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Romantische Baumhausnächte auf dem Sunset Rock
Hazel liebt ihr Leben in New York. Doch als ihr Vater schwer erkrankt, möchte sie ihm seinen letzten Wunsch erfüllen: ein Luxus-Spa-Hotel in der amerikanischen Kleinstadt Stowe zu eröffnen. Die malerische Stadt in Vermont ist die Heimat ihrer vor vielen Jahren verstorbenen Mutter. Vor Ort aber trifft Hazel der Schock: Auf dem von ihr erworbenen Grundstück auf dem Sunset Rock steht ein riesiges Baumhaus - und es soll nicht das letzte sein. Als Hazel auf den brummigen Besitzer Nathan trifft, geraten ihre Pläne ins Wanken. Denn zu allem Überfluss nistet er sich in ihrem Herzen ein. Doch hat Nathan auch Gefühle für sie? Und was wird aus dem Versprechen an ihren Vater?
Der erste Band der romantischen Neuengland-Reihe in den USA - mit ganz viel Baumhausromantik, einem mitreißenden Knistern und liebenswerten Charakteren, die einem sofort ans Herz wachsen.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Kapitel 1 – Hazel
Kapitel 2 – Nathan
Kapitel 3 – Hazel
Kapitel 4 – Nathan
Kapitel 5 – Hazel
Kapitel 6 – Nathan
Kapitel 7 – Hazel
Kapitel 8 – Nathan
Kapitel 9 – Hazel
Kapitel 10 – Nathan
Kapitel 11 – Hazel
Kapitel 12 – Nathan
Kapitel 13 – Hazel
Kapitel 14 – Nathan
Kapitel 15 – Hazel
Kapitel 16 – Nathan
Kapitel 17 – Hazel
Kapitel 18 – Nathan
Kapitel 19 – Hazel
Kapitel 20 – Nathan
Kapitel 21 – Hazel
Kapitel 22 – Nathan
Kapitel 23 – Hazel
Kapitel 24 – Nathan
Ein paar Worte zum Schluss
Über die Autorinnen
Impressum
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Hazel liebt ihr Leben in New York, doch plötzlich ziehen dunkle Wolken auf. Ihr Vater ist todkrank, und sie setzt alles daran, seinen letzten Wunsch zu erfüllen: ein Luxus-Spa-Hotel in der amerikanischen Kleinstadt Stowe errichten zu lassen. Die malerische Stadt in Vermont ist die Heimat ihrer bereits vor vielen Jahren verstorbenen Mutter. Vor Ort kommt es jedoch zu unerwarteten Schwierigkeiten, denn offenbar ist das von ihr erworbene Grundstück auf dem Sunset Rock schon anderweitig verplant. Ein riesiges Baumhaus ist hier errichtet worden – und das soll nicht das letzte sein. Als Hazel auf dessen brummigen Besitzer trifft, geraten ihre Pläne ins Wanken. Zu allem Überfluss nistet er sich auch noch in ihrem Herzen ein. Doch hat er auch Gefühle für sie? Und kann es für das Hotelprojekt eine Lösung geben, die alle zufriedenstellt?
Nadine FegerC.K. Zille
Zufrieden reiche ich dem untersetzten Mann mir gegenüber die Hand. »Ich danke Ihnen, Mr Thompson. Sie werden diese Entscheidung nicht bereuen.«
»Ganz gewiss nicht, Ms Woods. Das Hotel wird unserer Stadt mit Sicherheit guttun.« Mr Thompson steht die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. »Es schafft nicht nur neue Arbeitsplätze, es wird uns auch mehr Touristen bringen. Stowe braucht dringend ein bisschen frischen Wind.«
Das sehe ich auch so, denke ich mir im Stillen, hüte mich jedoch davor, es auszusprechen. Stowe ist die Heimatstadt meiner Mum. Und ganz gleich, wie nett es hier ist, wundert es mich kein bisschen, dass es sie als junge Frau nach New York zog. Wohlwollend nicke ich dem Stadtverwalter zu.
»Wissen Sie schon, wann Sie mit den Bauarbeiten anfangen werden?« Schweißperlen rinnen Mr Thompson von der kahlen Stirn, die er mit einem Stofftaschentuch wegtupft.
»Es müssen nur noch ein paar Formalitäten geklärt werden, und dann können wir loslegen. Schätzungsweise in drei bis vier Wochen werden wir mit der Abholzung beginnen.«
»Wie genau haben Sie …«
Das Schrillen meines Handys befreit mich aus Mr Thompsons Schraubzwingen. »Entschuldigen Sie bitte, da muss ich dringend ran. Wir sind ja auch mit allem durch, richtig?«
»Natürlich. Auf Wiedersehen, Ms Woods.«
»Wiedersehen.« Sobald sich die Tür hinter mir schließt, nehme ich das Gespräch entgegen. »Gott sei Dank, Ben. Du hast mich gerettet. Mr Thompson ist so … Ach, egal.« Als ich ins Freie trete, kneife ich automatisch die Augen zusammen. Das grelle Sonnenlicht blendet mich, und jetzt, um die Mittagszeit, ist es beinahe unerträglich heiß.
»Hat denn alles geklappt?«, fragt mein Bruder ungeduldig.
»Na klar. Der Vertrag ist unterzeichnet und notariell beglaubigt. Es ist also alles unter Dach und Fach.«
»Yes!«, brüllt Ben mir ins Ohr.
