber nie geliebt. Seit Sira im Haus war, hatte Nieli unter diesem Gefühlsunterschied gelitten, der sich an unzähligen Einzelheiten und kleinen Gesten ablesen ließ.

Nieli hörte auf, an ihren n’gomi zu kauen, und fragte: »Hat die Fremde entbunden?«

Sie nannte Sira nie anders. Nya überging den Ausdruck und entgegnete nur: »Nein, der kleine Unbekannte ist noch nicht unter uns. Mögen die Ahnen ihm eine unbeschwerliche Reise gewähren …«

Nieli war wohl oder übel gezwungen, das übliche Gebet zu murmeln. Nya war auf dem Weg zu der kleinen Hütte mit den Opferaltären. Es war ein geheimnisumwobener Ort, zu dem nur die der Familie nahe stehenden Fetischpriester, die Oberhäupter der verschiedenen Familienzweige und einige Frauen Zugang hatten, die wie sie selbst eine gewisse Autorität besaßen. Im zweiten Hof stieß sie auf Dusika, der vom Palast zurückgekommen war und sie offensichtlich suchte. Er sagte: »Monzon hat mich wieder einmal gekränkt und …«

Sie unterbrach ihn: »Mach den Gürtel an deiner Hose auf. Sira liegt in den Wehen …«

Konnte sie ihren Groll nicht beherrschen? Es war nicht mehr Siras Anwesenheit, die sie Dusika vorwarf, sondern die Tatsache, dass die Zeit seine Gefühle für sie verbraucht hatte, dass er sie nicht mehr begehrte. Die Routine in ihrer Beziehung. In den Nächten, die sie in seiner Hütte verbrachte, schliefen sie jetzt, ohne sich zu berühren. Ihre Gespräche drehten sich nur noch um die Kinder, den Besitz und die Sorgen des öffentlichen Lebens. Ach, wie schwer ist es doch, zu altern!

Er sagte in bittendem Tonfall: »Hör zu! Ich sag dir, dass Monzon sich zweimal mitten in der Ratsversammlung über mich lustig gemacht hat … Lass Kumaré kommen …«

Nya blickte auf den Boden aus weißem Sand, der mit fein zerstampften Steinen vermischt war: »Wann willst du ihn sehen?«

»So schnell wie möglich! …«

Kumaré war der Schmied und Fetischmeister, Hoher Priester des Komo, der seit Jahren für Dusika die Zeichen des Unsichtbaren und des Sichtbaren interpretierte und bemüht war, ungünstige Ereignisse abzuwenden. Er hätte in jedem Falle bald geholt werden müssen, sobald Siras Kind geboren war, damit er es mit schützenden Mitteln umgab. Nya ging weiter. Aber als sie an den Durchgang zum dritten Hof gelangte, hatte sie Mitleid mit Dusika, der unbeweglich auf der Stelle stehen geblieben war und nicht wusste, ob er ihr folgen oder in seine Hütte zurückgehen sollte. Sie drehte sich um und sagte gutmütig: »Warte auf mich. Ich komme sofort -wieder.«

Er blickte ihr nach, hin- und hergerissen zwischen dem Kummer über ihre Gleichgültigkeit und dem Wunsch, sich wie ein kleines Kind an den Zipfel ihres Wickelrocks zu klammern. Wie alt war sie? Er wusste es nicht, genauso wenig wie er sein eigenes Alter kannte. Sie waren seit sechzehn Trockenzeiten verheiratet. Sie musste dann wohl zweiunddreißig sein. Ihre Taille war kräftiger geworden. Ihre Brüste waren schlaff geworden, und die Falten der Verantwortung unterstrichen bereits ihre stolzen, feinen Züge, die sie mit allen Kulubari gemein hatte; deshalb wurde von ihnen gesagt, sie seien die schönsten unter den Bambara. Sie hatte oft einen Ausdruck im Gesicht, den man für Strenge halten konnte, aber wenn sie lächelte, kam ein strahlender Glanz in ihre mandelförmigen Augen. Er brauchte Nyas Kraft. Warum verweigerte sie sie ihm?

Nya betrat die Hütte mit den Opferaltären, in der sich ein Holzstamm befand, der pembélé genannt wurde und den Gott Pemba darstellte; dieser Gott hatte die Erde geschaffen, indem er im Kreis herumgewirbelt war, während der Gott Faro den Himmel und die Gewässer für sich beanspruchte. Rund um den pembélé waren rote Steine platziert, die die Ahnen der Familie darstellten, und boli, Fetische aus den unterschiedlichsten Stoffen wie Hyänenschwänzen, Skorpionschwänzen, Baumrinden und Baumwurzeln, die regelmäßig mit Tierblut begossen wurden: symbolische Konzentrate der Mächte des Universums, die der Familie Glück, Wohlstand und Fruchtbarkeit gewähren sollten.

