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Alle sehnen sich nach Glück, Liebe und Wärme – und natürlich nach Sex. Manchmal ist die Sehnsucht so stark, dass sie zur Sucht wird. Wenn zwei Männer sich begegnen, die füreinander geschaffen sind, dann wird diese Sucht zur wunderbaren, erfüllenden SehnSucht. Und der zärtliche oder harte, liebevolle oder wilde Sex gehört immer dazu! - Neue schwule Erotik-Geschichten. - Ausführliche Leseprobe auch auf der Webseite des Autors.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Vorbemerkung 2
Impressum 3
Zärtlich ist die Nacht 4
Die Regenbogenfahne 26
Der Bär und der Hänfling 34
Früh(lings)reif 42
Fliegende Teppiche 49
Carmencito 58
Engelsstimme 71
Ferngesteuert 79
Wie die Düne den Wald frisst 91
Der Jagdherr 98
Teufelsaustreibung 107
Eifersucht ist eine Leidenschaft 117
Ich habe den Sand gewaschen mit meinen salzigen Tränen 130
Alle sehnen sich nach Glück, Liebe und Wärme – und natürlich nach Sex. Manchmal ist die Sehnsucht so stark, dass sie zur Sucht wird. Wenn zwei Männer sich begegnen, die füreinander geschaffen sind, dann wird diese Sucht zur wunderbaren, erfüllenden SehnSucht. Und der zärtliche oder harte, liebevolle oder wilde Sex gehört immer dazu!
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Copyright © 2025 by Tilman Janus
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Text: Alle Rechte beim Autor
Coverfoto: © Artofphoto_dreamstime.com_xl_99570566
Handlung, Namen und Personen sind frei erfunden. Sollte es Ähnlichkeiten mit realen Menschen geben, wäre es reiner Zufall.
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Wilhelm hatte mich im März verlassen. Ein wirklich herber Verlust! Aber natürlich hatte ich Verständnis für ihn. Er war bereits siebenundsechzig, das Bücken fiel ihm immer schwerer, und Gartenarbeit ist nun mal anstrengender als meine Tätigkeit am Schreibtisch. Wilhelm hatte als Gärtner für mich gearbeitet. Seitdem ich am Niederrhein wohnte, also seit zehn Jahren, hatte er sich um mein Grundstück gekümmert, als wäre der Garten sein eigenes Kind. Einen so gewissenhaften, guten, genialen Gärtner noch einmal zu finden – das erschien mir unmöglich.
Dann kam noch dazu, dass Wilhelm meine Vorliebe für junge Männer voll akzeptierte, obwohl er selbst nicht schwul war. Das fand ich angenehm, ich hatte mich einfach wohl gefühlt in seiner Gegenwart. Oft hatten wir bei einem Glas Wein zusammengesessen, die Gartenplanung durchgesprochen und waren dabei vom Hundertsten ins Tausendste gekommen.
Nun hatte bereits der Mai begonnen, feucht und warm, die Pflanzen wuchsen wie verrückt. Ich musste mich beeilen, einen Ersatz für Wilhelm einzustellen, obwohl ich ihm immer noch nachtrauerte. Ich wandte mich an eine Agentur für Arbeitskräfte, denn sämtliche Bewerber selbst zu sieben, dafür hatte ich keine Zeit. Auch wenn ich ziemlich reich bin, genauer gesagt sehr reich, will ich doch etwas Sinnvolles tun. Ich arbeite als Herausgeber von Gedichtbänden. Man mag einwenden, dass Lyrik nichts Sinnvolles sei, aber da bin ich anderer Meinung – und mein Verleger zum Glück auch.
