Sommertage in Estland - Lutz Dettmann - E-Book

Sommertage in Estland E-Book

Lutz Dettmann

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Beschreibung

Im Juli 2000 fährt der Autor mit Frau und beiden Kindern mit der Fähre nach Tallinn, um seinen estnischen Freund Valdur und dessen Familie zu besuchen. Er lernte Valdur als 13-jähriger Schüler kennen, als er bei einer DDR-Freundschaftsreise im Jahre 1974 dessen Familie als Gastfamilie zugeteilt bekam. Zwei Wochen Urlaub verleben beide Familien gemeinsam in Estland. Der Autor lässt uns teilhaben an der mehrtägigen Reise zur Ostseeinsel Hiiumaa, die sie intensiv durchstreifen. Zurück in Tallinn, wird das übrige Estland in Tagesausflügen erkundet: die Ordensburgen in Toolse und Rakvere, die Hermannsburg, Ivangorod, Narva, die Burg von Paide, Schloss Kadriorg, die Altstadt von Tallinn, die unter Denkmalschutz stehende Stadt Kohtla-Järve, die Mitte der 1950er Jahre erbaut wurde, … Die Reise ist zugleich ein Exkurs in die wechselvolle Geschichte des Landes. Sie führt den Leser zu den Spuren der dänischen, deutschen, russischen und sowjetischen Besatzung. Ordensburgen, Schlösser, estnische Dörfer, historische Altstädte, aber auch alte Bunkeranlagen und zahlreiche Reste sowjetischer Militäranlagen werden nacherlebbar beschrieben. Der Autor schildert die nahezu unberührte Natur und idyllische Dörfer, in denen das Leben scheinbar stehengebleiben ist, aber auch leerstehende Industriestandorte aus Sowjetzeiten und die beginnenden Veränderungen unter dem Einfluss des Westens. Und immer wieder die Gastfreundschaft und Wärme der befreundeten Familie, deren Verwandte und Freunde.

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Impressum

Lutz Dettmann

Sommertage in Estland

Aufzeichnungen einer Reise

Das Buch erschien erstmals 2002 im Stock & Stein Verlag Schwerin.

ISBN 978-3-95655-709-5 (E-Book)

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

Foto: Liane Römer

© 2017 EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de

Für Tiina und Raivo und Erika, ohne die diese Aufzeichnungen nicht entstanden wären.

Es gibt Reisen, die man wieder und wieder macht, wie Bücher, die man liest, oder Musik, die man hört, wie Gesichter, die man sieht, Menschen die man spricht und jedes Mal ist etwas verändert und etwas gleich geblieben.(William Saroyan, Die Ganze Welt und der Himmel selbst)

Freitag, 28. Juli 2000

Der Himmel ist wolkenverhangen. Seit Stunden gießt es wie aus Kübeln.

Sommer 2000 - Oktoberwetter im Juli!

„Na dann, schönen Urlaub. Und ihr wisst ja, wenn Engel reisen ....“ Der telefonische Gruß eines Freundes heute Morgen, mehr Ironie als ehrlicher Wunsch.

Egal, wir haben Urlaub - 14 Tage nach Estland. Die erste Reise seit 1995. Freunde werden auf uns warten. Wir sind gespannt, wie sich das Land verändert hat, wissen, dass wir wieder viel erleben werden. Und da hat man gute Laune, auch wenn es in Strömen regnet.

Die B104 ist voller Fahrzeuge. Ferienzeit gleich Reisezeit; Wohnmobile mit Elchaufklebern, Mützenfahrer, Urlauber mit fremden Kennzeichen, die sich die Gegend mit Tempo 80 ansehen. Mecklenburg ist sooo schön! Da muss man schauen und staunen und langsam fahren, denn die Eindrücke müssen sofort ausgewertet werden.

Egal, wir haben Urlaub und viel Zeit, bis unsere Fähre von Rostock fährt.

Es gießt noch immer. Also wird vorsichtiger gefahren, und der Polo ist sowieso schwer mit Koffern und vier Personen beladen. Er hat keinen Urlaub!

Vor Brüel reißt einem BMW-Fahrer der Geduldsfaden. Er beginnt die Kolonne zu überholen. Natürlich kommt Gegenverkehr, und er muss wieder zurück in die Reihe. Und natürlich vor uns, wo auch sonst. Vollbremsung! Nicht aufregen, wir haben ja schließlich Urlaub.

Hinter Brüel reißt die Wolkendecke kurzzeitig auf. Die Kolonne reißt auch - freie Fahrt für freie Bürger. Bis Sternberg, denn vor den Schranken ist ein Stau. Wir müssen halten. In affenartiger Geschwindigkeit laufen zwei Jugendliche über die Straße und verschwinden zwischen den Bäumen auf dem Judenberg. Seltsam! Warum die wohl so rennen müssen?

