Servus heißt vergiss mich nicht - Angelika Schwarzhuber - E-Book

Servus heißt vergiss mich nicht E-Book

Angelika Schwarzhuber

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Beschreibung

Wie weit würden Sie reisen für das große Glück?

Daniela hat ihr Leben eigentlich fest im Griff. Doch seit es Alex auf sie abgesehen hat, gerät ihr Gefühlsleben ordentlich durcheinander. Und gerade jetzt muss sich Daniela auf ihre Arbeit konzentrieren. Sie soll der todkranken Ehefrau eines Unternehmers in Sacramento einen ganz besonderen letzten Wunsch erfüllen, der Daniela auf eine außergewöhnliche Reise schickt! Allerdings stellt Alex ihr vor der Abreise ein Ultimatum…

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Angelika Schwarzhuber

Servus heißt

vergiss mich nicht

Roman

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1. Auflage

Originalausgabe November 2015 bei Blanvalet Verlag,

einem Unternehmen der

Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © 2015 by Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

Umschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com

Redaktion: Alexandra Baisch

LH ∙ Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-17165-0

www.blanvalet.de

Für meinen Bruder Maximilian

Die eigentliche Bedeutung von »Hauberl aufsetzen« ist:Du bist mir wichtig.

Kapitel 1

Eine laue Spätsommernacht im September – Ende der sechziger Jahre in der Parterre-Wohnung eines Mehrfamilienhauses in der Thalkirchner Straße in München:

Die achtzehnjährige Emilie wagte kaum zu atmen, als sie langsam die Decke zur Seite schob und aus dem Bett schlüpfte. Vorsichtig griff sie unter ihr Kopfkissen und holte eine Schere hervor. Immer wieder warf sie einen Blick auf ihre Schwester Karolina, die tief und fest wie ein Baby im Bett neben ihr schlief. In den Strümpfen, die sie angezogen hatte, bevor sie schlafen gegangen war, schlich Emilie zum anderen Bett. Durch das hereinfallende Licht einer Straßenlaterne wurde das Zimmer ausreichend beleuchtet, so dass sie die sanften Züge ihrer Schwester betrachten konnte, die im Schlaf noch weicher wirkten. Die nur zwei Jahre ältere Karolina war eine Schönheit. Alle sagten das. Doch Emilie war deswegen nicht eifersüchtig. Sie liebte ihre Schwester, und die beiden waren ein Herz und eine Seele. Umso schlimmer war das, was sie ihr antun musste. Doch sie konnte nicht anders. Es schmerzte sie zutiefst, als sie zitternd die Schere hob und sich eine Strähne ihres langen hellbraunen Haars abschnitt. Dann nahm Emilie eine schwarze Locke ihrer Schwester und schnitt sie ebenfalls ab. Obwohl dies fast lautlos geschah, bewegte sich Karolina und drehte sich im Schlaf auf die andere Seite. Erschrocken wich Emilie zurück. Doch Karolina wurde nicht wach und atmete ruhig weiter.

Emilie durfte jetzt keine Zeit mehr verlieren. Zu groß war die Gefahr, dass sie doch noch entdeckt werden könnte. Rasch legte sie ihre eigene Strähne auf den Nachttisch ihrer Schwester, zusammen mit einem Zettel, auf dem nur vier Worte standen: Es tut mir leid!

Dann schlich sie mit wild klopfendem Herzen aus dem Zimmer. Vor dem Schlafzimmer ihrer Eltern hielt sie einen Augenblick inne und legte eine Hand an das Holz der Tür.

»Servus Mama, servus Papa … Bitte verzeiht mir«, flüsterte sie, und Zweifel, die sie in den letzten Tagen verdrängt hatte, überkamen sie. Tat sie wirklich das Richtige? Mit brennenden Tränen in den Augen drehte sie sich rasch um. Sie musste schnell weg hier, sonst würde sie es sich womöglich doch noch einmal anders überlegen.

In einer Nische im Flur hatte sie am Tag zuvor eine Reisetasche mit wenigen Kleidungsstücken, Geld, Papieren und einigen Habseligkeiten versteckt, die ihr besonders am Herzen lagen: die silberne Armbanduhr, die sie von ihrer Patentante Anna zur Firmung geschenkt bekommen hatte, und eine Schneekugel mit ihrer Heimatstadt München. Das Kostbarste für sie waren jedoch ein paar Fotos ihrer Familie, die sie in der Geldbörse verstaut hatte, und ein dunkelblaues Halstuch, das sie nun sanft an ihre Wange drückte. Es duftete schwach nach Rasierwasser – und nach ihm. Doch für Sentimentalitäten war jetzt nicht der richtige Moment.

Aus einem Seitenfach holte sie ein weißes Taschentuch, wickelte darin die Locke ihrer Schwester ein und packte alles sorgfältig in die Tasche.

Ein Geräusch aus dem Zimmer ihrer Eltern ließ sie erschrocken innehalten. Ihr Herz pochte heftig gegen ihre Rippen. Rasch schob sie die Tasche zurück. Bewegungslos stand sie da und hielt für einige Sekunden die Luft an. Doch langsam beruhigte sie sich wieder. Falls jemand sie entdecken würde, könnte sie noch so tun, als ob sie auf dem Weg zur Toilette wäre. Doch es kam niemand, und alles war wieder ganz still in der Wohnung. Nach ein paar weiteren Minuten des Wartens zog sie ihr langes Nachthemd aus, unter dem sie einen knielangen Rock und eine langärmelige Bluse trug. Dann schlüpfte sie in ihre Stiefel und in einen Mantel, nahm ihre Reisetasche und eine Handtasche, und ohne sich noch einmal umzusehen, öffnete sie entschlossen die Wohnungstür und verließ ihre Familie.

Kapitel 2

»Adrian! Adrian! Jetzt mach endlich auf!«

Ärgerlich klopfte ich an die Badezimmertür. Seit mein Bruder vor zwei Wochen bei uns eingezogen war, ging es in unserer Wohnung drunter und drüber. Der Flur war vollgestopft mit Umzugskartons, und sein Rennrad stand ständig im Weg. Doch er weigerte sich, es in den Keller zu stellen, aus Angst, es könnte geklaut werden.

»Benny muss in den Kindergarten und ich ins Büro!«, erinnerte ich ihn eindringlich.

»Mami, ich muss aufs Klo!«, jammerte mein Fünfjähriger, der in seinem ausgewaschenen Pumuckl-Schlafanzug neben mir stand und angespannt die Hände vor den Schoß presste.

»Wenn du nicht sofort aufmachst, dann …«

In diesem Moment wurde der Schlüssel umgedreht, und heraus kam eine junge Frau mit wild zerzausten Haaren, die ein T-Shirt meines Bruders trug, das ihr bis zu den Knien reichte.

»’tschuldigung«, murmelte sie und verschwand in Richtung Bügelzimmer, das Adrian inzwischen zu seinem Refugium umfunktioniert hatte.

Benny starrte ihr mit offenem Mund kurz hinterher, dann huschte er ins Badezimmer und knallte mir die Tür vor der Nase zu.

