Sternenfeuer. Kaiserin der Drachen - Amy Erin Thyndal - E-Book
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Amy Erin Thyndal

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Beschreibung

**Wenn ein Stern zu deinem Schicksal wird** Schon seit ihrer Kindheit ist Xins Leben vorherbestimmt: Als mächtigste Sternentochter ihrer Generation soll sie die nächste Kaiserin von Midland werden und damit die Aufgabe übernehmen, den Menschen als Sonne zu dienen. Doch als der mit ihr verbundene Stern plötzlich verschwindet, scheint ihre Zukunft ungewisser denn je. Entschlossen macht sich Xin auf die Suche nach dem sagenumwobenen Orakel und trifft dabei auf Taron, der sie mit seinen mitternachtsblauen Augen sogleich in den Bann zieht. Und je länger die Sternentochter den Zwängen des kaiserlichen Hofes fernbleibt, desto mehr sehnt sich ihr Herz nach etwas, das nur Taron ihr geben kann. Doch ohne Xin ist Midland dem Untergang geweiht … »Für mich bedeutet, ein Stern zu sein, zu strahlen und die Herzen der Menschen mit Licht zu füllen.« Eine mächtige Sternentochter, die mit ihrem Schicksal hadert, ein attraktiver Fremder mit einem magischen Geheimnis und eine dramatisch-bittersüße Liebesgeschichte. Ein Fantasy-Roman zum Niederknien! //»Sternenfeuer« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Amy Erin Thyndal

Sternenfeuer. Kaiserin der Drachen

**Wenn ein Stern zu deinem Schicksal wird**Schon seit ihrer Kindheit ist Xins Leben vorherbestimmt: Als mächtigste Sternentochter ihrer Generation soll sie die nächste Kaiserin von Midland werden und damit die Aufgabe übernehmen, den Menschen als Sonne zu dienen. Doch als der mit ihr verbundene Stern plötzlich verschwindet, scheint ihre Zukunft ungewisser denn je. Entschlossen macht sich Xin auf die Suche nach dem sagenumwobenen Orakel und trifft dabei auf Taron, der sie mit seinen mitternachtsblauen Augen sogleich in den Bann zieht. Und je länger die Sternentochter den Zwängen des kaiserlichen Hofes fernbleibt, desto mehr sehnt sich ihr Herz nach etwas, das nur Taron ihr geben kann. Doch ohne Xin ist Midland dem Untergang geweiht …

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Buch lesen

Vita

Aussprache der Namen

Danksagung

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© Anna Glatt

Amy Erin Thyndal lässt sich von ihren Freunden gern damit aufziehen, dass sie Bücher doch toller fände als Menschen. Nichtsdestotrotz sind es die Menschen um sie herum, die sie zum Schreiben inspirieren und ihrem Leben das gewisse Etwas verleihen. Und zwischen wissenschaftlichem Labor, Hobbys, Freunden und natürlich der obligatorischen Lesesucht widmet sie sich der großen Liebe – ob in ihren Büchern oder in der echten Welt.

Für meine Mutter, ohne die ich nichts über chinesische Mythen und Legenden wüsste.

Aussprache der Namen

Xin – Shin

Hua – Chwa

Tian – Tjen

Long – Lung

Jia – Tsja

Guangming – Gwang-ming

Qiang – Tschiang

Mingyue – Ming-yö

1

Xin

Ein Stern zu sein bedeutet nicht, einfach nur zu leuchten. Ein kleiner Lichtpunkt in den Nachthimmeln ferner Planeten, der die Dunkelheit abmildert.

Für mich bedeutet ein Stern zu sein, zu strahlen und die Herzen der Menschen mit Licht zu füllen. Denn als Sternentochter habe ich eine besondere Verantwortung. Und wie jede meiner Schwestern das Potenzial, für das Volk zur Sonne zu werden.

Doch dieses überragende Strahlen, das in den Menschen um mich herum Staunen und Ehrfurcht hervorruft, beherrscht immer nur eine von uns. Die Kaiserin leuchtet von innen heller als jede Fackel auf dem Himmelsplatz und überstrahlt alle anderen Sternentöchter. Sie ist diejenige, die ihren Stern zur Erde lenkt und unsere Tage mit Licht erfüllt. Sie ist die stärkste und mächtigste Sternentochter, die Anführerin unseres Reiches.

Auch mir stockt der Atem, als ich beobachte, wie die Kaiserin als Teil der Zeremonie elegant vor ihrem Volk knickst, woraufhin alle Bürger auf die Knie sinken. Ihr inneres Licht strahlt so stark, dass es zu pulsieren scheint.

Ich weiß, was als Nächstes kommt, dennoch ziehe ich scharf die Luft ein, als die Kaiserin den Arm in den Himmel streckt und auf die Sonne zeigt. Auch der Griff um meine Hand wird fester, meine Freundin Tian und sogar Hua wirken völlig gefesselt. Gemeinsam mit den anderen Sternentöchtern, die gerade in der Nordstadt sind, stehen wir hinter der Kaiserin. Ehrenplätze für die Geburt unserer neuesten Schwester.

Gebannt verfolge ich, wie die Kaiserin unsere Sonne in die Mitte des Himmels befiehlt. Sie lässt den Himmelskörper um uns tanzen, bevor sie ihn mit einer Handbewegung wegschickt. Während der helle Feuerball immer kleiner am Himmel wird, bricht Nacht über Midland herein, die Dunkelheit ermächtigt sich unserer Welt, während ihr Stern nur noch als einer von vielen in der schwarzen Finsternis über uns leuchtet.

Wie von selbst flammen die Fackeln am Rand des Platzes auf, doch ich weiß, dass es die Magie der Kaiserin ist, die die Feuer verstärkt und uns die Möglichkeit gibt, das Spektakel weiterzuverfolgen. Die Erschaffung einer neuen Sternentochter.

Eine liebevolle Zärtlichkeit liegt in ihrem Blick, als sie das Neugeborene aus den Armen der jungen Mutter nimmt, die hinter ihr kniet. Sie streichelt dem Baby über die Wange, bevor sie ihm eine Hand auf die Stirn legt und die Augen schließt.