Nya ergriff einen kleinen Besen aus Pflanzenfasern und fegte sorgfältig den Boden. Alles war in Ordnung, nur das Blut, das die boli bedeckte, war eingetrocknet. Sie würde bald wiederkommen, um ihnen eine Erfrischung zu bringen, sie hatten sicher Durst.

2

Sira war allein mit ihrer Angst und ihrem Schmerz.

Angst, weil sie im vergangenen Jahr eine Totgeburt gehabt hatte. Neun Monate der Unruhe, um eine kleine Fleischkugel auf die Welt zu bringen, der die Götter kein Leben hatten einhauchen wollen. Warum? Waren sie verärgert über diese widernatürliche Bindung zwischen einer Fulbe und einem Bambara?

Fulbe, hüte deine Herde.

Schwarzer, bleib bei deinem Spaten,

dem, der dich ermüdet.

So hieß es im Hirtenlied. Keinerlei Bande waren zwischen diesen beiden Völkern möglich. Und dabei wussten sie doch, dass sie es nicht gewollt hatte und nur ein Opfer war … Warum dann die Strafe? Würden sie sie erneut bestrafen und sie zu diesem sterilen Warten verurteilen? Und noch einmal eine Beerdigung, während sie doch hoffte, sich im Ruhm einer Taufe zu sonnen? Sie warf einen Blick auf den kleinen Hügel in ihrer Hütte, wo das winzige Wesen begraben lag, das man ihrer Zuneigung sofort entzogen hatte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Ach, dass doch die Götter ihrem Kind Leben gewährten, auch wenn es einen Bambara zum Vater hatte, einen Mann, den sie hassen musste.

Ohne es zu wollen, stöhnte sie auf, und Suka kam, korrigierte ihre Hockstellung, half ihr, die Hände im Nacken zu falten, und massierte ihr sanft den Bauch, wobei sie ein Lied summte. Der Geruch von glimmendem wolo, einer Pflanze, die der Gott Faro liebte und die die Entbindung erleichterte, stieg ihr in die Nase. Sie musste niesen und löste dadurch eine solche Welle des Schmerzes aus, dass sie glaubte zu sterben. Sie entsann sich der Ratschläge ihrer Mutter, der Ratschläge Nyas und aller Frauen, die vor ihr dasselbe durchgemacht hatten. Sich nicht rühren. Die Schmerzen beherrschen. Aber das war unmöglich. Unmöglich! Sie biss die Zähne zusammen, biss sich auf die Lippen, spürte den faden Geschmack von Blut, öffnete schließlich die Augen und blickte auf Sukas sorgsam geflochtenes Haar voller Amulette, die sich über ihren Unterleib beugte.

Als sie noch ein Kind war, hatte sie sich mit einem ihrer Brüder in die Sümpfe von Dia vorgewagt, wo dieser in der Trockenzeit die Kühe weiden ließ. Da es aber Regenzeit war, war der Wasserstand gestiegen. Sie hatten den Boden unter den Füßen verloren und waren hilflos zwischen den Wasserpflanzen dahingetrieben, die die Oberfläche bedeckten. Sie hatten geglaubt, ihre Mutter oder die Hütte ihres Vaters nie wieder zu sehen, als plötzlich ein Reisfeld auftauchte, dessen zarte Halme ihnen Halt boten. Sie erlebte jetzt dieselben Qualen, dieselbe Verwirrung wie damals, und auf einmal denselben Frieden. Völlig unerwartet.

Ungläubig hörte Sira ein Weinen oder eher ein Quäken. Sie stammelte: »Was ist das?«

Suka erhob sich und ging mit einem kleinen Häufchen aus blutverschmiertem Fleisch zu einer Kalebasse mit warmem Wasser und begann, es mit erstaunlich sanften und vorsichtigen Bewegungen zu waschen: »Noch ein bilakoro …«

Dann kamen im Gefolge von Nya die Sklavinnen hastig herein; die einen brachten eine Brühe aus getrocknetem Fisch und Pfefferschoten, die anderen zerstampfte Lianen, um der Wöchnerin den Bauch zu massieren.

Sira wandte sich flüsternd an Nya: »Ist er lebendig, richtig lebendig?«

Nya tat, als habe sie diese unglückliche Frage, die die Götter erzürnen könnte, nicht gehört.

