Sie haben so einen seltenen Tumor, sie sollten Lotto spielen! - Uta Winter - E-Book

Sie haben so einen seltenen Tumor, sie sollten Lotto spielen! E-Book

Uta Winter

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Beschreibung

Von einem Tag auf den anderen verändert sich das Leben der Autorin, als sie mit Anfang 40 an einem sehr seltenen bösartigen Tumor erkrankt. Dieses Buch schildert so offen wie möglich ihre persönlichen Erfahrungen im Umgang mit dem Leben nach der schweren Operation zur Entfernung des Nierentumors. Da der bei ihr diagnostizierte Krebs sehr selten ist, erhält Uta Winter von den Ärzten wenig Informationen und es fehlt an Angeboten zur psychologischen Betreuung und Nachsorge. Auch der Kampf um die Anerkennung ihrer Erkrankung als Schwerbehinderung, den die Autorin schildert, gestaltet sich schwierig.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

Sylvester

Etwa einen Monat später

Die Raumforderung

Die Diagnose

Zwischen den Zeiten

Im Krankenhaus

Wieder zu Hause

In den nächsten Monaten

Die Arbeit beginnt

Die Angst sitzt in den Narben

Der Kampf gegen die Institutionen

Wie es weiterging

Fragen, die mir häufig gestellt wurden und Bemerkungen zu meiner Erkrankung

Glossar

Impressum:

Sie haben so einen seltenen Tumor,

sie sollten Lotto spielen!

Uta Winter

Sie haben so einen seltenen Tumor,

sie sollten Lotto spielen!

Sylvester

Um mich herum ist es dunkel, manchmal erhellt eine einzelne verfrühte Rakete den Nachthimmel. Ich liege in meinem Bett und bin allein, das Atmen fällt mir schwer. Mein fünfjähriger Sohn und mein Mann sind schon den ganzen Abend bei guten Freunden von uns, um den Beginn des neuen und hoffentlich gesunden neuen Jahres zu feiern. Ich habe meine Familie gebeten, trotzt meiner akuten Lungenentzündung unsere Freunde zu besuchen und Spaß zu haben. Sie sollten das Jahr schön ausklingen lassen und nicht darunter leiden, dass ich schon wieder krank bin.

Das ist nicht die erste Pneumonie in meinem Leben. Schon als Kind war ich sehr oft krank und anfällig für alle möglichen Infekte. Mein Vater sagt bis heute, dass ich von unserer drei Geschwistern immer sein Sorgenkind gewesen wäre und obwohl mir das immer ein wenig peinlich ist, muss ich doch sagen, dass er nicht ganz Unrecht hat. Mit sieben Jahren, gerade zu meinem Schulanfang, musste ich fast direkt nach der Einschulungsfeier für mehrere Wochen ins Krankenhaus und wäre dort fast verstorben. Ich weiß, wie es ist, plötzlich schwer krank zu sein, kaum aufstehen zu können und sich klein und schwach zu fühlen.

Die Diagnose am Vormittag dieses letzten Tages im Jahr, nach stundenlangem Warten in der völlig überfüllten Notaufnahme des Universitäts-Krankenhauses meines Wohnortes, hatte mich nicht wirklich überrascht. Das typische Röcheln in meinem Hals und die starken Atembeschwerden kannte ich zu gut. Überrascht hat mich etwas ganz Anderes. Der junge Assistenzarzt, der die Diagnose stellte, gab mir zusammen mit meinem Rezept für ein Antibiotikum einen persönlichen Ratschlag auf den Weg: „Sie sollten einmal darüber nachdenken, warum eine junge Frau wie Sie aus heiterem Himmel eine Lungenentzündung bekommt“?

Ich habe das damals nicht weiter beachtet. Mit Anfang 40, erfolgreich im Berufsleben stehend, war ich fast die Alleinverdienerin meiner kleinen Familie, weil mein Mann verkürzt arbeitete und sich vorrangig um unseren gemeinsamen Sohn, der damals noch in den Kindergarten ging, kümmerte. Es war faktisch kein Raum für Ruhe und Besinnung oder gar so etwas wie Reflexion in meinem Leben. Meine Zeit war gut durchorganisiert und ich funktionierte wie eine gut geschmierte Maschine, bei der es nur ab und an zu kleinen Unterbrechungen im ansonsten reibungslosen Getriebe kam.

