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Callas ist ein kleines Spatzenmädchen. Ein besonderes kleines Spatzenmädchen. Sie kann nicht nur tschilp-tschalpen wie alle Spatzen, sie kann flöten wie eine Amsel, tirilieren wie eine Lerche und sogar so süß singen, wie eine Nachtigall. Klar, dass Callas viel erlebt.
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Seitenzahl: 56
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Für Lara
Callas
Callas und der Prinz
Callas und Mikke
Callas und die Köchin
Callas und die Amsel
Callas und die leere Truhe
Callas und der Ritter
Callas und Nonpareil
Es war einmal ein kleiner Spatz. Genauer gesagt ein kleines Spatzenmädchen. Das lebte mit einer großen Spatzenfamilie in einer riesigen, langen Hecke aus Fliederbeeren, Weißdorn und Schlehen.
Dieses Spatzenkind konnte etwas Besonderes. Sie konnte nicht nur tschilp-tschalpen wie alle Spatzen, sie konnte sogar flöten wie eine Amsel, tirilieren wie eine Lerche und so süß singen wie eine Nachtigall. Die anderen Spatzen nannten sie daher nur „Callas“.
So hieß eine berühmte Sängerin bei den Menschen und die anderen Spatzen fanden ihren Spatzengesang genauso schön oder sogar noch schöner als den der berühmten Sängerin.
Die erwachsenen Spatzen schüttelten auch schon mal den Kopf und sagten: „Was flötest Du wie eine Amsel, tiriliertst wie eine Lerche und singst wie eine Nachtigall? Willst Du nicht lieber zusehen, dass Du genug Körner aufpickst für den Winter?“ Aber Callas konnte beides gut: Körner picken und singen, und so war sie nie zu dünn für einen Spatz.
Callas konnte wie die anderen Vögel singen, weil sie immer alles ganz genau wissen wollte. Sie war der großen schwarzen Amsel hinterher geflogen, als die sich auf das Dach eines Hauses setzte und dann dort flötete. Sie hatte einen Ausflug zu den Kuhweiden unternommen und dort die Lerchen bewundert, die hoch oben in der Luft flatterten und fröhlich tirilierten. Und sie hatte unten am Bach, am Ende der Hecke, die Nachtigall belauscht. Irgendwann hatte sie versucht, es ihnen nach zu tun. Das war ein Spaß! Und nach und nach wurde sie immer besser darin.
Die anderen Spatzen wussten nicht so recht, wozu das alles gut sein sollte, aber sie hörten Callas gerne zu und hatten Ihren Spaß, wenn das Geflöte eine Amsel herbeilockte oder Menschen sich suchend nach einer Lerche oder einer Nachtigall umschauten. Spatzen lieben solche Späße!
Ganz in der Nähe der Hecke, in der die große Spatzenfamilie lebte, gab es ein Schloss. Die Spatzen flogen fast jeden Tag dorthin, denn der König und die Königin, die dort lebten, hatten ein gutes Herz für alle wilden Tiere. Im großen Schlosspark gab es Kastanien- und Eichenbäume, damit die Eichhörnchen immer genug Eicheln und Kastanien finden konnten, Apfelbäume für die Amseln und Igel und Sonnenblumen für die Meisen und Spatzen.
Die Prinzessin – die einzige Tochter des Königspaares – schüttelte jeden Tag nach dem Frühstück das Tischtuch unter ihrem Fenster aus, damit alle Vögel, und auch die kleinen Schlossmäuse noch ein paar Krumen extra bekommen sollten.
Eines Morgens, als die Spatzen wieder einmal zum Schloss flogen, um sich die Extrakrumen zu holen, war das Fenster der Prinzessin verschlossen. Die Spatzenfamilie regte sich auf: „Was ist los? – Wo ist die Prinzessin? – Wo sind unsere Brotkrumen?“, tschilptschalpten sie durcheinander.
„Ach“, erwiderte ein kleines Schlossmäuschen, „ich habe gestern Abend alles mit angehört. Ein böser Zauberer mit einem Herzen aus Eis ist ins Schloss gekommen. Er hat gedroht, das ganze Königreich in Eis zu verwandeln, wenn er nicht die Prinzessin zur Frau erhält.