Suka dagegen betrachtete das Neugeborene. Wie viele hatte sie schon mit ihren großen, kräftigen Händen empfangen! Wie viele Nabelschnüre hatte sie schon durchtrennt! Wie viele Nachgeburten eingegraben! Daher brauchte sie nur noch die Linien eines Mundes oder die Form eines Augenlids näher zu betrachten, um zu er-raten, ob das Kind zum Stolz seiner Eltern heranwachsen oder aber sich auf zu dünnen Beinen dahinschleppen würde. Sie wusste, dass der kleine Junge, den sie auf dem Schoß hielt, ein Abenteurer sein würde, dem ein außergewöhnliches Schicksal bevorstand. Es wäre gut, wenn Nya den boli der Familie Antilopenherzen und ein Ei von einer schwarzen Henne opfern würde, die keine einzige weiße Feder besaß. Außerdem sollte Dusika nicht geizig mit rot gefiederten Hähnen sein, deren Blut er vergießen musste, um damit das Geschlechtsteil des Neugeborenen zu bestreichen. Diese Vorkehrungen waren erforderlich, um dessen Wohlergehen zu gewährleisten. Suka rieb den warmen, kleinen, formlosen Körper mit Karitefett ein, hüllte ihn in ein feines weißes Tuch und reichte ihn der Mutter, wobei sie auf die stumme Frage antwortete, die sich in Nyas Augen abzeichnete: »Ja, er ist hübsch! Und die Götter werden ihm Leben schenken …«

Sira nahm endlich ihren Sohn in die Arme. Der Tradition zufolge würde er erst am achten Tag seinen Namen erhalten. Aber da ihm eine Totgeburt vorausgegangen war, wusste sie, dass man ihn Malo-bali nennen würde. Sie drückte den zarten kleinen Mund gegen den ihren und war erstaunt, dass ein so leichtes Bündel bereits ein solches Gewicht in ihrem Leben hatte. Da war er nun, ihr Sohn, völlig gesund. Wie auch immer die Begleitumstände seiner Geburt waren, er würde ihre Demütigung, ihr Leiden und ihren Niedergang rächen – sie, die Tochter eines Fulbe und Ardo, der eine Herde von mehreren hundert Stück Vieh besaß, war die Konkubine eines Bauern geworden.

Wenn Sira an ihr früheres Leben dachte, glaubte sie zu träumen. In Massina wurde der Rhythmus des Lebens von den Jahreszeiten bestimmt. Die Herden wurden von den Weiden in Dia zu jenen in Murdia getrieben oder umgekehrt. Die Frauen molken die Kühe und stellten Butter her, die die Sklaven auf den umliegenden Märkten gegen Hirse eintauschten. Die Männer liebten ihre Tiere mehr als ihre Frauen und besangen ihre Schönheit abends vor dem offenen Feuer. Daher spotteten die anderen Völker:

Dein Vater ist gestorben, und du hast nicht geweint.

Deine Mutter ist gestorben, und du hast nicht geweint.

Ein kleines Rind ist verendet, und du sagst o weh!

Das Haus ist zerstört!

Aber welche Bedeutung hatten die anderen Völker? Man kam mit ihnen nur in der Trockenzeit in Berührung, um über den Zugang zu den Weidegründen und zum Wasser zu verhandeln.

Und dann waren eines Tages die Bambara-Tondyons aufgetaucht, sie trugen zweispitzige Kappen und gelbe Umhänge, die bis zum Knie gingen, und waren über und über mit Tierhörnern und -zähnen oder Amuletten behängt, die sie bei den Moslems gekauft hatten. Den Pulvergeruch noch in der Nase, fand sich Sira im Palast des Mansa in Segu wieder. Trotz des Kummers über ihre Gefangenschaft konnte sie nicht umhin, ihre neue Umgebung zu bewundern. Hinter Mauern, die den Himmel herausforderten, saßen Sklaven im Schutz von Dächern und webten mithilfe einfacher Rahmen, die aus vier senkrecht in die Erde gesteckten Hölzern und ein paar waagerechten Verstrebungen bestanden, und Sira konnte sich nicht sattsehen an der langen weißen Gewebeschlange. Maurer besserten die Fassaden aus oder verputzten sie neu. Überall boten Händler Berberteppiche, Parfums und Seidenstoffe an, während Spaßmacher, deren Körper buchstäblich in Kleidern aus kleinen karoförmigen, mit Kaurimuscheln besetzten Tierfellflicken versanken, zur Freude der königlichen Kinder umhertänzelten. Da die Fulbe im Gegensatz zu den Bambara keine Häuser bauten, sondern sich mit ihren Rundhütten aus geflochtenem Stroh oder Zweigen begnügten, war sie von alledem fasziniert. Hatten die Götter sie an Dusika ausgeliefert, um sie für ihre unbeabsichtigte, beinah unbewusste Bewunderung für ihre Bezwinger zu strafen?