»Es war überhaupt nicht schwer. Habe zusätzlich zur vereinbarten Summe ein bisschen Kleingeld obendrauf gelegt und ein nettes Lächeln aufgesetzt, und schon habe ich den Zuschlag erhalten. Es gab nämlich wohl noch einen weiteren Interessenten für das Grundstück.«
»Den du offenbar mühelos ausgestochen hast.«
»Sieht ganz danach aus.«
»Und? Was stellst du jetzt noch an?«
Träge lasse ich meinen Blick durch die Straße schweifen. Die bunten Holzhäuser sehen hübsch aus, einladend und gemütlich. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sitzen ein paar Leute vor einem kleinen Geschäft auf der Bank und unterhalten sich angeregt. Alles in allem scheint das Leben hier sehr viel langsamer vonstattenzugehen als in New York. Und langweiliger.
»Frag mich was Leichteres. Besonders viel los ist hier nicht gerade. Vielleicht laufe ich zum Sunset Rock und erkunde unser neues Territorium.«
»Du im Wald? Das passt ja wie die Faust aufs Auge.«
»Was ist daran so abwegig?«
»Ach, nichts …«
»Blödmann«, necke ich Ben. »Außerdem wüsste ich eh nicht, wo ich sonst hinsoll. Diese Hitze macht mich noch wahnsinnig. Wie geht es Dad?«
»Unverändert. Sie haben die Morphium-Dosis erhöht, damit die Schmerzen erträglicher sind.«
Mein Herz wird schwer. Dieses Hotel hier in Stowe ist Dads neuestes Projekt. Und alles sieht danach aus, als wäre es zugleich sein letztes. Er wollte es unbedingt selbst verwirklichen. Aber der Krebs ist aggressiver als anfangs befürchtet, und nun … Ich darf gar nicht darüber nachdenken.
»Ich mach dann mal Schluss«, erwidere ich niedergedrückt und versuche erfolglos, den Kloß in meinem Hals runterzuschlucken.
Ich muss mich dringend ablenken. Aber hier in der Stadt gibt es augenscheinlich nichts, was mich auf andere Gedanken bringen könnte. Obendrein kann ich es kaum erwarten, diesem Glutofen zu entkommen. In den Wald zu gehen, ist daher definitiv die beste Option. Sicher wird es im Schatten der Bäume erträglicher sein.
Dennoch wäre ich jetzt viel lieber in unserer Penthouse-Wohnung in New York und würde mich im Pool auf der Dachterrasse auf dem Wasser treiben lassen oder wenigstens in unserem klimatisierten Büro sitzen.
Stattdessen stecke ich noch ein paar Tage hier fest. Übermorgen habe ich vor Ort einen Termin mit dem Projektleiter des Abholzungsunternehmens, damit wir noch einmal den genauen Ablauf durchgehen können, bevor die Abriss- und Bauphase beginnt.
Missmutig laufe ich zu meinem Auto, einem gelben Mini-Cabrio, herüber und lasse mich auf den Fahrersitz fallen. Meine Slingpumps streife ich ab und tausche diese gegen ein Paar beerenfarbene Wanderstiefel, die ich hinter dem Rücksitz hervorziehe. Den Blazer meines blassrosa Kostüms lege ich auf die Rückbank, greife nach meiner Tasche und steige wieder aus.
Belustigt schaue ich an mir herunter. Die groben Wanderstiefel passen nicht gerade zu meiner feinen Stoffhose, aber immerhin harmonieren sie farblich miteinander. Ob meine weiße Bluse so optimal für den Wald geeignet ist, wage ich ebenfalls zu bezweifeln, doch das ist mir jetzt auch egal.
Entschlossen stapfe ich los in Richtung unseres neu erworbenen Grundstücks. Von der Main Street erreiche ich den Sunset Rock Trail in nur wenigen Minuten. Wenn ich den Weg eine Weile entlanglaufe, werde ich unser Areal nicht verfehlen können. Hoffe ich zumindest. Denn bisher war ich erst einmal vor Ort und bin von der anderen Seite mit dem Auto zum Wanderparkplatz gefahren und von dort aus gestartet. Aber so schwierig kann das ja nicht sein.
Erleichtert atme ich auf, als ich in den Schutz der hohen Bäume trete, die die brennende Sonne von mir fernhalten. Ich streife eine meiner haselnussbraunen Haarsträhnen zurück, die sich aus meinem Dutt gelöst hat und mir an der schweißnassen Stirn klebt. Andächtig lehne ich mich an einen dicken Baumstamm, schließe die Augen und atme tief durch.
Trotz der Hitze erscheint mir die Luft klar und frisch, irgendwie »sauber« – ganz anders als in New York. Dennoch bin ich durch und durch Großstadtpflanze und habe nicht die leiseste Ahnung, an welcher Art Baum ich hier gerade lehne. Ich bin ja schon froh, Laubbäume von Nadelbäumen unterscheiden zu können, aber für mehr reicht es leider nicht.
Nachdem ich mich gesammelt habe, laufe ich gemächlich den Wanderweg entlang, der sanft ansteigt. Nur vereinzelt begegnen mir ein paar Spaziergänger, zumeist mit Hund, und mustern mich befremdlich. Als ich linker Hand einen kleinen Trampelpfad entdecke, werden Kindheitserinnerungen geweckt und mit ihnen die Abenteuerlust in mir. Ich kann gar nicht anders, als vom Hauptweg abzuweichen und dem verwunschenen, sich durchs Dickicht schlängelnden Pfad zu folgen.
Der trockene Waldboden knackt und raschelt unter meinen Schritten, ein erdiger Duft von Laub und Moos füllt meine Lungen. Das Rauschen der Bäume in der sanften Brise ist neben dem aufgeregten Gezwitscher der Vögel das einzige Geräusch, das zu hören ist. Keine Autos, keine Flugzeuge, kein anderer Lärm.
Schlagartig bin ich vollkommen entspannt und entschleunigt – ein Gefühl, das mir seltsam fremd vorkommt.