Und auch einige Fahrer vor uns gestikulieren und sind aufgeregt. Da kommt auch schon die Ursache angeschnauft: Zwei etwas wohlbeleibte Justizbeamte jagen mit hochrotem Kopf an uns vorbei und haben die Verfolgung aufgenommen.

Sommer 2000 irgendwo in Mecklenburg. Da kann man was erleben!

Und wieder Regen! Bloß weg von hier! Aber die Europawetterkarte hat auch heute Morgen für Estland nicht besseres Wetter angesagt. Wie gesagt: Wenn Engel reisen!

In Kavelstorf, bei den Schwiegereltern, werden die Koffer umgeladen. Nun hat auch unser Polo Urlaub.

Stau! Wir stehen auf der Autobahn, die berühmte Jahresbaustelle vor Rostock. Aber wir haben noch so viel Zeit! Die Fähre fährt erst um 17.30 Uhr vom Seehafen. Im Radio wird von der Flucht der beiden berichtet. Ferienstau vor Rügen, Staus um Rostock. Das Übliche! Weg von hier, in die Ruhe, in die Einsamkeit.

Im Regen laden wir unsere Koffer aus.

Das freundliche Mädchen der Silja-Line übergibt uns die Bordkarten. Sie lächelt noch einmal und wünscht uns schönes Wetter für unseren Urlaub. Ihre Worte in Gottes Gehörgang, und wir sind gerettet und haben 14 Tage blauen Himmel. Kann der Himmel über Estland überhaupt so lange ohne Wolken sein? Erinnern können wir uns jedenfalls nicht.

Völlig durchnässt schleppen wir unsere Sachen in das Zollterminal. 17.00 - Gedränge vor der Passkontrolle, aber kein Zöllner in Sicht. Wir leben ja im neuen Europa-Spiel und Reisen ohne Grenzen. Vor uns die Reihe der Shuttle-Busse. Pfützen auf dem Asphalt. Noch einmal Gedränge.

Wir wuchten unsere Koffer die Gangway hoch.

Hannes reißt der Henkel der Reisetasche. Noch einmal Stress. Ein Offizier begrüßt uns an Bord. Ein Blitzlicht flammt auf, denn der Bordfotograf muss auch leben.

Die schweren Koffer müssen durch die engen Gänge gewuchtet werden. Schon wieder Gedränge, jemand schimpft - aber ich kann ihn nicht verstehen. Endlich, unsere Kabine. Mit Blick nach draußen! Regenschwerer Himmel und Herbstlicht.

Wir verstauen die Koffer und lassen uns erst einmal auf die Betten fallen. Geschafft! Urlaub!

Unser Schiff ist riesig, jedenfalls für uns Schiffsneulinge. Vor der Information studieren wir die technischen Daten der „Finnjet“. 214 Meter Länge, 25 Meter Breite, 32940 BRT.

Schon beeindruckend! Als ehemaliger Schweriner Schüler weiß ich natürlich noch, dass unser damaliges Patenschiff 10000 BRT hatte. Und was wurde damals für ein Rummel darum gemacht! Glanzlicht des DDR-Schiffbaus und so. Na gut, dass ist ja auch schon fast ewig her.

30,5 Knoten Geschwindigkeit. Das sind ca. 56 km/h. Morgen Nachmittag 14.00 Uhr sind wir in Tallinn.

Ich stehe mit Erika an der Reling. Unter uns zittert das Deck. Die Schiffsmotoren scheinen mit voller Kraft zu arbeiten. Diesig ist es, und der Regen fällt noch immer. Das Schiff zieht einen langen Streifen aufgewühlte See hinter dem Heck her. Irgendwo in der grauen See verläuft er sich. In der Ferne verschwinden die Kräne des Hafens. Rostocks Kirchen sind nicht mehr zu sehen. Uns fröstelt. Über den Schornsteinen reißt der Himmel etwas auf. Ein azurblauer Schimmer leuchtet. Na bitte, haben die Wünsche doch ein offenes Ohr gefunden!

Wir gehen auf Deck 5, an die Bar. Bis um 20.00 Uhr gibt es dort Getränke zum halben Preis.

Und hier tobt das Leben! Die Plätze sind alle besetzt. Eine Gruppe Finnen macht eine Druckbetankung. Wir ergattern beide noch einen engen Platz am Tresen. Auch unsere Kinder tauchen auf, sind ganz voll von den Eindrücken, die sie auf dem Schiff gesammelt haben.

„Also, ein Campari, ein Bier und zwei Cola, bitte.“

„Prost, auf unseren Urlaub!“

Und wir lassen die Finnen, und die anderen trinkfreudigen Völker alleine zurück.

Sonnabend, 29, Juli 2000

Wie ein Stein geschlafen! Aber der Rest der Familie ist noch besser als ich. Tief und fest schlafen sie den Schlaf der Gerechten. Die Sonne lugt durch einen schmalen Spalt am Rollo vorbei in die Kabine. Draußen ist strahlend blauer Himmel und die Morgensonne spiegelt sich auf dem Wasser vieltausendfach. Na also, es geht doch! Solch Wetter 14 Tage!