Nur wenige Monate später sollte ich über die Worte des Arztes ganz anders denken. Doch erst einmal wusste ich noch nicht, was auf mich und meine Familie zukommen würde und das war vermutlich auch besser so.

Der schwarze Nachthimmel erhellte sich und das Knallen der Sylvesterfeuerwerkes wurde lauter. Herzlich willkommen neues Jahr! Was Du mir wohl bringen magst?

Etwa einen Monat später

Zunächst ging das neue Jahr weiter, wie das alte geendet hatte. Ich quälte mich immer noch mit meiner misslichen Lungenentzündung, von der ich das arge Gefühl hatte, dass meinem schwachen Körper die Kraft fehlte, um sich von ihr zu erholen. Wenn ich an die enorme Größe meines Tumors denke, der ein paar Monate später bei mir diagnostiziert werden sollte, dann meine ich heute, dass ich damals schon an zwei Fronten gekämpft habe und es einfach noch nicht wusste.

Langsam und jeden Tag ein wenig, ging es mir wieder etwas besser und ich konnte sogar schon wieder kleine leichte Spaziergänge an der frischen Luft unternehmen. Aber es blieb dabei, irgendetwas lief mich nicht recht zu Kräften kommen und ich fühlte sehr deutlich, dass mir die Energie für einen normalen Alltag noch fehlte.

Fünfjährige Kinder sind sehr mobil und wissbegierig und fordern noch die volle Aufmerksamkeit ihrer Eltern. So habe ich noch gut in Erinnerung, dass mir das tägliche Spielen und die intensive Beschäftigung mit meinem kleinen Sohn nach dem Kindergarten und an den Wochenenden während der Zeit meiner Genesung einfach oft zu viel waren. Das tat mir unendlich leid und ich hatte ein schlechtes Gewissen deswegen. Gleichzeitig hatte sich in mir selbst jedoch eine gewisse Apathie breitgemacht und ich war sehr froh, dass sich mein Mann fürsorglich um ihn kümmerte.

Endlich war ich etwa Ende Januar so weit genesen, dass ich mir zutraute, wieder auf Arbeit zu gehen. Naja, um ehrlich zu sein, natürlich hätte ich mich noch gern etwas länger erholt, aber wer den ständigen Druck kennt, wie gut geölt und ohne Sand im Getriebe, funktionieren zu müssen, weil die durch den Hauskauf entstanden Schulden nicht gerade gering sind, der weiß auch, dass ich dabei nicht unbedingt eine faire Wahl hatte.

Die wenigen Tage, die ich nach meinem Wiedereinstieg auf Arbeit durchhielt, waren gelinde gesagt sehr schlimm. Mühsam versuchte ich meine Aufgaben zu erledigen und den riesigen Berg abzuarbeiten, der sich während meiner fünfwöchigen Abwesenheit angehäuft hatte. Es war nicht zu übersehen, dass ich noch lange nicht fit genug war, und mich mühsam durch meinen langen Tag quälte. Ich glaube, ich hielt eine Woche durch, dann saß ich abends wieder auf meinem Sofa, hustete und bekam keine Luft mehr. Mit Schrecken hatte ich wieder das knatschende Geräusch in meiner Lunge wahrgenommen, das so typisch auf eine erneute Lungenentzündung oder einen Rückfall hinwies. Schlimmer noch, diesmal war auch noch mein Kind erkrankt. Wir hatten beide hohes Fieber und waren zu geschwächt, als dass wir noch eigenständig einen Arzt hätten aufsuchen können. Der Bereitschaftsarzt, den mein Mann schließlich rief, diagnostizierte bei meinem Sohn eine Bronchitis und bei mir eine weitere Pneumonie.

Nicht, dass ich es nicht geahnt hätte, trotzdem war ich in diesem Augenblick am Boden zerstört. Schon wieder krank! Schon wieder fast zu schwach, um sich irgendwie selbst zu behelfen. Was war das nur für ein ödes und blödes Jahr. Gerade einmal fünf Wochen alt und schon so schiefgelaufen. Zum Glück konnte ich ja nicht in die Zukunft sehen, was noch auf mich zukommen sollte. Ironischerweise, und das erscheint mir bis heute wie ein kleiner Hinweis des Schicksals, war die Ärztin, die damals Rufbereitschaft hatte Oberärztin am Klinikum und sollte mir ein halbes Jahr später in einer noch viel ernsteren Situation, nämlich beim Aufklärungsgespräch für meine Tumoroperation gegenübersitzen.

