SnowCrystal. Königin der Elfen (Königselfen-Reihe 2) - Amy Erin Thyndal - E-Book

SnowCrystal. Königin der Elfen (Königselfen-Reihe 2) E-Book

Amy Erin Thyndal

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Beschreibung

»Ich bin die Königin des Sturms. Niemand kann mich bezwingen.«  Als Königin des Winterhofes lastet eine große Verantwortung auf Crystals Schultern. Denn die Magie in ihrem Reich ist außer Kontrolle geraten und ihr bleibt nicht mehr viel Zeit, um ihr Reich vor dem Untergang zu bewahren. Der Sonnenkönig Soleil, in den sie seit ihrer Kindheit heimlich verliebt ist, unterstützt sie dabei. Doch zum ersten Mal ist es nicht nur Soleil, der ihr Herz höherschlagen lässt. Auch ihr königlicher Berater Onyx will ihr plötzlich nicht mehr aus dem Kopf gehen, aber er ist tiefer in die Bedrohung für ihr Königreich verstrickt, als Crystal ahnt. So steht sie bald vor einer schweren Entscheidung ...  Lass dich von der märchenhaften Liebesgeschichte der Winterkönigin verzaubern! //Alle Bände der märchenhaften Königselfen-Trilogie:   -- SnowFyre. Elfe aus Eis (Königselfen-Reihe 1)   -- SnowCrystal. Königin der Elfen (Königselfen-Reihe 2)   -- SnowRose. Tochter der Feen (Königselfen-Reihe 3)// 

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Amy Erin Thyndal

SnowCrystal. Königin der Elfen (Königselfen-Reihe 2)

»Ich bin die Königin des Sturms. Niemand kann mich bezwingen.«Als Königin des Winterhofes lastet eine große Verantwortung auf Crystals Schultern. Denn die Magie in ihrem Reich ist außer Kontrolle geraten und ihr bleibt nicht mehr viel Zeit, um ihr Reich vor dem Untergang zu bewahren. Der Sonnenkönig Soleil, in den sie seit ihrer Kindheit heimlich verliebt ist, unterstützt sie dabei. Doch zum ersten Mal ist es nicht nur Soleil, der ihr Herz höherschlagen lässt. Auch ihr königlicher Berater Onyx will ihr plötzlich nicht mehr aus dem Kopf gehen, aber er ist tiefer in die Bedrohung für ihr Königreich verstrickt, als Crystal ahnt. So steht sie bald vor einer schweren Entscheidung …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

© Anna Glatt

Amy Erin Thyndal lässt sich von ihren Freunden gern damit aufziehen, dass sie Bücher doch toller fände als Menschen. Nichtsdestotrotz sind es die Menschen um sie herum, die sie zum Schreiben inspirieren und ihrem Leben das gewisse Etwas verleihen. Und zwischen wissenschaftlichem Labor, Hobbys, Freunden und natürlich der obligatorischen Lesesucht widmet sie sich der großen Liebe – ob in ihren Büchern oder in der echten Welt.

Für meine Schwester

15 km/h

Süden

Crystal

Die Strahlen der untergehenden Sonne brechen sich in den Schneeflocken, die ich durch meinen Garten tanzen lasse, und zaubern seltsame Violett- und Blautöne über den See. Das ewige Eis, das den See bedeckt, ist bereits mit einer neuen makellosen Schicht überzogen. Schnee liegt am Ufer und verhüllt auch die Nadelbäume um den Teich herum.

Auf einer Landzunge, die in den See hineinragt, sitzen drei Eisbären.

»Du wirst immer besser«, lobt mich der größte von ihnen und legt seine Schnauze auf die Schultern seiner Partnerin.

Beinahe lautlos gleite ich über das Eis unter meinen Füßen, das durch den Druck meiner selbst gemachten Schlittschuhe geschmeidig wird. Sie sind neu, aus in der Sonne blau glitzerndem Eis, und unterscheiden sich in keiner Weise von jenen, die ich mir letzte Woche erschaffen habe, oder von jenen aus der Woche davor. Perfekt angepasst schmiegen sie sich an meine Füße.

Perfekt ist auch der Tanz, den ich auf dem Eis vollführe. Mühelos drehe ich eine Pirouette, werde schneller und springe mit einer Drehung über eine Unebenheit im Eis. Mit einer leichten Handbewegung verändere ich das Fallen der Schneeflocken, beschleunige den Wind bei einer Kreisbewegung und erschaffe so einen kleinen Schneesturm, der sich mit mir über dem Eis dreht. Abrupt bremse ich ab, um für die entgegengesetzte Richtung Schwung zu holen und eine weitere Pirouette zu machen, aus der heraus ich zurück zu den Eisbären in den Schnee laufe.

Einer von ihnen erhebt sich und schüttelt die Flocken aus seinem Fell, bevor er auf mich zutritt.

Tessalon ist so groß, dass ich den Blick heben muss, um ihm weiterhin in die Augen zu sehen, während ich ihm die Krone, die er von ihrem Platz aus dem Schnee neben sich hebt, aus dem Maul nehme und zurück auf mein blondes Haar setze.

»Tante Crystal, Mama hat gesagt, du erklärst mir, wieso deine Krone nicht schmilzt«, meldet sich der kleinste Eisbär, tapst zu mir und setzt sich auf meine Füße.

Obwohl er gerade mal einen Meter groß ist und lange nicht so viel wiegt wie seine Eltern, strauchle ich kurz unter seinem Gewicht, bevor ich die Schlittschuhe schmelzen lasse und meine nackten Füße unter ihm hervorziehe. Lächelnd setze ich mich neben ihn in den Schnee und fange an, ihn zwischen den Ohren zu kraulen.

»Thion, weißt du noch, wie ich dir erklärt habe, warum ihr anders als gewöhnliche Eisbären sprechen könnt?«, will ich von ihm wissen.

Überlegend legt er den Kopf schief.

»Ich glaube, es hatte etwas mit Magie zu tun, oder?«

»Genau«, lobe ich. »Der erste Winterkönig und die erste Winterkönigin haben einen Zauber auf die ersten Winterbären gewirkt und euch so einen Teil ihrer Magie geschenkt, damit ihr länger lebt und mit uns sprechen könnt. Der Grund dafür ist also die Magie, die ihr in euch tragt. Ihr wurdet verzaubert.«

»Also hast du die Krone auch verzaubert?«, hakt er nach.