Ich stamme aus einer lieblichen, gartenähnlichen Landschaft in England, hatte bereits als Kind Füchse und Hasen beobachtet, die sich gute Nacht sagten, und den Nachtigallen gelauscht. Später war ich als Diplomat in Deutschland tätig gewesen. Als mein Vater vor zehn Jahren gestorben war, hatte ich zwar sein Erbe angetreten, war aber in Deutschland geblieben, hatte den Diplomatenkoffer gegen ein komfortables Landhaus mit 100 Hektar, also etwa einem Quadratkilometer einsamem Park eingetauscht und mich der englischen Lyrik gewidmet. Ja, etwas abgehoben, zugegeben. Aber irgendwer muss sich auch um Gedichte kümmern. Ich spreche natürlich Englisch, meine Muttersprache, und fließend Deutsch. Meine Leidenschaft besteht darin, Werke englischer Dichter sprachlich so nah am Original zu übersetzen wie möglich, also auch auf Reime zu verzichten, wenn es mir sinnvoll erscheint.
Meine zweite Leidenschaft, die jungen Männer eben, brachte mich dann immer ins wirkliche Leben zurück, denn dafür musste ich in die nächste Großstadt fahren. Fremde wollte ich im Haus nicht haben, lieber nahm ich mir ein Hotelzimmer in der Stadt, um meine Lover zu ficken. Ich mochte diese unkomplizierten Jungs, ich mietete sie sozusagen und genoss sie ohne romantisches Drumherum. Ich bezahlte sie immer gut, und wenn alles »erledigt« war, musste ich mich nicht weiter um sie kümmern, was ich gut fand. Gerade war ich vierzig geworden und fühlte mich rundum zufrieden, mir fehlte nichts. Verliebt hatte ich mich noch nie, wozu auch, ich hatte alles, was ich brauchte.
An diesem Maimorgen also, der mein Leben umkrempeln sollte, wartete ich wieder einmal auf einen Bewerber für die Gärtnerstelle. Bisher hatte die Vorauswahl durch die Agentur nichts gebracht. Die drei Kandidaten, die sie mir bis dahin geschickt hatten, waren alle nicht geeignet gewesen. Ich suchte jemanden, der mit Leib und Seele Gärten liebte, vor allem mit der Seele. Ich mochte es nicht, wenn die Leute das nur als Job betrachteten und punkt sechzehn Uhr die Harke fallenlassen wollten. Einerseits zahlte ich sehr gut, andererseits war ich der Meinung, dass auch Pflanzen Lebewesen sind, die man respektieren und mit denen man sorgsam umgehen muss.
Entsprechend genervt war ich, als der neue Bewerber sich verspätete. Schlechter Anfang!
Dann sah ich durchs Fenster meines Arbeitszimmers einen Wagen die Einfahrt heraufrollen. Zwei Männer stiegen aus, ein älterer und ein junger. Gleich zwei Bewerber? Okay, würde dann ein Aufwaschen sein. Ich ging die Treppe hinunter in die Halle und öffnete die Haustür. Übrigens hatte ich außer einer Haushälterin, die einmal pro Woche kam, und eben einem Gärtner kein weiteres Personal. Ich wollte vor allem meine Ruhe haben.
»Guten Morgen!«, grüßte der ältere Mann. »Mein Name ist Hartmut Mattes, beauftragt von der Personalagentur. Sind Sie Sir Bluntson?«
»Clifford Bluntson, ja. Den >Sir< können Sie ruhig weglassen. Kommen Sie bitte herein!«
Er grinste und schob den jungen Mann vorweg in meinen Salon.
Und dieser Junge hatte es in sich. Nach so vielen Typen, die ich schon im Bett gehabt hatte, war ich der Meinung, dass nichts mich mehr überraschen konnte. Doch der junge Bursche war eine absolute Ausnahmeerscheinung. Er war nicht nur sehr hübsch, schlank, mittelgroß und schwarzhaarig, also so, wie ich die Jungs liebte. Ihn umgab außerdem eine Ausstrahlung, wie ich es noch nie erlebt hatte. Seine braunen Augen schienen aus langen Wimpern zu strahlen wie kleine Sonne, seine rosenblütenrosigen Lippen wirkten weich und sanft, seine Haut gebräunt und makellos. Und er hatte – als Gärtner – absolut saubere Hände, kein Krümel Erde unter den Fingernägeln.