Beflügelt davon laufe ich weiter, entdecke immer wieder neue Pfade, die mich magisch anziehen, und lasse mich einfach treiben. Mir war beim besten Willen nicht bewusst gewesen, welche Wirkung die Natur haben kann.
Zufrieden stelle ich fest, dass es unseren Hotelgästen demnächst genauso gehen wird, wenn sie hier in unserem neuen Resort residieren.
Moment, das Hotel … Wo bin ich hier überhaupt? Wie lange laufe ich eigentlich schon ziellos durch die Gegend?
Erschrocken stelle ich fest, dass ich nicht die leiseste Ahnung habe, wo ich mich befinde. Der Versuch, die Karten-App zu starten, scheitert kläglich – es gibt hier keinen Empfang. Jegliches Gefühl von Entspannung verpufft schlagartig. Ich bin völlig aufgeschmissen.
»Denk nach, Hazel. Du kannst doch sonst immer einen kühlen Kopf bewahren«, murmle ich mir selbst zu.
Wenn ich mich links halte, müsste ich rein theoretisch wieder auf einen der Hauptwege zurückkommen. Also schlage ich mich querfeldein durchs Dickicht, worunter meine helle Hose ein wenig leidet. Immerhin trage ich bequeme Schuhe. Aber ganz gleich, wie lange ich laufe – auf einen richtigen Weg komme ich nicht. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen.
Ein lautes Schnauben lässt mich erschrocken herumfahren. Gibt es hier Bären? Ich schlucke hart, entdecke dann zu meiner großen Erleichterung jedoch nur einen Hirsch.
»Gott sei Dank«, rufe ich und stoße ein irres Lachen aus, welches das Tier aufgeschreckt davonpreschen lässt.
Hastig setze ich meinen Weg fort, ohne zu wissen, welches Ziel ich vor Augen habe. Erst als ein Klopfen in mein Ohr dringt, das sich eindeutig nach einem Hämmern anhört, schöpfe ich ein wenig Hoffnung. Unbeirrt folge ich dem Geräusch, das mit jedem Schritt lauter wird. Als ich es unmittelbar über mir vernehme, schaue ich erstaunt nach oben.
In einigen Metern Höhe entdecke ich ein überraschend imposantes Baumhaus, das nicht danach aussieht, als wäre es von einem Laien zusammengeschustert worden.
Ein lautes »Wow« purzelt aus mir heraus, und nur einen Augenblick später ragt der Kopf eines bärtigen Mannes über die Brüstung.
Mit fragendem Blick mustert er mich. »Was machen Sie hier? Haben Sie sich verlaufen?« Ein leichter Anflug von Hohn schwingt in seiner Stimme mit.
»Ich fürchte, ja«, gebe ich kleinlaut zu. »Könnten Sie mir vielleicht erklären, wie ich wieder auf den Wanderweg finde?«
»Moment«, brummt er. Dann setzt das Hämmern wieder ein.
Das kann doch nicht sein Ernst sein!
Ich warte. Eine Minute. Zwei Minuten. Es scheint, als hätte er bereits vergessen, dass ich überhaupt hier bin. Das macht er doch mit Absicht! Ich räuspere mich laut und vernehmlich. Immer noch arbeitet er seelenruhig weiter.
»Äh, Entschuldigung! Könnten Sie mir vielleicht einfach kurz —«
»Ich sagte doch, Moment!«, ruft er, ohne von seiner Arbeit abzulassen. Nach weiteren zwei oder drei Minuten verstummt der Lärm, und es hört sich an, als würde er seine Werkzeuge in eine Kiste packen. Dann kommt der Kerl mitsamt einem Werkzeugkoffer die schmale Wendeltreppe herab, dicht gefolgt von einem großen braunen Hund, und baut sich in voller Größe vor mir auf. »Ich kann Sie mit in die Stadt nehmen.«
»Danke, das ist nett«, erwidere ich ob seiner gewaltigen Statur ein wenig eingeschüchtert.
Er überragt mich etwa um einen Kopf, muss also mindestens einen Meter neunzig groß sein, hat ein breites Kreuz und muskulöse Oberarme. Sein dunkelbraunes Haar, der Bart und die beinahe schwarzen Augen lassen ihn düster wirken, aber auch geheimnisvoll. In einem schicken Anzug könnte er mir durchaus gefallen.
Oh Mann, worüber denke ich denn hier nach? Entschlossen schüttle ich diesen Gedanken ab und reiche ihm die Hand. »Ich bin Hazel Woods.«
»Nathan Williams.« Meine kleine Hand versinkt in seiner riesigen schwieligen Pranke. Offenbar hat er nicht die Absicht, mich so schnell wieder loszulassen. Stattdessen mustert er mich von oben bis unten, während der Hund neugierig an mir schnuppert. »Zu dem Outfit hätte ich eher High Heels erwartet. Sehr fragwürdige Kombi. Was macht jemand wie Sie hier in der Wildnis?«
»Mich verlaufen?«
Unerwartet lässt er meine Hand wieder aus seiner gleiten. »Mein Auto steht da drüben.« Mit dem Kinn deutet er vage in eine Richtung und setzt sich in Bewegung.
Ich habe Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Doch ich beeile mich, weil eine Frage in mir bohrt. »Das Baumhaus … bauen Sie das für sich selbst? Es sieht toll aus.«
»Ich habe gleich in der Nähe einige Blockhäuser stehen, die ich an Urlauber vermiete. Dachte, ein paar Baumhäuser würden das Ganze abrunden.« Ein Lächeln erhellt sein Gesicht, und ich sehe das Funkeln in seinen Augen.
