Sein wahres Selbst - Amalia Zeichnerin - E-Book

Sein wahres Selbst E-Book

Amalia Zeichnerin

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Beschreibung

London, 1606. Alle Rollen auf den Theaterbühnen Englands werden von Männern gespielt. Geoffrey lernt den Schauspieler Simon kennen und hält ihn zunächst für eine Frau. Simon empfindet bald mehr für ihn, als zu dieser Zeit erlaubt ist und schon bald gibt so einige Verwicklungen ...

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Table of Contents

Titelei

Inhaltswarnungen

Vorbemerkung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Epilog

Danksagung und weitere Bücher

Impressum

Sein wahres Selbst

Amalia Zeichnerin

© Amalia Zeichnerin 2017

 

 

Inhaltswarnungen zu dieser Novelle

Gewalt (wenig), Andeutungen von Transfeindlichkeit, queerfeindliche Slurs, explizite Sexszenen

Vorbemerkung

 

In dieser Geschichte werden teilweise negative historische Ausdrücke für Homosexuelle genannt. Aufgrund des historischen Hintergrundes ist eine Verwendung entsprechend negativ besetzter Begriffe kaum zu vermeiden. Ich persönlich distanziere mich in aller Form von Homophobie sowie von Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung oder Identität. Diese Novelle enthält explizite, homoerotische Szenen.

Im 17. Jahrhundert waren die Ausdrücke „homosexuell”, „transgender”, “transsexuell”, „Crossdressing” und viele andere noch nicht vorhanden. Zu Shakespeares Zeit wurden alle Frauenrollen in Theatern von Männern gespielt, unter anderem, da der Beruf des Schauspielers als anrüchig galt und man die Gefahr von Prostitution vermeiden wollte. Erst im Jahr 1662 durften auch Schauspielerinnen auf die Bühne.

Dies über alles: Sei dir selber treu!Und daraus folgt so wie die Nacht dem Tage,du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen.

(William Shakespeare, aus „Hamlet”)

 

1

Mai 1606

Geoffrey

 

Der Vorhang des Theaters wurde geöffnet, gab den Blick frei auf eine Kulisse, die mit wenigen, schlichten Mitteln einen Garten und ein dahinter liegendes Haus andeutete.

Geoffrey saß auf einem der Ränge, er hatte sich einen Sitzplatz gegönnt, um nicht unten in der Menge stehen zu müssen, auch wenn er sich dadurch weiter weg von der Bühne befand.  

Er beugte sich vor und betrachtete die beiden Männer, die vom Bühnenrand her den „Garten“ betraten. Ihre bunten Kostüme mit den weiten Mühlradkragen glichen der Kleidung von niederem Adel, auch wenn sie wohl nicht ganz so kunstvoll angefertigt worden waren.

Bald kamen weitere Männer auf die Bühne. Ihre Stimmen waren bis zu seinem Sitzplatz gut vernehmbar. Und das musste auch so sein, denn es galt die vielen Geräusche zu übertönen, welche aus dem Zuschauerraum drangen: Gelächter, Husten und Gespräche, die ohne Rücksicht auf das Schauspiel laut geführt wurden.

Wer hierher kam, der tat das nicht nur, um ein Stück zu sehen, sondern wollte auch selbst gesehen werden. Entsprechend herausgeputzt wirkten viele Leute, fast so, als säßen sie in ihren besten Sonntagskleidern in der Kirche. Allerdings waren die Dekollétes der Damen weniger züchtig, sondern boten tiefe Einblicke, die oft nur wenig von Schmuck oder Rüschen verborgen wurden.

Geoffrey hatte an einigen Stellen Schwierigkeiten, sich in Anbetracht der Geräuschkulisse auf das Stück zu konzentrieren. Immerhin bekam er genug mit, um der Handlung folgen zu können: Nach dem Tod eines Freiherrn erbte dessen jüngster Sohn Orlando  tausend Kronen, während seine beiden Brüder deutlich mehr bekamen. Als sein Bruder Oliver den Garten betrat, begann Orlando einen Streit mit ihm und wurde handgreiflich.