Wahrscheinlich starrte ich ihn peinlicherweise an wie ein Weltwunder.
»Das ist Joris Borg«, sagte Mattes. Ich hörte seinen Satz kaum, weil ich so fasziniert war von dem schönen Jungen. »Er hat Gärtner gelernt und sehr gute Bewertungen bekommen.« Er schob mir ein Zeugnis und einen Gesellenbrief über den Tisch, die ich nicht weiter beachtete. Dass der Junge ein Gärtner war, glaubte ich ja. »Es wäre allerdings seine erste Stelle hier, er ist zwanzig und hat erst vor einer Weile die Gesellenprüfung bestanden.«
Ich riss mich zusammen. »Okay«, sagte ich und wandte mich nun direkt an den Jungen. »Gibt es einen Bereich, der Sie besonders interessiert, Herr Borg?«
Der Junge sah mich unverwandt aus seinen strahlenden, dunklen Augen an, sagte aber nichts.
»Er kann Sie nicht hören«, erklärte Mattes.
»Wie bitte?« Ich war nicht ganz bei der Sache. Warum antwortete der schöne Joris nicht selbst? War er denn so schüchtern?
»Er ist gehörlos, seit er mit acht eine schwere beidseitige Mittelohrentzündung hatte. Aber er kann Gebärdensprache und natürlich lesen und schreiben. Er kommt aus dem Ruhrgebiet, hat keine Eltern mehr und auch sonst keine Verwandten. Ich bin sein Betreuer. Die Agentur und ich dachten, dass Sie bestimmt nichts gegen behinderte Menschen haben, Sir Bluntson«, sprudelte es auf Mattes heraus.
Ich saß da und brachte kein Wort über die Lippen. Gehörlos! Ein sprachloser, ein tauber Gärtner! Wie sollte ich mit ihm die Gartenplanung besprechen? Wie mit ihm vom Hundertsten ins Tausendste kommen? Selbstverständlich hatte ich nichts gegen Behinderte, warum sollte ich. Aber im praktischen Alltag? Wie sollte das gehen?
»Kann er wirklich überhaupt nichts hören?«, fragte ich schließlich. Irgendetwas musste ich ja sagen.
»Nein, die Hörnerven sind zerstört. Er spricht auch seitdem nicht mehr, weil er sich selbst nicht hören kann. Aber er hat trotzdem seine Gärtnerprüfung mit >sehr gut< bestanden, eben schriftlich, und praktisch natürlich. Er ist sehr fleißig und intelligent. Wollen Sie es mit ihm versuchen, Sir Bluntson?« Mattes sprach fast flehend, vor lauter Anspannung blieb er bei dem albernen »Sir«. Bestimmt war es nicht einfach, einen gehörlosen Arbeitnehmer zu vermitteln.
Ich sah Joris an. Ein Lächeln verzauberte sein Gesicht. Er war so schön, dass ich fühlte, wie mein Schwanz begann zu wachsen. Völlig unangebracht – und peinlich, falls es jemand merken sollte!
»Gut!«, sagte ich beherzt. »Es ist ja üblich, eine Probezeit zu vereinbaren. Wenn ich gar nicht mit ihm zurechtkommen sollte, melde ich mich bei der Agentur.«
Mattes lächelte nun auch. Übrigens war er im Gegensatz zu Joris überhaupt nicht schön. Er bewegte plötzlich seine Hände vor der Brust in allen möglichen Verrenkungen. Joris beobachtete ihn aufmerksam und »antwortete« dann auch mit Gebärden. Das ging so schnell bei ihm, dass mir fast schwindlig wurde.