»Jia aus dem Haus Chen der Drachenwahrer …«, sagt sie leise, doch in der Stille des Platzes für alle hörbar. Das Kind gluckst in ihren Armen, während die Kaiserin ihre Augen weiterhin geschlossen hält. Ich frage mich, ob Jia und ich blutsverwandt sind, denn auch ich stamme aus dem Haus Chen. Aber als Sternentochter wird sie mir ohnehin mehr Familie sein, als es meine Verwandtschaft je sein kann, so viel ist sicher.

»Du wurdest auserwählt die nächste Sternentochter zu werden.«

Von einem Moment auf den anderen wird das Kind in ihren Armen still und rührt sich nicht mehr, während ich geradezu spüren kann, wie die Magie es verändert. Wie die Magie aus einem menschlichen Neugeborenen etwas viel Größeres schafft. Wie ein Stern entsteht. Auch Hua nimmt nun meine Hand und ich drücke die Handflächen meiner Freundinnen, während wir beobachten, wie aus Jia eine Sternentochter wird. Eine Rolle, die ihr ganzes Leben bestimmen wird. Sie ist nun eine von uns.

Die Menge hinter uns scheint den Atem anzuhalten, ich höre einige erstaunte Ausrufe von denen, die der Geburt eines Sterns zum ersten Mal beiwohnen. Wie von Geisterhand erlöschen alle Fackeln auf dem Platz auf einmal und ich weiß, dass in diesem Moment in ganz Midland, vermutlich auf der ganzen Welt, das Licht jedes Feuers vergeht. Die Sterne am Himmel beugen sich der Magie und verfinstern sich. Auch das Licht des Mondes, der als dünne Sichel am Himmel steht, verschwindet plötzlich. Dunkelheit umhüllt uns, die von keinem Lichtstrahl durchbrochen wird, bis das Neugeborene in den Armen der Kaiserin ein schwaches Leuchten umhüllt, das in der Dunkelheit hell wie Sonnenlicht ist.

Selbst die Drachenwahrer, die Gelehrten Midlands, wissen nicht wirklich, was bei der Geburt einer Sternentochter geschieht. Ist es die Seele eines Sterns, die Jia erleuchtet und sich nun mit ihr verbindet? Oder wird er tatsächlich in ihr wiedergeboren, wie viele behaupten? Obwohl wir Sternentöchter seit Jahrhunderten ein Teil von Midland sind, gibt es viele Geheimnisse um uns, die nie aufgeklärt werden konnten.

»Wow«, höre ich meine Freundin Tian flüstern, als der Mond wieder zu leuchten beginnt. Nach und nach strahlen auch die Sterne wieder, um uns mit ihrem Licht zu beschenken. Nur Sternenkenner wie ich können erkennen, dass genau ein Stern, dicht neben dem Mond, fehlt.

Doch als genau dieser Stern in einem hellen Rotton aufleuchtet, weiß jeder von uns, welcher Stern zu Jia gehört. Der Stern scheint in Licht zu explodieren und von ihm breitet sich ein roter Schleier über den Nachthimmel aus, bis schließlich eine Sternschnuppe über den Himmel fliegt und der Rotton verschwindet. Neunundzwanzig weitere Sternschnuppen rauschen über den Nachthimmel und ich kann jede einzelne von ihnen einer Sternentochter zuordnen. Selbst jenen, die sich nicht in der Nordstadt aufhalten, sondern sich an der Front befinden oder andere Aufgaben erfüllen. Auch ich habe eine Sternschnuppe erzeugt, die über den Himmel fliegt. Eine Geste des Respekts für unsere neueste Schwester.

Vor uns kehrt das Leben in das Neugeborene zurück, während sein inneres Leuchten langsam verschwindet. Es beginnt zu zappeln und ein Lächeln erscheint auf dem Gesicht der Kaiserin, als sie das Kind seiner Mutter zurückgibt. Jia wird die nächsten Jahre bei ihrer Familie aufwachsen, bis sie alt genug ist, ihre Ausbildung zu beginnen. Aber ihr andersartiges Aussehen kennzeichnet sie bereits als Sternentochter, jeder wird wissen, was ihr Schicksal ist. Denn wir Sternentöchter könnten nie mit gewöhnlichen Midländern verwechselt werden. Unsere blasse Haut und die helleren Haare, die Farbtöne wie Rot, Blond oder Braun annehmen, die in Midland nicht vorkommen, grenzen uns von unserem Volk ab.

Die Kaiserin wendet sich wieder uns zu und streckt eine Hand Richtung Firmament. Es wirkt, als würde sie ihren Stern einfach vom Himmel pflücken und die Sonne wieder an ihren Platz am Abendhimmel zurückstecken. Nur der leichte Schweißfilm an den Schläfen der Kaiserin verrät, wie viel Kraft sie die Zeremonie gekostet hat.

Die Bürger der Nordstadt beginnen zu klatschen und zu jubeln, während die Sternentöchter um mich bereits wieder zurück Richtung Nachtakademie gehen. Meine Freundinnen Tian und Hua werfen mir einen abwartenden Blick zu, aber ich schüttele nur den Kopf und bedeute ihnen, ohne mich weiterzugehen.

Meine Aufmerksamkeit ruht wieder auf der Kaiserin, die schwer atmend an einem Pfeiler am Ende des Platzes lehnt, während ihr Ehemann bereits zu ihr eilt. Schnellen Schrittes gehe ich auf sie zu, aber der Kronprinz überholt uns beide, mich und seinen Vater, um sich neben sie zu stellen und ihren Arm um seinen Nacken zu schlingen.

»Alles in Ordnung, Mutter?«, will er besorgt wissen, doch die Kaiserin schüttelt den Kopf. Ihr Sohn geleitet sie zurück zum Palast, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Stattdessen spüre ich, wie der Kaiser mich ansieht, mit einer Mischung aus Sorge und unterdrücktem Vorwurf.

»Gibt es etwas Neues?«, höre ich mich zaghaft fragen, doch die Trauer in seinem Blick beantwortet meine Frage bereits. Er seufzt schwer.