»Dieses hier ist quasi der Prototyp. Ich möchte das Land kaufen und damit meinen Ferienpark erweitern. Die Stadtverwaltung will sich das Baumhaus zuvor anschauen, aber ich bin mir sicher, dass es eine reine Formalie ist.« Er lacht kurz auf. »Schließlich ist Nachhaltigkeit so enorm wichtig. Es ist ein wahnsinnig tolles Gefühl, wenn ein Traum Wirklichkeit wird.«
In meinem Kopf arbeitet es. Da ich mich verlaufen habe, bin ich mir nicht ganz sicher, ob sich dieses Baumhaus tatsächlich auf meinem Grundstück befindet, allerdings liegt es nahe. Ich könnte mich aber genauso gut irren. »Viel Glück«, presse ich daher nur hervor und steige in den schwarzen Dodge Pick-up.
»Danke. Vielleicht haben Sie ja auch mal Lust, in einem der Baumhäuser zu übernachten, wenn Sie das nächste Mal zu Besuch kommen.«
»Klingt nicht schlecht«, gebe ich zu. Tatsächlich finde ich den Gedanken daran verlockend, allerdings wächst der Zweifel in mir, dass sein Traum in Erfüllung gehen wird.
»Wohin?«, fragt Nathan.
»Zum Akeley Memorial Building, bitte.«
Er beäugt mich misstrauisch. Oder bilde ich mir das nur ein? »Sie kommen aus der Großstadt, hm? Was verschlägt jemanden wie Sie in unsere verschlafene Kleinstadt?«
»Ich … besuche meine Großtante.« Das ist immerhin nicht gelogen.
»Wie heißt sie?«
»Kennen Sie bestimmt nicht.«
»Da, wo Sie herkommen, kennt man sich vielleicht nicht. Aber glauben Sie mir, in Stowe kennt jeder jeden.«
»Abigail Wheeler.«
Ein Lächeln huscht über Nathans Gesicht. »Ach, wusste gar nicht, dass Abigail noch Familie hat.«
»Sie kennen Sie also?«
»Hab ich Ihnen doch gesagt.«
»Ja, sagten Sie. Ich … war lange nicht mehr hier. Seit meine Mum gestorben ist.«
»Sophia Wheeler war Ihre Mum?«
»Sie wissen von ihr?«
»Wie gesagt, wir leben in einer Kleinstadt.«
Weil mir nichts mehr einfällt, nicke ich bloß stumm und starre aus dem Fenster. Innerhalb weniger Minuten lassen wir den Wald hinter uns und befinden uns wieder in der Zivilisation. Was man halt so Zivilisation nennt.
Nathan parkt den Wagen vorm Rathaus und sieht mich abwartend an.
»Äh, danke fürs Mitnehmen.« Ich werfe ihm ein zaghaftes Lächeln zu und steige aus. Im selben Moment sehe ich den Stadtverwalter das Rathaus verlassen.
Dann geht alles ganz schnell. Nathan hechtet aus dem Auto und läuft schnurstracks auf Mr Thompson zu, dicht gefolgt von seinem Hund, der mit einem Satz von der Ladefläche springt. »Allan, gut, dass ich dich treffe. Der Prototyp ist fertig. Wann hast du Zeit, ihn dir anzuschauen?«
»Nathan … ich …«, stammelt Mr Thompson und schaut hektisch zwischen Nathan und mir hin und her. »Also … ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll. Aber … das Grundstück ist bereits verkauft.« Sein Kopf läuft hochrot an. Würde sich neben ihm ein Erdloch auftun, würde er mit Sicherheit sofort hineinspringen.
Nathan hingegen fällt sämtliche Farbe aus dem Gesicht. »Wie, verkauft? Ich dachte, wir hatten eine Abmachung.«
»Tut mir leid, ich konnte das Angebot einfach nicht ausschlagen. Es war zu lukrativ.«
»Und an wen, bitte schön?« Nathan ist sichtlich in Rage. Jeder Muskel ist angespannt, und Zorn schwingt in seiner Stimme mit.
»An … Ms Hazel Woods.« Mr Thompson deutet auf mich.
Ich hätte jetzt auch gern ein Erdloch, in das ich mich kopfüber stürzen könnte. Stattdessen bleibt mir nichts weiter übrig, als unschuldig zu nicken.
»An sie? Das ist nicht dein Ernst. Was will diese Großstadttussi mit dem Grundstück?« Er wirft mir einen vor Wut funkelnden Blick zu.
»Großstadttussi?«, rufe ich empört und stemme die Hände in die Hüften. »Die Großstadttussi wird dort ein Luxushotel bauen lassen. So!« Dann wende ich mich an den Stadtverwalter. »Und nun erklären Sie mir mal, warum dieser … dieser … Waldschrat auf meinem Grundstück ein riesiges Baumhaus baut!«
Waldschrat? Kurz bringt sie mich aus der Fassung, aber es geschieht mir recht, ich habe sie schließlich ebenfalls beleidigt. Allerdings ist sie es, die mir gerade meinen Traum zerstört. Habe ich nicht das Recht, wütend zu sein? Mein erster Eindruck von ihr gerät gerade mächtig ins Wanken. Zuvor fand ich sie furchtbar attraktiv und sympathisch, wie sie hilflos durch den Wald gestapft ist. Aber ich könnte mich genauso gut in ihr getäuscht haben.
Sichtlich überfordert sucht Allan nach den richtigen Worten, um unsere Abmachung vor ihr zu rechtfertigen. Vor einer Fremden, die meint, sie dürfe sich an unserer Natur vergehen, nur weil ihre Mutter in Stowe aufgewachsen ist, oder warum auch immer. »Nun, die Erlaubnis habe ich Mr Williams erteilt, bevor es zu konkreten Verhandlungen mit Ihnen kam, Ms Woods. Das hat sich wohl überschnitten.« Mit puterrotem Gesicht weicht er zurück, offenbar, um sich diesem Verhör zu entziehen.