»Ich habe es ihm so gesagt«, berichtete Mattes zufrieden. »Er ist einverstanden, eine Probezeit bei Ihnen zu absolvieren.«
Mattes verabschiedete sich und übergab dem Jungen einen Rollkoffer, den er aus dem Kofferraum des Wagens holte.
So zog Joris bei mir ein.
Zuerst zeigte ich ihm die kleine Gärtnerwohnung, die im Erdgeschoss neben der Küche liegt. Wilhelm hatte alles penibel sauber und ordentlich hinterlassen, aber ich dachte, dass so eine altmodische Wohnung für einen jungen Mann bestimmt langweilig sein würde.
»Sie können die Einrichtung natürlich nach Ihren Wünschen ändern, Herr Borg«, sagte ich. Dann fiel mir ein, dass es mit »Sagen« nicht getan war. Ich versuchte, Joris mit Handbewegungen zu erklären, was ich meinte.
Er lächelte wieder, holte aus der Gesäßtasche seiner Jeans einen Block und einen Stift heraus und gab mir beides. Gut organisiert, der Junge!
Ich schrieb also auf, was ich eben gesagt hatte.
Er schrieb zurück: »Ich freue mich sehr, dass ich bei Ihnen sein darf! Bitte nennen Sie mich Joris und >du< und nicht Herr Borg! Die Wohnung ist vollkommen okay!«
Plötzlich hatte der Schöne eine Stimme, war nicht mehr sprachlos. Eine schriftliche Stimme, aber war das nicht genauso gut? Arbeitete ich mit meinen Gedichten nicht auch immer nur schriftlich? Die Stimmen von Keats und seinen Dichterkollegen hatte ich nie gehört, und trotzdem waren sie mir ans Herz gewachsen.
»Ich freue mich auch sehr, Joris«, schrieb ich. »Bitte nenn mich Cliff und >du<. Mein früherer Gärtner heißt Wilhelm, wir waren gute Freunde. Jetzt ist er in Rente gegangen. Ich hoffe, dass wir beide auch gute Freunde werden!«
Joris las. Statt wieder etwas zu schreiben, umarmte er mich plötzlich. Ich war total überrascht. Mein Schwanz machte einen Sprung nach vorn und spannte den Hosenstoff. Schrecklich peinlich! Joris jedoch schien es nicht zu stören. Er drückte sich eng an mich, nur kurz, aber ich fühlte mich in dieser einen Sekunde wie im Paradies.
Ich überließ ihn sich selbst und seinem Koffer. Er sollte in Ruhe auspacken. Und ich musste mich auch beruhigen. Ich war nicht der Typ Mann, der dauernd Sex wollte. Zu meinen Escorts fuhr ich etwa einmal in zwei Wochen, zwischendurch genügte mir meine Hand. Doch Joris brachte mich offenbar halb um den Verstand.
Ich ging in mein Badezimmer und schaute in den Spiegel. Ich bin groß und schlank und wirke jünger als vierzig. Mein mittelblondes Haar trage ich relativ kurz geschnitten. Die blauen Augen passen gut ins Gesicht, das noch ganz attraktiv aussieht. Auch mit meinem Schwanz kann ich zufrieden sein, er ist nicht monumental, aber groß genug, um einem jungen Mann Spaß zu bereiten, und er hat noch nie versagt. Joris! Nein, ich musste mich »anständig« verhalten! Seine spontane Umarmung war nur Dankbarkeit, völlig klar.
Sollte ich wichsen? Irgendwie war mir nicht danach. So, als wollte ich das sehnsuchtsvolle Lustgefühl länger aufbewahren.
Ich setzte mich in mein Arbeitszimmer im ersten Stock und nahm mir die »Ode an eine Nachtigall« vor, ein Gedicht von John Keats, das er 1818 geschrieben hatte. Ich liebte Keats. Der Arme war so jung gestorben und hatte in dieser kurzen Zeit so wunderbare Verse geschaffen. Zwar hatte er auch mal für eine junge Frau geschwärmt, die meiste Zeit seines Lebens war er aber mit Freunden zusammen gewesen. Sein letzter Freund, Joseph Severn, mit dem er in Rom zusammengelebt hatte, ist sogar neben ihm begraben worden, obwohl er erst 1879, achtundfünfzig Jahre nach Keats, gestorben ist.