»Wir sehen uns morgen, Xin«, verabschiedet er sich und folgt seiner Frau und seinem Sohn, sodass ich allein auf dem Platz zurückbleibe. Einsam, trotz der zahlreichen feiernden Menschen hinter mir, die genau wissen, dass sie sich mir nicht nähern dürfen.

Mir, der zukünftigen Kaiserin, die längst den Platz der jetzigen hätte einnehmen sollen.

2

Xin

Als ich die Tür zu unserem Zimmer öffne, sehen Tian und Hua mich ertappt an. Als hätte ich sie dabei erwischt, wie sie über mich reden. Die freundliche Begrüßung erstirbt auf meiner Zunge und ich mustere sie schweigend, während sie einen Blick wechseln.

»Es ist nicht deine Schuld, Xin«, durchbricht Tian schließlich die Stille und zieht mich an der Hand neben sich auf ihre Bettkante.

Ich sehe Hua ihren Zweifel an und seufze auf.

»Himmel, Hua, glaub mir endlich, dass ich niemals etwas tun würde, um meine Zukunft zu gefährden, ebenso wenig wie Long. Er hat mich nie mehr als freundschaftlich berührt.«

Hua zuckt zusammen, als ich ausnahmsweise direkt das Thema anspreche, statt darum herumzureden. Dass ich noch nicht zur Kaiserin gekrönt werden konnte, gibt uns allen Rätsel auf. Fälschlicherweise glauben einige, es würde daran liegen, dass ich mein Keuschheitsgelübde gebrochen hätte.

»Und außer Long?«, fragt Hua zaghaft. Mein böser Blick beantwortet ihre Frage und sie beißt sich auf die Unterlippe.

»Es tut mir leid«, entschuldigt sie sich, »es … es ist nur so schrecklich, es mit anzusehen.«

Ich nicke, während sie sich auf meine andere Seite setzt. Mir ist bewusst, dass ganz Midland diese Zweifel hegt, dennoch tut es weh, wenn selbst eine meiner besten Freundinnen mir nicht vertraut.

Einen langen Augenblick schweigen wir gemeinsam und hängen unseren Gedanken nach, bis Tian sich unvermittelt ihr Kopfkissen schnappt und damit auf Hua einschlägt.

»Misstrauen verstößt gegen den Freundinnen-Kodex!«, verkündet sie fröhlich und Hua duckt sich, um dem nächsten Schlag zu entgehen. Offenbar rechnet sie nicht damit, dass Tian noch weiter zuschlägt, denn sie erhebt sich wieder, sodass sie das Kissen am Kopf trifft und es Federn regnet.

Ich kann nicht anders, als zu kichern.

Das Lachen vergeht mir allerdings, als Tian sich zu mir umdreht und ihr Kissen plötzlich in meine Richtung fliegt.

»Hey!«, rufe ich. »Bei den Sternen, was habe ich denn bitte falsch gemacht?«

»Du machst dir viel zu viele Sorgen!«, behauptet sie, bevor ich das nächste Kissen am Kopf spüre und wegen der Federn niesen muss. Als ich wieder aufblicke, sieht Hua mich belustigt an und ich kann in ihren Augen lesen, dass sie das Gleiche denkt wie ich.

»Kissenschlacht!«, verkünden wir beide gleichzeitig, schnappen uns Kopfkissen und nehmen gemeinsam Tian ins Visier.

»Ihr glaubt, ihr hättet eine Chance?«, höhnt unsere Freundin und teilt mit ihrem Kissen aus, was wir nach Möglichkeit kontern. Ich höre Hua lachen und spüre das Lächeln auf meinem eigenen Gesicht, während ich in dem Moment aufgehe und versuche all meine Sorgen zu vergessen. Für einen Augenblick möchte ich nicht Xin, die zukünftige Kaiserin sein, sondern einfach ein neunzehnjähriges Mädchen, das sich mit seinen beiden besten Freundinnen austobt.

Vor allem versuche ich zu ignorieren, dass wir dieses ganze Federchaos später wieder aufräumen müssen. Unermüdlich prügle ich auf Tian ein und falle schließlich Hua in den Rücken, um auch ihr ein paar Kissenschläge abzugeben. Wir lachen und kämpfen, bis wir völlig erschöpft sind und unsere Kissenschläge sich eher wie Streicheleinheiten anfühlen, so schwach, wie sie sind. Schließlich hebe ich kraftlos die Hände.

»Ich ergebe mich.« Tian kichert.

»Waffenstillstand«, bittet Hua ebenso kraftlos.

»Ihr habt mich herausgefordert, also seid ihr selbst schuld. Ihr müsst eure gerechte Strafe annehmen.«

Tian verpasst jeder von uns noch einen schwachen Schlag mit ihrem Kissen, bevor sie es ebenfalls auf ihr Bett legt und sich selbst darauf fallen lässt.

»Ich glaube, so gut aufgeschüttelt war es lange nicht«, verkündet sie mit einem Gähner.

Mit einer Handbewegung nutzt Hua ihre Magie, um das Federchaos zu beseitigen. Auf meinen vorwurfsvollen Blick, dass sie ihre Magie so verschwendet, zwinkert sie nur und legt sich hin. Ich fühle, wie sich die Müdigkeit auch auf mich herabsenkt.

»Ich habe euch lieb«, flüstert Tian mit schläfriger Stimme. Einen Moment später zeugen leise Schnarcher davon, dass sie eingeschlafen ist.

»Ich euch auch«, murmelt Hua. »Tut mir leid, was ich gesagt habe, Xin.«

»Schon okay«, erwidere ich leise.

Hua schnippt mit den Fingern, um das Sternenlicht in unserem Zimmer zu löschen. Ihr tiefes Atmen verrät mir nach wenigen Minuten, dass auch sie eingeschlafen ist.

Statt mich meiner eigenen Müdigkeit zu ergeben, werde ich mit jedem Wimpernschlag wacher. Ich dachte, dass ich wenigstens heute nach dieser verrückten Schlacht entspannt einschlafen könnte, doch meine Schlaflosigkeit belehrt mich eines Besseren. Mir ist bewusst, dass ich zu einem großen Teil selbst daran schuld bin, doch ich kann nicht anders.