Nein, sie durfte jetzt nicht an Dusika denken, das würde ihr die Freude an diesem Augenblick verderben. Aber kann man ein Kind von seinem Vater lösen?

Und da trat Dusika auch schon ein, begleitet von Kumaré, den man in Eile für die ersten Opferhandlungen hatte holen lassen. Sie wandte den Kopf ab, um nicht seinem Blick zu begegnen und seine Freude nicht teilen zu müssen. Zugleich warf sie sich Heuchelei vor. Was hinderte sie eigentlich daran, ihn und Segu zu verlassen? Sie redete sich ein, auf eine furchtbare Rache durch ihr Volk oder die Götter zu warten, die sie selbst überfordert hätte. War das die -Wahrheit?

Einige Wochen zuvor war ein Fulbe aus der Kaste der labo, der Handwerker, die das Holz bearbeiten, in das Anwesen gekommen, um Mörser, Stößel und Werkzeugstiele anzubieten. Sie hatten sich an der Sprache erkannt, dem sanften Klang des fulfulde. Der Mann hatte ihr Neuigkeiten aus ihrem Land erzählt. Die Fulbe waren die Herrschaft von Segu und die Razzien und Übergriffe der Bambara leid. Sie waren vom Ardo Ya Gallo vom Clan der Diallube abgefallen und hatten alle ihre Hoffnungen auf einen jungen Mann gesetzt, Amadu Hammadi Bubu vom Clan der Barri, einen leidenschaftlichen Moslem; dieser hatte geschworen, sie zu einem unabhängigen Staat zu vereinen, der als einzigen Herrn Allah anerkennen würde! Und so kam es, dass eine Prophezeiung von Mund zu Mund ging, die mehrere hundert Jahre zuvor dem Askia Mohammed aus dem Songhai-Reich von Gao gemacht worden war. Man hatte ihm geweissagt, dass ein Fulbe der Bambara-Herrschaft den Todesstoß versetzen und ein riesiges Reich gründen würde. Amadu Hammadi Bubu sollte nun dieser Fulbe sein!

War das möglich?

Sira streichelte sanft den Kopf ihres Neugeborenen und malte sich dabei aus, wie die Feuerschlange mit ihrer gespaltenen Zunge den Palast des Mansa, die Anwesen und die Kronen der Bäume berührte und am Ufer des Joliba haltmachte, nachdem sie die Pirogenflotte der Somono verbrannt hatte. Das war das Mindeste, um sie zu rächen! Sie schloss die Augen.

Währenddessen zählte Suka alle körperlichen Besonderheiten auf, die es Kumaré ermöglichten zu bestimmen, von welchem Ahnen das Neugeborene die Reinkarnation war. Anschließend hörte Sira die Flügelschläge und den kurzen Schrei des Hahns, dem der Schmied und Fetischpriester den Hals durchschnitt. Danach wurde es still, und sie war mit ihrem Sohn allein.

Naba zog Tiékoro am Hemd und jammerte: »Lass uns nach Hause gehen. Ich hab Hunger und bin müde …«

Aber Tiékoro konnte sich nicht entschließen: Er wollte unbedingt den weißen Mann sehen. Er fragte einen Mann, der ihnen entgegenkam und dem der Schweiß über den nackten Oberkörper lief: »Hast du ihn gesehen? Wie ist er?« Der Mann verzog verächtlich den Mund: »Er gleicht einem Mauren, nur hat er zwei rote Ohren, und seine Haare haben die Farbe von Gras in der Trockenzeit …«

Tiékoro hatte eine Idee: »Die Bäume! Lass uns auf einen Baum klettern!«

Aber als er den Kopf hob, stellte er fest, dass auch das unmöglich war. An den Ästen der Karite- oder der Kapokbäume hingen die Menschen wie Trauben. Er sagte missmutig: »Na gut, dann lass uns gehen!«

Mit fünfzehn Jahren war Tiékoro, Dusikas ältester Sohn von der ersten Frau Nya, fast so groß wie ein Erwachsener. Die Griots, die in das Anwesen kamen, um mit ihren Lobliedern die Familie zu ehren, verglichen ihn mit der Palmyrapalme, die in der Wüste wächst, und sagten ihm eine einzigartige Zukunft voraus. Er war ein schweigsamer, nachdenklicher Junge, den alle für überheblich hielten. Ein paar Monate zuvor war er beschnitten worden, aber seine Initiation in die Geheimgesellschaft des Komo stand noch bevor.