»Da nun alles vertraglich geregelt ist, gehört das Land Woods Luxury. Wenn wir in einigen Wochen mit der Abholzung beginnen, sollten sich keine unautorisierten Personen mehr auf dem Gelände befinden. Tragen Sie bitte dafür Sorge, dass das geregelt wird.« Sie wirft Allan einen wütenden Blick zu und eilt dann an mir vorbei.
Anscheinend hält sie es nicht für nötig, mit mir zu sprechen, was ich womöglich selbst schuld bin. Dennoch starre ich ihr fassungslos hinterher. Nun zeigt sie ihr wahres Ich. Sie ist nur äußerlich so unschuldig. Innerlich ist sie eine skrupellose Geschäftsfrau.
Loki läuft einige Schritte in ihre Richtung und bellt kurz auf. Er versteht ebenso wenig wie ich, was hier gerade geschieht — wie uns in nur wenigen Minuten der gesamte Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Monatelange Planung und das viele Herzblut, die in diesem Projekt stecken, wurden in Sekundenschnelle vollkommen wertlos.
Beinahe übersehe ich, wie auch unser werter Stadtverwalter versucht, sich aus dem Staub zu machen. Doch so leicht entkommt er mir nicht. Hitze wallt durch meinen Körper. Ich darf und kann mich nicht einfach so abfertigen lassen und kampflos aufgeben.
»Allan!«, fauche ich, während ich mit großen Schritten zu ihm aufschließe. »Wie konntest du das nur tun? Diese geldgierigen Städter verschandeln unsere wunderschöne Idylle. Hier geht es nicht um Geld, hier geht es um die Natur und um uns als Dorfgemeinschaft!« Ich muss ihn dort treffen, wo es wehtut. Als Stadtverwalter sollte gerade dieser Punkt sein höchstes Ziel sein.
»Nathan«, setzt er an und bleibt stehen, um sich doch noch auf ein Gespräch einzulassen. »Du verstehst das nicht. Es geht sehr wohl ums Geld. Es tut mir leid, dass du es so erfahren musstest.«
»Was heißt: ›Es geht ums Geld‹?« Verwirrt suche ich seinen Blick, doch er sieht zu Boden. »Haben wir etwa Probleme?« Ein mulmiges Gefühl keimt in mir auf und vertreibt die Wut. Hat die Stadt finanzielle Sorgen? »Was ist passiert?«
Bisher war Stowe dafür bekannt, in schwierigen Situationen zusammenzuhalten. Wann hat sich das geändert? Warum hat Allan nicht kommuniziert, dass es Schwierigkeiten gibt?
»Das verstehst du nicht«, antwortet er mir ziemlich ruppig. Wieder setzt er sich in Bewegung.
»Dann erklär es mir doch!« Verunsichert folge ich ihm. Da steckt mehr dahinter, und es gefällt mir gar nicht, dass er nicht darüber sprechen will.
»Ich habe jetzt keine Zeit, Nathan. Vielleicht ein anderes Mal.«
Nachdenklich lasse ich ihn ziehen und bleibe mitten auf dem Gehweg stehen. Was geht hier vor, und was habe ich verpasst? Warum will er nicht darüber sprechen?
Dass er keine Zeit hat, kaufe ich ihm nicht ab. Mit ziemlicher Sicherheit will er sich bloß nicht rechtfertigen. Ob ich der Einzige bin, der nichts mitbekommen hat? Läuft da etwas Großes, von dem die ganze Stadt noch keinen blassen Schimmer hat?
Zwischen Wut und Fassungslosigkeit verharre ich noch eine Weile. Passanten ziehen an mir vorbei, ich grüße wie in Trance zurück und lasse mich von Loki anbellen, dem es gar nicht gefällt, dass ich reglos stehen geblieben bin. »Schon gut, Kumpel. Wir gehen ja.«
Ich brauche Antworten auf die vielen Fragen. Außerdem muss ich irgendwie verhindern, dass unser schöner Wald abgeholzt wird. Was hat diese Ms Woods gesagt? Sie beginnen in ein paar Wochen? Viel Zeit bleibt mir also nicht.
Mein erstes Ziel ist die Post. Wenn es jemanden gibt, der über Klatsch und Tratsch Bescheid weiß, dann ist es meine kleine Schwester Jane. »Komm, Loki, wir gehen Jane besuchen!« Er scheint sofort zu verstehen, wedelt aufgeregt mit dem Schwanz und läuft vor.
Die Poststelle, die zugleich auch als Touristeninformation genutzt wird, liegt zentral in Stowe. Nur wenige Minuten brauche ich, um das kleine Ladenlokal zu erreichen.
Meine Schwester sitzt neben dem Postschalter auf einem Stuhl und blättert in einer Zeitschrift. Als ich die Tür aufstoße, sieht sie nur kurz auf. »Hey, Nate. Alles klar?«
Loki stürmt direkt schwanzwedelnd auf sie zu und lässt sich von ihr kraulen.
»Nichts ist klar«, brumme ich.
Janes Augen funkeln sofort sensationslüstern. »Was ist passiert?«
»Ich hatte gehofft, von dir zu erfahren, was passiert ist.« Ich verschränke die Arme vor der Brust, um der Dringlichkeit Ausdruck zu verleihen.
Ihr Blick verrät mir, dass sie keine Ahnung hat, wovon ich spreche.