Ich schloss für einen Moment die Augen und atmete tief ein und aus. Das konnte doch nicht wahr sein. Seit seine Freundin ihn rausgeworfen hatte, tröstete Adrian sich mit irgendwelchen Frauen, die er vermutlich in Kneipen aufgabelte. Oder bei seinen Schauspielerworkshops, zu denen er seit Neuestem ging. Denn mein Brüderchen hatte im zarten Alter von einunddreißig Jahren beschlossen, seinen Beruf als Steuerfachangestellter hinzuschmeißen und sich seiner wahren Berufung zu widmen: der Schauspielerei.

Ich tat mich schwer damit zu verstehen, wie er seinen sicheren Job so einfach hatte kündigen können. Klar, mein Zwillingsbruder sah nicht gerade übel aus, und wenn er wollte, konnte er so charmant schauspielern, dass er vermutlich fast jede Frau um den Finger wickeln könnte. Außerdem spielte er seit seiner Kindheit mit Begeisterung in verschiedenen Laien-Theatergruppen mit. Trotzdem machte ihn das in meinen Augen nicht automatisch zu einem zukünftigen Konkurrenten von Matthias Schweighöfer oder gar Christoph Waltz.

Doch Adrian war Adrian. Und wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann gab es kein Halten mehr. So war er immer schon gewesen.

In meinem alten hellblauen Frotteebademantel ging ich in die Küche, stellte Kaffee auf und schmierte Pausenbrote für Benny. Ich hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel.

»Gibt es schon Kaffee?«

Ich drehte mich um. Adrian stand hinter mir in Jeans und dem T-Shirt, das vor wenigen Minuten noch sein Besuch getragen hatte. Er gähnte müde und strich sich die dunklen Haare aus der Stirn.

»Hast du vergessen, was wir vereinbart haben?«, fuhr ich ihn sofort an. »Keine Frauengeschichten in dieser Wohnung!«

»Hör mal, es tut mir leid …«

Zumindest hatte er den Anstand, eine schuldbewusste Miene aufzusetzen.

»Ich will nicht, dass Benny über irgendwelche halbnackten Frauen stolpert, die du mitbringst.«

»Ist er bis jetzt auch noch nicht, oder? Und das heute war eine Ausnahme. Tilly und ich haben die halbe Nacht für das Casting geprobt. Und dann wollte ich sie auch nicht mehr alleine nach Hause schicken.«

»Trotzdem – noch einmal, und du kannst deine Sachen packen.«

»Ich hab’s verstanden«, sagte er und starrte auf die Kaffeemaschine, als ob er sie hypnotisieren wolle.

»Kaffee ist gleich fertig.«

»Danke.«

»Wann ist denn dein Casting?«

»Heute Nachmittag.«

»Was? Aber du hast mir doch versprochen, auf Benny aufzupassen?!«

»Du hast nicht gesagt, dass das heute ist. Außerdem hat dein Sohn einen Vater, der für ihn zuständig ist.«

»Wie du weißt, hat mein lieber Exmann eine neue Freundin, mit der er gerade Liebesurlaub in Venedig macht.«

Erich und ich hatten geheiratet, als ich mit Benny schwanger wurde. Wir kannten uns damals gerade vier Monate. Die große Liebe war es auf keiner Seite gewesen, wie sich sehr schnell herausstellte. Vor knapp drei Jahren hatten wir uns getrennt, nachdem uns klargeworden war, dass die unterschiedlichen Ansichten über das Leben und die Liebe, die wir anfangs noch als reizvolle Gegensätze interpretiert hatten, einem glücklichen Alltag als Ehepaar nicht standhalten konnten. So wenig wir als Ehepaar funktionierten, so gut klappte es als Eltern. Bisher hatte sich Erich immer vorbildlich um seinen Sohn gekümmert und war auch oft eingesprungen, wenn ich beruflich unterwegs war. Aber seitdem er mit Janina zusammen war, beschränkte er sich darauf, Benny jedes zweite Wochenende zu sich zu holen. Und nicht einmal das klappte immer. Das war nicht nur lästig für mich, sondern tat mir vor allem für Benny leid, der nicht verstehen konnte, warum er seinen Papa momentan so selten sah.

Nicht dass ich Erich sein neues Glück nicht gönnte – wir hatten schon längst unseren Frieden geschlossen –, aber es war mal wieder typisch, dass immer die Kinder den Kürzeren zogen. Genau so war es damals auch nach der Scheidung unserer Eltern gewesen. Zuerst bemühten sich beide darum, dass Adrian und ich möglichst viel Zeit mit ihnen verbrachten. Man konnte fast schon sagen, sie stritten sich um uns. Vor allem Mama wollte, dass wir ständig bei ihr waren, um es Papa heimzuzahlen, der sich mit einer Lehrerin aus der Schule eingelassen hatte, in der er als Konrektor angestellt war. Doch kaum hatte Mama sich selbst in einen Physiotherapeuten verliebt, waren Adrian und ich die meiste Zeit uns selbst überlassen gewesen. Mama hatte keinen Tag länger gewartet als bis zu unserem 18. Geburtstag, dann war sie mit Klaus nach Ibiza ausgewandert, wo sie gemeinsam eine Massagepraxis für Urlauber eröffneten, die erstaunlicherweise noch heute gut lief.

Mein Vater war in München geblieben. Er hatte Astrid, die Lehrerin, zwar nicht geheiratet, aber die beiden waren immer noch zusammen. Nach seiner Pensionierung vor drei Jahren waren sie an den Chiemsee gezogen. Wir hatten regelmäßigen telefonischen Kontakt und sahen uns nach Möglichkeit an den Feiertagen. Auf jeden Fall wesentlich öfter, als ich meine Mutter sah.

»Wenn die beiden in Italien herumturteln, ist das nicht mein Problem«, sagte Adrian und schnappte sich eine Scheibe Tomate, mit der ich das Schinkenbrot für Benny belegen wollte.

»Ich habe heute eine wichtige Besprechung«, erinnerte ich ihn und klopfte ihm auf die Finger, als er auch noch das Brot stibitzen wollte.

»Entschuldige bitte, aber willst du damit sagen, dass mein Casting nicht so wichtig ist?«, protestierte er empört.