In Wirklichkeit hatte Tiékoro ein Geheimnis, das ihm keine Ruhe ließ. Alles hatte an jenem Tag angefangen, als er aus Neugier in eine Moschee gegangen war. Am Tag zuvor hatte er den Ruf des Muezzins gehört, und irgendetwas Unerklärliches war in ihm erwacht. Er war überzeugt, dass sich diese erhabene Stimme an ihn richtete. Aber seine Schüchternheit war stärker gewesen, und er war den Somono nicht gefolgt, die das Gebäude betraten.

Er hatte erst am nächsten Tag den Mut dazu gefunden, nachdem er sich die ganze Nacht lang mit Vorsätzen gewappnet hatte.

In einem Hof saß ein Mann im Alter seines Vaters auf einer Matte. Er trug ein weites dunkelblaues Gewand über einer gleichfarbigen Hose und hellgelbe Pantoffeln. Auf seinem glatt rasierten Schädel saß eine dunkelrote Kappe. So weit nichts Ungewöhnliches. Es war nicht das erste Mal, dass Tiékoro Männer in ähnlichem Aufzug sah; selbst im Palast des Mansa, wohin er manchmal seinen Vater begleitete, hatte er sie schon angetroffen. Was ihn stutzig machte, war die Beschäftigung, der sich der Mann hingab. In der rechten Hand hielt er einen Holzstift, der an einem Ende zugespitzt war. Diesen Stift tauchte er in ein Gefäß und zeichnete damit winzige Figuren auf eine weiße Oberfläche. Tiékoro hockte sich neben ihn und fragte: »Was machst du da?«

Der Mann lächelte und sagte: »Das siehst du doch, ich schreibe …«

Tiékoro wälzte das letzte Wort, das er nicht verstand, in seinem Kopf hin und her. Dann kam ihm eine Erleuchtung. Er erinnerte sich an die Amulette, die manche trugen, und rief: »Ach, du machst Zauberdinge …«

Der Mann lachte und fragte: »Du bist ein Bambara, nicht wahr?«

Tiékoro spürte den Unterton der Verachtung in der Stimme des Mannes und erwiderte stolz: »Ja, ich bin der Sohn von Dusika Traoré, einem der Ratgeber am königlichen Hof …«

»Dann wundert es mich nicht, dass du nicht weißt, was schreiben bedeutet …«

Tiékoro war tief gekränkt. Er suchte nach einer bissigen Antwort und fand keine. Aber was kann ein Kind auch schon gegen einen Erwachsenen ausrichten? Doch bereits am nächsten Tag machte er sich erneut auf den Weg in die Moschee. Von da an ging er jeden Tag dorthin.

Naba beklagte sich jetzt: »Du gehst zu schnell …« Tiékoro verlangsamte den Schritt und entgegnete: »Was würdest du tun, wenn ich fortginge?«

Das Kind sah ihn überrascht an: »In den Krieg? Mit dem Mansa?«

Tiékoro schüttelte energisch den Kopf: »O nein, an diesen Kriegen werde ich niemals teilnehmen!«

Töten, vergewaltigen, plündern! Und immer nur Blutvergießen! War nicht die ganze Geschichte von Segu im Übrigen blutig und gewalttätig?

Von seiner Gründung über den Ausbau durch Biton bis zum heutigen Tag! Nur Morde und Massaker. Lebendig eingemauerte Jünglinge, an Türschwellen geopferte Jungfrauen und Herrscher, die mit Baumwollbändern von ihren Sklaven erdrosselt wurden. Und immer wieder die Opferungen. Opfergaben für die boli der Stadt, des Reiches, der Ahnen und der Familie. Jedes Mal, wenn Tiékoro an der Hütte vorbeikam, in der sich die boli der Traoré befanden, erschauerte er. Eines Tages hatte er es gewagt hineinzugehen und sich entsetzt gefragt, woher das Blut kam, das auf diesen widerwärtigen Formen klebte.

Eine Religion dagegen, die von der Liebe sprach und diese unheimlichen Opfer verbot! Und den Menschen von der Angst befreite! Von der Angst vor dem Unsichtbaren und sogar der Angst vor dem Sichtbaren! Als sie an der Moschee der Somono vorbeikamen, ging Tiékoro schneller, da er befürchtete, erkannt zu werden und Naba sein Geheimnis zu verraten. Dann schämte er sich seiner Feigheit. Muss ein Gläubiger nicht bereit sein, für seinen Glauben zu sterben? Und er war doch gläubig, nicht wahr?

»Außer Allah gibt es keinen Gott, und Mohammed ist sein Prophet!« Diese Worte berauschten ihn. Er hatte nur einen Wunsch: Segu zu verlassen und nach Dschenne zu gehen oder besser noch nach Timbuktu und sich an der Universität von Sankore einzuschreiben.