»Jeder Winterkönig und jede Winterkönigin erschafft sich die eigene Krone«, erkläre ich ihm, »indem er oder sie diese aus Eis und mithilfe von Sonnenstrahlen der Sommerelfen schmiedet. Das ist das Erste, was eine Winterkönigin tun muss, wenn sie ihr Amt antritt. Diese Magie, die von den beiden verschiedenen Höfen kommt, macht die Krone robust genug, um fast 1000 Jahre lang jeder Hitze und jedem Versuch, sie zu zerstören, zu widerstehen. Deshalb wird meine Krone erst schmelzen, wenn ich einmal gestorben bin.«

Thion grunzt zufrieden, als ich eine besonders weiche Stelle hinter seinem linken Ohr kraule, und ich bin mir nicht sicher, ob er so genau zugehört hat. Jedenfalls scheint er mit der Erklärung zufrieden. Ich streiche ihm ein letztes Mal über den Kopf und erhebe mich dann.

»Pst«, macht Tessalon und ich sehe überrascht zu ihm. Der Eisbär steht ganz still da und wirkt, als würde er auf etwas lauschen.

Ohne Vorwarnung stürmt er los, weg vom See.

»Liebling?«, ruft seine Partnerin ihm nach, doch er ignoriert sie. Besorgt blickt sie von mir zu Thion. Der Kleine ist nicht schnell genug, aber sie möchte ihn scheinbar auch nicht zurücklassen, um Tessalon zu folgen.

»Ich gehe«, erkläre ich mich bereit und renne hinter dem Eisbären her.

Tessalon prescht zwischen den Bäumen hindurch, direkt auf die Sonne zu, von der nur noch ein Halbkreis am Horizont zu sehen ist. Zu meinem Glück bin ich als Elfe eine sehr gute Läuferin, dennoch kann ich ihn kaum einholen.

»Was ist denn los?«, rufe ich, aber der Bär reagiert nicht, zögert nicht. Er rennt, als hinge ein Leben davon ab. Wir laufen durch den Winterwald, springen über umgefallene Baumstämme und an verwirrten Schneehasen vorbei.

Schließlich kommen wir auf eine kleine Lichtung an der Grenze zum Herbstwald.

Der Geruch von Blut hängt in der Luft.

Ohne innezuhalten rennt Tessalon auf die Lichtung zu und wirft sich gegen einen anderen Eisbären, der in der Mitte steht, die Pranken erhoben, das Maul blutverschmiert.

Ich bin etwas vorsichtiger als er. Die Eisbären kämpfen laut und heftig miteinander, aber ich schaue mich zunächst um, bevor ich entscheide, ob ich eingreife.

Die Lichtung markiert deutlich den Übergang zwischen Herbst und Winter. Sie ist zur Hälfte mit gefallenem Laub, zur anderen mit Schnee bedeckt, mit Schnee, der mit dunkelrotem Blut befleckt ist.

Erst da bemerke ich das panische Keuchen, das im Kampflärm der Eisbären kaum hörbar ist.

Genau auf der Grenze zwischen Herbst und Winter liegt ein junges Elfenmädchen. Die langen schwarzen Haare verdecken ihr Gesicht. Ich eile zu ihr und untersuche ihre Verletzungen.

Es sieht nicht gut für sie aus. An der Schulter hat sie mehrere parallele Kratzer, die wohl auf einen Prankenhieb hindeuten. Ihr zerrissenes Kleid und die blauen Flecken an Knien und Ellbogen zeugen von ihrem Sturz auf den Boden, jetzt liegt sie kraftlos flach auf dem Rücken. Sie ist völlig verdreckt und Blut fließt aus mehreren kleinen Wunden.

Das Schlimmste allerdings ist die klaffende Öffnung an der Stelle, an der eigentlich makellose Haut und ein weißes Kleid ihren Unterbauch bedecken sollten. Sie hat eine Hand daraufgelegt und versucht verzweifelt, sie geschlossen zu halten, aber es ist deutlich, dass das nicht viel nützt und sie dringend Hilfe braucht.

Ich kauere mich neben sie und streiche ihr sanft die Haare aus dem Gesicht. Sie zuckt zurück.

Auch ich schreie innerlich auf, als ich ihr Gesicht erkenne. Sturmgraue Augen, die noch viel zu wenige Winter gesehen haben, starren mich angsterfüllt an. Dann erkennt sie mich und beruhigt sich etwas.

»Tante … Crystal«, murmelt sie schwach.

Ich atme tief durch, versuche nicht ihre Verletzungen anzustarren und reiße mich zusammen.

»Ich bin bei dir, Gwen«, sage ich zu ihr und bemühe mich, die Bestürzung in meiner Stimme zu verbergen, »aber du musst jetzt stark sein. Hast du schon versucht, dich selbst zu heilen?«

Schwach schüttelt sie den Kopf.

»Gut, dann probieren wir das gleich gemeinsam. Ich bin bei dir, ja?«

Schnell ziehe ich mein Handy aus der Tasche und drücke auf Kurzwahltaste 1. Es dauert nur ein paar Sekunden, bis Soleil ans Telefon geht.

»Wünscht da etwa jemand, den Sonnengott zu sprechen?«, begrüßt er mich neckend.

»Wir haben keine Zeit für so was«, erwidere ich mit fester Stimme. »Ich bin auf einer Lichtung an der Grenze zwischen Herbst und Winter. Gwen ist verletzt, Tessalon kämpft mit einem anderen Bären. Alarmiere die Heiler und die Garde, ich brauche sie hier, sofort!«

Mit diesen Worten lege ich auf. Mir ist bewusst, dass ich in keiner Weise befugt bin, dem Sommerkönig Befehle zu erteilen, und dass ihm das nicht gefallen wird. Andererseits habe ich gerade größere Probleme als Soleils Ego.

Gwendolyn blickt mich immer noch aus großen Augen an und ich lege ihr eine Hand auf den Arm.

»Probiere mal, ob du deine Verletzungen mit meiner Kraft selbst heilen kannst«, weise ich sie an.

Ihre Wunden sind durchaus schwerwiegend und Gwen ist von der Auseinandersetzung mit dem Bären deutlich geschwächt, das merkt man ihr an. Doch sie ist eine Elfe und meine Patentochter. Ich werde nicht zulassen, dass sie stirbt! Ihre Magie und Selbstheilungskräfte sollten – gemeinsam mit meiner Magie – stark genug sein, dass sie sich selbst heilen kann.