»Mein Wald wurde an eine Hotelkette verkauft. Allan meint, er musste es aus finanziellen Gründen tun. Weißt du, was da los ist? Steckt Stowe in Schwierigkeiten?«
Meine Schwester lässt ihre Zeitschrift in Zeitlupentempo zu Boden gleiten. »Was redest du da? Ich dachte, es wäre schon abgemacht, dass du deine Baumhäuser dort bauen kannst.«
»Das habe ich auch gedacht.« Ich schnappe mir einen der Stühle, die für die älteren Kunden gedacht sind. Auch wenn die kurze Ruhepause nicht gegen diese allumfassende Leere helfen wird, die mich versucht zu verschlingen.
Seufzend lasse ich mich nieder. »Ich beginne am besten von vorne. Gerade habe ich erfahren, dass Allan Sunset Rock an eine Hotelkette verkauft hat, damit dort ein Luxushotel gebaut werden kann. Die Rodung des Waldes soll schon in wenigen Wochen beginnen.«
Ich hole tief Luft und seufze erneut, bevor ich weiterspreche. »Anscheinend habe ich ihm nicht genug Geld geboten. Anstatt zu verhandeln, holt er einfach Fremde nach Stowe. Was soll das? Geht es wirklich nur ums Geld? Weißt du mehr darüber?«
»Erzähl keinen Scheiß! Allan will ein Luxushotel errichten lassen? Hier? Am Arsch der Welt?« Jane sieht mich fassungslos an, doch in ihren Augen erkenne ich ein Funkeln. »Andererseits würde das den Sommertourismus ganz schön ankurbeln.«
Meint sie das ernst? »Das würden meine Baumhäuser auch!« Ich schnaube. War ja klar, dass meine Schwester Gefallen daran findet, wenn hier mehr los ist. »Die überrennen unseren schönen Wald. Die Leute, die im Sommer hierherkommen, wollen Ruhe und Entspannung. Keinen Luxus. Es geht darum, in Einklang mit der Natur zu leben, nicht um Whirlpools und Sterne-Restaurants.« Kann oder will sie das nicht verstehen?
»Ich weiß, dein Ziel ist es, dass die Menschen eins mit der Natur werden. Aber wenn hier ein Hotel gebaut wird …«
»… dann zertrampeln die Touristen Flora und Fauna. Es reicht schon, dass im Winter die Pisten voll sind. Glaubst du wirklich, dass die heimischen Tiere in unseren Wäldern bleiben, wenn scharenweise Touristen hindurchstapfen?«
Im Winter ist es in Stowe so voll wie in einer Großstadt. Zumindest stelle ich mir das so vor. Die Besucher sind überall, denn unser Skigebiet ist durchaus attraktiv. Wenn der Wald schläft, macht es mir nicht ganz so viel aus, aber im Sommer liebe ich dieses Gefühl von Entschleunigung. Das würde ein Hotel vollkommen zerstören. Im wahrsten Sinne des Wortes.
»Keine Ahnung. Aber der Wald ist riesig, und so groß wird das Hotel bestimmt nicht sein.«
»Verdammt, Jane! Glaubst du wirklich, dass ein Luxushotel nur einen winzigen Platz beansprucht? Es handelt sich um mehrere Hektar Fläche!«
»Beruhig dich. Vielleicht kannst du noch einmal mit Allan sprechen. Er sollte dir zumindest erklären, warum er dich übergangen hat.« Ihr Blick schweift zur Eingangstür. »Da kommt Mrs Tanner, am besten du gehst jetzt. Du weißt doch, wie schnell sie irgendwelche Verschwörungstheorien aufstellt.«
Hastig springe ich von meinem Stuhl auf und gehe zur Tür, um sie der alten Frau aufzuhalten, die mit ihrem Rollator nur langsam vorankommt. Im Chor sagen Jane und ich: »Guten Tag, Mrs Tanner!« Dann huschen Loki und ich nach draußen in die blendende Sonne.
Wieder einmal verharre ich mitten auf dem Gehweg. Jane hat nichts gehört, das gibt mir zu denken. Denn sie bekommt immer alles mit. Vielleicht steckt auch irgendwas Privates dahinter, aber da kann Allan doch nicht die Stadt mit hineinziehen. Irgendwie muss ich herausfinden, was hier los ist. Nicht zuletzt, um zu verhindern, dass diese Hotelkette unsere Natur zerstört.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es bereits Mittagszeit ist. Ich bin mit meinem Bruder Liam zum Essen verabredet und viel zu spät dran.
Hastig eile ich zum Harrison’s und durch die offene Tür ins Innere. Mir schlägt der Duft von gebratenem Fleisch entgegen, und sofort läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Loki folgt mir, er ist hier herzlich willkommen und legt sich immer brav unter den Tisch.
Mein Hund entdeckt Liam zuerst und rauscht an mir vorbei, um meinen Bruder zu begrüßen. Das gemütliche, rustikale Interieur strahlt eine ruhige Wärme aus und lässt meine schlechte Laune ein wenig in den Hintergrund rücken. Aber nur so lange, bis ich mich meinem Bruder gegenüber auf die rotkarierte Bank setze und in sein erwartungsvolles Gesicht blicke. Er wusste von meinem Termin mit dem Stadtverwalter und hat genauso wie ich gehofft, dass ich den Zuschlag für das Waldgebiet bekomme.
Schnell weicht die Erwartung einer deutlichen Sorge. »Was ist passiert?«
In mir kämpft Wut mit Enttäuschung. Um nicht sofort laut zu werden, ziehe ich Liams Bier zu mir über den Tisch und trinke einige große Schlucke. Danach schließe ich kurz die Augen und hole tief Luft. »Er hat das Grundstück an eine Luxushotelkette verkauft«, presse ich hervor.
»Was? Das ist ein Scherz!«
»Sehe ich so aus, als würde ich scherzen?«
Liam schüttelt betroffen den Kopf. »Aber warum? Du warst doch schon in Verhandlung.«
»Das wollte ich auch wissen. Allan meint, es läge am Geld. Aber warum er mir das nicht vorher gesagt hat, verstehe ich auch nicht. Jetzt läuft hier eine Großstadttussi herum und will in einigen Wochen unseren Wald abholzen.«
»Verdammt. Was machen wir jetzt?«
»Erst mal essen«, erwidere ich.
