Sehnsucht, die du sehnlichst suchst - Angelika B. Klein - E-Book

Sehnsucht, die du sehnlichst suchst E-Book

Angelika B. Klein

4,6

Beschreibung

2. Teil der zweiteiligen Jugendromanze (Fortsetzung von Leidenschaft, die dir Leiden schafft) Die 19-jährige Julie geht nach London, um dort Tanz zu studieren. Dann taucht plötzlich Lucas Sheffield, Mitglied der Band Dizzy Boys auf, der bereits vor einem Jahr ihr Leben auf den Kopf gestellt hat. Sie lässt sich erneut auf eine Affäre mit ihm ein, ohne zu ahnen, was für Folgen das für sie und die Band hat.

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Weitere Titel von Angelika B. Klein:

Leidenschaft, die dir Leiden schafft

Schuld, die dich schuldig macht

Im Schatten des Unrechts

Autorin

Angelika B. Klein wurde 1969 geboren und lebt mit ihrem Ehemann sowie den beiden Kindern in München. Sie schreibt spannende Liebesromane für Jugendliche und Erwachsene.

Alle Handlungen und Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Sollten sich einzelne Namen oder Örtlichkeiten auf reale Personen beziehen, so sind diese rein zufällig.

www.facebook.com/AngelikaB.Klein

Für meinen Sohn

Danny

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

EPILOG

PROLOG

Während eines ruhigen Liedes, schaut er zu mir herunter. Warum sieht er mich so an? Fast etwas traurig? Langsam bewegt er sich an den Rand der Bühne und geht die Stufen zum Sicherheitsstreifen hinunter. Die Fans kreischen und strecken ihre Hände nach ihm aus. Er kommt von der linken Seite langsam näher in meine Richtung. Kurz bevor er auf meiner Höhe ankommt, fängt seine Solo-Strophe an. Er beginnt zu singen und schaut mir dabei fest in die Augen. Ich bin von seinem Blick gefesselt und kann nicht wegsehen. Er streckt mir seinen Arm, zwischen den Köpfen der Fans, entgegen. Meine Gedanken überschlagen sich. Will er mich berühren? Und noch während ich überlege, ob ich nach ihm greifen soll, bewegt sich mein rechter Arm auf ihn zu. Als unsere Fingerspitzen sich berühren, jagt ein elektrischer Impuls durch meinen Arm direkt in meinen Körper. Im nächsten Moment trennen sich unsere Finger wieder. Die Fans haben ihn in Beschlag genommen und schieben ihn von mir weg.

Kapitel 1

„Julie, Julie!“, höre ich die aufgeregten Rufe meiner besten Freundin. Neugierig drehe ich mich um und suche den breiten Gang der Universität München nach ihr ab. Winkend und hüpfend löst sich Rose aus einer Gruppe Mädchen, um auf mich zuzulaufen.

„Julie! Stell dir vor, ich habe bei Radio Energy drei Karten für die Premiere des neuen Films mit Brad Pitt gewonnen! Die Darsteller erscheinen persönlich im Kino! Du kommst doch mit, oder? Leo kommt auch mit!“

„Wow! Und wann findet das statt?“, frage ich überrascht.

„Am Dienstagabend um 19.00 Uhr!“

„Ich weiß nicht, ob ich da mit kann… wegen Emily… aber ich versuche einen Babysitter zu finden.“

Enttäuscht zieht Rose einen Schmollmund. „Kann nicht deine Mutter ausnahmsweise mal aufpassen? Die Premiere ist doch nur einmal!“

Besänftigend lege ich meinen Arm um ihre Schultern. „Ich weiß, ich würde auch gerne mitkommen, aber ...“

„Nichts aber! Frag deine Mutter! Und wenn sie nicht aufpassen will, dann finden wir einen anderen Weg!“, teilt Rose fest entschlossen mit.

„In Ordnung! Habe ich überhaupt eine andere Option?“

„Nein!“, antwortet Rose mit einem strahlenden Lächeln, während wir gemeinsam die Uni verlassen.

Es ist Freitagnachmittag. Ich liege auf meinem Bett und höre Radio. Gerade, als ich krampfhaft überlege, wen ich bitten könnte, am Dienstag auf Emily aufzupassen, höre ich die ersten Töne des Liedes you love another von den Dizzy Boys. Mein Herz zieht sich schlagartig zusammen und ich erinnere mich an die schmerzhafte Zeit vor zehn Monaten, als ich bei Lucas in London war. Die Zeit mit ihm war so schön, hat dann jedoch so abrupt und enttäuschend geendet. Der Liebeskummer, die Sehnsucht und die Angst vor einer Schwangerschaft…. Ich schüttle die quälenden Gedanken ab und konzentriere mich auf die Musik. Plötzlich fällt mir wieder ein, dass Rose Karten für das Konzert in Berlin gekauft hat. Ich habe mich anfangs energisch dagegen gewehrt und ihr klar und deutlich gesagt, dass ich auf keinen Fall jemals wieder zu einem Konzert von DB gehen werde. Rose ließ sich jedoch nicht davon abbringen, drei Karten für die Arena zu kaufen. Obwohl das Konzert erst in vier Wochen stattfindet, bin ich mir absolut sicher, dass ich nicht mitfahren werde.