Gwen hebt die Hand auf ihrem Bauch ein wenig und keucht unterdrückt, als sie die Wunde sieht. Doch sie beherrscht sich und kneift konzentriert die Augen zusammen.

Nichts geschieht, nichts verändert sich. Ich spüre nicht einmal, dass sie mir Kraft entzieht.

»Verdammt!«, fluche ich und erschrecke Gwen damit. Es ist völlig normal, dass Elfenkinder ihre Magie manchmal nicht aktiv kontrollieren können, aber eigentlich hatten wir beide daran oft genug geübt. Wenn ihre Magie ausgerechnet jetzt verrücktspielt, ist das ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Auch ihre Selbstheilungskräfte scheinen sich heute zu verspäten.

»Na gut«, sage ich, »dann heile ich dich.«

Behutsam nehme ich Gwens Hand von ihrem Bauch und lege sie neben das Mädchen. Dann hebe ich selbst meine Hände über ihren Körper und konzentriere mich auf ihren Verletzungen.

Heile sie, befehle ich meiner Wintermagie und sie gehorcht. Ich fühle, wie die Macht aus mir herausströmt.

Aber meine Magie zeigt keine Wirkung. Es ist, als wäre Gwendolyn gar nicht da, als würde meine Magie direkt durch sie hindurchfließen und dann den Schnee darunter treffen, ohne ihren Körper überhaupt zu berühren. Stirnrunzelnd breche ich ab und versuche es erneut. Weiterhin ohne Wirkung.

Ich beende meine Heilungsversuche und versuche ein Blatt auf dem Boden zu vereisen, um meine Magie zu testen.

Sofort gehorcht mir das Eis und umschließt das Blatt mit einer kalten, glänzenden Schicht.

Doch auch mein nächster Heilungsversuch will nicht funktionieren.

Was ist nur mit meiner Magie los? Wieso gehorcht mir das Eis, aber meine Heilungskräfte tun es nicht? Ich bin die Winterkönigin, meine Magie ist mächtiger als die aller anderen Elfen! Aber warum kann ich sie gerade nicht einsetzen?

»Crystal, es tut so weh«, wimmert Gwendolyn und ich nehme ihre Hand in meine.

»Alles wird gut«, verspreche ich ihr. Meine Magie mag verrücktspielen, aber die Heiler werden bald da sein. Ein letztes Mal versuche ich Gwen zu heilen oder wenigstens ihre Wunde zu vereisen, um die Blutung zu stillen. Als auch das nicht gelingt, reiße ich einen Fetzen von meinem Kleid ab und drücke ihn auf die Wunde.

Ein lautes Brüllen lässt mich herumfahren. Der Bär, der Gwendolyn angegriffen hat, hat Tessalon in die Flanke gebissen und mein Freund versucht verzweifelt ihn abzuschütteln. Auch Gwen hat es gehört und sie umklammert meine Hand fester.

»Geh nicht weg«, bittet sie und ich kann die Furcht in ihren Augen lesen.

Ich sehe von ihr zu dem Bären, der dabei ist, das Fleisch aus Tessalons Flanke herauszubeißen. Tessalon brüllt vor Schmerz und ich richte mich unwillkürlich auf. Gwen umklammert meine Hand fester. Ich muss ihm helfen! Aber wie kann ich das tun, ohne Gwen zurückzulassen? Sie braucht mich ebenso wie er.

Bevor ich eine Entscheidung treffen kann, fliegt ein silberner Eisspeer zwischen den Bäumen hervor und trifft den angreifenden Bären in die Schulter. Er lässt mit einem Knurren von Tessalon ab und versucht das Eis mit dem Maul herauszuziehen. Da trifft ihn ein weiteres Eisgeschoss am Kopf und wirft ihn um, sodass er regungslos am Boden liegen bleibt.

Meine Leibgarde tritt auf die Lichtung, begleitet von zwei Heilern. Einer von ihnen bleibt bei Tessalon, der sich erleichtert abgesetzt hat und seine Wunde leckt, während die anderen der Gruppe sich an meine Seite begeben.

»Eure Majestät«, begrüßt mich meine Erste Leibwächterin Niobe und die Elfen verbeugen sich synchron. Der Heiler Nathanael kniet sich neben mich auf den Boden, um Gwendolyns Wunden zu begutachten.

»Ist alles in Ordnung?«, fragt Niobe besorgt und hilft mir auf.

Meine Stimme klingt etwas zittrig, als ich antworte: »Ich bin unverletzt.«

»Meine Königin«, spricht mich Nathanael an, »habt Ihr nicht versucht sie zu heilen?«

Ich zögere kurz, entscheide jedoch, dass er vertrauenswürdig ist. Immerhin arbeitet er schon lange am Winterhof und hat mir in einigen schwierigen Situationen zur Seite gestanden. »Es ist seltsam. Ich habe es versucht, aber es hat nicht funktioniert.«

Wenn allgemein bekannt würde, dass die Winterkönigin Probleme damit hat, ihre Magie zu kontrollieren, könnte das schwerwiegende Folgen haben. Der Elfenrat könnte diese Schwäche mitbekommen und mich absetzen, wie er schon so oft gedroht hat, um einen Regenten für mich einzusetzen, bis ich 100 Jahre alt bin. Noch schlimmer, ich könnte das Vertrauen meines Volkes verlieren. Ich hoffe inständig, dass meine Magie nur temporär zickt. Denn wenn sie ganz verloren geht, könnte ich vielleicht unfähig werden, mein Volk zu regieren.

Wenigstens würde dann meine Schwester Fyre die königliche Blutlinie erhalten, sodass wir nicht ganz aussterben müssten.

Doch der Heiler nickt verständnisvoll.

»Meine Magie scheint an ihr ebenfalls nicht zu wirken. Leah?«, ruft er der anderen Heilerin zu, während er ein Stück seines Hemds abreißt, um es auf Gwens Wunde zu drücken.

Leah schüttelt den Kopf.

»Ich kann ihm auch nicht helfen«, erwidert sie.

»Es muss an diesem Ort liegen«, sagt Niobe leise.

Alarmiert blicken wir uns um und versuchen etwas Auffälliges zu entdecken. Bis auf die Blutflecke im Schnee liegt die Lichtung still und friedlich da, auch der ohnmächtige Eisbär regt sich nicht.

»Wir verschwinden hier«, befehle ich und gehe voraus Richtung Winterpalast. Nathanael nimmt Gwendolyn auf die Arme, Niobe und ein weiterer Elf packen den ohnmächtigen Bären an den Pranken, um ihn hinter sich herzuschleifen, und Leah stützt Tessalon. Sie alle folgen mir widerspruchslos.