Ich zählte innerlich bis drei – und dann noch mal bis fünf –, dann sagte ich so ruhig wie möglich: »Von dem Geld, das ich verdiene, zahle ich die Miete für die Wohnung, in der du momentan lebst. Ich kaufe damit Lebensmittel ein und zahle Strom und Nebenkosten. Womöglich mag dein Casting genauso wichtig sein wie mein Termin heute Nachmittag, aber ganz sicher ist es nicht so lukrativ.«

Kapitel 3

Trotz besserer Argumente konnte ich Adrian nicht davon überzeugen, sein Versprechen einzuhalten und auf Benny aufzupassen. Also musste ich meinen Sohn nach dem Kindergarten zu mir ins Büro holen. Natürlich war es keine Ideallösung, ihn während der Besprechung unbeaufsichtigt an mein Notebook zu lassen, das ich ihm auf das Tischchen in der kleinen Küche gestellt hatte. Aber als berufstätige und alleinerziehende Mutter hangelte man sich ohnehin ständig von schlechtem Gewissen zu schlechtem Gewissen, weil man fast immer zu wenig Zeit hatte oder etwas falsch machte. Zumindest fühlte es sich so an. Und die meisten Mitmenschen gaben einem auch nicht gerade das Gefühl, auch nur im Entferntesten etwas richtig zu machen. Das ging schon an der Supermarktkasse los. Da gab es fast immer jemanden, der kommentieren musste, wie ich mit Benny umging. Bat der Kleine um Süßigkeiten und ich kaufte sie ihm, dann war ich eine Mutter, die ihr Kind maßlos verwöhnte und zu einem Egoisten erzog. Kaufte ich sie ihm nicht, dann war ich eine herzlose Frau, und ich bekäme schon noch zu sehen, wohin meine Kälte den armen Jungen treiben würde. Vermutlich in den Sessel eines Psychotherapeuten. Recht machen konnte man es offenbar niemandem.

»Mama? Kann ich bitte Kekse haben?«, bat Benny.

»Aber klar.« Ich holte ihm eine Packung und stellte sie ihm samt einem Glas Milch auf den Tisch.

»Und jetzt sei schön brav, Benny. Ja? Später gehen wir dann auf den Spielplatz.«

Der Kleine nickte, und ich ging in mein Büro.

Vor einem Dreivierteljahr hatte ich von meiner ehemaligen Chefin und Freundin Hanna die kleine Firma BeauCadeau übernommen, was so viel heißt wie »Schönes Geschenk«.

Ich organisierte ausgefallene Präsente für anspruchsvolle Kunden. Das konnten zum Beispiel ein teures Collier für die Ehefrau oder Mutter sein, eine Reise im Transsibirien-Express für die Schwiegermutter oder ein Satz neuer Brüste in Doppel-D samt einer Po-Straffung für die Geliebte. BeauCadeau lebte ausschließlich von Mundpropaganda, und Diskretion war oberstes Gesetz. Als Hanna das Geschäft noch führte, waren die Auftraggeber ausschließlich Männer gewesen. Ich hatte mich dazu entschlossen, die Zielgruppe zu erweitern. Und inzwischen gab es auch einige Geschäftsfrauen, die meine Dienste in Anspruch nahmen, um ihre Männer, Väter, Söhne, Mitarbeiter oder heimlichen Affären mit ausgefallenen Geschenken zu überraschen. Das brachte eine große Abwechslung und machte mir inzwischen fast mehr Spaß, als mir für Frauen etwas einfallen zu lassen.

Heute saß Bettina Cornelius in meinem Büro. Sie war früher ein bekanntes Playmate und Partygirl gewesen und hatte oft für Schlagzeilen in der Regenbogenpresse gesorgt. Bis der schwerreiche Unternehmer Frank Cornelius sie vor ein paar Jahren heiratete und es mit einem Schlag ruhig um sie wurde. Zu ihrem vierzigsten Geburtstag im letzten Jahr wollte Frank sie mit einem Eine-Million-Euro-Geschenk überraschen. Es war unser bisher schwierigster Auftrag gewesen, und alles kam damals ein wenig anders als gedacht. Aber durch Informationen, die BeauCadeau bei ihren Recherchen über Bettina herausgefunden hatte, konnte ihr sehnlichster Wunsch tatsächlich erfüllt werden, auch wenn er gar nicht so viel mit BeauCadeau zu tun hatte. Zumindest dürfte es nur noch wenige Wochen dauern, bis es so weit war, wenn man den Umfang ihres Bauches betrachtete, den sie unter dem bunten Sommerkleid nicht mehr verstecken konnte. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, war sie immer noch eine wunderschöne Frau.

Anfangs war ich in Bettinas Gegenwart immer etwas unsicher gewesen, denn sie war wirklich eine außergewöhnliche Frau, zu deren Freundeskreis zahlreiche Schauspieler, Models, Adelige oder Spitzensportler zählten. Doch inzwischen hatten wir uns über das Berufliche hinaus angefreundet. Bettina hatte mir schon einige Kunden vermittelt und damit wesentlich dazu beigetragen, dass mein Geschäft recht ordentlich lief. Und zum ersten Mal seit Jahren musste ich mich als alleinerziehende Mutter nicht mehr finanziell von Monat zu Monat durchkämpfen und jeden Cent fünfmal umdrehen, bevor ich ihn ausgeben konnte.

Was Bettina nun mit mir besprach, war jedoch auch für BeauCadeau sehr ungewöhnlich. Ich sollte als Überraschung für die Frau eines befreundeten Unternehmers ein »kleines Oktoberfest« für circa 500 Leute in Sacramento auf die Beine stellen.

»Und es muss unbedingt alles original bayerisch sein«, informierte Bettina mich nachdrücklich. »Das Bier, der Wirt samt Bedienungen, die Musik, das Essen und nach Möglichkeit auch die Fahrgeschäfte. Geld spielt in diesem Fall keine Rolle. Wenn du den Auftrag angenommen hast, wird Bernard Drigger dir sofort einen größeren Betrag anweisen, mit dem du arbeiten kannst.«

Ich war echt sprachlos. Ein Oktoberfest in Sacramento? Und ausgerechnet ich sollte das organisieren? Ich? Der Oktoberfestmuffel schlechthin? Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Obwohl ich in München aufgewachsen bin, waren meine Eltern mit mir niemals auf die sogenannte »Wies’n« gegangen. Und als Erwachsene war ich nur ein Mal dort gewesen. Danach wollte ich mit dieser für mich seltsamen Art von bayerischer Zwangsbespaßung nichts mehr zu tun haben. Nun gut, vielleicht hatte ich damals auch keinen sonderlich guten Tag erwischt. Ich war als Aushilfskraft in der Buchhaltung eines großen Reisebüros beschäftigt und zum Betriebsabend eingeladen gewesen. Da ich selbst kein Dirndlkleid besaß, hatte ich mir eines von einer Freundin ausgeliehen, die eine Kleidergröße mehr trug und auch einen halben Kopf größer war als ich. Damit das Dekolleté nicht so verloren aussah, musste ich mehrere Lagen Taschentücher in den BH stopfen. Während einer wilden Achterbahnfahrt befreite sich jedoch ein Tuch und flatterte meinem Kollegen ins Gesicht. Der konnte sich gar nicht genug darüber amüsieren, wie wenig Holz ich tatsächlich vor der Hütte hatte.

Im Bierzelt saß ich angespannt am Tisch, während die Leute rings um mich herum auf den Bänken standen und zur Blaskapellen-Coverversion von DJ Özis »Hey Baby!« lauthals sangen und tanzten. Die Personalchefin war die Lauteste von allen und wohl auch die Betrunkenste. Als sie versuchte, unserem Chef über den Tisch hinweg zuzuprosten, verlor sie das Gleichgewicht. Sie konnte sich gerade noch festhalten, doch der Inhalt ihrer frisch eingeschenkten Maß ergoss sich auf meinen Tischnachbarn, der erschrocken aufsprang und dabei die Bedienung anrempelte, die eben meinen Spanferkelbraten servieren wollte. Der Knödel samt Soße kippte vom Teller und landete auf der Schürze meines Kleides. Danach war es mit meinem Appetit nicht mehr weit her.