Die beiden Jungen begannen, so schnell sie konnten durch die gewundenen Gassen zu laufen, sprangen dabei über Schafe und Ziegen und wichen knapp den Fulbe-Frauen aus, die um diese Zeit ihre Kalebassen mit Milch anboten. Aus den Schenken riefen ihnen die Tondyons, die dort saßen und dolo, Hirsebier, tranken, anzügliche Bemerkungen zu.

Als sie schweißtriefend in dem Anwesen ankamen, stürzten sich alle auf sie, und ein Stimmengewirr erhob sich: »Habt ihr ihn gesehen? Habt ihr ihn gesehen? …«

»Den Weißen?«

Sie mussten gestehen, dass es ihnen nicht gelungen war. Flacoro, Dusikas dritte Frau, die kaum älter als Tiékoro war, verzog verächtlich den Mund: »Und dafür habt ihr nun den ganzen Tag am Flussufer verbracht …«

Dann fügte sie hinzu: »Sira hat einen Jungen zur Welt gebracht …«

»Einen Jungen, und ist er gesund und munter?«Tiékoros Herz schwoll vor Freude. Er hatte seine Sympathie für Sira entdeckt, seit er sich für den Islam interessierte, denn er hatte gehört, dass diese Religion unter den Fulbe ziemlich verbreitet war. Und dennoch hatte sie ihm keine Auskunft geben können, als er schließlich den Mut aufgebracht hatte, sie zu befragen. Einer ihrer Onkel war zwar zum Islam übergetreten, aber sie wusste nichts über diese Religion. Der Islam war noch völlig neu in der Gegend, denn er war erst vor Kurzem mit den Karawanen der Araber wie eine exotische Ware importiert worden.

Tiékoro schlich an Siras Hütte vorbei, zu der, wie er wusste, eine Woche lang niemand Zugang haben würde. Er sah, wie sein Vater zusammen mit Kumaré, dem Schmied und Fetischpriester, herauskam. Ohne die Furcht zu zeigen, die ihm der Fetischpriester einflößte, grüßte er die beiden höflich und wollte sich gerade aus dem Staub machen, als ihm sein Vater ein Zeichen machte, ihm zu folgen. Zitternd gehorchte er.

Noch vor wenigen Jahren hatte Tiékoro seinen Vater wie einen Gott bewundert. Viel mehr als den Mansa. Wann hatte er angefangen, ihn als einen Barbaren und noch dazu einen unwissenden Trinker von Alkohol zu betrachten? Als das Werk der Moslems in seinem Leben an Bedeutung gewann. Wenn er auch seinen Vater nicht mehr bewunderte, so bedeutete das nicht, dass er aufgehört hatte, ihn zu lieben. Und so litt Tiékoro unter der Trennung von Herz und Geist, von instinktiven Gefühlen und verstandesmäßigen Überlegungen. Er setzte sich schweigend in eine Ecke des Vorraums, und als ihm eine Tabakdose gereicht wurde, nahm er im Bewusstsein der Ehre, die ihm zuteilwurde, eine Prise. Er wagte nicht, zu Kumaré herüberzublicken, denn er glaubte, dieser könne seine Gedanken lesen und entdecken, was er ihnen allen verheimlichte. Tatsächlich richtete der Zauberpriester seine rot geäderten Augen auf ihn. Sobald es nicht mehr allzu unhöflich aussah, stand Tiékoro auf und ging nach draußen. Als Reaktion auf die Angst und die Anstrengung, die er hatte vollbringen müssen, zog sich sein Magen zusammen, und unter Schmerzen erbrach er gegen die Mauer eines der Häuser einen schleimigen braunen Saft. Danach blieb er eine Weile mit brennendem Kopf unbeweglich stehen. Wie lange würde er noch sein Geheimnis für sich behalten können?

Währenddessen war Kumaré, der mit Dusika allein zurückgeblieben war, nachdenklich geworden. Er wandte den Blick nicht von der niedrigen Tür, durch die Tiékoro verschwunden war. Irgendetwas beschäftigte den Jungen, aber was?

Aus einem kleinen Beutel holte er seine Wahrsageschnur mit den zwölf Kaurimuscheln hervor und warf sie auf den Boden. Was er dort sah, war so erstaunlich, dass er sie aufhob und die Angelegenheit auf später verschob. Dusika bemerkte seine Verwunderung und fragte mit Nachdruck: »Was siehst du, Kumaré? Was siehst du?«

Er dachte allerdings an sich selbst und den Spott der Ratsversammlung, daher beschloss Kumaré, ihn nicht aufzuklären: »Ich kann dir noch nichts sagen. Die Sache ist nicht klar. Ich werde die ganze Nacht daran arbeiten, anschließend kann ich dir mehr sagen …«

Nein, die Sache war nicht klar! Ein Sohn kam hinzu, ein anderer ging fort! Erst wurde der Vater geehrt und dann erniedrigt! Ein wahres Chaos befiel das bisher wohlgeordnete Anwesen, aber warum nur?