Das Klingeln meines Telefons reißt mich aus meinen Gedanken.

„Hey Julie! Weißt du schon, ob du zur Premiere mitkommen kannst?“, will Rose neugierig wissen.

„Nein! Ich hatte noch keine Gelegenheit meine Mutter zu fragen“, antworte ich ehrlich.

„Dann mach das endlich! Und Julie … denk dran, nächsten Monat ist das DB Konzert! Wir müssen gleich am Samstag in der Früh nach Berlin fahren und …“

„Rose!“, unterbreche ich sie gereizt, „ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass ich nicht mitkommen will!“.

Die plötzliche Stille in der Leitung beunruhigt mich.

„Rose? Bist du noch dran?“, hake ich vorsichtig nach.

„Mann Julie! Bist du immer noch nicht über Lucas hinweg? Lass dir doch von ihm nicht deine ganze Zukunft versauen! Außerdem gehen wir nicht wegen Lucas dorthin, sondern wegen der Musik! Die Jungs spielen super geile Lieder und wir rocken dazu!“

Genervt verdrehe ich die Augen, da mir klar ist, dass Rose nicht so schnell aufgeben wird, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Diese Eigenschaft an meiner Freundin kann manchmal recht nützlich sein, allerdings finde ich sie in diesem Fall eher beängstigend.

„Mal sehen Rose! Ich muss jetzt zum Abendessen nach unten, bis bald“, sage ich schnell und beende das Gespräch.

Kapitel 2

Nachdenklich trotte ich nach unten in die Küche und setze mich zu meinen Eltern sowie meinem Bruder Danny an den Tisch. Mein Bruder erzählt gerade von seiner Arbeit als Grafikdesigner, während meine Eltern ihm interessiert zuhören. Mein Vater ist, seit seinem Herzinfarkt vor zehn Monaten, stark gealtert. Er ist oft müde und nicht mehr stark belastbar. Seine Krankheit war damals auch der Grund, warum ich so plötzlich aus London zurückkehren musste. Die Ärzte hatten wenig Hoffnung auf Genesung, weshalb es für uns wie ein Wunder war, dass er überlebt hat.

„Wie geht’s mit deinem Studium voran?“, wendet sich meine Mutter aufmerksam an mich.

„Alles in Ordnung - viel zu lernen!“, antworte ich knapp. Nach der Rückkehr aus England habe ich mich an der Uni für Jura eingeschrieben. Mich hat keines der anderen Studienfächer wirklich interessiert und um dem Drängen meiner Eltern nachzugeben, habe ich mich eben für Jura entschieden. Ich gehe nach wie vor dreimal wöchentlich in die Tanzschule, fest integriert in einer Gruppe, die auch für kleinere Auftritte gebucht wird.

Meinen größten Wunsch, in London Tanz zu studieren, habe ich noch nicht aufgegeben, fühle mich allerdings emotional noch nicht im Stande, wieder nach England zu gehen.

Plötzlich fällt mir wieder die Premiere ein. „Mama? Hast du am Dienstagabend vielleicht Zeit auf Emily aufzupassen? Rose hat Karten für eine Premierevorstellung und ich würde da so gerne hingehen.“

Tadelnd blickt meine Mutter mich an. „Julie! Du weißt, dass du Nicole versprochen hast, die ganze Woche auf ihre Tochter aufzupassen? Ich kann am Dienstagabend nicht, da bin ich beim Stepptanz!“.

Enttäuscht schaue ich auf meinen Teller. Nicole ist unsere Nachbarin. Sie ist alleinerziehend mit einer süßen zweijährigen Tochter. Nächste Woche hat sie jeden Abend Unterricht an der Volkshochschule, weshalb ich ihr fest zugesagt habe, während dieser Zeit auf ihr Kind aufzupassen.

Wenn ich an Emily denke, überwältigen mich häufig die Gefühle und Gedanken von jener Zeit. Damals … als ich dachte, ich wäre von Lucas schwanger. Glücklicherweise haben sich die Sorgen nach einer Woche in Luft aufgelöst, als meine Periode eingesetzt hat.

Mit allem mir zur Verfügung stehenden Charme wende ich mich an meinen großen Bruder. „Danny? Kannst du vielleicht auf Emily aufpassen?“

Langsam dreht er sich zu mir. Mit klimpernden Wimpern grinse ich ihn unschuldig an. Das wirkt meistens.

„In Ordnung! Ich will ja nicht schuld sein, dass du verpasst, Brad Pitt live zu sehen!“, antwortet Danny liebevoll, und boxt mir schließlich freundschaftlich in den Arm.