Ich muss mich vergewissern, dass es ihm gut geht.

Lautlos wie eine Katze schlüpfe ich aus meinem Bett. Die Schritte meiner nackten Füße auf dem Holzfußboden sind kaum hörbar, als ich durch unser Zimmer zur Tür gehe und sie langsam öffne, um zu verhindern, dass sie quietscht.

Die Flure der Nachtakademie liegen still und menschenleer da.

Das beinahe schwarze Holz, aus dem die Akademie gebaut ist, sorgt dafür, dass in der Dunkelheit kaum eine Silhouette zu erkennen ist. Es verschluckt das schwache Mond- und Sternenlicht, das durch die vielen Fenster scheint, und sorgt dafür, dass meine Augen mir Streiche spielen. In der tiefen Schwärze ist es nicht schwer, nicht vorhandene Bewegungen und unnatürliche Schatten zu entdecken.

Doch ich habe schon vor langer Zeit gelernt keine Angst in der Dunkelheit zu haben, sondern ihre Sicherheit und Ruhe zu genießen. Kein Geräusch dringt heran, während ich durch die dunklen Flure und über Treppen tapse, deren Stufen ich nicht zu sehen brauche, um ihre exakte Höhe zu wissen. Mir begegnet keine einzige brennende Fackel, während ich zur Bibliothek gehe, selbst die Bibliothekarin scheint schlafen gegangen zu sein. Dunkel reihen sich die Bücher in dem runden, turmhohen Raum bis an das verglaste Dach nebeneinander, durch das ich bereits einige Sterne erkennen kann. Doch das reicht mir nicht.

Ich schleiche zwischen den verwaisten Regalen hindurch bis zu der Bücherleiter am Rand der Bibliothek, die Zugang zu den oberen Reihen an der Wand gewährt. Vorsichtig klettere ich nach oben, meide die morsche Leiterstufe in der Mitte und auch die etwas rutschigen, ausgetretenen Partien. Oben angekommen vergewissere ich mich noch einmal, allein zu sein.

Nun kommt der schwierige Teil. Mit großem Kraftaufwand ziehe ich mich auf das Regal, sodass ich mich darauf aufrichten und das Fenster schräg über mir berühren kann. Ich weiß, dass der Riegel über dem Metall schwer schleift und nicht geölt ist. Also hebe ich ihn ganz leicht an und bewege ihn so langsam wie bei meiner Geduld möglich. Millimeter um Millimeter löst er sich und gibt dabei nur ein kaum hörbares Summen von sich. Dann öffne ich das Fenster sachte nach innen, sodass nichts mehr zwischen mir und meinem Lieblingsort steht. Voller Vorfreude hebe ich mich durch das Fenster auf das Dach und in die Nacht.

Jedes Mal, wenn ich hier oben bin, habe ich das Gefühl, in Sternenlicht zu baden. Dunkelheit ist nicht gleich Dunkelheit und eine sternenklare Nacht ist für mich schöner als der sonnigste Tag. Ich spüre die Helligkeit der Sterne mehr, als ich sie sehe, und ihr Licht beruhigt mich auf eine Art, wie ich mich sonst nie entspannen kann.

Vorsichtig klettere ich über das Dach zu dem kleinen Vorsprung, wo ich mich neben steinernen Drachen und anderen schützenden Skulpturen hinsetze und dann meine Umgebung betrachte. Unter mir erkenne ich die ausladenden Strukturen der Nordstadt, die das gesamte Tal füllen, in der sie gebaut ist, und sich sogar ein wenig über die Berge an den Seiten erstrecken. Fackeln und künstliche Sternenlichter erhellen in regelmäßigen Abständen die Straßen, aufsteigender Rauch von Kaminfeuern zeugt von Menschen, die zu dieser späten Stunde noch wach sind. Ich mustere die Häuser, deren kunstvolle Farben bei Dunkelheit kaum zu erkennen sind, und die einen Kontrast zu den hell erleuchteten, selbst nachts farbenfrohen Tempeln bilden. Der Himmelspalast liegt direkt neben der Nachtakademie und wie von selbst suchen meine Augen das Gebäude nach Longs Fenster ab, das wie so oft noch hell leuchtet. Wieso er wohl noch wach ist? Wird er mir morgen wieder berichten, dass er bis spät in die Nacht gelesen hat?

Obwohl die Aussicht wunderschön ist, sehe ich nach oben in die Nacht. Millionen von Sternen strahlen auf mich herab, funkeln sanft in der Schwärze des Himmels. Ich stelle mir vor, dass sie ebenso neugierig zu mir schauen wie ich zu ihnen. Ob sie wissen, wie das Leben hier unten ist?

Die Mondsichel steht tief am Himmel und ich mustere sie für einen Moment kritisch, bevor mein Blick auf die andere Seite des Himmels wandert. Zielsicher finden meine Augen den Blauen Drachen des Ostens, fokussieren sich auf sein Herz, in dem zwischen zahlreichen anderen Sternen auch ein unscheinbarer, rötlich leuchtender Stern auf mich zu warten scheint. Außer mir würde keiner diesen Stern für besonders halten. Er ist weder sehr groß noch auffällig klein und dazu auch noch schwer zu finden.

Aber er gehört zu mir. Es ist mein Stern, der von da oben zu mir herableuchtet und blinkt, als würde er mir zuzwinkern. Wie immer, wenn ich meinen Blick auf ihn richte, spüre ich diese intensive Verbindung zwischen uns, diese Mischung aus Nähe und Sehnsucht.

»Hallo, Stern«, wispere ich in die Nacht und mein Stern blinkt wie zur Antwort erneut. Eine tiefe Ruhe erfüllt mich, ein innerer Frieden, den ich nur in diesen gemeinsamen Momenten fühle.

»Heute wurde eine weitere Sternentochter geboren«, erzähle ich ihm, »sie heißt Jia und stammt wie ich aus dem Haus der Drachenwahrer. Ich glaube, wir sind sogar verwandt.«

Einen Augenblick lang überlege ich, welche meiner zahlreichen Cousinen wohl Jias Mutter sein könnte, obwohl ich weiß, dass es völlig irrelevant ist. Jia ist nun eine von uns.