Glücklicherweise hatte ich keinen Schirm dabei, als es auf dem Nachhauseweg in Strömen regnete. So kam ich in den Genuss einer Vorreinigung, bis ich endlich daheim unter der Dusche stand. Erst am nächsten Morgen entdeckte ich, dass ich meine Geldbörse mit sämtlichen Papieren verloren hatte – oder dass sie mir jemand in dem Getümmel auf der Wies’n geklaut hatte, was ich für wahrscheinlicher hielt. Da ich auch noch das lädierte Dirndlkleid reinigen lassen musste, war mich der Abend insgesamt teurer zu stehen gekommen als ein schöner Kurzurlaub. Seither hatte ich dieser Veranstaltung abgeschworen.

Doch für meine Kunden gab ich immer das Beste, und ich würde ein Oktoberfest in Sacramento organisieren, das die Münchner Wies’n alt aussehen lassen würde!

»Hier sind seine Kontaktdaten«, riss Bettina mich aus meinen Gedanken und reichte mir eine Visitenkarte. »Bernard Drigger wartet auf deinen Anruf.«

»Wie ist er denn ausgerechnet auf mich gekommen?«, fragte ich neugierig. Schließlich gab es keine Internetseite von BeauCadeau, und dass sich mein Geschäft bis nach Amerika herumgesprochen hatte, konnte ich mir nicht so ganz vorstellen.

»Frank hat momentan geschäftlich mit ihm zu tun und ihn zu uns zum Abendessen eingeladen. Dort kamen wir dann irgendwie auf BeauCadeau und dich zu sprechen. Drigger war sehr interessiert, als er hörte, was du machst.«

»Das ist eine richtig große Sache für mich, Bettina.«

»Allerdings. Einen Haken hat die Sache aber. Das Oktoberfest muss am 15. September beginnen. Am Geburtstag seiner Frau.«

»Was? Aber das ist ja schon in vier Monaten!«

Bettina lächelte kurz, dann wurde ihr Blick ernst.

»Ich habe nicht gesagt, dass es ein einfacher Auftrag sein würde. Aber ich zähle auf dich, Daniela. Es darf nichts schiefgehen. Denn es wird das letzte Geburtstagsgeschenk an seine Frau sein.«

Bei ihren Worten überzog plötzlich eine Gänsehaut meinen Rücken.

»Das letzte Geschenk? Wie meinst du das?«

»Driggers Frau ist krank, und es ist fraglich, ob sie noch einen weiteren Geburtstag erleben wird.«

Ich schluckte. Das gab diesem Auftrag natürlich noch eine ganz andere Dimension.

»Kennst du sie?«, fragte ich.

Bettina schüttelte den Kopf.

»Nein.«

»Mama. Wann fahren wir denn heim?«, unterbrach uns Benny, der schmollend in der Tür stand. Kein Wunder, er hatte sich jetzt wirklich lange gedulden müssen.

»Ich kann sehr gut verstehen, dass dir langweilig ist. Wir sind fast fertig, Benny. Gibst du uns noch fünf Minuten?«, mischte Bettina sich ein.

Benny schien kurz zu überlegen, dann nickte er.

»Aber nicht länger.«

Er trollte sich aus dem Zimmer, und ich wunderte mich darüber, dass er sich darauf eingelassen hatte.

Bettina lächelte ihm hinterher.

»Benny ist ein lieber Kerl. Ich hoffe, mein Kleiner wird mindestens genauso süß.« Dabei legte sie eine Hand auf ihren Bauch.

»Ganz bestimmt. Es wird also ein Junge?«

Bettina nickte strahlend.

»Eigentlich wollte ich es mir nicht sagen lassen, aber Frank gab keine Ruhe.«

Ich musste lachen.

»Warum wundert mich das jetzt nicht?«

»Du kennst ihn eben auch schon ein bisschen … Ach, fast hätte ich es vergessen. Wir machen morgen Abend eine kleine Gartenparty. Es wäre schön, wenn du kommen könntest. Alex würde sich bestimmt auch freuen.«

Bei der Erwähnung dieses Namens spürte ich schlagartig, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Alexander Zabel war Bettinas um ein Jahr älterer Bruder. Während Hanna und ich im letzten Jahr auf der Suche nach dem Eine-Million-Euro-Geschenk für Bettina waren, gab es zwischen ihm und meiner damaligen Chefin ein kurzes Techtelmechtel. Inzwischen war Hanna jedoch mit einem anderen Mann glücklich zusammen.

Alex führte eine Werbeagentur, die Kampagnen für internationale Firmen entwickelte und umsetzte. Nachdem Hanna BeauCadeau nach ihrer Hochzeit aufgeben wollte, hatte sie Alex gebeten, mich bei ihm im Büro zu beschäftigen. Ich war sogar bei einem Bewerbungsgespräch, und Alex hätte mich auch genommen. Doch mir war sehr schnell klar gewesen, dass ich mit ihm als Chef nicht hätte arbeiten können. Dafür fand ich ihn viel zu anziehend. Außerdem reizte es mich mehr, meine eigene Chefin zu sein. Und so hatte ich BeauCadeau übernommen.

Alex war häufig unterwegs, und soweit ich wusste – ja, ich geb’s zu, ich war neugierig, was ihn betraf –, hatte er nach einer Scheidung, die schon einige Jahre zurücklag, schon länger keine feste Beziehung mehr gehabt. Er war kein Familientyp, und obwohl ich jedes Mal Bauchflattern bekam, wenn ich den dunkelhaarigen Mann mit den markanten Gesichtszügen und dem durchtrainierten Körper sah, war mir natürlich klar, dass er absolut nicht für mich in Frage kam. Oder besser gesagt, nicht für mich und Benny. Denn sollte ich jemals wieder einen Mann in mein Leben lassen, dann müsste er akzeptieren, dass mein Sohn für mich immer an erster Stelle steht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Typ wie Alex damit klarkommen würde. Außerdem hatte er mit meiner besten Freundin geschlafen und sollte schon deswegen für mich tabu sein.

Aber worüber machte ich mir eigentlich Gedanken? Nur weil wir zweimal in Mikes Bar beim Kaffeetrinken waren, bedeutete das ja noch lange nicht, dass er überhaupt an mir interessiert war.

»Du kommst doch, oder?«, hakte Bettina nach.

Am vernünftigsten wäre es gewesen, mit einer plausiblen Ausrede abzusagen. Und ein Oktoberfest für fünfhundert Leute im Wilden Westen zu organisieren war sicher eine mehr als gute Ausrede.

»Ich komme gerne«, rutschte mir jedoch heraus.

Heute war wohl kein Tag, um vernünftig zu sein.

Kapitel 4

Ich war schon spät dran. Bis vor Kurzem hatte ich ein längeres Telefongespräch mit Bernard Drigger geführt.