Die beiden Schauspieler setzten diese Auseinandersetzung mit lauten, aggressiven Stimmen in Szene. Das Publikum wurde ruhiger, weil nun die meisten ihre volle Aufmerksamkeit auf die Bühne richteten.

Oliver beschloss, sich an Orlando zu rächen und beauftragte den Handlanger Charles dafür.

Geoffrey hatte eigentlich nicht erwartet, dass er das Stück spannend finden würde, fühlte sich aber zunehmend in die Handlung hineingezogen. Mit Theatern kannte er sich nicht gut aus, denn in seiner Heimatstadt Greenwich gab es nur selten Schauspiele und er war nicht oft in London. Was seine Aufmerksamkeit bald noch mehr fesselte, waren die beiden Frauen, die in der zweiten Szene auftraten. „Celia” war eindeutig als Mann zu erkennen, denn selbst in dem prächtigen Kleid wirkten ihre Bewegungenetwas kantig. „Rosalinde” verblüffte ihn dagegen, denn ihre Gesten waren so fließend und anmutig, dass er kaum glauben konnte, dass sie von einem Mann verkörpert wurde. Ihre Stimme war weder hell noch dunkel, sondern lag irgendwo dazwischen. Für den Rest des Stückes nahm die Darstellung der Rosalinde Geoffrey mehr gefangen als alles andere, zumal der Dichter des Stückes diese Figur mit Klugheit und einer spitzen Zunge ausgestattet hatte.

Zu einem späteren Zeitpunkt verkleidete sich Rosalinde als Mann, da sie vor einem bösen Herzog fliehen musste. Pikant wurde es, als sie gemeinsam mit Celia Liebesbriefe las, welche jemand für sie an Bäumen in einem Wald aufgehängt hatte. Diese Briefe waren gespickt mit unanständigen Anspielungen, welche für lautes Gelächter im Publikum sorgten.

Aber auch die Dichtkunst wurde aufs Korn genommen.

Celia fragte Rosalinde: „Hast du diese Verse gehört?”

„O ja, ich hörte sie alle und noch was drüber; denn einige hatten mehr Füße, als die Verse tragen konnten.”

„Das tut nichts, die Füße konnten die Verse tragen.”

„Ja, aber die Füße waren lahm und konnten sich nicht außerhalb des Verses bewegen, und darum standen sie so lahm im Verse.”

Dieser Kommentar sorgte für weitere Lacher unter den Zuschauern.

Sie fand heraus, dass ihr heimlicher Schwarm Orlando die Briefe verfasst hatte und traf diesen bald darauf in jenem Wald, wo er sich mit Freunden in der Verbannung befand.

Das Gespräch zwischen ihnen wurde zu einem gewitzten Wortgefecht, dem Geoffrey mit zunehmendem Vergnügen lauschte. Er fragte sich mittlerweile, ob die Figur der Rosalinde nicht doch von einer Frau gespielt wurde. Sein letzter Theaterbesuch lag schon Jahre zurück. Vielleicht hatten sich seitdem die Gesetze diesbezüglich verändert?

Rosalinde behauptete: „Liebe ist eine bloße Tollheit, und ich sage Euch, verdient ebensogut eine dunkle Zelle und Peitsche als andre Tolle; und die Ursache, warum sie nicht so gezüchtigt und geheilt wird, ist, weil sich dieser Wahnsinn so gemein gemacht hat, daß die Zuchtmeister selbst verliebt sind. Doch kann ich sie mit gutem Rat heilen.”

„Habt Ihr irgendwen so geheilt?”, wollte Orlando wissen.

„Ja, einen, und zwar auf folgende Weise. Er mußte sich einbilden, daß ich seine Liebste, seine Gebieterin wäre, und alle Tage hielt ich ihn an, um mich zu werben.”