»Manchmal frage ich mich, wie es wäre, keine Sternentochter zu sein«, gestehe ich meinem Stern, »sondern ein Mensch mit allen Freiheiten, die dazugehören.«

Das schwache rote Leuchten meines Sterns scheint mitfühlend, als ich darüber nachdenke. Doch ich weiß, dass ich als Mensch ganz anders wäre. Eine Sternentochter zu sein, hat mein Leben und meinen Charakter mehr bestimmt als irgendetwas sonst. Ich bin, wer ich bin, und würde meinen Stern und dieses Leben für nichts in dieser Welt aufgeben.

»Außerdem hätte ich dann nicht dich«, fahre ich laut fort, »und das wäre mit Sicherheit schlimmer, als ich es mir vorstellen kann.«

Wieder blinkt mein Stern und ich seufze.

»Qin geht es immer schlechter«, rutscht es aus mir heraus, bevor ich mich stoppen kann. Ich wollte heute Abend nicht an meine Probleme denken, aber mein Stern entlockt mir meine Sorgen. Ich wünschte, ich könnte etwas tun, um der Kaiserin zu helfen. Böse blicke ich zu der Mondsichel am Horizont, die schuld daran ist, dass ich es nicht kann.

Dass ich nicht den mir bestimmten Platz als ihre Nachfolgerin antreten kann.

Ich seufze schwer und spüre deutlich, dass es mit dem inneren Frieden vorbei ist. Ich werfe einen letzten Blick zu meinem Stern und winke, bevor ich den Rückweg in mein Bett antrete. Sorgen kann ich mir auch alleine machen.

3

Xin

Wie jeden Vormittag bin ich überrascht, dass Meister Lao es auch noch nach zehn Jahren schafft, den Unterricht spannend zu gestalten. Natürlich sind wir über den gewöhnlichen Lehrplan einer zukünftigen Drachenkaiserin längst hinaus, schließlich bin ich drei Jahre älter, als es eine auszubildende Kaiserin vor Amtsantritt je war. Dennoch weiß er mich jeden Tag bei Laune zu halten, sein Wissen scheint unerschöpflich, und er kann mir nach wie vor Neues beibringen. Im Einzelunterricht bei ihm habe ich nicht nur verschiedene Sprachen sprechen und schreiben gelernt, sondern auch Zeichnen, das Schreiben von Gedichten, das Halten von Reden, Geschichte sowie Politik. Die besten Unterrichtsstunden sind allerdings die, in denen wir gemeinsam ein antikes Buch interpretieren, so wie heute.

»Die Liebe der Sonne zur Erde war größer, als ein Sterblicher sich jemals vorstellen konnte«, entziffere ich die kleine Schrift in dem zerfledderten Buch, das Meister Lao ausgewählt hat, »und die Erde erwiderte diese Liebe ebenso.«

Das Buch handelt von der Geschichte unseres Planeten, unseres Seins. Es ist eher erzählerisch gehalten und mir ist durchaus bewusst, dass ich nicht jedes Wort glauben darf, das darin steht. Manche Stellen sind auch ziemlich ausgeschmückt – wer würde jemals glauben, dass Menschen die Tiefsee bereisten oder dass es über fünfzig Länder auf der Welt gab? So winzige Staaten will ich mir nicht einmal vorstellen.

»Es ist seltsam, dass der Autor die Liebe zwischen Sonne und Erde erneut erwähnt«, merkt Meister Lao an und runzelt nachdenklich die Stirn.

»Sie ist immerhin das Fundament unserer Existenz, wenn man dem Buch Glauben schenken darf«, gebe ich zu bedenken.

»Aber wieso ausgerechnet an dieser Stelle?«, will Meister Lao wissen und blättert um. Neugierig wollen wir die nächsten Sätze lesen, blicken jedoch enttäuscht auf die Reste der letzten Seiten, die wohl vor langer Zeit ausgerissen wurden. Auf der Rückseite der letzten Seite ist zudem kaum noch etwas zu entziffern, da jemand sie größtenteils geschwärzt hat.

»Die Sonne und die Erde wurden ihrer Trennung nach dieser langen Zeit müde«, lese ich den einzigen noch lesbaren Satz auf der Seite, etwas in der Mitte. Weiter unten ist das Zeichen für Dunkelheit erkennbar. Was wohl einmal hier stand?

Bevor ich darüber spekulieren kann, unterbricht uns das Läuten der Mittagsglocke und erinnert mich an meine anderen Verpflichtungen.

»Ich muss …«, setze ich an, aber Meister Lao schüttelt nur belustigt den Kopf.

»Ich weiß«, meint er, »geh schon.«

Dankbar mache ich einen Knicks und gehe etwas schneller aus dem Raum als nötig. Nicht, um meinem Lehrer zu entfliehen, sondern weil ich genau weiß, dass Long davor auf mich wartet. Das schiefe Lächeln, das der Kronprinz mir zur Begrüßung zuwirft, lässt mich innerlich ein wenig schmelzen. Wie jedes Mal bei unseren Begegnungen erinnert mich sein Anblick daran, was für ein riesiges Glück ich habe.

»Wie war der Unterricht?«, will Long wissen und bietet mir seinen Arm an, bei dem ich mich vertraulich unterhake. Zusammen gehen wir durch den Palast. Durch sein Hemd hindurch kann ich seine Wärme spüren und wie immer macht mich jeglicher Körperkontakt mit ihm seltsam aufgeregt. Ich kann es kaum erwarten, bis wir endlich gekrönt werden.

»Gut, wie immer«, erwidere ich auf Longs Frage und versuche mir von meiner inneren Aufregung nichts anmerken zu lassen. »Meister Lao hat wieder ein antikes Buch aus der Bibliothek mitgebracht.«

Long nickt lächelnd, aber ein wenig abwesend, und ich mustere ihn genauer.

»Du siehst müde aus«, bemerke ich und er seufzt.

»Auch ich habe viele der antiken Bücher gelesen«, erklärt er, ohne mich anzusehen.

Eine unangenehme Stille breitet sich zwischen uns aus, in der wir vermutlich beide an den Umstand denken, den wir nach wie vor nicht ändern können. Diese verdammte Mondsichel, die jede Nacht erhellt.