Der König und die Königin sind ganz verzweifelt, und die Prinzessin sitzt nur noch in ihrem Zimmer und weint!“
Die Spatzenfamilie wurde ganz niedergeschlagen. Jeder von ihnen konnte die Prinzessin gut leiden, und keiner wollte sie weinen sehen. Alle suchten nach einem Ausweg, aber niemandem fiel etwas ein.
Schließlich sagte Callas: „Ich könnte doch wenigstens versuchen, die Prinzessin aufzuheitern – ich fliege mal zu ihr.“
Und Callas hatte Glück. Als sie am Fenster der Prinzessin ankam, stand es gerade etwas offen, so dass sie hineinhuschen konnte. Schnell flog der Spatz zur Prinzessin, die an ihrem Schreibtisch saß und vor lauter Tränen den kleinen Vogel nicht sah.
Erst als Callas anfing, nach Spatzenart zu tschilp - tschalpen, schaute sie hoch. Als dann noch ein Amselflöten erklang, musste die Prinzessin lächeln und sagte: „Du bist ja ein lustiger, kleiner Gesell! Einen Spatzen, der wie eine Amsel flöten kann, habe ich noch nie erlebt. Ach, wenn Du mir doch helfen könntest! Aber das kann wohl niemand.“ Da fing Callas an, zu tirilieren wie eine Lerche, und die Prinzessin musste sogar ein bisschen lachen. „Ich danke Dir, kleiner Freund – nun wird mir etwas leichter ums Herz, auch wenn mir niemand helfen kann, und der böse Zauberer mich schon morgen Abend holen wird.“
Callas aber flötete und tirilierte, bis die Prinzessin schließlich eingeschlafen war.
Dann flog sie zurück zu ihrer Spatzenfamilie, erzählte alles und sagte: „Das Herz der Prinzessin habe ich erreicht. Vielleicht, wenn Ihr alle mithelft, kann ich auch das Herz des Zauberers erreichen – ich habe da einen Plan!“
Alle Spatzen nickten eifrig, denn jeder wollte so viel tun, wie es nur möglich war, um die Prinzessin zu retten. „Also“, sagte Callas, „Ihr müsst einfach so viel Lärm machen, wie Ihr nur könnt und mit einem Schlag aufhören, wenn ich mit dem Kopf nicke. Wollt Ihr das tun?“ – Die Spatzen waren begeistert. Das war ein ganz toller Plan!
Als der Abend kam, flog die ganze Spatzenfamilie zum Fenster der Prinzessin. Aber oh weh! Es war geschlossen. Sie schauten durch das Fenster und sahen und hörten, wie der Zauberer laut forderte, dass die Prinzessin mit ihm kommen solle. Sonst würde er das ganze Königreich in Eis verwandeln.
„Ja – ich komme mit“, hörten sie die Prinzessin sagen, aber lass mich noch eben das Fenster öffnen und Abschied nehmen.“ – „Nur zu – wenn es nicht zu lange dauert“, antwortete der Zauberer, der zufrieden war, dass die Prinzessin ihm folgen wollte.
Das Fenster ging weit auf, und alle Spatzen davor tschilpten und tschalpten und mirakelten und spektakelten und machten so einen Riesenkrach, dass der Zauberer ganz wirr im Kopf wurde. Gerade als er etwas sagen wollte, nickte Callas mit dem Kopf – und alle Spatzen waren sofort still. Sogleich fing Callas an zu singen, wie eine Nachtigall. Und sang so süß und lieblich, dass alle ganz andächtig wurden. Der Wind hörte auf an dem Fenster zu zerren, die Fliegen hörten auf zu summen, König, Königin und Prinzessin atmeten kaum, und sogar die kleine Spinne oben in der Zimmerdecke bewegte sich nicht.
Und der Zauberer schloss seine Augen, um dem lieblichen Nachtigall-Gesang besser lauschen zu können. Callas sang und sang, und sah plötzlich, dass eine kleine Träne unter dem Augenlid des Zauberers hervorquoll. Da wusste sie, dass sogar das eisige Herz des finsteren Mannes anfing zu schmelzen, und ihr Gesang wurde noch süßer und lieblicher als alles, was sie jemals gesungen hatte.
Erst als der Zauberer die Augen aufschlug und tief Luft holte, beendete Callas ihren Nachtigall-Gesang und schaute ihn an.
Da sagte er: „Kleiner Spatz – Du bist der größere Zauberer hier.