„Danke, du hast was bei mir gut!“, antworte ich glücklich.

Nach dem Abendessen ziehe ich mich in mein Zimmer zurück, schaue noch etwas fern und gehe anschließend schlafen.

Kapitel 3

Am nächsten Tag kommt Rose, um mich zu einem Stadtbummel abzuholen. Wir fahren in die Innenstadt und laufen durch unsere Lieblingsgeschäfte. Als wir hungrig werden, setzen wir uns in ein Cafe und bestellen uns einen Kaffee Latte.

„Was ist jetzt am Dienstag? Kommst du mit?“, fragt Rose unsicher.

„Ja! Stell dir vor, Danny passt auf Emily auf“, antworte ich fröhlich. Voller Vorfreude auf den gemeinsamen Abend, erzählt Rose mir von einem neu eröffneten Laden aus England, der günstige Klamotten anbietet.

Plötzlich wird Rose nachdenklich und schaut mich ernst an. „Bist du sicher, dass du nicht zum Konzert mitkommen willst?“

„Ich kann einfach noch nicht, Rose!“, gebe ich bedauernd zu.

„Bist du noch sauer auf Lucas?“

„Nein! Sauer bin ich nicht mehr, aber ich habe Angst, dass alles wieder hoch kommt, wenn ich ihn wieder sehe“.

„Julie, es ist zehn Monate her! Klar, die ersten drei Monate warst du wirklich kaum ansprechbar. Aber ich habe das Gefühl, dass du jetzt über ihn hinweg bist. Also bitte, bitte komm doch mit zum Konzert“, bettelt Rose regelrecht.

Ich denke über Roses Worte nach und lasse mir Zeit mit meiner Antwort. „Vielleicht hast du Recht! Mit dem Besuch beim Konzert kann ich mir beweisen, dass es mir nichts mehr ausmacht, Lucas zu sehen. Erst dann kann ich mir sicher sein, dass ich über ihn hinweg bin!“

Glücklich umarmt Rose mich und plappert sofort drauf los: „Super! Wir werden einen riesen Spaß in Berlin haben! Leo, du und ich!“

Plötzlich bin ich mir nicht mehr so sicher, ob das die richtige Entscheidung war. Aber ich lasse es einfach darauf ankommen und werde sehen, was passiert.

Wir klappern noch eine weitere Stunde verschiedene Geschäfte ab. Auf dem Rückweg wende ich mich an Rose. „Macht es dir eigentlich gar nichts mehr aus, wenn du Miguel siehst?“

Gelangweilt zuckt sie die Schultern. „Jetzt nicht mehr! Es wäre eh nicht gut gegangen zwischen uns. Für mich wäre das nichts, so in der Öffentlichkeit vorgeführt zu werden. Außerdem hat er jetzt seine Ivana, mit der er anscheinend glücklich ist“. Ich beobachte Rose von der Seite, bemerke aber, dass sie es wirklich aufrichtig meint, was sie sagt.

Am Dienstagabend gehen wir zusammen mit Leo auf die Premiere des neuen Films mit Brad Pitt. Wir genießen den Auftritt der Schauspieler sowie den Film. Und natürlich ist es auch nicht schlecht, Brad Pitt endlich einmal aus der Nähe zu sehen.

Kapitel 4

Die nächsten Wochen verbringe ich tagsüber an der Uni und abends an meinem Schreibtisch. Die Zeit vergeht wie im Flug, so dass plötzlich Freitag ist, der Tag vor dem Konzert.

Rose und Leo besuchen mich zu Hause. Wir sitzen in meinem Zimmer und planen das bevorstehende Wochenende. Plötzlich klopft es an der Tür und Danny streckt seinen Kopf zum Türspalt herein. „Hey! Habt ihr gerade Zeit?“, fragt er in die Runde.

„Klar! Was gibt es Danny?“, antworte ich neugierig.

Freudestrahlend tritt er ein. „Ihr wollt doch morgen nach Berlin fahren, oder?“ Nachdem wir einstimmig nicken, fährt er fort: „Ich habe gerade erfahren, dass ich zur Computermesse nach Berlin muss, wir können also zusammen fahren, wenn ihr wollt.“

„Super! Dann muss ich die lange Strecke nicht alleine mit dem Auto fahren. Vorallem müssen wir nicht mit Mamas altem Polo nach Berlin tuckern.“

Danny grinst mich schelmisch an. „Klar, mit meinem BMW sind wir sicher auch schneller dort! Wo übernachtet ihr eigentlich?“, will er jetzt wissen.

Leo antwortet umgehend: „Meine Freundin wohnt in Berlin, bei der können wir schlafen.“

„Gut! Ich kann bei meinem Kollegen pennen. Dann fahren wir am Sonntagmittag wieder zurück.“ Aufgeregt plappert Rose drauflos. „Können wir gleich in der Früh um sieben Uhr los fahren? Damit wir mittags in Berlin sind. Ich möchte unbedingt weit vorne an der Bühne stehen. Dazu müssen wir uns aber früh genug anstellen“.