Unter mir vibriert leicht das Schiff. Es ist erst sechs Uhr. Kein Bootsmann mit der Pfeife wird uns wecken. Ich schnappe mir unseren Estland-Reiseführer und blättere in ihm. Bei den Bildern von Tallinn bleibe ich hängen.

Zum vierten Mal besuche ich nun diese Stadt.

1974, ich war 13, kam ich mit dem Freundschaftszug nach Tallinn. Wir waren vorher einige Tage in Moskau gewesen. Man kurvte uns durch die Stadt, Leninmuseum, Allunions-Ausstellung, Roter Platz. Lenin bekamen wir nicht zu sehen, er wurde gerade renoviert. Aber sonst, alles wollte man uns Pionieren und FDJlern zeigen. Wir waren erschlagen von der Größe Moskaus!

Alles war überdimensional: Die Zuckerbäcker-Universität, der Prunk der Metrostationen, die riesigen Plätze.

Sterne aus Putz an den Gebäuden, als Mosaik in den Metrostationen, der leuchtende Stern auf dem Spasski-Turm der Kremlmauer. Sterne auf Plakaten - überall Sterne.

Bleibende Kindheitserinnerung von Moskau: Die Getränkeautomaten auf den Plätzen. Für eine Kopeke füllte sich der von Tausenden Zähnen zerbissene Plastebecher mit Mineralwasser. Der Durst war so groß, doch ich konnte mich nie überwinden, aus diesen Bechern zu trinken! Moskau kam mir so fremd vor!

Und dann Tallinn. Ich fühlte mich sofort heimisch. Diese Stadt erinnerte mich an Rostock: Die alten Hansekirchen, die wundervolle Altstadt, aber auch die riesigen Neubauviertel. Standen ähnliche Bauten nicht auch in Schwerin und Rostock?

Wir wurden aufgeteilt und kamen zu Gasteltern. Sofort wurde ich in die Familie aufgenommen. Valdur, der Sohn meiner Quartiereltern zeigte mir die Stadt, und am Abend führten wir lange Gespräche.

Und manchmal zweifelte ich, denn was mir dort erzählt wurde, passte nicht in das Bild, welches uns in der Schule und im Vorbereitungslager vermittelt worden war. Von einem gewaltsamen Anschluss an die UdSSR war nie die Rede gewesen, und von Massenverhaftungen und Deportationen schon gar nicht. Irgendwie stimmte da etwas nicht!

Egal, die Tage in Tallinn vergingen wie im Flug. Der Abschied fiel uns allen schwer. Große Wiedersehensschwüre wurden gesprochen, wir wollten uns schreiben.

Und wirklich, zwei Jahre später kam Valdur im Jugendaustausch nach Schwerin. Wir schrieben uns weiter, wurden älter, die Verbindung riss schließlich für Jahre ab.

Aber immer, wenn im Fernsehen oder Radio das Wort Estland fiel, wurde ich aufmerksam.

1989 bekam ich beim Umzug Valdurs alte Adresse in die Hände. Neugierde trieb mich, ihm zu schreiben. Und nach Wochen kam Antwort! Die Post hatte schier Unmögliches geleistet, denn seine Eltern waren inzwischen mehrmals umgezogen.

1991, Estland war inzwischen wieder frei, besuchte er uns mit seiner Frau, dann fuhren wir nach Tallinn. Und so hat sich der Kontakt gefestigt, wurde zu einer Freundschaft.

Wenn dies unsere ehemaligen Genossen Staatsoberhäupter wüssten! So haben sie ihr Ziel doch noch erreicht: Freundschaft mit den Völkern der Sowjetunion. Gut, die Völkerfamilie gibt es ja nun nicht mehr.

Aber, dass unsere Völkerfreundschaft 1993 auch für einen Westautokauf herhalten musste, daran haben unsere weisen Führer wohl auch nicht in ihren kühnsten Träumen gedacht.

Kurz nach acht. Bewegung auf dem Schiff und in der Kabine. Kinderlachen, draußen im Kabinengang. Heute Nachmittag sind wir in Tallinn. Die Vorfreude wird größer.

Im Restaurant beim Frühstück herrscht ein babylonisches Sprachengewirr: Russen, Engländer, Deutsche, auch finnische Laute. Esten werden sicher auch unter den Passagieren sein. Aber meine entwöhnten Ohren können noch nicht die estnischen von den finnischen Lauten trennen.

Durch die großen Panoramascheiben sieht man das glitzernde Meer. Einige Küstenmotorschiffe sind weit entfernt zu sehen. Dort hinten, das müsste die schwedische Küste sein. Oder sind wir schon weiter? Wir wissen es nicht. Die Kellnerinnen sind freundlich. Das Büfett quillt über. Viel Fisch, Garnelen, eingelegter Hering. Mein Geschmack, auch am Morgen. Aber meine Familie steht mehr auf süße Sachen, und die Gesichter verziehen sich, als ich mit meinem Teller an unseren Tisch komme.