Der Unternehmer hatte genaue Vorstellungen. Neben der Vorgabe, dass alles original bayerisch sein musste, wollte er spezielle Fahrgeschäfte haben: Riesenrad, Schiffschaukel, Kettenkarussell, Schießbude, Losstand, Hau-den-Lukas und Autoscooter.

Bettina hatte ihm bereits viel über mich und BeauCadeau erzählt, so dass er es mir offensichtlich zutraute, diese Veranstaltung auf die Beine zu stellen.

»Sehen Sie sich in der Lage, diesen Auftrag termingerecht auszuführen?«, hatte er dennoch mit sehr ernster Stimme gefragt.

Sag nein, schoss es mir durch den Kopf. In der kurzen Zeit kannst du das nicht schaffen.

»Ja. Sie werden zufrieden sein«, sagte ich jedoch. Ich liebte Herausforderungen. Und das war die bisher größte in meinem Berufsleben.

»Gut. Dann sind Sie engagiert.«

»Vielen Dank, Mister Drigger.«

»Falls es Probleme gibt, Sie können mich jederzeit erreichen.«

»Es wird keine Probleme geben«, sagte ich mit fester Stimme.

»Ausgezeichnet. Dann sehen wir uns im September in Sacramento. Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen.«

»Ebenfalls«, antwortete ich, und ich war tatsächlich mehr als gespannt auf diesen Mann, der keine Kosten scheute, um seiner Frau eine solche Überraschung zu bereiten.

Finanziell hatte ich einen großen Spielraum, und nachdem ich zugesagt hatte, wollte er sofort eine größere Summe auf mein Geschäftskonto überweisen. Über die Krankheit seiner Frau hatten wir nicht gesprochen. Und ich war ein wenig erleichtert darüber.

Sorgfältig wusch ich dunkelbraune Farbe aus meinen Haaren und rubbelte sie dann ungeduldig mit dem Handtuch trocken. Dieses lästige Haarefärben nervte mich jedes Mal mehr. Aber in meinem Alter schon mit grau gesträhnter Frisur herumzulaufen und zu einem natürlichen Look zu stehen war für mich auch keine Option. Und so musste ich die lästige Prozedur wohl oder übel alle vier bis fünf Wochen durchziehen.

Danke, Mama!, schickte ich in Gedanken einen Gruß an meine Mutter auf Ibiza, die mir die frühzeitigen grauen Haare vererbt hatte.

Glücklicherweise war mein kinnlanger Pagenkopf rasch geföhnt. Noch schnell etwas Make-up aufgelegt, dann schlüpfte ich in ein schwarzes kurzes Kleid, das ich mir erst kürzlich gekauft hatte. Für das Gartenfest bei Bettina und Frank Cornelius passte es perfekt. Sicherlich würden dort einige interessante Gäste sein. Eine gute Gelegenheit, um zwanglos Leute kennenzulernen, die womöglich als Kunden von BeauCadeau in Frage kamen. Und eine noch bessere Gelegenheit, um Alex wiederzusehen. Ich versuchte, das Herzklopfen zu ignorieren, das immer dann einsetzte, wenn ich an ihn dachte.

Adrian und Benny lümmelten auf dem Sofa im Wohnzimmer und schauten sich »Ab durch die Hecke« an. Abwechselnd griffen sie in die große Schüssel mit selbst gemachtem Popcorn, die zwischen ihnen stand.

Während ich in meine neuen Riemchensandalen schlüpfte, die mich einige Zentimeter größer machten, erinnerte ich Adrian daran, dass er Benny rechtzeitig ins Bett bringen sollte.

»Wir kommen schon klar hier.«

»Was kam eigentlich bei deinem Casting raus?«

Adrian zuckte mit den Schultern.

»Sie wollten einen kleinen, zierlichen Schauspieler haben.«

»Oh. Das tut mir leid.«

»Muss es nicht. Hinterher habe ich erfahren, dass die auch keine Gage bezahlen wollten. Ich bin ja nicht verrückt und arbeite ohne Kohle!«

Ich musste schmunzeln. Adrian konnte seine beruflichen Wurzeln wohl doch nicht so ohne Weiteres vergessen – auch nicht im Namen der Kunst.

»Willst du darüber reden?«, fragte ich.

»Nein. Geh du nur.«

»Okay. Dann bis später. Tschüss mein Hase«, sagte ich und gab Benny einen Kuss auf die Wange. Er verzog kurz das Gesicht und wischte mit dem Ärmel seines Schlafanzuges darüber. Dabei schaute er weiterhin gebannt zum Fernseher.

Ich musste schmunzeln, als ich die beiden so dasitzen sah. Sie würden mich bestimmt nicht vermissen. Ich nahm den Blumenstrauß für Bettina Cornelius und verließ die Wohnung.

Eine Viertelstunde später drückte ich auf den Klingelknopf der Villa in Bogenhausen. Gleich darauf öffnete Frank Cornelius höchstpersönlich die Tür.

»Daniela, schön, dass du da bist«, begrüßte er mich mit einem charmanten Lächeln.

»Vielen Dank für die Einladung.«

»Aber gerne. Komm doch bitte rein.«

Er führte mich durch die große Diele hinaus auf die Terrasse. Dort standen Bettina und Alex in lässiger Freizeitkleidung vor einem großen gemauerten Grill und unterhielten sich. Sie waren noch gar nicht für die Party umgezogen. Erschrocken schaute ich auf meine Armbanduhr.

»Bin ich zu früh dran?«, fragte ich Frank, weil auf dem großen Grundstück weit und breit keine anderen Gäste zu sehen waren.

»Nein gar nicht. Du bist absolut pünktlich.«

»Aber … ich dachte, das wäre ein Gartenfest?«

»Eher ein gemütlicher Grillabend. Es fehlen nur noch Bettinas Freundin Petra und ihr Mann Peter. Aber die beiden verspäten sich – wie immer.«

Das hatte ich wohl gründlich missverstanden.

Bettina kam auf mich zu und begrüßte mich freundlich.

»Da bist du ja, Daniela.«

Ich reichte ihr den Blumenstrauß.

»Wie hübsch. Danke. Ich hole gleich eine Vase. Frank, bringst du Daniela bitte ein Glas Prosecco?«

»Könnte ich vielleicht auch ein Bier haben?«, fragte ich, da ich kein sonderlich großer Fan von Prosecco war. Ich bevorzuge Sekt – oder eben Bier.

»Aber sicher.« Frank lächelte, und die beiden verschwanden ins Haus. Ich stand etwas unsicher herum. Alex legte die Grillzange weg und kam auf mich zu.

»Hallo, Daniela«, sagte er mit warmer Stimme und lächelte mich aus seinen dunkelbraunen Augen an. »So sieht man sich wieder.«

»Hallo, Alex.« Meine Wangen glühten. Ich hob die Hand, senkte sie dann jedoch gleich wieder. Nein, ich würde jetzt nicht an meinen Haaren herumzwirbeln, wie ich es immer tat, wenn ich nervös war.