Kumaré gehörte einer der drei großen Familien an, die seit Generationen das Schmiedehandwerk ausübten und deren Vorfahren aus dem unterirdischen Dorf Gwonna stammten und das Geheimnis der Metalle entdeckt hatten. Als sie sich eines Tages an einem großen Feuer aufwärmten, hatten sie gesehen, wie einer der Steine der Feuerstelle schmolz. Sie hoben ihn auf und stellten fest, dass es ihnen nicht gelang, ihn zu zerbrechen. Das war das erste Stück Kupfer. Anschließend entdeckten sie das Geheimnis des Goldes und des Eisens. Daraufhin stellten sie Waffen, Messer, Pfeile und Pfeilspitzen her, und so konnten die Bambara ihre alten Steinwerkzeuge ersetzen. Da die Schmiede unter dem Schutz des Gottes Faro und seiner Hilfsgeister standen, die die Macht über Luft und Wind besaßen, waren sie auch die Herren der Wahrsagekunst.

Für Kumaré besaß das Unsichtbare kein Geheimnis.

3

Was aus der Nacht kommt, sind Worte von Unbekannten, die in den Schoß des Zufalls fallen. Die schlechten Worte sind Gestank. Sie wirken auf die Kraft des Menschen ein. Sie gehen von der Nase in den Hals, in die Leber und die Geschlechtsorgane.«

Das dachte Monzon Diarra, als er Samaké ansah. Daher unterbrach er ihn unwirsch: »Was beweist mir, dass deine Worte gut sind? Woher weißt du das alles?«

Samaké gelang es, jenem Blick standzuhalten, den die Griots mit dem des Schakals verglichen, und antwortete: »Herr, ich weiß es von meiner ersten Frau Sanaba, die, wie du weißt, zur selben Altersgruppe gehört wie Dusikas erste Frau Nya. Außerdem gehören sie derselben Geheimgesellschaft an. Du weißt, wie Frauen sind, sie reden. Vorgestern hat Dusika Abgesandte von Dessekoro empfangen, den du in Gemu besiegt hast und der sich mit seinem Hofstaat nach Dioka zurückgezogen hat. Dessekoro hat den Auftrag, die beiden Clans der Kulubari, den aus Kaarta und den aus Segu, zu versöhnen. Das Ziel dieser Bestrebungen ist es, dich zu stürzen und die beiden Reiche unter der Herrschaft einer Familie zu vereinen …«

Monzon schüttelte den Kopf: »Ich glaub dir nicht …«

Die Kulubari aus Kaarta und die aus Segu hassten sich. Eine Versöhnung der beiden war unwahrscheinlich. Tiétiguiba Danté, der diese geheime Zusammenkunft arrangiert hatte und mit Sa-maké und jenen verbündet war, die Dusika zugrunde richten wollten, mischte sich ein: »Herr der Kräfte, täusche dich nicht. Die Kulubari haben es nie verwunden, dass dein Vater sie um den Thron von Segu gebracht hat. Sie werden vor nichts zurückschrecken, um wieder an die Macht zu kommen. Du weißt, dass Dusika nach Reichtum giert, ohne jedoch die Kraft zu haben, selbst dafür zu kämpfen. Man wird ihm Gold versprochen haben …«

Für Monzon schien es ein schwerer Schlag zu sein, er murmelte: »Dusika ist mein Blutsbruder. Wir sind am selben Tag beschnitten worden. Warum sollte er das tun, warum? Welchen Nutzen hätte er davon, wenn er mich verriete?«

Samaké und Tiétiguiba wechselten vor Überraschung über die Aufrichtigkeit seines Schmerzes einen Blick. Dann sprang Monzon auf und ging mit großen Schritten im Raum auf und ab. Die Sklaven machten erschrocken Platz, da sie fürchteten, dass er seinen Zorn an ihnen auslassen könnte. Als Monzon seine Selbstbeherrschung wiedergefunden hatte, ließ er sich auf seinem Rinderfell nieder und sagte: »Morgen bei der Ratssitzung werde ich ihm das Messer an die Kehle setzen und ihn ausfragen, dann wird er schon gestehen.«

Tiétiguiba Danté schüttelte den Kopf: »Genauso hitzig und aufbrausend wie der Vater! Nein, Herr, so solltest du nicht vorgehen. Fang ihn mit List …«