„Das wollte ich eh vorschlagen, da ich am Nachmittag schon auf der Messe sein muss“, stimmt Danny zu. Ich erspare mir einen Kommentar dazu, denn mir wäre es lieber, nicht in erster Reihe vor der Bühne zu stehen. Danny verabschiedet sich und verlässt mein Zimmer.

Leo verzieht leicht den Mund und meint wenig begeistert: „Du willst fünf Stunden vor der Halle warten?“

„Klar, wir haben Arena-Karten! Da gilt, wer zuerst da ist, bekommt die besten Plätze! Wenn wir zu weit hinten stehen sehen wir doch gar nichts“, antwortet Rose vorwurfsvoll.

Nachdem wir noch kurz besprochen haben, was wir alles mitnehmen wollen, verabschieden sich Leo und Rose von mir.

Ich bin auf dem Konzert, stehe in der ersten Reihe - vor mir auf der Bühne steht Lucas und schaut mich an. Er lächelt, ich lächle zurück. Er reicht mir die Hand, zieht mich zu sich hoch und führt mich hinter die Bühne. Mit traurigem Blick entschuldigt er sich bei mir, dass er sich nicht gemeldet hat und beteuert wie sehr er mich vermisst habe. Ich verzeihe ihm und falle ihm in die Arme. Wir küssen uns leidenschaftlich. Plötzlich werden wir auseinander gerissen. Isabel steht hinter ihm. Sie stößt mich weg und beschimpft mich. In diesem Moment geht Lucas wieder hinaus auf die Bühne, holt sich ein anderes Mädchen aus dem Publikum und geht auch mit ihr hinter die Bühne. Vor meinen Augen umarmt und küsst er sie. Schockiert beobachte ich die Situation. Unsere Blicke treffen sich. Verwirrt schaue ich ihn an. Er hat jedoch nur einen verachtenden Blick für mich übrig. Plötzlich kommen die anderen Jungs von der Bühne und stellen sich neben Lucas. Alle reden gleichzeitig auf mich ein. Ich verstehe sie nicht. Nur einzelne Wortfetzen dringen zu mir durch: „…nicht angerufen…hast ihn sitzen gelassen… selbst schuld“. Sie kommen immer näher und werden immer lauter.

„NEIIIN!“, schreie ich laut und wache schwer atmend auf. Ich streiche mir die verschwitzen Haare aus dem Gesicht, während ich mich im Bett aufsetze. Was war das denn? Ich hatte seit der Zeit in London keine Albträume mehr. Anfangs habe ich mich oft in den Schlaf geweint und auch von Lucas geträumt. Aber niemals war er im Traum gemein zu mir. Gebe ich mir etwa selbst die Schuld daran, dass Lucas sich nicht gemeldet hat? Ich habe ihm doch einen Brief geschrieben. Ich habe ihm erklärt, dass ich glaube, er nütze mich nur aus. Und ich habe ihn gebeten, sich bei mir zu melden, wenn es nicht wahr sei.

Ein Blick zum Wecker verrät mir, dass es erst fünf Uhr ist. Na prima! Jetzt lohnt es sich nicht mehr einzuschlafen. Langsam stehe ich auf und mache mich im Bad für die Fahrt nach Berlin fertig. Anschließend gehe ich in die Küche, frühstücke eine Kleinigkeit und trinke gemütlich einen Kaffee. Um sechs Uhr erscheint Danny und setzt sich mit einer dampfenden Tasse Kaffee zu mir an den Tisch. Wir besprechen die Details der heutigen Fahrt und brechen pünktlich um halb Sieben auf, um Rose und Leo abzuholen.

Nach sechsstündiger Fahrt kommen wir voller Vorfreude in Berlin an. Danny lässt uns an der O2-Arena aussteigen und fährt weiter zur Messe. Natürlich sind wir nicht die einzigen Fans, die sich einen Platz in der ersten Reihe sichern wollen. Ungefähr fünfzig Mädchen, jünger oder im gleichen Alter wie wir, sitzen, liegen und stehen bereits vor der Absperrung am Eingang. Geduldig stellen wir uns neben die Wartenden. Ich mache es mir auf dem Boden, auf meiner Tasche sitzend, bequem. So warten wir drei Stunden, bis es langsam so voll wird, dass wir nur noch stehen können. Es wird gedrängt, geschoben, geschrien und gesungen. Eine freudige Anspannung liegt in der Luft. Plötzlich fängt rechts neben mir eine Gruppe Mädchen an zu kreischen: „Eddie, Eddie!“ Reflexartig halte ich mir die Ohren zu. „Eddie war an der Tür und hat zu uns rausgeschaut!“, schreit eines der Mädchen hysterisch. Dabei zittert sie am ganzen Körper, als wäre das schon die Erfüllung ihrer Träume. Ich schüttle verständnislos den Kopf. War ich letztes Jahr auch noch so fanatisch? Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Vor meinem inneren Auge erscheinen Bilder vom London Eye und vom Hyde Park. Ich erinnere mich an die Fans dort und wie extrem sie reagiert haben. Mein Blick schweift über die Menge. Es werden immer mehr Leute. Noch zwei Stunden, dann werden die Tore geöffnet.