Warum gingen mir solch trübe Gedanken durch den Kopf? Ich schaute wieder einmal aus dem Fenster. Da sah ich Joris, wie er durch den Garten ging. Eher schwebte als ging. Seine Bewegungen wirkten perfekt harmonisch, wunderschön. Langsam ging er von Beet zu Beet, von Strauch zu Strauch, bückte sich, befühlte Blätter, roch an Blüten, sah zum Himmel hinauf, steckte die Finger in die Erde, wie um zu prüfen, ob der Boden feucht genug wäre, und drehte sich ab und zu um sich selbst, als ob er sein neues Reich ganz verinnerlichen wollte.
Fasziniert beobachtete ich ihn. Er wusste nicht, dass ich ihm zusah, sein Interesse war also nicht vorgeschützt. Der Garten interessierte ihn mehr als das Auspacken seines Zeugs. Er hatte sie also: die Seele für Pflanzen, für Gärten!
In meinem Herzen rührte sich etwas, das ich noch nie gespürt hatte. Liebe konnte es nicht sein, ich kannte doch Joris überhaupt noch nicht richtig. Aber nur Geilheit war es auch nicht, die kannte ich schließlich gut. Es war etwas Neues, Wunderbares, Unbekanntes. Doch Liebe? Ach was!
Ich wandte mich wieder John Keats' Nachtigall zu, dem Beginn der vierten Strophe:
>Away – Away – for I will fly to thee
Not charioted by Bacchus and his pards
But on the viewless wings of Poesy,
Though the dull brain perplexes and retards
Already with thee! tender is the night …<
Immer wieder studierte ich die Kopien der Handschriften von Keats, die eigenwillig gesetzten Satzzeichen, die ungewöhnliche Kleinschreibung nach Ausrufezeichen. So sollten auch die Übersetzungen sein, ganz ohne schwülstiges Deutsch und ohne erzwungene Reime. Wichtig waren mir nur der Sinn der Worte und die Stimmung. Wahre Dichtkunst ist schlicht. Ich schrieb also:
>Fort – Fort – denn ich will zu dir fliegen
Nicht im Triumphwagen des Bacchus mit seinen Leoparden
Sondern auf den unsichtbaren Schwingen der Poesie,
Obwohl das dumpfe Hirn verwirrt und zögert
Schon bei dir! zärtlich ist die Nacht …<
Hatte Keats mit >tender< wirklich >zärtlich< gemeint? Manche Übersetzer hatten >mild< geschrieben. Nein, es war bestimmt keine Wetterangabe. Die Nacht sollte >zärtlich< sein!
Auf einmal stand Joris neben mir.
Ich erschrak fast. Lautlos war er die Treppe heraufgekommen, lautlos ins Zimmer eingetreten. Ich erfasste seinen Duft nach frischer Luft, nach Sonnenwärme und feuchter Erde.
Ich nickte ihm zu, zärtlich, >tender<.
Er gestikulierte kurz, dann fiel ihm wohl ein, dass ich seine Gebärdensprache nicht kannte. Er nahm wieder den Block und schrieb: »Dein Garten ist sehr schön! Was soll ich zuerst machen?«
»Du solltest heute noch gar nicht arbeiten«, schrieb ich. »Willst du nicht zuerst deine Sachen auspacken und deine Wohnung einrichten?«
»Ich will im Garten sein!«, schrieb er zurück.