10 km/h

Süden, mit Böen bis zu 12 km/h

Luna

Als das Telefon klingelt, stehe ich unter der Dusche und trällere den Popsong mit, der gerade im Radio läuft. Die meisten glauben ja, wir Feen wären eher wasserscheu. Ich kann verstehen, was zu dieser Annahme geführt hat: Die Flügel auf unserem Rücken, die unsere Rasse von anderen Elfen abgrenzen, sehen aus wie jene von Schmetterlingen und fühlen sich auch meistens so an. Zumindest glaube ich, dass das bei allen Feen der Fall sein sollte, aber wissen kann ich es nicht: Ich bin die letzte und einzige lebende Fee.

Zu meinem Glück sind meine Flügel bei der täglichen Dusche doch etwas wasserresistenter als jene, denen sie ähnlich sehen, nämlich denen des Blauschwarzen Eisvogels, einer Schmetterlingsart. Ebenso wie seine sind meine Flügel auf der dem Rücken abgewandten Seite mitternachtsblau, mit größeren weißen und kleineren schwarzen Punkten sowie einem schwarzweißen Rand. Auf der mir zugewandten Seite haben sie die gleiche tiefrote Farbe wie mein Haar, weisen aber ähnliche weiße und schwarze Punkte wie auf der Rückseite auf. Die Musterung ist wunderschön und was meine Flügel betrifft, bin ich tatsächlich ziemlich eitel. Was den Rest angeht – die roten Haare, die schokoladenbraunen Augen über hohen Wangenknochen, die Stupsnase oder die rosafarbenen Lippen – bin ich eher realistisch. Ich bin ziemlich hübsch, aber beim Vergleich mit Elfen wie beispielsweise Fyre, der Schwester der Winterkönigin, kann ich kaum mithalten.

Meine Flügel aber sind großartig. Sie sind stark genug, um mich im Flug zu tragen, und obwohl sie sich in trockenem Zustand samtig weich anfühlen, sind sie doch wasserabweisend. Außerdem stauben sie nicht wie Schmetterlingsflügel – sonst müsste ich schließlich jeden Tag meine Wohnung wischen.

Jedenfalls genieße ich es sehr, wie das heiße Wasser auf meinen Rücken prasselt, und ignoriere dabei gekonnt das Gejaule, das aus meinem Handy ertönt. Es handelt sich dabei um meinen Klingelton – meine Katze Skye beim Karaokesingen zu hören ist wirklich unschlagbar. Ich habe selten so gelacht wie an diesem Abend, als wir »Singstar« das erste (und leider letzte) Mal ausprobiert haben.

Ein Fauchen aus meinem Zimmer verkündet mir, dass Skye den Klingelton inzwischen auch bemerkt hat und nicht gerade amüsiert ist. Pfoten trappeln über das Linoleum im Flur, als sie ins Bad läuft. Von der Anrichte schnappt sie sich dann das Handy, um es auf den Boden zu legen und die Hülle mit einer gezielten Kralle zu öffnen.

»Ich habe mir erst letzte Woche eine neue Hülle gekauft«, beschwere ich mich bei ihr, als ich sehe, was für einen Kratzer am Verschluss sie dabei verursacht hat.

»Du darfst mich eben nicht so sehr provozieren«, erwidert Skye, ohne mich anzublicken.

Ja, Skye ist eine sprechende Katze und mir ist bewusst, dass das etwas ungewöhnlich ist, selbst in meiner Welt. Meine Tanten, die mittlerweile versteinert sind, haben ihr Leben damit verbracht, Blutdämonen zu erschaffen. Bei Skye ist allerdings irgendetwas schiefgelaufen, sodass sie nicht wie ein roter Geist, sondern wie eine sibirische Waldkatze wirkt – bis auf den Umstand, dass sie sprechen kann und sich selbst für außergewöhnlich intelligent hält.

»Es ist Fyre«, verkündet Skye und sieht erwartungsvoll zu mir hoch.

Seufzend stelle ich die Dusche ab und schnappe mir ein Handtuch. Königliche Anrufer sollte man besser nicht warten lassen.

Fyre und ich kennen uns erst seit einem halben Jahr, als meine Tanten versucht haben, das gesamte Elfenvolk auszulöschen. Da sie sich angesichts ihrer Niederlage gegenseitig versteinert haben, ist sie die einzige Elfe, mit der ich noch regelmäßigen Kontakt pflege.

»Vielleicht hat unser Vermieter sie angerufen«, murmelt Skye und blickt dann erschrocken zu mir hoch. »Ich schwöre, ich habe nichts getan!«

»Was denn?«, frage ich amüsiert und denke daran, wie begeistert Fyre sein wird, sich mal wieder persönlich mit meinem Vermieter zu treffen, um sicherzustellen, dass ich hier bestens behandelt werde. Ihr Erwählter Ciel und sie durften regelmäßig meine Adoptiveltern spielen, damit ich diese Wohnung mieten und rechtskräftig sämtliche Firmen meiner Tanten auflösen oder weiterverkaufen konnte. Fyre hat sich das sehr zu Herzen genommen. Manchmal habe ich das Gefühl, sie denkt, sie müsse sich wirklich um mich kümmern und mir die Mutter ersetzen. Dabei ist sie gerade mal vier Jahre älter als ich.

»Vielleicht«, meint Skye vorsichtig, »ganz vielleicht habe ich neulich, als du in der Uni warst, Guitar Hero gespielt und den Ton auf volle Lautstärke gedreht. Und vielleicht hat sich die Nachbarin beschwert. Aber wirklich nur vielleicht!«

Beim Gedanken an unsere Nachbarin, eine Ärztin, die meist Nachtschichten arbeitet, verziehe ich das Gesicht. Sie ist ziemlich anstrengend – wobei Skyes Aktion zugegebenermaßen auch nicht gerade nachbarschaftsfreundlich ist.

»Wir hätten an einen der Höfe ziehen sollen, als die es uns angeboten haben«, mault Skye angesichts meines tadelnden Blicks.

»Das wäre ja noch schlimmer. Die würden uns bei deinem Guitar-Hero-Talent sofort aus der Gesellschaft ausschließen.«

Nach dem Desaster mit meinen Tanten (ich möchte nicht wirklich darüber reden. Wie fändest du es, wenn die Elfen, die dich großgezogen haben, sich plötzlich als böse herausstellen?) bot Fyre mir an, Gemächer am Winterhof oder ein Haus auf ihrem Anwesen zu beziehen. Aus irgendeinem Grund wollte auch der Sommerkönig mich bei sich im Palast haben. Ich jedoch zog es vor, weiter in der Menschenwelt zu leben, und so schlug ich beide Angebote aus.