Später, wir wollen auf das Panoramadeck, herrscht Gedränge auf Deck 5. Der Tax-free-Shop hat geöffnet und befindet sich fest in finnischer Hand.

Es werden Alkohol und Zigaretten gebunkert. Die Preise für Schnaps, trotz Zollfreiheit, für uns jenseits von Gut und Böse.

An Bord der Finnjet herrscht nicht nur die finnische Zeit, sondern herrschen auch finnische Preise. Nun können wir auch verstehen, warum die Finnen gestern an der Bar so zuschlugen.

Die Zeit will und will nicht vergehen. Dann vor dem Mittag, wir lassen es ausfallen, denn das Frühstück war so reichlich, ein estnischer Sender im Kabinenradio. Na also, das Ziel ist nicht mehr weit. Jede halbe Stunde läuft ein Titel von Tina Turner im Radio. In Tallinn scheint das Turner-Fieber ausgebrochen sein.

Kurz vor 13.00 Uhr - ein Knacken im Lautsprecher. Eine weibliche Stimme kündigt dreisprachig an, dass wir in einer Stunde in Tallinn einlaufen.

Gemeinsames Uhrenzurückstellen, denn in Estland herrscht in diesem Jahr die MEZ.

Alleine stehe ich an der Reling. Vor mir das estnische Festland: Wälder, ein kleiner Hafen, Funkmasten, nicht weit von uns ein Segler, und vor mir tauchen die Türme Tallinns auf.

Ich freue mich und bin in diesem Moment glücklich. Vorfreude auf die Freunde, Vorfreude auf das Land, das ich so mag!

Rechtzeitig schleppen wir unsere Bagage zum Ausgang. Dort steht nur ein kleines Häuflein, denn die meisten Passagiere fahren nach Helsinki weiter. Einige deutsche Urlauber wollen eine Stadtrundfahrt durch Tallinn machen und auf der Rückfahrt wieder zusteigen.

Ich stehe mit Erika am Fenster, und nun ist die Silhouette Tallinns deutlich zu erkennen.

Der hohe Turm der Olaikirche, der Dom, die Umrisse des Dombergs. Die Kuppeln der orthodoxen Kirche leuchten. Der Lange Hermann ist zu erkennen. Die estnische Flagge sieht man über seinen Zinnen flattern. Wir sind aufgeregt. Immer wieder begeistert mich die einmalige Silhouette der alten Stadt. Und so schön, vom Wasser aus, haben wir sie noch nie gesehen. Sohn und Tochter interessiert das alles nicht. Sie sitzen auf den Koffern, haben ihre Gameboys vernetzt und spielen gegeneinander. So ist sie, die Jugend von heute!

Das riesige Schiff legt ganz sanft an. Die Tür zur Gangway wird geöffnet, und es muss wieder gedrängelt werden. Doch wir lassen uns Zeit.

Vorfreude ist schließlich die schönste Freude, und unsere Ruhe wird belohnt: Rike findet auf dem Boden einen zerknüllten 50-Finnmarkschein. Taschengeld für die Rückfahrt. Denn wie sollen wir den Verlierer ausfindig machen?

Wir sind in Tallinn! Und Tallinn hat sich verändert. Das sehen wir schon, als wir auf der Gangway sind. Durch ein Hunderte Meter langes Gängelabyrinth wird unsere Gruppe in das Terminal gelotst. Die Anlage ist neu und klinisch rein. Tallinn ist Fährzentrum geworden. Sechs Schiffe liegen im Fährhafen.

Dann die Passkontrolle. Vor fünf Jahren nahm uns die Beamtin am Flughafen noch 50 DM für mein Visum ab. Heute, ein kurzer Blick auf das Bild im Pass, ein freundliches Lächeln, dann der Stempel. Das war’s! Estland will Mitglied der Europäischen Union werden und gibt sich schon jetzt fast grenzenlos. Kein Zoll - keine Koffer auspacken. Nur ein freundliches Lächeln.

Willkommen in Estland!

Und da steht Valdur mit seiner Tochter Madli, und beide strahlen über das ganze Gesicht. Auch wir strahlen, gegenseitiges auf die Schulter Klopfen und Drücken.

Willkommen bei Freunden!

Die Koffer werden in Valdurs Opel verstaut, und ab geht die Fahrt durch die Stadt.

Riina, Valdurs Frau, und Miriam, die kleine Tochter, warten schon auf uns.

Ich sitze auf dem Beifahrersitz und komme aus dem Staunen nicht heraus. Überall neue Häuser, alte Gebäude, vor fünf Jahren wirkten viele nur noch reif für die Abrissbirne, sind renoviert.

Aber durch die frischen Farben und den neuen Putz fallen die alten, noch baufälligen Häuser nun noch mehr auf.