Gegen 18.00 Uhr werden die Fans ungeduldig. Sie schieben und drängen und rufen laut „Aufmachen!“. Es dauert noch ganze fünfzehn Minuten bis die Security die ersten Tore öffnet und die ungeduldigen Fans in die Halle lässt.

Kaum sind wir durch die Kontrolle, packt Rose mich an der Hand und läuft los. Ich kann gerade noch nach Leos Arm greifen, um sie hinter mir herzuziehen. Wir stürmen mit der Menge in die Arena, um uns dort die besten Plätze zu sichern.

Vor uns stehen bereits zwei Reihen mit Fans. „Mist! Ich wollte ganz nach vorne!“, klagt Rose beleidigt.

„Wir sehen doch hier auch ganz gut“, antworte ich besänftigend, wobei ich insgeheim froh bin, nicht in der ersten Reihe zu stehen. Die Mädchen ganz vorne werden an ein Absperrgitter gedrängt. Davor befindet sich ein Sicherheitsstreifen von zwei Metern und erst dann beginnt die Bühne.

Nachdem die Halle sich fast vollständig gefüllt hat, beginnt die Vorband zu spielen. Wir wiegen uns zum Takt der Musik und ich fange langsam an, den Abend zu genießen.

Leider sollte das nicht lange so bleiben.

Kapitel 5

Endlich um acht Uhr wird ein Film auf den Bühnenmonitoren abgespielt. Die Jungs von Dizzy Boys werden in kurzen lustigen Szenen dargestellt, während die Menge kreischt und lärmt. Nachdem der Film aus ist wird es in der Halle plötzlich dunkel.

Mit einem lauten Knall erscheinen die fünf Mitglieder der Band auf der Bühne und stimmen ihr erstes Lied You love another an. Die Menge tobt. Vor, hinter und neben mir wird gehüpft, gekreischt und laut mitgesungen. Beim Anblick von Lucas überkommt mich eine Sehnsucht, die ich seit Monaten verdrängt habe. Unsicher beobachte ich die Jungs auf der Bühne, ob sie mich entdecken. Nachdem ich beruhigt feststelle, dass mich keiner von ihnen erkannt hat, werde ich gelassener. Ich singe, tanze und hüpfe zum Rhythmus der Musik. Etwa nach vier Liedern wird für fünf Minuten ein kleiner Film eingespielt. Während dieser Zeit gehen die Bandmitglieder hinter die Bühne und erfrischen sich oder ziehen sich um.

Nach neunzig Minuten hat die Stimmung in der Halle ihren Höhepunkt erreicht. Als nächstes Lied kommt winter dreams. Bereits bei den ersten Tönen kommen sofort die Erinnerungen in mir hoch. Das ist einer der Songs, bei dem ich letztes Jahr mittanzen durfte. Für mich ist es einer der romantischsten Songs. Die Jungs stellen sich vorne auf der Bühne auf und beginnen zu singen. Anders, als bei den vorherigen Liedern, hüpfen sie nicht umher, sondern stehen ruhig nebeneinander und betrachten die Fans im Publikum. Einige Meter entfernt von mir steht Lucas, daneben Eddie. Ängstlich schaue ich von einem zum anderen. Plötzlich schaut Eddie mir direkt in die Augen und ich merke sofort, dass er mich erkennt. Sein Blick bleibt auf mir ruhen, während er mich anlächelt. Vor lauter Schreck fällt mir mein Handy aus der Hand. „Mist!“, fluche ich und bücke mich zwischen den vielen fremden Körpern. Ich taste mit beiden Händen den Boden ab, bis ich endlich fündig werde. Erleichtert tauche ich aus der Menge auf. Mit einem Lächeln auf den Lippen blicke ich nach oben und sehe …. Lucas direkt in die Augen. Schlagartig hört er auf zu singen, starrt mich nur ungläubig an. Ich kann meinen Blick nicht von ihm wenden, mir zerreißt es mein Herz. Unkontrolliert schießt mir die Hitze in jede Faser des Körpers und ich habe das Gefühl, nicht mehr klar denken zu können. Plötzlich wird Lucas von Eddie leicht angerempelt und aus seiner Erstarrung gerissen. Wenig später ist das Lied zu Ende und die Jungs verschwinden hinter der Bühne. Ein weiterer kurzer Film wird auf den Bühnenmonitoren abgespielt.