Das alles wusste ich jetzt noch nicht. Im Frühjahr des Jahres 2010 war der Tumor noch weit weg und undenkbar. Noch lag ich nur auf meinem Sofa und konnte nicht viel machen, außer Süppchen und Tee zu schlürfen und manchmal zwischen Sofa und Bad ganz langsam hin und her zu schleichen. Ich war schlicht zu schwach für alles und konnte mich an keinerlei Aktivitäten, die über Schlafen und Essen hinausgingen, beteiligen. Ab und an musste ich zu meiner behandelnden Ärztin, die aber nicht mehr tat, als meine Krankschreibung immer wieder zu verlängern. Im Rückblick habe ich das Gefühl, in dieser Zeit, unterbrochen von Arztbesuchen und Nahrungsaufnahme, sechs Wochen fast nur geschlafen zu haben. Damals habe ich mich schon gewundert, dass ich so gar nicht wieder zu Kräften kam und mich nur ganz langsam erholte.

Mir war glasklar, dass ich nach zwei langwierigen Lungenentzündungen kurz hintereinander einige Zeit brauchen würde, um wieder auf den Damm zu kommen. Aber etwas war diesmal anders, das habe ich schon im Frühjahr dieses schweren Jahres gespürt. Alles war nur noch mühsam und zäh. Als ich meine behandelnde Ärztin darauf ansprach, ob eventuell noch etwas Ernsteres hinter meiner nicht enden wollenden Schwäche stecken könnte, wurde ich allerdings sinngemäß mit den Worten abgewimmelt, sie wüsste schon was zu tun sei und schon hatte ich mein drittes Antibiotikum verschrieben bekommen, welches nun endlich helfen sollte. Ende März, als der Frühling sich mit Macht zurückmeldete, kam auch ich allmählich zu Kräften, ohne jedoch zu alter Stärke zurück zu finden.

Zum Glück kann ich mich in einer solchen Situation voll und ganz auf meinen Mann verlassen, so dass unser Sohn, der sich schon nach wenigen Tagen von seiner Bronchitis erholt hatte, in dieser Zeit nicht noch mehr unter der Situation leiden musste und ich, als ich endlich wieder zu mehr als nur Schlafen und Essen in der Lage war, nicht auch noch auf einen gigantischen Berg ungewaschener Wäsche und eine chaotische Wohnung stieß.

Die nächsten Wochen hatte ich keine Zeit darüber nachzudenken, was eigentlich in den vergangenen Monaten mit mir und meiner Gesundheit passiert war. Unser gemeinsamer Sohn sollte dieses Jahr im August eingeschult werden und so hatten wir alle Hände voll damit zu tun, in unserem kleinen Reihenhaus, dass wir vor ein paar Jahren gekauft hatten, den Dachboden auszubauen, damit er aus seinem kleinen Kinderzimmer ausziehen konnte und ihm für die Schulzeit ein schönes großes und sonniges Zimmer zur Verfügung stehen würde. Langsam liefen auch die Vorbereitung für die Schulzeit an. Ein passender Ranzen mit Rennautos wurde samt Sportbeutel und Schulutensilien gekauft und alles für die bald anstehende Einschulungsfeier organisiert.

Dazu hatte ich eine Vielzahl an liegen gebliebenen beruflichen Projekten abzuarbeiten, so dass mir meine zunehmenden Rückenschmerzen am Anfang gar nicht weiter auffielen. Schmerzen im Rücken begleiten mich seit einem unfallbedingten Bandscheibenvorfall während meines Studiums, der leider auch operiert werden musste, schon lange Zeit in meinem Leben. Normalerweise hatte ich diese aber ganz gut mit gezielten Übungen unter Kontrolle. Die Beschwerden wurden jedoch stärker und auch untypischer, deshalb beschloss ich schließlich doch, wieder meine Ärztin aufzusuchen.

Die allgemeinmedizinische Arztpraxis, in der ich schon wegen meiner Lungenentzündungen behandelt wurden war, diente auch als Ausbildungszentrum für Medizinstudenten. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden und ich lasse mich jederzeit von lernbereiten Studenten medizinisch analysieren. Was ich hier erlebte, fand ich dann aber doch reichlich seltsam. Ein junge Medizinstudentin untersuchte mich nur oberflächlich, erhob keine Anamnese und drückte mir anschließend einen Zettel mit therapeutischen Gymnastikübungen für den Rücken in die Hand.

---ENDE DER LESEPROBE---