Hinter Liam erscheint Katie, die Tochter des Chefs. Wie immer lächelt sie fröhlich und kann kaum den Blick von Liam abwenden. »Hey ihr! Wie geht es euch? Was kann ich euch bringen?«
Unter dem Tisch taucht Lokis Nase auf. Liebevoll stupst er Katie an, um sich eine Streicheleinheit abzuholen.
»Bring uns bitte zwei Bier. Und ich nehme einen Cheeseburger«, antwortet Liam.
»Für mich dasselbe«, sage ich.
Auf Katies Lippen erscheint ein breites Grinsen. »Also vier Bier?«
Mir ist gar nicht zum Lachen zumute. »Gebrauchen könnte ich die heute schon. Aber nein, für jeden erst mal nur eins.«
Als Katie außer Hörweite ist, lehne ich mich zurück. »War schon bei Jane, aber die weiß nicht, was da los ist. Ich frage mich, ob die Stadt in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Wer weiß, vielleicht hat Allan mit dem Hotelunternehmen einen Deal gemacht. Bisher konnte ich aus ihm aber nichts herausbekommen.«
»Was ist mit der Großstadttante? Meinst du, wir bekommen aus der etwas heraus?«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Der scheint das am Arsch vorbeizugehen, so zickig wie sie reagiert hat.« Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr. Die helle Bluse sticht mir sofort ins Auge. »Verdammt, ich glaube, da ist sie!« Auch wenn sie teilweise von einem der schweren Holzpfeiler verdeckt ist, kenne ich niemanden, der in dieser Stadt so aufgebrezelt herumläuft.
»Wo?« Liam lehnt sich nach hinten und reckt den Hals.
»Ich stelle sie jetzt zur Rede!« Kurzentschlossen springe ich auf, doch Liam packt meinen Arm, als ich an ihm vorbeigehen will. »Setz dich! Zuerst essen wir in Ruhe. Wenn du sie jetzt so überfällst, macht sie dicht und sagt mit Sicherheit gar nichts. Lass uns warten, bis sie auch gegessen hat, und dann sprechen wir sie ganz ruhig an.«
»Ruhig? Wie kannst du in so einer Situation ruhig bleiben?« Aber er hat recht. Mit geballten Fäusten lasse ich mich wieder auf meinen Platz sinken. »Ich glaube nicht, dass die irgendwas erzählen wird«, presse ich hervor.
Über meine zerplatzte Zukunft zu sprechen bringt mich nur wieder an den Rand der Verzweiflung. Die muss raus. Da Allan gerade nicht da ist, können wir vielleicht etwas erreichen. Keine Ahnung, was ich sonst tun könnte.
»Überlass das mir.« Liam sieht sich noch einmal nach ihr um, doch unsere Sicht wird durch Katie verdeckt, die uns unsere Bestellung serviert.
»Lasst es euch schmecken«, sagt sie lächelnd. Dabei sieht sie zu Liam. »Wie geht es Charlotte?«
»Gut, sie ist jetzt viel im Blockhüttenpark, solange ich arbeiten muss.« Er sieht Katie nicht einmal an, während er mit ihr spricht.
»Das ist ja schön«, erwidert sie.
Währenddessen frage ich mich, was dieses seltsame Gespräch eigentlich soll.
Endlich sind wir wieder unter uns, schweigen jedoch. Immer wieder sehe ich zu Hazel hinüber.
Sie hat sich einen kleinen Tisch am Fenster ausgesucht, an dem sie allein sitzt. Ihr Haar leuchtet in der Sonne. Doch ihr Anblick ist ein Trugbild. Wenn ich nicht wüsste, was für Absichten sie hat, dann könnte sie mir möglicherweise sogar gefallen. Denn sie ist wirklich hübsch und wirkt auf den ersten Blick durchaus anziehend und sympathisch. Aber ich weiß, was hinter dieser Erscheinung steckt. Ich habe ihr wahres Ich bereits kennengelernt.
Ob sie mich ebenfalls entdeckt hat, weiß ich nicht. Zumindest schaut sie die ganze Zeit in eine andere Richtung.
»Können wir jetzt rübergehen?« Mein Teller ist bereits leer, weil ich viel zu schnell gegessen habe. Ich kann es kaum erwarten, meinen Frust herauszulassen.
»Ruhig, Nate. Lass sie eben noch aufessen.« Liams Blick ist ungeduldig, auch wenn er gelassen wirkt.
Wenig unauffällig dreht er sich ständig zu ihr um und steht irgendwann auf. »Sie ist fertig. Los, bevor sie abhaut.«
Ich springe ebenfalls auf und folge meinem älteren Bruder, der mir unheimlich ähnlich sieht. Bloß sein Haar ist beinahe rabenschwarz. Dass wir verwandt sind, ist unverkennbar.
Die Tische sind zur Hälfte von Einheimischen besetzt, die neugierig aufschauen, als wir zügig vorbeilaufen.
Auf einmal bleibt Liam stehen und raunt mir zu: »Wie heißt die eigentlich?«
»Hazel Woods. Ich habe sie heute beim Baumhaus getroffen.«
»Was?« Liam ist überrascht.