Mir gefällt mein Leben hier. In der Welt der Menschen habe ich Freunde und kann dazugehören. Keiner bemerkt die Flügel auf meinem Rücken. So kann ich vorgeben, ein Mensch wie alle anderen zu sein. Ich kann mein Studium abschließen und irgendeine menschliche Karriere beginnen, zumindest so lange, bis jemandem auffällt, dass ich ab meinem 25. Lebensjahr nicht mehr altern werde.

In der Welt der Elfen wäre ich eine Außenseiterin. Ich wäre die einzige lebende Fee, was jeder sofort anhand meiner Flügel feststellen würde. Außerdem wurde ich von meinen Tanten, den Abtrünnigen, großgezogen, die unseren Königsfamilien und der gesamten Elfenwelt schaden wollten. Ich versuche lieber, dieses ganze Geflüster und Getratsche der Elfen über mich nach den Ereignissen von damals zu vergessen und normal zu sein. Soweit das als Fee in der Menschenwelt eben möglich ist.

Ich trockne meine Hände und nehme endlich das Handy entgegen, das Skye mir mit dem Maul hinhält, während es bereits das dritte Mal mit Skyes Gesang losjault.

»Hallo, Fyre, wie geht‘s dem Schnee bei euch?«

Ich höre ein Schnauben am Telefon.

»Ciel ist immer noch nicht begeistert, dass ich meine Hälfte des Schlafzimmers zugeschneit habe.«

Meine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. Fyre und Ciel sind die verliebtesten Wesen, die ich jemals getroffen habe, abgesehen von meinen Freunden Siobhan und Dylan vielleicht.

»Wir sind extra in das Herbsthaus umgezogen, damit wir beide unsere Natur ausleben können. Ich finde, da ist ein bisschen Schnee zu tolerieren nicht zu viel verlangt!«

Ich kichere, als ich mich daran erinnere, wie Fyre letzte Woche darauf reagiert hat, dass Ciel ein Feuer im Kamin machen wollte.

»Wie auch immer, der Grund meines Anrufs ist ernster«, fährt Fyre fort. Sie klingt besorgt, sodass ich aufhorche.

»Was ist passiert?«

»Es gab einen … Vorfall im Winterwald«, erzählt sie vorsichtig, »Gwen, die Patentochter meiner Schwester, wurde von einem Eisbären angegriffen und sie konnte an der Unfallstelle nicht magisch geheilt werden. Ich weiß nicht, ob es ihr inzwischen wieder gut geht.«

Verwirrt runzle ich die Stirn.

»Aber meintest du nicht, die Eisbären wären eure weisen Ratgeber? Und wieso konnte das Mädchen nicht geheilt werden?«

Fyre seufzt.

»Das ist ja das Problem, wir wissen nicht, was los ist«, antwortet sie mit schwerer Stimme. »Pass einfach auf dich auf, in Ordnung?«

»Natürlich«, versichere ich und verabschiede mich.

Die Laune zum Duschen ist mir vergangen, also trockne ich mich ab und steige aus der Kabine. Suchend sehe ich mich nach Skye um, weil ich ihr berichten will, was Fyre erzählt hat. Sie muss aus dem Bad gehuscht sein, während ich telefoniert habe.

»Skye?«, rufe ich, bekomme aber keine Antwort.

Eins nach dem anderen gehe ich jedes meiner Zimmer ab und halte nach dem grauen Flauschball Ausschau. Aber Skye bleibt verschwunden.

10 km/h

Süden

Skye

Was? Du hast dir schon Sorgen um mich gemacht? Ist ja süß. Aber, werter Leser, ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen – immerhin bin ich eine Katze. Ist dir jemals ein majestätischeres oder perfekteres Wesen begegnet?

Keine Sorge, mir auch nicht.

Als Fyre von ihren Wetterdifferenzen mit Ciel erzählt, beschließe ich auf dem Balkon zu warten, während Luna mit ihr telefoniert. Ich meine, ich find's toll, dass Fyre verliebt ist und so weiter, aber muss sie das der ganzen Welt unter die Nase reiben?

Und behaupte jetzt nicht, es wäre größenwahnsinnig, Luna und mich als »die ganze Welt« zu bezeichnen.

Auf jeden Fall muss ich mir dieses Gequatsche nicht anhören, sondern kann ganz in Ruhe auf dem Balkon sitzen und den sehr appetitlichen Spatzen auf dem Baum gegenüber zusehen, wie sie ihren Jungen das Fliegen beibringen. Zugegebenermaßen bekomme ich bei dem Anblick ziemlichen Hunger. Hoffentlich ist Luna bald fertig mit Telefonieren und es gibt Abendessen.

Einen Moment später bereue ich meine Entscheidung, auf den Balkon zu gehen, fast wieder, als Hector auf den Rasen unter mir rennt. Hector, ein grauschwarz getigerter Kater, wohnt bei der Familie ein Stockwerk unter uns.

»Skye!«, schnurrt er, als er mich bemerkt. »Wie schön, dich zu sehen!«

»Danke, gleichfalls«, erwidere ich wenig enthusiastisch. Was ich gegen ihn habe? Na ja, zum einen wäre da seine Ungeduld, dass ich endlich rollig werde. Ich meine, wie widerlich ist das denn? Als ob ich mich, sollte ich jemals diesem Katzentrieb verfallen, jedem dahergelaufenen Kater hingeben würde! Zum anderen hat er die unschöne Angewohnheit, sich immer mitten in der Öffentlichkeit putzen zu müssen und insbesondere seinen Kronjuwelen dabei besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

»Bist du schon rollig?«, fragt er – mal wieder.

»Ich gebe dir Bescheid, wenn es so weit ist«, erwidere ich hoheitsvoll. Niemals. Nicht in diesem Leben.

Hector nickt und beobachtet nun ebenfalls die Vögelchen, von denen die meisten bereits enthusiastisch durch die Luft flattern.

»Meinst du, ich kann einen fangen?«, überlegt er und ich muss mich zusammenreißen, um nicht loszuprusten. Das letzte Mal, als er auf diesen Baum geklettert ist, musste die Feuerwehr kommen, um ihn zu retten.