»Dann komme ich mit hinaus!«
Er schien sich zu freuen. Wie eine geschmeidige Katze glitt er die Treppe hinab. Ich ging hinter ihm, sah seinen wunderhübschen, kleinen Hintern und die schlanken, aber nicht dünnen Schenkel, die sich in den Jeans abzeichneten. Unter seinem leichten T-Shirt zeigten sich auch Muskeln, nicht zu starke, gerade richtig. Alles an ihm war genau richtig. Ich dachte daran, dass es kaum möglich wäre, mit jemandem zu streiten, der nicht hört und nicht spricht. Dass eine paradiesische Ruhe uns umgab. Dann dachte ich, dass er auch keine Musik hören konnte, keine jubilierenden Vogelgesänge, keine Nachtigall. Trotzdem erschien er mir nicht unglücklich. Oder er konnte es gut verbergen. Ich hatte plötzlich den Wunsch, ihn ganz genau kennenzulernen, ich wollte alles von ihm wissen. Da keimte die Idee in mir auf, die Gebärdensprache zu erlernen.
Im Garten dann gingen wir zusammen über die Hauptwege, die mit Kies bestreut waren. In guter englischer Tradition hatte ich aber zwischen den Rabatten Rasenwege anlegen lassen. Diese Wege zu mähen war wohl am dringlichsten. Ich schrieb es ihm auf. Er nickte.
Vor vielen Pflanzen blieben wir stehen. Immer war sein Schreibblock zur Hand. Er kannte alle botanischen Namen, jede Variante, wusste, ob die Pflanze Sonne oder Schatten brauchte, ob sie giftig war oder essbar und wann sie blühte. In wenigen Minuten hatte ich mich an die schriftliche Kommunikation gewöhnt, sie war mir schon selbstverständlich geworden.
Ich »fragte« ihn, ob er ein Handy hätte, und zog meines aus der Tasche.
Er nickte wieder und holte ein recht kleines Smartphone aus der anderen Gesäßtasche. Wir tauschten unsere Telefonnummern aus und richteten, zwischen Büschen und Bäumen, eine Zweier-Chatgruppe ein. Er tippte mit seinen sauberen, schlanken Fingern so blitzschnell Texte ein, dass ich mir wie ein Stümper vorkam. Nun wurde unser »Gespräch« noch dynamischer. Wenn eine Nachricht bei ihm eintraf, vibrierte sein Handy ohne sonstige Töne. So war er für mich ständig erreichbar. Aber wollte er das auch? Ich fragte vorsichtshalber nicht. Ich träumte lieber weiter, dass er mich mögen könnte, dass er schwul wäre, dass er gerne von mir erreicht werden wollte.
Inzwischen war es Mittag geworden. Wir gingen in meine Küche. Ich hatte dort einen riesigen Gefrierschrank zu stehen, in dem massenweise sehr hochwertige Gerichte lagerten. Kochen gehörte absolut nicht zu meinen Hobbys. Ich taute also für uns zwei Mahlzeiten in der Mikrowelle auf. Joris schien damit zufrieden zu sein.
Nach dem Essen schrieb ich ihm, dass ich nun etwas am Schreibtisch arbeiten müsste. In Wahrheit hatte ich viel mehr Lust, weiter mit ihm zusammen zu sein. Leider hatte ich bei meinem Verlag Abgabetermine, ich musste mich weiter mit Keats beschäftigen.
Joris kam einfach mit in mein Arbeitszimmer und setzte sich zu mir. Er las meine Gedichtübersetzungen und nickte dabei ab und zu.
»Gefällt mir gut!«, schrieb er. Ein Gärtner, der sich für Poesie interessierte – total undankbar vergaß ich Wilhelm postwendend. Der schöne Joris saß neben mir, ich atmete die Luft, die er atmete, ich spürte seine Wärme. Ich schwamm in Seligkeit, zum Glück nicht auch noch in Sperma, denn mein Schwanz war kein Schnellschussgewehr. Ziemlich steif wurde er allerdings, und nur, weil ich immer lockere Anzughosen trug, war das nicht ganz so offensichtlich.