Auch hier das gleiche Problem wie bei uns: Ungeklärte Eigentumsverhältnisse und fehlendes Geld der Eigentümer. Aber Tallinn hat sich gemacht! Die Stadt lebt; das spüren wir sofort. Boomtown, immerhin leben hier über 400 000 Menschen, knapp ein Drittel aller Esten. Der Straßenverkehr ist dicht, BMW, neue Typen, ältere Marken. Man scheint hier auf deutsche Autos zu stehen. Viele Fords, und unsere Opel Kadetts, die aus dem Schweriner Stadtbild fast gänzlich verschwunden sind, hier fahren sie.

„Und wenn der Audi 15 Jahre alt ist, egal! Alles eine Sache des Geldbeutels. Hauptsache der Wagen fährt und kommt durch den TÜV. Denn die wilden Zeiten sind in Estland schon lange vorbei. Fast –“ und Valdur grinst.

Unser Fahrer mauschelt sich durch den dichten Straßenverkehr in Richtung Pirita. Rechts die chinesische Botschaft, die Botschaft Weißrusslands. Und an jeder Haltestelle große Poster von Tina Turner. Sie gibt am 12.08. ein großes Konzert auf der Sängerwiese, erzählt unser Fahrer. Die Stadt wird weiter, die Häuser weichen zurück. Rechts leuchtet der alte Giebel des Pirita-Klosters, gegenüber befindet sich der Olympiadejachthafen. Auch in Tallinn gibt es viel Geld. Dicht an dicht dümpeln große Segeljachten an der Mole. Wir sehen noch einmal unsere Fähre. Weit draußen hat sie nun Kurs auf Helsinki genommen.

Neben dem alten Kloster Pirita, das während des Livländischen Krieges zerstört wurde, soll wieder ein neues Kloster für 20 Nonnen bis zum Juli 2001 errichtet werden.

Die Straße, die Grünanlagen zwischen den Spuren, alles wirkt gepflegt. Auch die riesige Anlage des Mahnmals aus sowjetischer Zeit macht vom Auto aus einen ordentlichen Eindruck. Vor der hohen weißen Stele liegt ein frischer Kranz. Valdur zieht die Schultern hoch, als müsste er sich dafür entschuldigen.

„Es wohnen ja auch viele Russen in Tallinn.“

Das Stadtzentrum liegt hinter uns. Auf der linken Seite glänzt die Ostsee. Gegenüber sind Parkanlagen, Grünflächen, kleine Waldstücke. Hinter ihnen befinden sich Villen, übersichtliche Wohnanlagen. Ein Schild an der Straße: "Ranniku tee". Valdur biegt ab. Hier wohnt er mit seiner Familie. Die Straße ist schmal. Auf beiden Seiten neue, für deutsche Verhältnisse große Häuser. Für estnische Verhältnisse normal, findet Valdur. Hausbau ist hier nicht so teuer. Und außerdem wohnen hier nun Geldleute. Dort ein Schrotthändler. Vor dem Tor parkt ein Jaguar. Ein riesiger Hund hält Wache.

Auch mit Schrott lässt sich gut Geld machen. Überall sind Bauplätze. Wir biegen noch einmal ab. Wieder eine neue Villa - mit Tennisanlage. Wieder ein Geldmann, der hier wohnt.

Das Altersheim, das gegenüber von Valdurs Block liegt, ist für den sprichwörtlichen Apfel mit Ei an deutsche Investoren verkauft worden. Sie wollen das Altersheim nun auf Vordermann bringen. Ob dort dann auch noch alte Leute wohnen werden?

Unser Wagen hält vor Valdurs Wohnblock. Das Haus ist nicht groß, sechs, vielleicht acht Familien wohnen hier. Die Mieter konnten ihre Wohnungen günstig kaufen. Valdur ist froh darüber, denn das Bauland in Tallinn ist teuer geworden.

Und dann empfangen uns Riina und Miriam an der Wohnungstür.

Miriam begrüßt uns. Beim letzten Besuch war sie gerade geboren. Kinder aller Länder vereinigt euch, oder besser, vereint vor dem Computer! Madli zeigt ihr neues Spiel, und sofort ist die Verbindung hergestellt. Wo die Sprache nicht reicht, werden die Hände genommen. Unsere Kinder sitzen zusammen, als ob sie sich jeden Tag treffen würden.

Und auch die Erwachsenen sitzen bis spät in die Nacht - erzählen, essen und trinken. Und wir fühlen uns sofort wieder wohl bei ihnen.

Sonntag, 30. Juli 2000

Über Tallinn ist der Himmel noch grau, und die Sonne hat Mühe, durch den Wolkenschleier zu dringen. Doch draußen über der Ostsee leuchtet der Himmel in makellosem Blau.

„Typisches Tallinnwetter“, meint Valdur nur.