Long schüttelt sich und zwingt wieder ein Lächeln auf sein Gesicht.

»Lass uns über etwas Erfreulicheres sprechen«, meint er, während wir zum kaiserlichen Speisezimmer einbiegen und ich bereits seine Eltern am Tisch sitzen sehe, die sich vertraut unterhalten.

»Was weißt du über die diplomatische Delegation von Atlas?«, ist das einzige Thema, das mir spontan einfällt.

»Wie immer ist Prinz Tuca ihr Anführer«, nennt Long den jüngsten der zwölf atlaischen Prinzen, »und er hat zehn Berater dabei, dazu hundert Wachmänner. Diesmal hat er allerdings auch einen Freund als Botschafter mitgebracht, was mich persönlich sehr überrascht hat.«

»Einen Freund?«, hake ich nach. Unterstellt Long ihm gerade …? Nein, das kann nicht sein. Die atlaische Gesetzgebung ist meines Wissens nach sehr streng in dieser Hinsicht, im Gegensatz zur midländischen.

Long schüttelt den Kopf.

»Nicht das, was du denkst«, winkt er ab, »das Seltsame daran ist nur, dass die beiden überhaupt nicht vertraut miteinander umgehen, mehr wie zwei Fremde, die sich gerade erst getroffen haben. Es wirkt, als stecke viel mehr hinter diesem sogenannten Freund, als die Atlaer uns anvertrauen wollen.«

»Hm«, mache ich nachdenklich, »ich werde heute Abend darauf achten.«

»Danke«, erwidert Long, »es ist schön, dass ich immer auf dich zählen kann.«

Sein zärtlicher Blick erwärmt mein Innerstes.

»Wie war dein Unterricht, Liebes?«, unterbricht die Kaiserin den Moment und uns bleibt nichts anderes übrig, als uns zu Longs Eltern an den Tisch zu setzen.

4

Xin

Nach dem Essen beginnt die Ratsversammlung. Wie immer sitzen die Minister bereits am Tisch und unterhalten sich leise miteinander. Sobald sie jedoch den Drachenkaiser bemerken, erheben sich alle im Saal respektvoll.

»Meine Freunde«, begrüßt der Kaiser die Anwesenden, bevor er ans Kopfende des Tisches geht, der den Raum dominiert. Sobald er sich auf dem prachtvoll geschmückten Stuhl niederlässt, setzen sich auch die Minister wieder, und einen Moment später ihre Schützlinge, wie auch ich und Long. Nur ein Minister fehlt noch, der Oberste Drachenwahrer, der Anführer der Gelehrten dieses Reichs.

Mein Vater.

Bevor ich mir allerdings Sorgen machen kann, öffnet sich die Tür am Ende des Raumes und mein Vater und mein Bruder stürmen herein, offensichtlich in Eile. Beide verbeugen sich tief, sobald sie den Kaiser sehen.

»Euer Ehren«, begrüßt ihn mein Vater, »bitte verzeiht unsere Verspätung. Wir haben wichtige Erkenntnisse aus den Büchern überprüft, die unsere Spione in Latium gestohlen haben.«

Ich kann spüren, wie die Spannung im Raum steigt, und auch meine Neugier wächst. Die Drachenwahrer suchen bereits seit Jahren nach dem Grund, warum ich nicht gekrönt werden kann und warum der Neumond nicht zurückkehrt. Was haben die beiden herausgefunden?

»Setzt euch«, sagt der Kaiser nachsichtig, »wir werden den Bericht über eure Erkenntnisse in die Tagesordnung aufnehmen.«

Auffordernd blickt er den Sitzungsmeister rechts von sich an, während mein Vater und mein Bruder zu ihren Plätzen schreiten. Wie immer begrüßt mich mein Vater mit einem sanften Lächeln und mein Bruder zwinkert mir sogar zu. Zwar sind wir blutsverwandt, aber ich gehöre in erster Linie zur Nachtakademie und nicht zu ihnen, da ich eine Sternentochter bin. Obwohl wir keine richtige Familie sind, wärmt es mein Herz, dass sie mich noch immer anerkennen.

Der Sitzungsmeister erhebt sich und verliest die Tagesordnung. Natürlich hat er den spannendsten Teil ganz ans Ende gestellt. Ich unterdrücke einen kleinen Seufzer. Auch Long neben mir wirkt ungeduldig, aber keiner der Minister erhebt Einspruch, weshalb wir wohl warten müssen.

Der Ernteminister erhebt sich als Erstes und verliest die diesjährigen Zahlen. Diese verschwimmen mit den Berichten der anderen Minister, denen ich kaum folgen kann, so sehr brenne ich auf die Informationen der Drachenwahrer.

Nur der Militärministerin und der Ministerin für internationale Beziehungen lausche ich aufmerksam. Sie verlesen den Bündnisvertrag, den Atlas uns vorschlägt. Er klingt viel zu gut, um wahr zu sein.

Zum Schluss erhebt sich dann endlich mein Vater und blickt in die Runde. Er wirkt nachdenklich.

»Sollen wir eure neuesten Erkenntnisse erst in einer kleinen Runde besprechen?«, schlägt der Kaiser vor, der sein Zögern offensichtlich auch bemerkt hat. Mein Vater jedoch schüttelt den Kopf und blickt mich an. Für mich ist die Botschaft eindeutig – er will, dass auch ich aus erster Hand erfahre, was sie herausfinden konnten. Bei einer kleinen Runde würde man mich nach draußen bitten.

»Eines der Bücher aus Latium beschreibt die große Dunkelheit und das, was danach kam, viel ausführlicher als unsere eigenen Aufzeichnungen«, verkündet er schließlich und fesselt damit alle Aufmerksamkeit an sich.

Midland weiß nur noch wenig über dieses finstere Zeitalter, da die große Bibliothek in der Südstadt kurz danach abgebrannt ist und mit ihr die meisten Werke, die sich mit der Zeit vor den Sternentöchtern beschäftigten.