Scheinbar merkt man mir meine Skepsis an. »Da musst du gerade lachen«, meint Hector beleidigt, »du würdest dich nicht einmal trauen diesen Baum zu betreten.«

Wie sollte ich auch? Vorsichtig tapse ich an den Rand des Balkons. Der nächste Ast, der unter mir hängt, befindet sich bestimmt zwei Meter tiefer. Oder auch nicht, wenn ich überlege, dass unsere Wohnung im ersten Stock vermutlich nicht viel weiter über dem Erdboden liegt.

»Das sind höchstens zehn Zentimeter«, behauptet Hector herausfordernd.

»Ach ja?«, gebe ich zurück. »Und was vermutest du, wie viele Zentimeter dieser Baum insgesamt misst?«

Nachdenklich legt Hector den Kopf schief.

»Weiß nicht«, sagt er, »vielleicht zwanzig?«

Mit skeptisch aufgestelltem Schweif mustere ich den tatsächlich etwa vier Meter hohen Apfelbaum. Hectors Schätzfähigkeiten überzeugen mich nicht gerade. Andererseits hat er mich mit dieser Herausforderung bei meinem Stolz gepackt und er ist immerhin diesen Baum bereits hochgeklettert, wenn er auch dann von der Feuerwehr gerettet werden musste. Doch bin ich nicht viel mutiger als ein Hauskater?

Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen, denke ich ohne mich daran zu stören, dass Hectors Herausforderung nicht unbedingt zu »harten Zeiten« gezählt werden kann. Ich trete mit einer Pfote über den Rand des Balkons und taste prüfend nach dem Ast unter mir.

O je, ich kann nicht hinsehen. Was, wenn ich das Gleichgewicht verliere und mir beim Sturz mein wunderschönes Fell dreckig mache?

Nach einer Unendlichkeit (etwa zwei Sekunden) habe ich die Pfote weit genug herabgeführt, um den Ast unter mir zu spüren. Überrascht blicke ich nach unten und stelle fest, dass der Ast tatsächlich nur etwa zehn Zentimeter tiefer liegt. 1:0 für Hector.

Vorsichtig lasse ich meine zweite Pfote folgen. Keine weiteren Probleme. Mutiger geworden springe ich ganz auf den Ast unter mir.

O NEIN, ER FÄNGT AN ZU WACKELN!

Hastig klammere ich mich an der Rinde fest und bohre meine spitzen Krallen hinein, bis mir auffällt, dass damit meine Maniküre von heute Morgen völlig umsonst gewesen ist. Diese Erkenntnis und der Umstand, dass der Ast sich sofort wieder beruhigt, reißen mich aus meiner Panik und ich sehe mich stolz um.

Ich habe es geschafft! Ich bin auf dem Apfelbaum! Selbstbewusst richte ich mich auf und gehe ein paar Schritte den Ast entlang.

Ich, Skye Sturmtochter, Königin von Meereen (alias Lunas Wohnung) und Eroberin der Sieben Königslande (alias des Apfelbaums), habe gesiegt und meinem Feind, dem Thronräuber (Hector), erfolgreich getrotzt!

Mein Moment des Triumphs nimmt ein wenig dadurch Schaden, dass ich auf einem Büschel Moos ausrutsche und ins Gebüsch unter mir falle.

Kennt ihr das Gerücht, dass eine Katze im Fall immer auf ihren vier Pfoten landet?

Es ist eine Lüge! Hector kichert sich halb zu Tode, während ich mich vom harten Fall auf meinen Bauch, der zum Glück durch einige Äste gedämpft wurde, wieder aufrappele. Was heißt hier zum Glück? Mein Fell ist ruiniert!

Autsch, höre ich da plötzlich eine Stimme in meinem Kopf. Überrascht zucke ich zusammen. Ich habe mit niemandem mehr in Gedanken kommuniziert, seit ich die letzten Kyriaki, die bösen Geschöpfe der Nachtschwestern, vernichtet habe.

Stirnrunzelnd (ja, Katzen haben eine Stirn, danke der Nachfrage) blicke ich mich um und mustere die Äste des Johannisbeerbusches, in den ich gefallen bin. Nach einem kurzen Moment entdecke ich eine Stelle, die dunkler ist als der Schatten des Busches, und ein Paar gelbe Augen, das mich mustert.

Bevor ich allerdings verdauen kann, dass ich vor mir einen schwarzen Kater sehe, kann ich nicht anders, als lauthals zu lachen. Ich bin direkt auf ihn gefallen, was seinem Aussehen nicht gerade gutgetan hat: Sein kurzes schwarzes Fell ist völlig zerzaust und er ist voller Laub.

Das ist nicht lustig, beschwert er sich, während ich beobachte, wie er mit den Krallen die Blätter aus seinem Fell kämmt. Mein Lachen ebbt ab, als ich erkenne, was er wirklich ist: Er sieht aus wie ein Kater, aber er kann in Gedanken mit mir reden. Er ist ein Kyriaki-Kater.

Wie ist das möglich? In all den Jahren, in denen die Nachtschwestern Blutdämonen erschaffen haben, war ich die Einzige, bei der etwas schiefgegangen ist: Aus irgendeinem Grund bekam ich die Form einer Katze und behielt den Verstand und die Erinnerungen aus meinem vorherigen Leben, während alle anderen zu blutrünstigen Geistern wurden, die den Befehlen der Nachtschwestern aufs Wort gehorchten. Und jetzt, ein halbes Jahr nach der Vernichtung des letzten Kyriaki, entdecke ich jemanden, der genau so ist wie ich. Ein äußerst gut aussehender Kater-Kyriaki, wenn ich das bemerken darf.

Und ich dachte, ich müsste mein Leben lang allein sein.

Moment, hier muss etwas faul sein. Bestimmt träume ich oder der Kyriaki-Kater stellt sich als bösartiger, die Gestalt wechselnder Irrwicht heraus. Seit dem dritten Harry Potter habe ich befürchtet, dass Derartiges auch in der Realität existiert.

Misstrauisch trete ich also einen Schritt zurück und stelle meinen Schweif auf.

»Wer bist du?«, frage ich feindselig.

Kein Grund, böse zu werden, murrt der Kater angesichts meiner umgeschlagenen Stimmung, bist du immer so freundlich zu Fremden?

»Ridiculus!«, rufe ich aus und stelle mir den Kater in Lunas Schlafanzug vor. Nichts passiert, außer, dass der Kater mich anstarrt, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Aber hey, ich musste doch sichergehen!