„Aber in zwei Stunden wird der Himmel ohne eine Wolke sein.“ Doch er scheint nicht recht zu bekommen; der Himmel ist auch nach drei Stunden noch bleiern.

Wir wollen in die Altstadt fahren, bummeln, in die Läden schauen. Falls es regnet, können wir noch immer schnell flüchten.

Die Kinder sind von einem Stadtbummel nicht so richtig begeistert.

„Sicher wieder den ganzen Tag laufen und ein Museum nach dem anderen. Wir kennen euch doch“, wird gemault.

Egal, da müssen sie durch. Gameboy kann auch zu Hause gespielt werden.

Ich bin gespannt, wie sich die Innenstadt in fünf Jahren verändert hat, ob sie ihr altes, einmaliges Flair erhalten konnte.

Wir parken unsere Autos, ich habe den Ford von Valdurs Vater, auf dem Freiheitsplatz. Der Platz liegt am Rande der Altstadt. Er wird von Gebäuden aus den zwanziger und dreißiger Jahren gesäumt. An der Nordseite befand sich bis zum Ende des Krieges das berühmte „Café Feischner“ An seiner Ostseite reckt sich die Johanneskirche in den Himmel.

Wir steigen die Treppe zum Domberg hinauf. „Kiek in de Kök“, der mächtige Kanonenturm neben der Stadtmauer, wacht hier. Die Türme der alten Mauer haben drollige Namen: „Dicke Margarethe“, „Langer Hermann“ und „Kiek in de Kök“, von dem man früher wirklich in die Küchen der benachbarten Häuser schauen konnte. Die alten Wallanlagen an der Westseite des Dombergs sind nun Park geworden. Hoch ragt das graue Steinmassiv des Dombergs über uns. Wir steigen die Patkul Treppe hinauf und befinden uns auf dem Plateau.

Und nun holt uns die Vergangenheit ein.

Tallinn ist eine alte Stadt. 1154 erstmals als Kalevan erwähnt, hat sie viele Herren gehabt, die ihren Stempel der Stadt aufdrückten. Anfang des 13. Jahrhunderts landeten vor Tallinn die Dänen. Sie wollten die alte estnische Burg Lyndanise erobern, um von hier aus die Esten gewaltsam zu christianisieren.

Die Sage berichtet, dass der Kampf sehr blutig war. Das Kriegsglück schwankte hin und her. Schließlich glaubten die Dänen sich schon verloren. Ihr Führer, Bischof Andreas, sendete ein Stoßgebet zum Himmel, und plötzlich öffnete sich der Himmel und eine rote Fahne mit weißem Kreuz fiel in seine Hände. Die Dänen fassten wieder Mut und gewannen den Kampf. So erhielten die Dänen ihre Nationalfahne - den Danebrog. Und soweit die Sage.

Die estnische Burg trugen die Dänen ab und errichteten an derselben Stelle eine neue, feste Burg. Diese Dänenburg (tanni linn) gab der Stadt ihren späteren Namen. Die Dänen hatten ihre Befestigung auf einem Kalksteinplateau, welches hoch über der Tallinner Bucht liegt, errichtet. Diese Burg wurde nun das Zentrum des alten Estlands. 1219 nahm der Bischof von Estland auf ihr Sitz. Der Dombau begann. Ritter, Knechte, dann Handwerker, folgten. Sie siedelten am Fuße des Berges, und so erhielt Tallinn (damals Reval) seine noch heute erkennbare Doppelgestalt: Oben auf dem Berg die kirchliche, später weltliche Macht; unten die wachsende und aufblühende Stadt mit ihrem Hafen. Beide misstrauten einander. Starke Mauern und Tore, sie existieren zum größten Teil noch heute, sicherten die Stadt auch zum Domberg.

Gilden bildeten sich, Kaufleute kamen, und ab 1265 war die Stadt selbstständig, wurde von einem Rat regiert.

Doch die Dänen blieben nicht lange auf dem Domberg sitzen. Sie wurden von dem deutschen Schwertbrüderorden unter Bischof Albert vertrieben.

Deutsche Handwerker zogen nach Reval. Der Bau der Nikolaikirche (Niguliste kirik), als kirchliches Zentrum der Bürger in der Unterstadt begann. Sie erhielten Privilegien, drängten die Esten in ihrer Stellung zurück.

Auch Estland wurde mit Kreuz und Schwert bekehrt. Alt-Livland, so der damalige Name, war nun nördlichste Provinz des Heiligen Reiches Deutscher Nation.

1285 wurde Reval Mitglied der Hanse. Die Stadt blühte weiter auf. Prächtige Bürgerhäuser entstanden, die Straßen wurden befestigt und ihre Verteidigungsanlagen erweitert. Reichtum zieht bekanntlich Neider an!