Zur gleichen Zeit auf der Bühne:

Lucas stellt sich neben Eddie auf der Bühne auf, denn jetzt kommt winter dreams, das ruhigste Lied. Sie beginnen zu singen, während ihre Blicke über die Fans wandern. Plötzlich sieht Lucas direkt vor sich in der dritten Reihe Rose und Leo. Ihm wird schlagartig heiß und er sucht hektisch die Reihen nach Julie ab. Er kann sie aber nicht entdecken. Fragend schaut er zu Eddie neben sich, dann wieder in das Publikum. Und wie aus dem Nichts taucht plötzlich Julie in seinem Blickfeld auf. Sie schaut ihm direkt in die Augen. Abrupt erstarrt er und kann seinen Blick nicht von ihr wenden. Erst Eddie, der ihn von der Seite anrempelt, löst ihn aus seiner Starre. Nach Ende des Songs geht Lucas mit den anderen hinter die Bühne.

Lächelnd geht Eddie auf Lucas zu. „Hast du gesehen? Julie ist im Publikum!“

Abwesend flüstert Lucas vor sich hin. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich sie jemals wieder sehe“. Nachdenklich geht er zu den Getränken. Er spürt eine Mischung aus Sehnsucht und Wut in sich aufsteigen. Er hat fast ein halbes Jahr gebraucht, um über Julie hinweg zu kommen. Er hat ihren Brief sicher hundert Mal gelesen, wollte aber einfach nicht wahrhaben, was die Zeilen ihm sagten. Die letzten Monate ging es ihm besser, er hat nur noch selten an Julie gedacht und jetzt das!

Noch während Lucas darüber nachdenkt, wie er sich jetzt verhalten soll, geht Aaron an ihm vorbei und zieht ihn mit auf die Bühne. The Show must go on! Die Show muss weitergehen!

Kapitel 6

Während des Kurzfilmes drehe ich mich zu meiner Freundin. „Rose! Lucas hat mich entdeckt und er war total schockiert!“, flüstere ich aufgeregt.

„Ja, und? Nur weil er dich damals abserviert hat, kann er dir doch nicht verbieten auf eines seiner Konzerte zu gehen!“, antwortet Rose genervt. Nachdem der Film zu Ende ist kommt die Band zurück auf die Bühne. Wie soll ich mich jetzt verhalten? Soll ich ihn anlächeln oder ignorieren? Es war eine blöde Idee, mit auf das Konzert zu gehen! Jetzt weiß ich, dass ich nicht über ihn hinweg bin, wie ich es mir einreden wollte!

Die Jungs sind auf der Bühne ständig in Bewegung. Sie scherzen viel miteinander, und tragen ein Lied nach dem anderen vor. Während eines relativ ruhigen Liedes, Eddie singt gerade sein Solo, schaut Lucas zu mir herunter. Ich erkenne in seinen Augen einen fragenden Blick. Warum sieht er mich so an? Fast etwas traurig. Langsam bewegt er sich an die Seite der Bühne, geht vorsichtig die Stufen zum Sicherheitsstreifen hinunter. Die Fans kreischen und strecken ihre Hände nach Lucas aus. Aaron und Ryan bemerken was Lucas vorhat und folgen ihm. Lucas kommt von der linken Seite langsam näher in meine Richtung. Kurz bevor er auf meiner Höhe ankommt, fängt seine Solo-Strophe an. Er beginnt zu singen, wobei er mir fest in die Augen schaut. Sein Blick fesselt mich, ich kann nicht wegsehen. Er streckt seinen Arm in meine Richtung, zwischen den Köpfen der Fans hindurch. Meine Gedanken überschlagen sich. Will er mich berühren? Und noch während ich überlege, ob ich nach ihm greifen soll, bewegt sich mein rechter Arm auf ihn zu. Als sich unsere Fingerspitzen berühren, jagt ein elektrischer Impuls durch meinen Arm bis in den Körper. Im nächsten Moment ist seine Hand wieder weg. Die Fans haben ihn in Beschlag genommen und schieben ihn von mir fort. Jetzt sehe ich Aaron, der mich ebenfalls erkennt und mir seine Hand reicht. Er lächelt mich freundlich an. Ryan tut es ihm gleich. Lucas geht auf der anderen Seite der Bühne die Stufen wieder hinauf und bringt das Lied in gewohnter Perfektion zu Ende. Es folgen noch drei weitere Lieder, dann ist die Show zu Ende. Die Jungs verabschieden sich von ihren Fans und verschwinden hinter der Bühne.

Kapitel 7

Nach Ende des Konzerts dauert es ein paar Minuten, bis sich die Menschenmenge in der Arena Richtung Ausgang bewegt. Wir treiben mit den Fans mit, als plötzlich eine kräftige Hand meine Schulter packt und mich festhält. Erschrocken drehe ich mich um, will die Hand abschütteln. Da erkenne ich, dass es sich um einen der Security-Leute handelt, die vor der Bühne standen.

„Was ist los?“, frage ich verwundert.

„Du sollst hinter die Bühne kommen, die Jungs wollen mit dir reden“, teilt er mir freundlich aber bestimmt mit.