»Du siehst toll aus.«

»Danke. Nur vielleicht ein wenig overdressed für einen Grillabend.«

»Ich wusste gar nicht, dass es eine spezielle Kleiderordnung fürs Grillen gibt.« Er schmunzelte.

Darauf wusste ich nichts zu sagen.

»Bettina hat mir von deinem neuen Auftrag erzählt. Das klingt ja wirklich spannend.«

»Allerdings. Auch wenn es zeitlich bis September sehr eng ist.«

»Wie ich dich kenne, schaffst du das mit links … Aber falls ich dir irgendwie helfen kann, sag einfach Bescheid. Ich habe einige gute Kontakte.«

»Das wird nicht nötig sein, trotzdem danke.«

»Daniela, und …«, er wollte etwas sagen, aber da kamen Frank und Bettina in Begleitung des befreundeten Ehepaars zurück.

»Brennt da was an?«, fragte Bettina, und Alex beeilte sich, wieder an den Grill zu kommen, um die Würstchen zu retten.

Der Abend war ganz unterhaltsam. Trotzdem kam ich mir ein wenig wie das fünfte Rad am Wagen vor. Was kein Wunder war, schließlich kannten die anderen sich alle schon ewig.

Alex kümmerte sich anfangs hauptsächlich um den Grill und versorgte uns mit Steaks, Würstchen und Gemüsespießen. Danach setzte er sich zu uns, redete jedoch nicht sonderlich viel. Doch ich war mir seiner Nähe in jeder Sekunde nur zu bewusst. Er machte mich nervös. So nervös, dass ich Petras Glas mit Prosecco umstieß, als ich nach dem Brotkorb greifen wollte. Und dann fiel mir auch noch die Gabel aus der Hand und landete klirrend unter dem Tisch. Als Alex und ich uns gleichzeitig bückten, um sie aufzuheben, stießen wir fast mit den Köpfen zusammen.

»Vorsicht«, sagte er leise.

Er war mir so nah, dass mir der betörende Duft seines Rasierwassers in die Nase stieg und mich noch mehr durcheinanderbrachte. Ich erinnerte mich an unsere erste Begegnung im letzten Jahr, als er unverhofft ins Büro gekommen war, um mit Hanna zu sprechen. Damals dachte ich noch, dass Hanna und Alex zusammenkommen würden, und es war das erste Mal gewesen, dass ich sie um etwas beneidet hatte.

Alex grinste mir unter dem Tisch zu, als er die Gabel vor mir erwischte. Wir tauchten beide wieder auf.

»Tut mir leid«, murmelte ich, und meine Wangen brannten.

Bettina blickte amüsiert zwischen Alex und mir hin und her und reichte mir ein frisches Besteck.

»Danke.«

»Haben Sie auch Kinder?«, fragte Bettinas Freundin Petra etwas später, nachdem wir uns eine Weile über die Schwangerschaft unserer Gastgeberin unterhalten hatten.

Ich nickte.

»Ja. Einen Sohn. Er ist vor zwei Wochen fünf geworden.«

»Und der ist heute daheim bei seinem Papa?«, hakte Petra nach.

»Nein. Mein Bruder passt auf Benny auf«, sagte ich.

»Wie praktisch. Alex, das wird dir als Patenonkel auch bald blühen«, sagte Bettina, lächelte ihren Bruder an und legte ihm die Hand auf den Arm.

»Wenn du meinst, ich kümmere mich um euren Schreihals, damit ihr beide Halligalli machen könnt, dann hast du dich schön geschnitten«, sagte Alex, und wir lachten alle.

Aber war das wirklich nur ein Spaß von ihm? Oder konnte er tatsächlich nicht viel mit Kindern anfangen? Ich versuchte, ihn mir vorzustellen, wie er einen kleinen Säugling auf dem Arm hielt. Und dieses Bild verwirrte mich.

»Ist Ihr Mann heute beruflich unterwegs?« Petra ließ nicht locker.

»Bennys Vater ist mit seiner Freundin in Venedig«, sagte ich leichthin, und als ich in ihr überraschtes Gesicht sah, setzte ich noch hinzu: »Wir sind schon eine Weile geschieden.«

»Oh. Das tut mir leid.«

»Ach, das ist schon okay so«, sagte ich schnell. Ich redete nicht gerne mit fremden Leuten über meine persönlichen Angelegenheiten. Ich schaute auf die Uhr. Es war schon nach elf.

»Es wird Zeit für mich, nach Hause zu gehen.«

Ich stand auf und bedankte mich bei Bettina und Frank für den netten Abend.

»Bist du mit dem Auto hier?«, wollte Alex wissen.

»Nein.« Das wäre auch ein wenig schwierig gewesen, schließlich hatte ich noch nicht einmal einen Führerschein. Was zugegebenermaßen in meinem Alter etwas ungewöhnlich war. Doch mit achtzehn war mir der finanzielle Aufwand für einen Führerschein, geschweige denn für ein Auto, zu groß gewesen. In München selbst brauchte ich keinen Wagen, da ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln überall bequem hinkam.

»Ich rufe dir ein Taxi«, bot Bettina an.

»Nicht nötig. Ich nehme die Tram.«

»Quatsch. Ich fahr dich nach Hause.« Alex stand ebenfalls auf.

Ich winkte ab. »Das muss wirklich nicht sein.«

Fünf Minuten später saßen wir in seinem Wagen. Er fuhr ein etwas älteres Modell, was mich ein wenig verwunderte. Alex’ Firma lief sicher gut, und ich hätte ihm eher einen schnittigen Sportwagen zugetraut als einen VW-Passat-Kombi.

»Ich habe Bettina gebeten, dich einzuladen«, sagte er, kaum dass wir losgefahren waren.

»Aha«, antwortete ich. Das war ja interessant. »Und warum?«

»Vielleicht weil ich es immer noch nicht überwunden habe, dass du mir einen Korb gegeben hast, als ich dich einstellen wollte.«

Ich lachte.

»Bestimmt hast du inzwischen eine unglaublich tolle und attraktive Assistentin gefunden.«

»Nicht so attraktiv wie du.« Er warf mir einen kurzen Blick zu. »Und vor allem auch nicht so interessant.«

In meinem Bauch tummelten sich eben mehrere Dutzend Hummeln. Flirtete er etwa mit mir?

»Alex …« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

»Wir könnten doch mal zusammen essen gehen«, schlug er vor.

»Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist«, sagte ich schnell, obwohl mir das schwerfiel. Am liebsten hätte ich seine Einladung angenommen. Doch mir war klar, dass es nicht bei einem Abendessen bleiben würde. Was natürlich grundsätzlich auch in Ordnung wäre, wenn ich mir für uns beide eine Zukunft hätte vorstellen können. Doch dass ein Mann wie Alex mehr als ein Abenteuer in mir sehen könnte, war einfach nur Wunschdenken. Und für eine kurze Affäre war ich nicht die Richtige.

Er zuckte bedauernd mit den Schultern.