Er ging auf den König zu, blieb aber in respektvoller Entfernung vor ihm stehen, damit sein Atem ihn nicht berührte: »Entehr ihn. Wirf ihm vor, er habe dich mit Steuern betrogen. Verbann ihn deshalb von deinem Hof, sodass er weder im Rat noch im Gericht seinen Sitz behält. Und dann lass ihn überwachen. Du wirst schon sehen, wie er reagiert.«

Monzon entgegnete nichts und saß nur in Gedanken vertieft da. Er besaß nicht die Grausamkeit, die manchen Herrschern vor ihm eigen war. Dekoro zum Beispiel, Bitons Sohn, hatte aus Wut über die Niederlage seiner Truppen vor den Städten Kirango und Doroni, die er einnehmen wollte, jeweils sechzig Männer auf allen vier Seiten eines Quadrats aufstellen lassen, das sein Schmied und Fetischpriester auf den Boden gezeichnet hatte, und sie lebendig in eine Wand einmauern lassen und dabei gerufen: »So werde ich mitten unter meinen Sklaven leben, und sie werden mir dienen, ob sie es wollen oder nicht.«

Monzon dagegen übte sein Herrscheramt mit Toleranz und Gerechtigkeit aus. Dusikas Verrat schmerzte ihn. Was gewann er bloß dadurch, einem anderen Herrn zu dienen? Würde ein neuer Mansa ihn mit noch größeren Ehren und Reichtümern überschütten? Stimmte es, dass er unter dem Einfluss seiner ersten Frau Nya stand? In dem Fall war alles möglich. Wer weiß, wie weit eine Frau einen Mann bringen kann, wenn sie seinen Verstand oder seinen Körper in ihrer Gewalt hat?

In dem Augenblick kam ein Sklave und teilte Monzon mit, dass Mori Zumana ihn zu sprechen wünschte. Mori Zumana war einer der mächtigsten Seher von Segu. Er arbeitete mit den vier großen boli, aber hatte auch die Magie der Araber gelernt, deren Sprache er perfekt beherrschte. Er war nach moslemischer Art gekleidet, mit einem serual, weißen Kaftan, und einem haik auf dem Kopf. Um seiner geistigen Unabhängigkeit Ausdruck zu verleihen, warf er sich vor dem Mansa nicht auf den Boden, sondern hockte sich nur nieder: »Herr der Kräfte, der Geist deines Vaters selbst hat mir den Weg gezeigt, den wir einzuschlagen haben. Sende gleich morgen früh einen Boten zum weißen Mann. Lass ihm sagen, du wollest ihm, der sich so weit von seinem Land entfernt befinde, behilflich sein und schicktest ihm daher einen Sack mit fünftausend Kauris, damit er sich Lebensmittel kaufen könne. Lass ihm weiterhin sagen, er könne die Dienste deines Boten als Führer bis nach Dschenne in Anspruch nehmen, falls er sich dorthin begeben wolle. Aber erlaube ihm nicht, nach Segu zu kommen.«

Monzon nickte zustimmend und fragte: »Wo befindet sich der weiße Mann im Augenblick?«

»Eine Frau hat ihm Unterschlupf gegeben …«

Die vier Männer blickten sich an und brachen in Lachen aus, und Monzon erlaubte sich, trotz der getrübten Stimmung, in die ihn die Nachricht von Dusikas Verrat versetzt hatte, einen Scherz: »Nun, dann wird er sowohl das Wasser der Frau als auch das Wasser von Segus Strom kennenlernen.« Samaké, Tiétiguiba Danté und Mori Zumana zogen sich zurück. Um auf andere Gedanken zu kommen, ließ Monzon Macalu einen seiner Lieblingsgriots rufen, der mit einem tamani unterm Arm eintrat. Als dieser sah, in welcher Verfassung sich sein Herr befand, fragte er leise: »Was soll ich für dich singen? Die Geschichte von der Gründung Segus? Oder die Geschichte deines Vaters?«

Monzon gab durch eine Geste zu verstehen, dass er ihm die Wahl überließ, und Macalu, der die Vorlieben des Mansa kannte, begann die Geschichte von Ngolo Diarra zu singen: »Da Ngolos Vater tot war, musste Menkoro, einer seiner Onkel, sich zum König Biton begeben, um die Steuern zu bezahlen, und brachte das Kind mit nach Segu. Wie gewöhnlich nahm Menkoro die Gastfreundschaft von Danté Balo in Anspruch, der Frau eines der Schmiede vom Hof. Und wie gewöhnlich zog er von Schenke zu Schenke und blähte sich derart den Bauch mit dolo