Reflexartig greife ich nach meinen Freundinnen. „Rose, Leo, die Jungs wollen uns hinter der Bühne treffen“. Die beiden strahlen freudig überrascht, was meiner momentanen Gemütsverfassung nicht gerade entspricht. Gehorsam folgen wir dem Typen mit der neongelben Weste.

Als wir hinter der Bühne ankommen lösen sich Leo und Rose von mir und laufen zu Miguel, Ryan, Eddie und Lucas. Sie begrüßen sie herzlich und unterhalten sich mit ihnen. Ich dagegen stehe wie angewurzelt da, während Aaron auf mich zukommt.

Freundschaftlich begrüßt und umarmt er mich. „Hey Julie! Wie geht’s dir?“, fragt er interessiert.

„Gut, danke! Und dir?“, bringe ich verlegen heraus.

Nach ein paar höflichen Floskeln schaut er mich fragend an. „Sag mal, was war eigentlich damals mit dir und Lucas los? Warum ist das so plötzlich auseinander gegangen?“

Verblüfft schaue ich Aaron an. „Hast du meine Nachricht nicht bekommen? Ich habe dich gebeten mich anzurufen. Und Lucas habe ich einen Brief geschrieben.“

„Nein! Ich habe keine Nachricht bekommen. Aber Lucas hat von deinem Brief erzählt, allerdings keine Einzelheiten.“

Ich blicke zu der Gruppe, bei welcher Rose und Leo stehen und bemerke, dass Lucas verstohlen zu mir rüber schaut.

„Glaubst du, Lucas will mit mir reden?“, wende ich mich unsicher an Aaron.

„Ich weiß es nicht! Er war damals sehr gekränkt und enttäuscht. Er hat lange versucht dich zu vergessen, was ihm, glaube ich, nie ganz gelungen ist.“

Während ich noch überlege, warum Lucas von mir enttäuscht sein soll, nimmt Aaron meine Hand und zieht mich mit zu den anderen. Die Gruppe unterhält sich ausgelassen und scherzend miteinander.

Plötzlich verkündet Eddie eine Idee. „Habt ihr heute Abend noch was vor? Kommt doch mit uns ins Hotel. Wir könnten etwas zusammen trinken und uns weiter unterhalten.“

Rose und Leo blicken sich ungläubig an und antworten ohne lange zu überlegen: „Klar kommen wir mit, gerne“. Währenddessen schiele ich zu Lucas hinüber erkenne, dass er nachdenklich auf den Boden starrt. Es scheint fast, als wäre es ihm unangenehm, dass wir noch mitkommen.

Einige Zeit später folgen wir den Jungs über den Hinterausgang zu den zwei wartenden Limousinen. Ich steige mit Aaron, Eddie und Leo in eines der Fahrzeuge. Lucas geht mit Rose, Miguel und Ryan zu dem anderen Auto. Wir fahren durch Berlin, bis wir vor einem luxuriösen Hotel anhalten. Als wir aussteigen, werden wir sofort von Security-Leuten an den Fans vorbei in das Foyer geführt. Wieder einmal wird mir bewusst, wie wenig Privatsphäre die Jungs haben, da die Fans ihnen ständig und überall auflauern. Mit dem Lift fahren wir in den zweiten Stock und gehen einen schmalen, mit rotem Teppich ausgelegten Gang entlang. Beim Zimmer mit der Nummer 203 bleiben wir stehen. Eddie zieht seine Schlüsselkarte hervor und öffnet die Tür.

Eine geräumige Suite erstreckt sich vor uns. Ein großer Aufenthaltsraum mit Sofa, Sesseln und einer kleinen Bar, wobei das gesamte Zimmer in Blautönen gehalten ist. Durch eine Tür geht es in den Schlafbereich mit zwei großen Kingsize-Betten. Kurz blitzt die Erinnerung an die Nacht im ME Hotel in London in mir auf. Lucas und ich engumschlungen… die ganze Nacht … und der Morgen danach. Schnell schüttle ich die mich aufwühlenden Gedanken ab und setze mich zu Leo und Aaron auf das bequeme Sofa. Verstohlen beobachte ich Lucas, der sich jedoch, mit dem Rücken zu mir, mit Miguel unterhält. Ryan geht an die Bar, wo er unsere Wünsche entgegennimmt. Bier, Champagner oder Longdrinks, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Während der angeregten Unterhaltung wird viel gescherzt und gelacht. Eddie flirtet auffällig mit mir, was Lucas argwöhnisch beobachtet. Nach einiger Zeit, in welcher der Alkohol schon reichlich geflossen ist, kommt Aaron auf eine Idee. „Was haltet ihr davon, wenn wir Wahrheit oder Pflicht spielen?“ Die Mehrheit der Gruppe ist begeistert - ich dagegen fürchte mich ein wenig vor peinlichen Fragen und verziehe skeptisch den Mund.

Kapitel 8

Eddie und Aaron räumen eilig den Tisch ab und holen eine leere Flasche aus der Bar.