Das hatte ich ganz vergessen, ihm zu erzählen. »Sie hat sich im Wald verlaufen. Ich habe sie mit in die Stadt genommen, bevor ich erfahren habe, dass sie unseren Wald verschandeln will.«
»Okay, sie weiß also auch von deinem Projekt.«
»Ich habe ihr auf der Fahrt davon erzählt. Wenn ich genau darüber nachdenke, schien sie selbst sehr überrascht. Oder sie ist eine verdammt gute Schauspielerin.«
»Das finden wir heraus.« Liam baut sich vor ihrem Tisch auf. »Guten Tag, Ms Woods.« Ohne zu fragen, rückt er sich einen der freien Stühle zurecht. »Ich bin Liam Williams. Meinen Bruder Nathan haben Sie heute schon kennengelernt.« Während er spricht, drängelt Loki an uns vorbei und legt seinen Kopf auf Hazels Schoß. Er scheint sie zu mögen. Der dumme Hund kann sich doch nicht mit dem Feind verbünden!
Auch ich setze mich und lasse Liam erst einmal reden. Er ist deutlich gefasster als ich. Mir fallen nur Vorwürfe und Beschimpfungen ein.
»Guten Tag.« Hazel wirkt überrascht und sieht von Liam zu mir. Ihre Hände gleiten automatisch zu Lokis Kopf, um ihn zu kraulen. »Wie kann ich Ihnen helfen?« Ihre Augen sind wie die eines Rehkitzes. Groß, braun und unschuldig. Kein Wunder, dass sie geschickt wurde. Wer so brav aussieht, kommt mit allem durch. Aber nicht bei mir.
»Die Sache ist die …«, beginnt Liam und macht eine dramatische Pause. »Wir sind sehr bestürzt über die derzeitigen Entwicklungen. Nathan war bereits in engen Verhandlungen mit Mr Thompson, und auf einmal heißt es, dass das Land an Ihre Hotelkette verkauft wurde. Wie haben Sie es angestellt, dass er ausgerechnet Ihnen das Grundstück verkauft hat?«
Sehr gut. Liam kann sich wunderbar ausdrücken. Er ist die Ruhe in Person. Hoffentlich bekommen wir nun endlich die Antworten, nach denen wir suchen.
Unruhig schaue ich zwischen den beiden Brüdern hin und her. Rein optisch sind sie sich sehr ähnlich, doch dieser Liam scheint der besonnenere von beiden zu sein.
»Mr Williams, ich kann verstehen, dass es Sie verärgert, dass nicht Ihr Bruder, sondern ich den Zuschlag für das Grundstück erhalten habe. Doch ich denke, es geht Sie nichts an, wie die Vertragsverhandlungen abgelaufen sind.«
»Ich will es aber wissen«, platzt es nun aus Nathan heraus. Er ist sichtlich in Rage. »Haben Sie den Stadtverwalter bestochen?« Seine Hände sind zu Fäusten geballt, sodass seine Knöchel weiß hervortreten, und sein Gesicht ist hochrot angelaufen.
»Alles, was ich dazu sagen kann, ist, dass das nötige Kleingeld durchaus eine Rolle gespielt hat. Aber das hatte rein gar nichts mit Bestechung zu tun. Das Grundstück auf dem Sunset Rock gehört jetzt Woods Luxury. Der Vertrag ist unterzeichnet, ganz legitim. Daran ist nicht mehr zu rütteln. Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen.«
»Als ob Ihnen irgendetwas leidtun würde! Ihnen ist das doch alles scheißegal. Hauptsache, Sie können Ihren Luxus-Bunker in unseren Wald setzen und unsere Natur zerstören«, echauffiert sich Nathan.
Inzwischen sind die Augen aller Gäste auf uns gerichtet, und ich schnappe nach Luft. »Ich …«
»Ja, da fällt Ihnen nichts mehr zu ein, was?« Hohn schwingt in Nathans Stimme mit.
Sein Bruder hebt beschwichtigend die Hände und versucht ihn zur Ruhe zu bringen. »Ich denke, wir gehen jetzt besser, Nate.« Er erhebt sich und zieht Nathan mit sich hoch. »Entschuldigen Sie, Ms Woods.«
Die beiden verlassen sichtlich aufgebracht das Restaurant. »Loki«, ruft Nathan, gefolgt von einem Pfiff, und sofort läuft der Hund ihm hinterher.
Sobald sich die Tür hinter ihnen schließt, erhebt sich ein lautes Stimmengewirr. Immer wieder huschen argwöhnische Blicke zu mir herüber. Ich bin gerade mal zwei Tage hier und schon das Stadtgespräch Nummer eins. Das fängt ja gut an.
Betrübt lasse ich mich gegen die Rückenlehne der Bank sinken und starre aus dem Fenster. Nathan und Liam stehen noch vor dem Restaurant und sind in eine heftige Diskussion verstrickt.
Ich kann Nathans Wut ja verstehen. Doch es ist schließlich nicht meine Schuld, dass Mr Thompson mir das Land verkauft hat. Wie bringe ich ihm denn nun bei, dass er sein Baumhaus wieder abreißen muss? Das wird ihn nur noch mehr in Rage bringen.
Die nette Kellnerin mit dem langen blonden Zopf taucht an meinem Tisch auf und stellt mir einen Whiskey vor die Nase. »Hier, den kannst du jetzt sicher gebrauchen.«
Überrascht schaue ich sie an. »Oh, danke schön.«
Sie macht eine wegwerfende Geste. Dann gleitet ihr Blick nach draußen zu den beiden Brüdern. »Mach dir nichts draus. Der beruhigt sich schon wieder.«
»Sicher?«
»Ganz sicher. Nate ist eben mit Herz und Seele Stower. Er hatte große Pläne. Ist ja klar, dass es ihn mitnimmt, wenn er die nun begraben muss. Aber wie ich ihn kenne, fällt ihm sicher etwas Neues ein.«
»Sie wissen von den Baumhäusern?«
»Na klar. Jeder weiß davon. Wir leben hier in einer Kleinstadt.«