Das verblüffte Geoffrey und er fragte sich, was Rosalinde mit dieser Geschichte bezweckte.

Sie stellte sich in Positur, ganz wie ein angeberischer junger Kerl und erklärte, dass sie sich ganz typisch „weibisch” aufgeführt habe — unbeständig, mal in Tränen aufgelöst und ein anderes Mal lachend. Manchmal habe sie ihren damaligen Verehrer von sich gestoßen und ihm dann wieder schöne Augen gemacht. Auf diese Weise habe sie ihn fast in den Wahnsinn getrieben. Am Ende erklärte Rosalinde: „Und so heilte ich ihn, und auf diese Art nehme ich es über mich, Euer Herz so reinzuwaschen, wie ein gesundes Schafherz, daß nicht ein Flecken Liebe mehr daran sein soll.”Wollte Rosalinde die Tiefe der Gefühle ihres heimlichen Schwarm auf diese Weise prüfen? Geoffrey musste sich daran erinnern, dass dies nur ein Stück war – so sehr nahm ihn das Schicksal dieser beiden inzwischen mit.

Jetzt war es an Orlando, zu antworten. „Ihr würdet mich nicht heilen, junger Mensch”, sagte er mit voller Überzeugung.

Rosalinde trat einen Schritt auf ihn zu. „Ich würde Euch heilen, wolltet Ihr mich nur Rosalinde nennen und alle Tage in meine Hütte kommen und um mich werben.”

Geoffrey war sich nicht sicher, ob er das gerade richtig verstanden hatte. Nach der inneren Logik der Handlung forderte hier ein Mann einen anderen Mann auf, ihn als Frau zu betrachten, als solche auch anzureden und um ihn zu werben. Auch wenn dieser in Wahrheit eine Frau war. Das ist ja ganz schön verdreht. Wie gut, dass es nur ein Theaterstück ist, dachte Geoffrey, schwankte zwischen Verwirrung und Amüsiertheit.Orlando war sich offenbar nicht zu schade, diesen Vorschlag auszuprobieren. Denn er antwortete: „Nun, bei meiner Treue im Lieben, ich will es; sagt mir, wo sie ist.”

Die Handlung wurde danach noch um einiges verzwickter, aber auch romantischer. Am Ende der Aufführung fühlte sich Geoffrey wie verzaubert. Erfreut stimmte er in den Beifall ein und sah lächelnd zu, wie sich Rosalinde und die anderen auf der Bühne verneigten.

Ein solches Gefühl erlebte er nicht oft, denn er war kein schwärmerischer Mann, sondern eher bodenständig. Vor allem aber wollte er herausfinden, ob Rosalinde nun von einem Mann oder von einer Frau dargestellt worden war. Dass sie zwischendurch als Mann verkleidet aufgetreten war, hatte es ihm nicht leichter gemacht, dies zu erkennen.

Er verließ die Galerie, ging die Treppe nach unten, und direkt zur Bühne. Dort fragte er einen der Bühnenarbeiter, ob er den Schauspieler der Rosalinde kurz sprechen dürfe. Der Mann zuckte mit den Achseln und deutete auf eine Tür im hinteren Bereich des Theaters: „Da lang gehts zu den Garderoben.”

Er bedankte sich und ging zur Tür hinüber. Gleich würde er sicher mehr wissen.

2

Simon

 

Er fühlte sich ein wenig trunken, wie immer nach einer erfolgreichen Vorstellung. Ein Hochgefühl, das erst nach einer Weile wieder abebbte. Wie sehr liebte er es, den Applaus am Ende zu hören! Weil er dabei natürlich immer noch das Frauenkostüm trug, nahm er sich nach jeder Aufführung die Freiheit heraus, wie eine Dame vor dem Publikum zu knicksen. Oft lachten die Zuschauer erfreut darüber oder riefen ihm Scherze zu.