»Damals standen Latium und Midland angeblich in engem Kontakt und der Verfasser des Werks berichtet nicht nur von den vergeblichen Lösungsversuchen Latiums, sondern auch von einigen staatsinternen Krisen Midlands. Obwohl Midland damals die fortschrittlichste Nation der Welt war, dauerte es Jahre, bis sie eine Lösung fanden. Jahre, in denen das Sonnenlicht immer schwächer wurde und viele Leben erloschen.«

Unwillkürlich blicke ich nach draußen, wo die Sonne beruhigend auf die Gärten scheint. Obwohl ich die Dunkelheit der Nacht mag, will ich mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, Jahre in Dämmerlicht oder gar Dunkelheit zu verbringen.

»Dabei wussten die Drachenwahrer schon lange, wie sie Sternentöchter schaffen könnten. Doch sie fürchteten den Zorn des Himmels heraufzubeschwören, sollten sie so anmaßend sein einen Stern sterblich zu machen.«

»Den Zorn des Himmels?«, echot der Umweltminister irritiert.

Ich bin froh, dass er fragt, denn ich selbst hätte es nicht gewagt, meinen Vater zu unterbrechen.

»Die Menschen damals glaubten an ein Gleichgewicht aus Himmel und Erde, aus Tag und Nacht und suchten lieber Zuflucht in Gebeten, als etwas daran zu zerstören. In dem Buch gibt es Erzählungen von Zeiten, in denen die Menschen zu anmaßend waren und Himmel und Erde herausforderten, woraufhin sie schrecklich bestraft wurden. Der Verfasser mutmaßt sogar, dass die große Dunkelheit selbst eine Bestrafung für die Schwäche der Menschheit gewesen sei.«

Er blickt in die Runde, bevor er fortfährt.

»Schließlich waren die Drachenwahrer Midlands so verzweifelt, dass sie das lang gehütete Wissen trotz der möglichen Risiken anwandten. Die erste Sternentochter wurde geboren.«

»Ri«, murmle ich leise und schlage mir erschrocken die Hand vor den Mund, da ich in dieser Runde eigentlich nicht sprechen darf. Doch mein Vater blickt zu mir und nickt.

»Ri, die große Heldin unseres Reiches«, bestätigt er, »die erste Sonne und eine große Kaiserin. Doch unsere Legenden beginnen stets mit einer erwachsenen Sternentochter und das Buch aus Latium erklärt, warum.«

Diese Aussage bringt meine Gedanken für einen Moment zum Straucheln. Soeben sprach mein Vater von der Geburt der ersten Sternentochter. Doch er hat recht, die alten Geschichten erzählen nur von einer starken, erwachsenen Ri, die ihre Kräfte einsetzte, um unsere Erde zu retten. Keine spricht von ihrer Erschaffung als Sternentochter, ihrer Kindheit, den ersten Auswirkungen ihrer Magie, bevor sie unsere Nation rettete.

Was geschah in den Jahren dazwischen?

»Obwohl die Drachenwahrer wussten, dass eine Sternentochter über große Kräfte verfügt, konnte Ri diese in ihrer Kindheit laut dem Verfasser nicht einsetzen. So sehr sie sich auch anstrengte, sie besaß keinerlei Macht über das Feuer, das Licht oder gar die Sterne.«

Die Anspannung im Raum ist geradezu spürbar. Würde ein Passant diese Geschichte auf der Straße erzählen, würde er des Hochverrats angeklagt. Ri ist eine Heldin, eine Heilige, der Grundstein unserer Nation und die Aussage, sie sei einst machtlos gewesen …

Mein Vater blickt einmal in die Runde, bevor er fortfährt: »Scheinbar erschien eine seltsame Höhle im Zentrum Midlands, aus der Erde erhoben, wo zuvor nur Wald und Grasland war. Nur wenige, die die Höhle erkundeten, kehrten zurück und erzählten von einem Eingang zu einer anderen Welt, den ein geheimnisvolles Wesen bewachte. Seine Stimme verriet ihnen Weisheiten und half jenen, die es für würdig befand, nicht nur aus der Höhle hinaus, sondern auch dabei, den richtigen Weg für ihr zukünftiges Leben zu finden.«

»Ihr sprecht vom Orakel«, stellt der Kaiser fest. »Ich dachte, es wäre schon immer ein Teil Midlands gewesen.«

Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als mein Vater nickt. So viele Geschichten ranken sich um das Orakel, so viele Geheimnisse. Es wird erzählt, dass es jeden frisst, der es wagt, sich ihm zu nähern, und es nicht einmal die Seele wieder freigibt. Dass es einem Todesurteil gleichkommt, seine Höhle zu betreten. Dennoch wagen es immer wieder ein paar Mutige, ihm ihre Fragen zu stellen. Die Menschen, die zurückkehren, scheinen danach vom Glück verfolgt. Freunde und Familie berichten jedoch davon, wie sehr sie sich verändert haben, dass sie kaum wiederzuerkennen sind.

Der Rat hat in den vergangenen Jahren mehrfach diskutiert, ob wir eine Delegation hinschicken und das Orakel um Hilfe bitten sollen, doch es gibt gute Gründe, das nicht zu tun.

Auch die Minister am Tisch scheinen wenig begeistert von der Erwähnung des Orakels und beginnen besorgt miteinander zu diskutieren. Trotz der offensichtlichen Unruhe im Saal fährt mein Vater fort und mit seinen nächsten Worten werden alle still: »Es war eine Neumondnacht, als Ri das Orakel besuchte. Es war auch eine Neumondnacht, als Midland auf Anweisung des Orakels hundert Jungfrauen opferte, die die Höhle des Orakels betraten und nie wieder gesehen wurden.«

Die geschockte Stille im Raum ist so dick, dass es sich anhört wie der Schuss einer Kanonenkugel, als der Federkiel eines Ministers leise zu Boden fällt. Die Anwesenden tauschen entsetzte Blicke und auch ich fühle mich in einer erschrockenen Starre gefangen.

Hundert Jungfrauen opfern? Ist das sein Ernst?