„Aaron, du fängst an“, bestimmt Eddie. Aaron dreht die Flasche, welche auf Rose zeigend liegen bleibt. „Wahrheit oder Pflicht?“, fragt Aaron ernst.

Rose überlegt nur kurz. „Wahrheit“.

Aaron denkt einen Moment nach, bevor er Rose anlächelt: „Wann und wo hattest du deinen ersten richtigen Kuss?“ Ich merke sofort, dass diese Frage Rose peinlich ist, denn sie bekommt rote Wangen und druckst herum.

Schließlich antwortet sie leise: „Letztes Jahr in London“. Miguel reißt die Augen auf und wirkt überrascht. Die anderen Jungs fangen an zu lachen und zu scherzen. Dabei klopfen sie Miguel anerkennend auf die Schultern. Warum verhalten sich junge Männer so idiotisch? Was ist schlimm daran, dass sie auf den Richtigen gewartet hat? Insgeheim fürchte ich mich vor solch einer Frage und überlege, was ich wohl an ihrer Stelle antworten würde. Jetzt dreht Rose die Flasche, welche auf Lucas gerichtet stehen bleibt.

„Wahrheit oder Pflicht?“

„Wahrheit“, sagt Lucas ohne zu zögern. Rose hat sich ihre Frage anscheinend schon zurechtgelegt, denn ohne lange zu überlegen will sie wissen: „Hast du Julie voriges Jahr nur ausgenutzt?“ Plötzlich wird es totenstill im Zimmer. Alle Blicke sind auf Lucas gerichtet.

Dieser schaut Rose fest in die Augen, schielt nur kurz zu mir herüber und antwortet dann selbstsicher: „Nein“.

Die Anspannung im Raum fällt ab. Mir wird erst jetzt bewusst, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten habe. Nein? Wie soll ich denn das verstehen? War alles was Claire mir erzählt hat etwa gelogen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Warum sollte Claire solche Gerüchte verbreiten? Verwirrt schaue ich Lucas an, während er mir ernst in die Augen blickt.

Langsam greift er zur Flasche und dreht sie. Dieses Mal muss sich Leo zwischen der Wahrheit und der Pflicht entscheiden. Sie entscheidet sich für die Pflicht.

„Tanze mit einem von uns Jungs einen erotischen Tanz“, verlangt Lucas. Leo springt auf und schnappt sich spontan Aaron. Eddie stürmt zur Stereoanlage und stellt den Radio an. Die Stimme von Whitney Houston ertönt mit ihrem Lied I will always love you. Theatralisch nimmt Aaron Leo in den Arm und fängt an engumschlungen mit ihr zu tanzen. Dabei gleiten seine wie auch ihre Hände verführerisch über den Körper des anderen. Mit Pfiffen und lauten Rufen werden sie von den Anwesenden angefeuert. Wir genießen die Darbietung und amüsieren uns über die gespielten erotischen Anzüglichkeiten. Gelegentlich schiele ich heimlich zu Lucas. Einmal blickt er tatsächlich in diesem Moment zu mir, so dass unsere Blicke sich treffen. Ein ziehender Schmerz breitet sich in meiner Brust aus, daher halte ich dem Blick nicht lange stand, sondern schaue schnell wieder zu Leo und Aaron. Diese beenden ihren Tanz und kassieren regen Applaus. Die Stimmung wird immer ausgelassener und ungehemmter.

Das Spiel geht weiter, die Flasche wird immer wieder aufs Neue gedreht. Als Eddie an der Reihe ist, zeigt der Korken auf mich. Nach der typischen Frage antworte ich mutig: „Wahrheit“.

Eddie muss nicht lange überlegen, was er mich fragen möchte. „Hast du Lucas letztes Jahr nur benutzt?“, will er ernst wissen. Entsetzt schaue ich von Eddie, zu Lucas und Aaron. Was ist das für eine Frage? Ich habe ihn doch nicht benutzt! Wie kommt Eddie auf so etwas?

„Nein!“, rufe ich etwas lauter als beabsichtigt aus. Im Raum herrscht erneut eine unangenehme Stille. Jeder der Anwesenden weiß, dass zwischen Lucas und mir nicht alles geklärt ist.

Leo ergreift als Erste wieder das Wort. „Leute! Das soll ein lustiger Abend werden und keine Trauerfeier!“ Sie schiebt mir das Spielgerät zu. „Los dreh!“ Noch immer schockiert von der an mich gestellten Frage drehe ich die Flasche. Es trifft Aaron, der sich für die Pflicht entscheidet und für uns alle einen Striptease, natürlich nur bis zur Boxershort, hinlegen muss. Von lauter Musik und tiefem Gegröle begleitet, zeigt er uns seine Darbietung.

Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt, als Aaron die Flasche nimmt und dreht. Es trifft erneut Lucas. Aaron lächelt Lucas, der Pflicht gewählt hat, an. „Küsse Julie!“