»Anscheinend bin ich nicht dein Typ.«

»Nicht mein Typ? Alex … doch, also nein, ich meine, darum geht es doch gar nicht.«

»Also doch?«

Er hielt den Wagen an, und erst jetzt bemerkte ich, dass wir vor dem Haus standen, in dem ich wohnte. Inzwischen hatte sich eine Art Panik meiner bemächtigt. Vielleicht war es aber auch eher die Angst vor mir selbst. Die Angst, dass ich schwach werden könnte.

Na und?, fragte eine leise Stimme in mir. Was wäre denn dabei, wenn du dich endlich mal wieder auf einen Mann einlassen würdest? Es würde nicht gut gehen – und danach würde es sehr wehtun. Antwortete eine andere Stimme. Das wollte ich mir nicht antun.

»Nein. Du bist nicht mein Typ, Alex«, erklärte ich ihm deswegen deutlich, auch wenn das von der Wahrheit meilenweit entfernt war. Ich riss die Wagentür auf und stieg aus.

»Danke fürs Nachhausefahren. Und gute Nacht, Alex.«

»Gute Nacht, Daniela.«

Ich spürte förmlich in meinem Nacken, wie seine Blicke mir folgten, und unterdrückte den Impuls, mich umzudrehen. Erst als ich die Haustür aufgesperrt hatte, hörte ich, wie er wegfuhr.

Obwohl ich normalerweise einen gesegneten Schlaf habe, konnte ich in dieser Nacht keine Ruhe finden. Es war richtig gewesen, seine Einladung auszuschlagen. Warum nur fühlte es sich dann so falsch an? Vielleicht hätten Alex und ich ja … »Stopp!«, sagte ich laut in die Dunkelheit und unterbrach meine Gedanken, die in eine nicht so ganz jugendfreie Richtung abgeglitten waren. Ich hatte keine Zeit für eine Liebelei, die mir am Ende vermutlich das Herz brechen würde. Da gab es Benny. Und den großen Auftrag in Sacramento. Darauf würde ich mich jetzt mit aller Kraft konzentrieren.

Kapitel 5

Emilie drängte sich durch den dichten Strom von Menschen aus aller Herren Länder, die sich an der Columbuskaje tummelten. Dort lag die SS United States mit ihren auffälligen roten Kaminen vor Anker, die in etwas weniger als zwei Stunden auslaufen würde. Je näher sie der Anlegestelle kam, desto langsamer wurden ihre Schritte. Das laute Stimmengewirr der Leute um sie herum machte das junge Mädchen nervös. Ein Mann, der etwa im Alter ihres Vaters war und einen abgetragenen hellbraunen Anzug trug, blieb direkt vor ihr stehen.

»Hey Süße! Wie wär’s mit einem Schäferstündchen?«

Glasige Augen blickten sie an, und der Atem, der ihr entgegenschlug, roch nach Tabak und abgestandenem Alkohol. Ohne zu antworten, drehte Emilie sich rasch um und eilte in eine andere Richtung. Ihr Herz klopfte wild. Ängstlich warf sie einen Blick über die Schulter, doch der Mann war ihr nicht gefolgt.

Kaum war sie ein paar Schritte weitergegangen, rempelte ein muskulöser Seemann sie an. Dabei rutschte ihr die Reisetasche aus der Hand. Als sie sich bückte, um sie aufzuheben, drehte sich plötzlich alles um sie herum, und fast wäre sie gestürzt. Sie hätte doch etwas essen sollen, nachdem sie heute Mittag mit dem Zug in Bremerhaven angekommen war. Doch ihre Aufregung war so groß gewesen, dass sie keinen Bissen hinuntergebracht hatte. Inzwischen zweifelte sie immer öfter daran, ob ihre Entscheidung richtig gewesen war. Sollte sie nicht doch lieber umkehren und wieder nach Hause zu ihren Eltern fahren? Sicherlich machten sie sich bereits große Sorgen um ihre verschwundene Tochter. Und obwohl sie erst zwei Tage weg war, hatte Emilie schon großes Heimweh. Vor allem nach ihrer Schwester, vor der sie bisher keine Geheimnisse gehabt hatte. Karolina und sie hatten von Anfang an in einem Zimmer geschlafen, mit denselben Spielsachen gespielt und einfach alles miteinander geteilt. Sie waren auf dieselben Schulen gegangen und hatten mit ähnlich guten Noten abgeschnitten. Während Karolina eine Ausbildung in einem Büro gemacht hatte, fühlte Emilie sich jedoch zum Schneiderhandwerk hingezogen. Bis zu ihrer Flucht war sie in einem Modeatelier in der Nähe des Maximilianplatzes in die Lehre gegangen. Sicherlich war ihre Chefin, Frau Eliza Donelli, sehr enttäuscht von ihr, dass sie einfach so sang- und klanglos verschwunden war.

All diese geliebten Menschen ließ sie nun hinter sich. Ob das wirklich die richtige Entscheidung war?

Doch wenn sie jetzt umkehrte, dann wäre die Chance vertan, und sie würde ihren Geliebten vielleicht nie mehr wiedersehen. Und das würde ihr das Herz brechen. Außerdem hatte sie bereits das teure Ticket für die Überfahrt gekauft und dafür einen Großteil ihres Gesparten ausgegeben. Nein. Sie würde nicht wieder nach Hause fahren, sondern das Wagnis eingehen.

Noch etwas wackelig auf den Beinen, drehte sie sich um, um weiterzugehen, und stieß dabei versehentlich gegen eine etwa fünfzigjährige Dame. Diese trug einen weißen Hosenanzug und einen auffälligen dunkelblauen Hut.

»Passen Sie doch auf!«, rief die Frau ärgerlich in einem unüberhörbaren Berliner Dialekt.

»Entschuldigen Sie«, sagte Emilie mit ehrlichem Bedauern und bemühte sich dabei, Hochdeutsch zu sprechen. Der Schwindel hatte glücklicherweise wieder etwas nachgelassen, trotzdem fühlte sie sich immer noch schwach.

»Sie sind ja kreidebleich«, stellte die Frau fest. »Geht es Ihnen nicht gut?«

»Doch, doch«, antwortete Emilie leise.

»Papperlapapp. Ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt mit Ihnen.«

»Nein. Wirklich. Es ist alles gut«, beteuerte Emilie. Sie wollte auf keinen Fall Aufsehen erregen. »Ich muss mich nur beeilen, um aufs Schiff zu kommen.«

»Sind Sie alleine unterwegs?«, fragte die Frau.

Emilie nickte.

»Ich reise zu meiner Tante. Sie ist krank, und meine Eltern schicken mich für ein paar Monate zu ihr, damit ich ihr ein wenig mit den Kindern helfe«, log sie mit schlechtem Gewissen. Die Geschichte hatte sie sich auf der langen Zugfahrt von München nach Bremerhaven ausgedacht, um eine Erklärung zu haben, weshalb sie mit ihren achtzehn Jahren allein unterwegs war.

»Ganz gesund scheinen Sie mir aber auch nicht zu sein, Kindchen.«

»Oh doch. Es geht mir gut. Ich habe nur noch nichts gegessen heute. Die Aufregung, wissen Sie.« Emilie versuchte zu lächeln.

Die Frau im Hosenanzug schaute sie besorgt an.