»Mit wem redest du?«, erkundigt sich Hector und steckt seinen Kopf in das Gebüsch. Als er den fremden Kater in seinem Revier entdeckt, faucht er wütend und macht einen Buckel.

Den Kyriaki-Kater interessiert das nicht die Bohne. Er fährt ruhig damit fort, sein Fell zu putzen. Naja, in dem Fall werde ich Hectors Unwillen wohl auch ignorieren.

»Ich rede am liebsten mit meinem Ego«, erwidere ich auf seine Frage, »oder gibt es hier etwa bessere Gesprächspartner?«

Wie wärs mit mir?, schlägt der Kyriaki-Kater vor, du wirkst zwar sehr unhöflich, aber da du die erste andere Kyriaki bist, die ich treffe, wäre ein Gespräch mit dir bestimmt interessant.

Na gut, irgendwie hat er recht. Schließlich ist er auch der erste andere katzenähnliche Kyriaki für mich, den ich treffe, und ehrlich gesagt bin ich ziemlich neugierig, was sich hinter seinem gut aussehenden Äußeren verbirgt.

»Ich gehe jagen«, verkünde ich also Hector und ignoriere sein Angebot mitzukommen.

Der Kyriaki-Kater folgt mir durch die Stadt bis zum nahegelegenen Park, wo ich auf eine Bank springe und mich erhaben hinsetze, aufrecht, die Nase nach oben, den Schweif ordentlich um meinen Körper geschlungen.

Nach einem kurzen Moment muss ich niesen.

Doch nicht ganz so würdevoll, kommentiert der Kater und ich bedenke ihn mit einem bösen Blick.

So, jetzt raus damit, antworte ich ihm und benutze damit zum ersten Mal seit einem halben Jahr wieder meine eigene Gedankenstimme, wer bist du und was hattest du in meinem Garten zu suchen?

Der Kater hebt einen Mundwinkel und lächelt verlegen. Bei diesem Anblick fängt ein Teil von mir – nur ein kleiner Teil natürlich – an ihn anzuschmachten. Ich wusste gar nicht, dass Kater so attraktiv lächeln können!

Mein Name ist Declan, stellt er sich vor und macht eine spöttische Verbeugung, und in deinem Garten habe ich nach dir gesucht.

11 km/h

Süden

Crystal

Der Heiler trägt Gwendolyn in sein Arbeitszimmer und legt sie auf dem Krankenbett ab. Der ganze Raum ist in Grün gehalten, eine grasgrüne Wand, dunkelgrüne Bettwäsche für die vier Krankenbetten und ein olivgrüner Tisch, auf dem allerlei Tinkturen und Pülverchen herumstehen. Das Zimmer bietet viel Platz, Nathanael hat kaum Möbel hineingestellt. Gut so, denn gerade humpelt ein zwei Meter großer Eisbär durch die Tür.

Tessalon bleibt kurz im Eingang stehen und verschnauft, bis er zu einem mintgrünen Teppich schlurft, auf den er sich mit einem dumpfen Geräusch fallen lässt. Mit einem Blick zu Gwendolyn stelle ich sicher, dass Nathanael stärkste Magie einsetzt, um ihre Wunde zu heilen, dann knie ich mich neben den Bären.

»Wie fühlst du dich?«, erkundige ich mich besorgt.

Tessalon brummt nur abwehrend. Dann runzelt er die Stirn und brummt noch einmal.

»Was ist?«, frage ich verwirrt.

Ohne Vorwarnung brüllt er mich an. Ich weiche einen Schritt zurück und bemerke, dass Nathanael alarmiert aufgeblickt hat.

Tessalon wirkt selbst verschreckt und versteckt seine Schnauze in seinem Fell.

Seltsam. Was wohl mit ihm los ist? Aber ich schätze, er hat deutlich gemacht, dass er nicht von mir bemuttert werden will.

»Meine Königin«, grüßt Leah, die andere Heilerin, als sie hereinkommt und sich neben Tessalon setzt.

Nathanael räuspert sich.

»Ja ja, dir auch einen guten Abend«, meint sie genervt.

»Darum geht es nicht«, wehrt Nathanael ab, »ich bräuchte hier etwas Hilfe.«

Verwundert trete ich wieder neben ihn. Nathanael und Leah sind die besten Heiler des Winterhofs, ich kann mir nicht vorstellen, dass Nathanael eine kleine Fleischwunde wie jene von Gwen nicht innerhalb von fünf Minuten heilen kann. Aber als ich Gwen betrachte, die inzwischen ohnmächtig geworden ist, wirkt es so, als hätte er die letzten Minuten nur neben ihr gestanden. Ich könnte schwören, dass er vorher mit seiner Heilungsmagie begonnen hat, aber ihre Kratzer sehen aus wie zuvor und der Stoff, den er auf ihre Bauchwunde gepresst hält, ist bereits von Blut durchtränkt.

»Sie verliert zu viel Blut«, murmelt er, »und sie spricht nicht auf meine Magie an.«

Alarmiert blicke ich von ihm zu Leah, die inzwischen auf seiner anderen Seite steht.

Lag es nicht an meiner Magie, dass ich Gwen nicht heilen konnte? Widersetzt sie sich jeglicher Form von Heilungsmagie? Aber wieso?

»Was ist, wenn es nicht am Ort lag, dass wir die beiden nicht heilen konnten?«, spricht Leah unsere Befürchtungen aus.

Es wäre eine Katastrophe, wenn manche Elfen nicht mehr für Magie empfänglich wären.

»Wir verlieren zu viel Zeit«, verkündet Nathanael und nimmt Gwendolyn wieder auf den Arm. »Ich hole den Erste-Hilfe-Koffer.«

Leah und ich blicken Nathanael überrascht und ein wenig schockiert an. Herkömmliche Behandlungen werden bei uns äußerst selten ausgeführt, da sie schlicht unnötig sind, sofern wir keinen menschlichen Besuch am Winterhof bekommen. In so einem Fall könnte Nathanaels Arbeitszimmer sogar beheizt werden – denn sollten wir hier einen Menschen behandeln müssen, würde er sich in der ewigen Kälte des Winterhofs für gewöhnlich nicht besonders wohl fühlen.

Nach einigen Minuten kehrt Nathanael mit einem Arztkoffer in der Hand zurück und beginnt, sich die nötigen Utensilien zusammenzusuchen, um ihre Wunde zu nähen. Ich weiß, dass der Heiler auch in Allgemeinmedizin ausgezeichnet ausgebildet ist, möchte mir den Anblick allerdings nicht antun. Also trete ich zurück neben Tessalon, der mich erneut anbrummt.