Dann verabschiedete sich Joris, weil er die Rasenwege mähen wollte. Er sah sich noch einmal um, als er aus dem Zimmer ging. Sein Blick traf mich, ganz sicher erkannte er, dass ich ihm voller heißer Sehnsucht nachschaute. Er lächelte. Dann lief er rasch die Treppe hinunter.
>Blöde Rasenwege!<, dachte ich. >Die sind so unwichtig! Bleib bei mir, Joris!<
Ich konnte mich nur schwer auf Keats konzentrieren. Immer wieder starrte ich aus dem Fenster. Manchmal sah ich Joris, der auf der schmalen Mähmaschine saß und damit über die Rasenwege ratterte. Wenn er an den anderen Seiten des Hauses arbeitete und ich ihn nicht sehen konnte, fühlte ich mich wie verloren.
Wie sollte das nur werden? Schon an seinem ersten Tag war ich ein anderer Mensch geworden. Ich konnte mir gar nicht mehr vorstellen, mit den Escorts Sex zu haben. Diese Jungs erschienen mir jetzt fremd und uninteressant. Innerlich musste ich nun zugeben, dass ich mich verliebt hatte, tief und heftig, heiß und unglaublich stark.
Nach etwa drei Stunden schob ich Keats beiseite. Was sollte ich tun? Wenn Joris nicht schwul war, konnte seine ständige Gegenwart zur Qual für mich werden. Und wenn er schwul war, würde er mich, den doppelt so alten Arbeitgeber, wohl kaum lieben können. Es blieb nur eine Möglichkeit: Ich musste diesen wundervollen, schönen, liebenswerten Jungen, der ein so idealer Gärtner war, wieder loswerden!
Ich erschrak zutiefst bei diesem Gedanken. Joris – wegschicken? >Nein!<, schrie meine Seele auf. Ach, verdammte Seele! Mein ganzes Leben, das bisher in so ruhigen, vernünftigen und auskömmlichen Bahnen verlaufen war, bäumte sich auf wie ein wilder Hengst, schäumte und schnaubte. Alles war anders, alles war neu, wunderbar und schrecklich schmerzhaft. Denn selbst, wenn er mich als Lover akzeptieren würde, wäre es bestimmt nur aus Dankbarkeit, vielleicht sogar aus Pflichtgefühl. Ein Job für Garten und Sex, Kombi-Job sozusagen! Vielleicht würde er sogar denken, dass ich seine sogenannte Behinderung ausnutzen würde. Dabei hatte ich absolut nicht das Gefühl, dass Joris in irgendeiner Weise »behindert« war. Er war anders als andere, vor allem besser, schöner, liebenswerter.
Langsam ging ich hinunter in die Küche, um mir ein Wasser zu holen. Wahrscheinlich nur eine Ausrede! Denn ich hörte, dass Joris in seiner Wohnung neben der Küche zugange war. Fleißig, wie er war, hatte er schon sämtliche Rasenwege gemäht.
Wie unter Zwang ging ich zu seiner Wohnungstür. Sie war nur angelehnt, also nicht mal das, sie war halb offen. Auch die Badtür war offen. Und Joris stand in seinem kleinen Badezimmer vor der Duschkabine, völlig nackt. Seine schwarzen Haarsträhnen tropften. Kleine Wasserperlen glitzerten auf seiner hellbraunen Haut. Er war schön wie ein junger Gott. In der Hand hielt er ein weißes Frottiertuch.
Als er mich bemerkte, hob er das Handtuch ganz langsam und bedeckte seine Blöße damit. So langsam, dass ich seinen süßen, halb steifen Schwanz und den prallen Sack deutlich sehen konnte, bevor diese Kostbarkeiten hinter dem Stoff verschwanden.
Mein eigener Schwanz wurde schlagartig steinhart. Ich stand da, so still wie Joris. Unsere Blicke schienen sich zu verknoten, nur ein paar Sekunden lang.