»So einem jungen Ding kann ja sonst was passieren auf einer so langen Reise … Wissen Sie was? Ich bin auch alleine unterwegs. Und ich werde Sie jetzt einfach unter meine Fittiche nehmen«, sagte sie entschlossen. »Ich bin Mathilde. Mathilde Tüchler.«

Sie streckte Emilie die Hand entgegen, die sie zögernd ergriff.

»Ich heiße Emilie.« Ihren Familiennamen verriet sie nicht, doch das schien Mathilde nicht zu verwundern.

»Freut mich, Emilie. Wir besorgen jetzt rasch einen Happen zu essen für Sie, und dann gehen wir gleich an Bord. Nicht dass die ›United States‹ noch ohne uns abfährt«, sagte sie munter.

Emilie schien es mit einem Mal, als ob ihr ein großer Stein vom Herzen gefallen wäre. Seit sie von zu Hause ausgebüxt war, hatte sie sich ziemlich allein gefühlt. Mathilde war eine sympathische Frau, und das junge Mädchen war froh, während der knapp vier Tage dauernden Reise jemanden an seiner Seite zu haben.

Zwei Stunden später standen Emilie und Mathilde nebeneinander an der Reling und schauten zu, wie die winkenden Leute an der Columbuskaje immer kleiner wurden. Nachdem es nun kein Zurück mehr für sie gab, verschwanden auch die Zweifel und Ängste, die an Emilie genagt hatten. Sie schloss die Augen und genoss für ein paar Sekunden die wärmenden Strahlen der späten Septembersonne auf dem Gesicht. Sie war auf dem Weg nach Amerika. Auf dem Weg zu ihrer großen Liebe.

Kapitel 6

Drei Tage nachdem Drigger mir den Auftrag fest erteilt hatte, war ich auf dem Weg zur »Lustigen Witwe«, um mich mit Gregor Erlinger zu treffen. Er war einer von drei für mein Oktoberfestprojekt in Frage kommenden Wirten. Und der erste, mit dem ich sprechen wollte. Ich hatte die Kandidaten vorab telefonisch kontaktiert, ohne ihnen die weiteren Details für dieses Vorhaben zu erläutern. Das wollte ich in einem persönlichen Gespräch tun.

Entschlossen betrat ich das Wirtshaus, in das sich am frühen Nachmittag nur wenige Gäste verirrt hatten. Der dynamische Mittvierziger mit repräsentativem Bierbäuchlein streckte mir mit einem gewinnenden Lächeln die Hand entgegen.

»Frau Hafner, ich freue mich!«

»Gleichfalls, Herr Erlinger«, sagte ich und hatte sofort ein gutes Gefühl in seiner Gegenwart.

Nachdem er mir etwas zu trinken angeboten hatte, setzten wir uns an einen der kleinen quadratischen Tische neben dem Fenster. Eine junge Bedienung brachte uns Kaffee.

»Was kann ich nun genau für Sie tun?«, fragte er freundlich und schaute mich erwartungsvoll an.

Ich schilderte ihm die Sachlage, und Erlinger hörte mir zu, ohne mich auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen.

»… und nun bin ich auf der Suche nach einem geeigneten Festwirt, der diese Veranstaltung mit mir plant und durchführt«, beendete ich meine Ausführungen.

»Ich muss sagen, das klingt nach einem sehr schönen Projekt«, bemerkte Erlinger, »und ich würde sehr gerne mit Ihnen zusammenarbeiten«, fügte er hinzu.

»Herr Erlinger, ich möchte mit offenen Karten spielen. Es gibt zwei weitere Gastwirte, mit denen ich noch sprechen werde.«

»Das ist natürlich sehr umsichtig von Ihnen. Aber ich bin mir sicher, dass ich am Ende Ihr Wirt sein werde.« Er sagte das mit einem lustigen Zwinkern seiner graublauen Augen, um die sich einige Fältchen zogen. Offenbar hatte der Mann Humor.

»Ach ja?« Der ist sich seiner Sache ja sehr sicher, dachte ich und wusste nicht so ganz, ob mir das gefiel. Auf der anderen Seite konnte ein gesundes Selbstbewusstsein auch nicht schaden.

»Schauen Sie. Ich bin mir sicher, dass die beiden anderen Wirte auch nicht schlecht sind. Aber ich habe nicht nur sehr gute Kontakte zu einer Brauerei, die uns bestimmt anständige Konditionen machen wird, sondern auch noch einen Schwager, der Metzger ist. Und so einen brauchen wir unbedingt. Was ich Ihnen bieten kann, ist ein Gesamtpaket.«

»Das hört sich gut an«, musste ich zugeben. Und während Erlinger weiter über das Projekt mit mir sprach, überzeugte er mich immer mehr von seiner Kompetenz. Eigentlich war er genau der richtige Mann, und ich konnte mir die Zeit sparen, mich auch noch mit den anderen Wirten zu treffen.

Schließlich tat ich etwas, das so gar nicht typisch für mich war. Am Ende unseres Gespräches streckte ich ihm die Hand entgegen und sagte: »Wissen Sie was, Herr Erlinger? Sie haben mich überzeugt. Ich biete Ihnen die Zusammenarbeit für das kleine Oktoberfest im September in Sacramento an.«

Erlinger ergriff meine Hand lächelnd und schüttelte sie fest.

»Frau Hafner. Sie werden es nicht bereuen.«

Dann schenkte er uns zwei doppelte Obstler ein.

»Prost! Auf unsere Zusammenarbeit!«

»Prost!«

Erlinger stürzte sich sofort mit Feuereifer in die Arbeit und kümmerte sich um eine Musikkapelle, die Ausstattung und natürlich um das Bier. Sein Schwager Theo aus dem Berchtesgadener Land würde die Herstellung von Würsten, Braten und Leberkäse vor Ort in Sacramento übernehmen.

Etwas schwieriger war es, erfahrene Bedienungen zu finden, da sich das Oktoberfest in Sacramento gerade um einen Tag mit dem Beginn der Wies’n in München überschnitt und die guten Leute natürlich längst Verträge hatten.

»Mit Geld lässt sich alles regeln«, beruhigte mich Erlinger mit seinem unerschütterlichen Optimismus. Für ihn stand es außer Frage, dass wir die passenden Bedienungen finden würden. Ich war unglaublich froh, einen so erfahrenen Wirt wie Erlinger an meiner Seite zu haben. Er war zupackend, jovial, hatte ein Gespür für Menschen und konnte sagenhafte Konditionen aushandeln. Es war richtig gewesen, mich für ihn zu entscheiden. Vor allem, weil gerade jetzt auch noch zahlreiche andere Anfragen bei BeauCadeau eingingen und ich ziemlich eingespannt war. Als Benny sich im Kindergarten dann auch noch die Windpocken einfing und ich mich um ihn kümmern musste, war es eine große Erleichterung für mich, dass Erlinger sich so sehr für den Auftrag engagierte. Ich ließ ihm freie Hand und überwies ihm einen größeren Geldbetrag, damit er Bedienungen mit einem Vorschuss anwerben und notwendige Anzahlungen leisten konnte.