Ich blicke ihn irritiert an. »Wieso sagst du nicht einfach was?«

Er sieht mich mit seinen schwarzen Augen an und brummt erneut, bevor er nickt.

Da dämmert mir etwas.

»Tessalon, kann es sein, dass du nicht mehr sprechen kannst?«

Seine Augen blicken traurig, als er nickt. Ihm entfährt ein leises Stöhnen.

Es ist den Heilern nicht möglich, Gwendolyn oder Tessalon mit Magie zu heilen. Gwens Selbstheilungskräfte sind nicht aktiviert und der Bär kann nicht mehr sprechen. Es ist auch allgemein seltsam, dass ein Winterbär eine Elfe angreift, denn normalerweise sind sie friedliche und weise Tiere. Mir kommt ein schrecklicher Gedanke.

Was, wenn es überhaupt nicht an uns liegt, dass wir die beiden nicht heilen können? Was, wenn ihnen die Magie entzogen wurde – und sie nun ein Leben außerhalb davon führen müssten?

Dann wäre es ein Segen, dass Gwen noch so jung ist. Denn auch unsere Lebensdauer entspringt unserer Magie – ein älterer Elf würde sofort sterben und auch ein Eisbär, der als Winterbär bis zu 300 Jahre alt werden kann und damit seine natürliche Lebensdauer von zwanzig Jahren bereits überschritten hätte.

»Tessalon«, sage ich bestürzt, »meintest du nicht mal, du wärst genau hundert Jahre älter als ich?«

Er nickt traurig. Natürlich ist er deutlich schneller als ich auf dieses Problem gekommen.

Nervös fange ich an, im Krankenzimmer auf und ab zu gehen, während die Heiler sich um Gwen kümmern und Tessalons Blick mir träge folgt.

Es wäre eine Katastrophe, wenn es möglich wäre, einer Elfe oder auch einem Bären die Magie zu entziehen, das, was uns als Elfen ausmacht. Aber wie sollte das funktionieren? Die Magie ist eine unserer wichtigsten Eigenschaften. Sie wird uns von Geburt an gegeben und begleitet uns unser Leben lang, wie ein Arm oder Zehen. Oder ein Muttermal.

Aber haben die Menschen nicht einen Weg gefunden, Muttermale auszulöschen? Was, wenn es auch eine Methode gibt, uns die Magie zu nehmen?

Angenommen, der königlichen Linie würde ihre Magie entzogen, könnte es das Ende für alle Winterelfen sein.

Ich mag mir gar nicht vorstellen, was die Möglichkeit, Magie zu entziehen, für unser Volk bedeuten würde. Neunzig Prozent der Elfen würden bei dem Prozess sterben, da sie bereits älter als die achtzig Jahre sind, die ein Mensch im Schnitt lebt. Ich will mir dieses Schreckensszenario gar nicht erst ausmalen.

Jetzt weiß ich, was ich als Nächstes tun muss, um meine Vermutung zu überprüfen: Ich muss den Eisbären besuchen, der Gwendolyn angegriffen hat.

8 km/h

Südsüdost

Onyx

Ich bin ziemlich überrascht, als Crystals Leibwachen einen bewusstlosen Eisbären in meine Tiergehege schleifen. Nicht unbedingt darüber, dass sie ihn zu mir gebracht haben, schließlich bin ich der fähigste Tierarzt an unserem Hof, ohne eitel klingen zu wollen.

Was mich überrascht ist, dass sie ihn in einen der Käfige ziehen und anschließend zusperren.

Die Erste Leibwächterin, Niobe, kommt zu mir und lehnt sich neben mich an das Gatter, hinter welchem ein Hengst mit Schlafstörungen friedlich schlummert. Sie spielt ein wenig mit ihren schwarzen Haaren, bevor sie mich endlich direkt ansieht. Weniger mich, als meine muskulöse Brust, die man unter dem dünnen Shirt, das ich zum Arbeiten trage, nur allzu deutlich sieht.

Verdammt, ich dachte, das hätte sich längst erledigt.

Ich warte schweigend, bis sie bereit ist, mit mir zu reden.

Sie seufzt kurz und rückt noch etwas näher an mich heran, um mir mit dem Finger über die Bauchmuskeln zu fahren.

»Es ist wirklich jammerschade, weißt du?«, meint sie und schaut mir endlich in die Augen.

»Du weißt, ich suche nicht nach etwas Festem«, erwidere ich und lächle ein wenig, um die Worte abzumildern.

»Dass wir keine Erwählten sind, darauf wäre ich auch gekommen«, antwortet sie trotzig, »aber das heißt ja nicht, dass wir nicht trotzdem unseren Spaß haben können.«

Niobe ist wirklich in Ordnung. Sie war eine der wenigen, mit denen ich mich überhaupt länger als eine Nacht eingelassen habe, da sie von Anfang an verstand, dass Elfen, die keine Erwählte sind, nicht mehr voneinander erwarten sollten als körperliche Leidenschaft. Sie hat auch nie erwogen, dass wir doch füreinander bestimmt sein könnten, und die Sache sogar selbst beendet, als sie dachte, ein anderer Elf könnte dies für sie sein. Leider hat sie recht schnell festgestellt, dass sie sich geirrt hatte, und so bleibt sie weiterhin auf der Suche.

Heute Nacht ist mir gar nicht nach etwas unverfänglichem Spaß. Es war ein langer Tag, heute schien alles verrücktzuspielen: Eisfüchse, die sich in menschlichen Fallen verletzt hatten (ich muss dringend mit Crystal darüber reden), ein Schneehase, der sich den Magen verdorben hat, und eine Eisbärin, die Hilfe bei der Geburt ihrer beiden Jungen brauchte. Und dann noch der erkältete Hengst hinter mir, dessen Besitzerin sich endlich getraut hatte vorbeizukommen. Ich bin erledigt.

»Vielleicht ein andermal«, sage ich also zu Niobe und sie nickt enttäuscht, aber verständnisvoll.

»Der Eisbär hier«, erzählt sie und deutet auf das Tier, das sie soeben eingeschlossen hat, »hat im Wald ein junges Elfenmädchen angegriffen.«

»Wie, der Bär hat eine Elfe angegriffen?«, hake ich überrascht nach. »Du willst mich doch auf den Arm nehmen.«

Sie zuckt mit den Schultern.