Die Herren auf der Burg wechselten, doch Reval entwickelte sich weiter, wurde zum Knotenpunkt für den Salzhandel nach Russland. Im 16. Jahrhundert zählte es mit 7- bis 8000 Einwohnern zu den größten Städten Nordeuropas. Sogar Stockholm musste einige Zeit Steuern an Reval zahlen.

Doch kein Reichtum hält ewig, die Macht der Hanse ging zurück, und auch der wirtschaftliche Abstieg Revals begann. Die Stadt hatte sich zu sehr auf den Osthandel spezialisiert; der Handel mit Salz brachte kaum noch Gewinne. Die Stadt verarmte zusehends. Und das ist das große Glück für den heutigen Betrachter! Denn in der Altstadt wurde nichts abgerissen, besser, konnte nichts abgerissen werden. Es war ganz einfach kein Geld für neue Bauten übrig.

Wir stehen am Mauerring, der den Domberg (Toompea) sicherte und schauen auf das Panorama der mittelalterlichen Unterstadt. Schroff fällt der graue Felsen unter uns ab. Der Domberg galt als uneinnehmbar. Ich glaube es, wenn ich die Höhe der grauen Mauern und den Abhang unter mir sehe. Neben uns ein alter Gebäudeteil der Regierungskanzlei. Die Fassade klassizistisch gegliedert, im Giebel das frisch restaurierte Wappen der estnischen Republik. Die blau-schwarz-weiße Fahne hängt schlaff am Mast. Die Beamten werden einen herrlichen Blick aus ihren Fenstern auf die Altstadt haben, wenn sie denn Zeit dafür haben, bei ihrer vielen Arbeit. Hinter uns der Stand eines Ansichtskartenverkäufers. Der alte Mann spricht englisch und deutsch, versichert sein Schild. Russisch wird er sicher auch können. Aber russisch hört man in Tallinn nur noch auf den Märkten oder aus Touristenmündern. Bei den Esten ist die Sprache unbeliebt, gilt noch immer als die Sprache der Besatzer.

Blick vom Domberg auf die Altstadt (Im Hintergrund die Olaikirche)

Das kleine Café fügt sich in die alte Mauer ein. Davor werden Aquarelle angeboten. Für die Reisegruppen ist es noch zu früh, wir sind die einzigen Fremden. Aber man lässt uns in Ruhe. Keine geschäftliche Aufdringlichkeit.

Ich schaue auf die Dächer der Unterstadt. Niemand spricht, alle genießen das einmalige Panorama. Der Blick von hier oben ist herrlich. Weit hinten sieht man den grünen Saum der Tallinner Bucht. Die Ostsee zieht sich dicht an die Stadt heran. Kräne sind zu sehen, der Schornstein eines Schiffes. Vor uns das einmalige Panorama der Altstadt! Hoch ragt der grüne Turm der St. Olaikirche (Oleviste Kirik) in den Himmel. Im Mittelalter wurde er für das höchste Bauwerk der Welt gehalten. Damals war der Turm 159 Meter hoch. Blitzschlag und Feuer vernichteten ihn. Nun misst er noch stattliche 124 Meter.

Die Kirche ist nach ihrem Erbauer Olev benannt. Er hatte von der Stadt den Auftrag bekommen, einen Kirchturm zu bauen, der höher als der Domberg werden sollte. Das Werk war fast vollbracht, als er von der Turmspitze stürzte. Einziger Sinn dieses mittelalterlichen Arbeitsunfalls: Durch den tödlichen Sturz ist sein Name der Nachwelt überliefert.

Vor dem mächtigen Körper der Olaikirche wirkt der kleine, barocke Turm des Klosters Sankt Michael klein und verspielt. Überhaupt ist die Altstadt reich an Türmen: die Kirchen, das Rathaus, die mächtigen Türme der alten Stadtmauer. Viele Turmspitzen sind mit alten Wetterfahnen verziert. Eng wirken die Gassen von hier oben. Die Dächer der Mauertürme leuchten im kräftigen Rot. Die Mauer zieht sich wie ein graues Band, von Straßen und Gassen unterbrochen, durch die Stadt.

Blechdächer, vom Alter oxidierte grüne Kupferdächer, rote Dachpfannen, das Gewirr der Gassen, alles liegt unter uns. Links von uns die Wallanlagen. Frisch geschnitten leuchtet das Grün der Rasenflächen. Ein Blick in die Jahrhunderte, wenn nicht die Satellitenschüsseln auf einigen Dächern zu sehen wären.

Aber ich muss ehrlich sein. Ich betrüge mich selbst etwas. Man sieht auch sonst, dass Tallinn eine Stadt des 21.Jahrhunderts ist. Neue Hotels gibt es und Bankgebäude als Zeichen der neuen Zeit. Draußen vor der Altstadt tobt der Fahrzeugverkehr.

Man kann über die Stadt nicht eine Käseglocke stülpen und sagen: „Stop, wir schreiben 1600 oder 1800, hier bleibt alles beim Alten.“ Die Altstadt ist auch heute noch wunderschön! Dieses Flair kann der schönste Geldtempel aus Glas und Stahl nicht verströmen. Wir streifen über den Domberg, wollen in den Dom, der nicht die Mächtigkeit anderer nördlicher Dome hat.