Der Kaiser ist der Erste, der sich wieder rührt. Er räuspert sich, bevor er in einem angewiderten Tonfall fragt: »Ihr schlagt vor, dass wir hundert Jungfrauen opfern, und das wegen eines wenig vertrauenswürdigen Buches, das jahrhundertealt ist?«

»Ich sage nicht, dass wir das tun sollten, Eure Majestät. Es ist das, was in dem Buch beschrieben wird, und trotz allem bin ich mir sicher, dass der Rat das wissen sollte.«

Der Kaiser erhebt sich unvermittelt. Die Anspannung in der Luft ist deutlich fühlbar, keiner weiß, wie der Kaiser reagieren wird. Obwohl er für gewöhnlich wenig temperamentvoll ist, steht ihm der Ärger deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich bin mir sicher, dass mein Vater die Wahrheit gesprochen hat, nur helfen will, aber ich kann auch verstehen, dass der Kaiser aufgebracht ist. Dieser Vorschlag ist so furchtbar, dass er überhaupt nicht ausgesprochen werden sollte. Sind wir so verzweifelt, dass wir etwas Derartiges in Betracht ziehen würden?

5

Hua

»Was sind die dunklen Jahre?«

Überrascht blicke ich zu Guangming, die sich aus der Gruppe ihrer spielenden Schwestern entfernt hat, um zu mir zu kommen. Sie streckt ihre kleinen Hände nach oben und entlockt mir damit ein Lächeln, als ich sie hochnehme und auf meinen Schoß setze. Mit einem prüfenden Blick auf meine anderen Schülerinnen, die ich als Hüterin in Ausbildung betreue, vergewissere ich mich, dass sie beschäftigt sind, bevor ich mich ihr ganz zuwende.

»Wer hat dir von den dunklen Jahren erzählt?«, stelle ich Guangming eine Gegenfrage. Die Geschichte von Ri und dem, was davor kam, ist eigentlich erst für das siebte Lebensjahr einer Sternentochter geplant, und selbst dann bekommen viele noch Albträume davon. Ein Land ohne Sonne … Selbst jetzt verfolgt der Gedanke mich manchmal in der Nacht.

»Qiang hat darüber mit ihren Freundinnen geredet«, erwidert Guangming und ich seufze.

»Du sollst doch nicht lauschen«, tadele ich sie. Guangming sieht verletzt aus ihren großen, blauen Augen zu mir hoch.

»Entschuldige dich später bei Qiang«, befehle ich ihr und sie nickt widerwillig.

»Aber was sind sie denn nun?«, hakt sie trotzdem nach. Vermutlich weiß sie, dass ich ihr nie wirklich böse sein kann, und ist deshalb nicht allzu gekränkt über meinen Tadel.

Nachdenklich mustere ich das Mädchen und überlege, was ich nun machen soll. Ihre Frage unbeantwortet lassen und sie wieder zum Spielen schicken? Oder riskieren, dass sie in den nächsten Wochen keinen Schlaf findet?

»Bitte, erzähl es mir«, unterstreicht Guangming ihre Frage. Ich kenne sie gut genug, um zu wissen, dass sie keine Ruhe geben wird, bis sie eine zufriedenstellende Antwort erhalten hat.

»Na gut«, gebe ich nach, »aber erzähl es noch nicht deinen Schwestern, ja? Es ist eine gruselige Geschichte und ich will nicht, dass ihr alle Albträume bekommt.«

»Ich bin zu mutig für Albträume«, verkündet Guangming voller Inbrunst und bringt mich damit wieder zum Lächeln. Wenn ich das Glück hätte, Kinder zu bekommen, würde ich mir wünschen, dass sie genauso süß wie sie wären.

Nur werde ich nie welche haben. Ich verdränge die düsteren Gedanken an meine Zukunft und versuche mich daran zu erinnern, wie die Hüterin mir damals die Geschichte erzählt hat, die unser Land wie keine andere geprägt hat.

»Vor vielen Jahren, als es noch keine Sternentöchter gab«, beginne ich.

Guangming unterbricht mich sogleich ungläubig: »Es gab eine Zeit ohne Sternentöchter?«

Ich nicke nur und fahre fort: »Damals lebten die Menschen sorglos und zufrieden, denn dieselbe Sonne erhellte ihren Himmel über Jahrtausende. Ohne dass es eine Kaiserin gab, ging die Sonne jeden Tag auf und unter und war immer stark. Die Sterne waren ferne Feuerbälle am Himmel, für die sich die Menschen wenig interessierten, und alles war gut.«

Guangming verzieht das Gesicht.

»Ich möchte die Wahrheit hören, kein Märchen.«

»In jedem Märchen steckt ein Funken Wahrheit«, widerspreche ich ihr, »und in diesem findest du unsere. Ich war nicht dabei, aber das ist die Geschichte, die wir Sternentöchter uns seit Jahrhunderten erzählen.«

Guangming wirkt nachdenklich, nickt dann aber zum Zeichen, dass ich weitererzählen soll.

»Die meisten Menschen damals hatten keinen Sinn für den Himmel, keinen Glauben und keinen Respekt. Die Macht, alles zu tun, stieg ihnen zu Kopf und sie führten einen Krieg, der Tausende von Leben kostete. Angeblich wurde unsere Welt damals fast völlig zerstört und der Anblick war so schrecklich, dass die Sonne zu weinen begann, sodass die Tränen ihre Flammen erstickten. Das Sonnenlicht wurde immer schwächer und verschwand schließlich, bis nur noch Dunkelheit herrschte. Das ist es, was wir die dunklen Jahre nennen.«

Guangming hängt gebannt an meinen Lippen, wenn auch ein wenig erschrocken, und ich frage mich, ob ich das Ende der Geschichte ihr zuliebe ein wenig abändern sollte. Wie viele Sternentöchter dieses Märchen im Laufe der Jahrzehnte wohl genau aus diesem Grund verändert haben? Vielleicht hat Guangming recht und es ist nur eine Legende mit wenig Wahrheitsgehalt. Doch es ist unsere Legende.

»Während unsere Welt langsam starb, fanden die Drachenwahrer Midlands einen Weg, uns zu retten. Mit der alten Magie verzauberten sie ein Kind, sodass es zur ersten Sternentochter wurde. Ri, die erste Sonne, die Heldin Midlands.«