Seine Kollegen hatten sich bereits  umgezogen. Mehrere von ihnen wollten noch feiern gehen. Roger, der Darsteller der Celia, ließ sich von einem Ankleider das Rückenteil seines Kleides aufschnüren.

Theodor, der den Orlando spielte, zog sich ebenfalls um.

Die Rolle des Helden stand Theo gut, fand Simon. Mit seinem gepflegten kleinen Bart, den breiten Schultern und den wachen blauen Augen sah er wie ein typischer Frauenschwarm aus. Simon schwärmte  ein bisschen für ihn, obwohl daraus nie etwas werden würde. Also musste er seine Gefühle im Zaum halten.Er wandte den Blick ab, als Theo sich entkleidete. Gründlich kämmte er die Perücke aus, die er eben noch getragen hatte. Gerade wollte er beginnen, mit einem Tuch die Schminke aus seinem Gesicht zu wischen, als es an der Tür klopfte.

„Erwartest du Besuch?”, fragte Roger, der jetzt nur noch lange Unterhosen, Strümpfe und Schuhe trug.

Simon schüttelte den Kopf.

„Dann bin ich gespannt, wer das wohl ist. Herein!”, rief Theo.

Ein fremder Mann in schlichter, dunkler Kleidung trat ein. Er trug einen braunen Spitzbart und hatte Augen in derselben Farbe, wenn auch etwas dunkler. An den Schläfen zeigten sich bereits die ersten grauen Haare.

Simon legte das Tuch beiseite.

„Verzeiht, wenn ich störe, …” Der Fremde räusperte sich. „Ich habe gerade das Stück gesehen und wollte Euch gratulieren. Mein Name ist Geoffrey Barnes.”

„Sehr erfreut, Master Barnes”, begrüßte Theo den Besucher, während er sich eine Hose anzog.

„Mein Name ist Simon Verey.“ Er deutete auf seinen Kollegen. „Und das hier ist Roger Simmons.“

„Ah, das erklärt es mir”, antwortete ihm der Besucher. „Seht Ihr, ich habe mich während der Aufführung ernsthaft gefragt, ob Ihr ein Mann oder eine Frau seid.”

Simon errötete. „Das freut mich. Ich betrachte das als Kompliment.”

„Das könnt Ihr auch. Eure Darstellung war hervorragend.” Er strahlte ihn an. Dann wandte er sich Theo und Roger zu. „Die Euren ebenfalls, meine Herren.”

Theo wurde tagaus, tagein mit solchen Komplimenten beehrt — meistens von kichernden jungen Damen, deren Blicke ziemlich begehrlich wirkten. Simon konnte sie nur zu gut verstehen.

Roger wirkte erfreut und auch Theo lächelte. „Danke, das höre ich häufiger.”

Master Barnes blickte Simon an. „Ich hoffe, es ist nicht unhöflich von mir, aber wäre es vermessen, Euch auf ein Getränk einzuladen? Ich würde gern mit euch  ein wenig über das Theater und das Stück sprechen, wenn Ihr mögt.”

„Das ist sehr freundlich von Euch.”, erwiderte Simon überrascht. Noch nie war er von einem Zuschauer  eingeladen worden.

„Ich weiß mehr über das Theater als der junge Simon hier”, mischte sich Theo ein. „Er ist noch nicht so lange bei den King‘s Men. Schließt Euch uns doch einfach an, wir gehen noch auf eine Feier. Der Pub ist groß genug, und das Ale ist gut.”

„Sehr gern.”

„Übrigens, mein junger Freund und ich wollten eine Wette beschließen.” Theo deutete mit dem Kopf auf Simon, der seinen Ohren nicht traute. Von einer Wette hörte er zum ersten Mal.

Roger, der soeben die dunkle Perücke auf einem Holzkopf drapierte, hielt in der Bewegung inne.

---ENDE DER LESEPROBE---