Hell, von Bäumen umgeben, steht er friedlich da; strahlt nicht die Allmacht, manchmal schon Gigantomie, anderer nordischer Dome aus. Wird dieser Eindruck vielleicht auch durch die verspielte barocke Kuppel des Turmes hervorgerufen?

Im Dom ist Gottesdienst. Wir wollen nicht stören; wir kennen den Dom auch, würden aber doch gerne noch einmal die alten Epitaphe und Grabmäler bewundern. Das reinste „Who is who?“ der baltischen Geschichte. Ich könnte Seiten füllen. Wen es interessiert: Darüber gibt es Bücher.

Toom-Kooli, in dieser Gasse ist das Mittelalter fast gegenwärtig: Kleine, verwinkelte Höfe, windschiefe Häuser, mit kleinen Fenstern. An den Toreinfahrten alte Prellsteine - schön anzusehen.

Wo ist das alte Mütterchen, das, ein Kissen auf dem Fensterbrett, neben sich eine Katze, immer aus dem Fenster schaut? Gehören sie nicht in dieses alte Haus? So ist es doch immer auf den Bildern! Ich würde sie gerne grüßen. Sicher könnte sie noch deutsch. Trotzdem, so malerisch die Häuser aussehen, ich möchte nicht darin wohnen!

1,86 Meter Körpergröße, bei 2,00 Meter Deckenhöhe! Da kommen alte Erinnerungen an eine KWV-Torwegwohnung, die wir einst bewohnten.

Die Kinder werden pflasterlahm. („Haben wir doch vorher schon gewusst! Immer dieses Gerenne!“) Also eine schnellere Gangart; wir sind nicht zum letzten Mal hier.

Der Schlossplatz vor der kleinen Burg. Er wurde Ende des 18. Jahrhunderts angelegt. Am Westrand, als Teil der kleinen Burg, Schloss Toompea, früher Sitz der Gouvernementsverwaltung, dann der bürgerlichen Regierung, für einige Monate Sitz des Sowjets, für einige Jahre der deutschen Besatzer, dann für Jahrzehnte wieder Sitz der sowjetischen Teilregierung, und endlich wieder Regierungssitz einer freien Republik. Auch Häuser können geduldig sein!

Trotz der Umgestaltungen der jeweiligen Herren sind Teile der kleinen Burg noch erhalten.

„Landskrone“, „Pilsticker“ und der „Lange Hermann“ sind die Namen der Türme. Der „Lange Hermann“ ist, salopp gesagt, der politische Turm der Burg. Über seinen Zinnen weht das Banner der jeweiligen Burgherren. Nun wieder, nach 50 Jahren, Blau-Schwarz-Weiß.

Vor uns das eigenartigste Gebäude des Dombergs. Mächtig reckt die Alexander-Newski-Kathedrale ihre orthodoxen Kuppeln in den Ostseehimmel. Sie ist ein Geschenk des letzten Zaren aller Reußen an seine estnischen Untertanen. Die Kirche ist wohl mehr erhobener Zarenzeigefinger als huldvolles Geschenk gewesen. Ihre unmittelbare Nähe zum Dom, Alexander Newski schlug 1242 den Deutschen Orden, und die politischen Inhalte einiger Malereien verstärken diesen Eindruck.

Altstadtwinkel - Am Beginn der Laboratoriumstraße

Politik hin oder her. Egal, die Kirche ist wunderschön in ihrem fremdländischen Stil. Nur der Standort ist falsch gewählt. 300 Kilometer weiter östlich hätten sich wohl mehr Menschen über dieses Zarengeschenk gefreut.

Mag der Domberg noch so schön sein. Uns ziehen prosaische Dinge in Richtung Rathausplatz: Durst! Und darum sind wir uns auch in der Richtung einig. Auf dem Markt gibt es etwas zu trinken!

Valdur ist diese Straßen schon zigmal gelaufen. Er hat heute kein Auge für ihre Schönheit und mag uns nichts mehr erklären. Also schnappe ich mir den DuMont und übernehme die Führung. Wenn man die Oberstadt über den Langen Domberg verlässt, wird einem der festungsartige Charakter des Dombergs besonders bewusst. Steil, durch ein Tor gesichert, führt die enge Straße in die Altstadt hinab. Die Straße wird von grauen Mauern gesichert. Überhaupt sind Tallinns Mauern grau, aus Muschelkalkplatten errichtet, wie auch große Teile der Altstadt. Die Stadt steht auf Muschelkalk. Der Lange Domberg ist die älteste und auch eine der malerischsten Straßen der Stadt. Bereits im 14. Jahrhundert wurde sie gepflastert und ist so steil, dass sich die Domschüler sogar beim Papst über sie beschwerten.