Spielwiese - Dietmar Wolfgang Pritzlaff - E-Book

Spielwiese E-Book

Dietmar Wolfgang Pritzlaff

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Beschreibung

Der Schauspieler Dietmar Wolfgang Pritzlaff und seine Rollen. Der mühsame Weg des Autodidakten zum Schauspieler in der darstellenden Kunst. Über kleine Provinzbühnen bis zu üppigen Großstadttheatern. Von der Begeisterung an Film, eigene Produktionen und Fremdwerken. Seine Vorlieben, seine Ideale und Idole, seine Eingebungen und Inspirationen, seine Kreativität, seine Schöpfungen. Ein künstlerischer Werdegang mit Fotos aus den gespielten Theaterstücken, Statisten- und Komparsenrollen. Mit über 134 Fotos aus dem Künstlerdasein. Durch Höhen und Tiefen, Erfolge und Missgeschicke, Glück und Enttäuschungen. Von einem der auszog, die Bühnen zu erobern und oftmals scheiterte. Berührende kleine Geschichten um die ganz große Karriere. Das Betätigungsfeld eine Spielwiese.

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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Kapitel 1: Wollen, aber nicht können
Kapitel 2: Herbergs-Spielshow
Kapitel 3: Sport ist Mord oder doch nicht
Kapitel 4: Petri Heil!
Kapitel 5: Haarige Zeiten
Kapitel 6: Schreibmaschine und THW
Kapitel 7: Berühmt und viel Geld verdienen
Kapitel 8: Die zweite Rolle
Kapitel 9: Neues Stück für die Kulisse
Kapitel 10: Erste Filmerfahrungen
Kapitel 11: Lila Power - Kabarett
Kapitel 12: Unsichtbares Theater
Kapitel 13: Das Kulisse-Spiel
Kapitel 14: Pina für immer und ewig
Kapitel 15: Theater auf Burg Altena
Kapitel 16: St. Martin in der Dechenhöhle
Kapitel 17: Spielfreudige bitte melden
Kapitel 18: Berlin, ich komme...
Kapitel 19: Kiersper Theatertage 1988
Kapitel 20: Radio, ich komme...
Kapitel 21: Film ab! - 1989
Kapitel 22: Filmförderungs-Seminar
Kapitel 23: Theater, ich komme...
Kapitel 24: DFFB – die 2te
Kapitel 25: QUO – Wohin?
Kapitel 26: Siegfried – Das Erfolgsstück
Kapitel 27: Keine KULISSE mehr
Kapitel 28: Das Grillo-Theater lockt
Kapitel 29: Große Oper im Aalto-Theater
Kapitel 30: Film ab... – die 2te
Kapitel 31: Zwei Projekte sind eins zu viel
Kapitel 32: Rosa Winkel
Kapitel 33: Keine große Tournee
Kapitel 34: Sommerfest im kleinen, freien Theater
Kapitel 35: Das Ende der CSÁRDÁSFÜRSTIN
Kapitel 36: Schwieriger Großinquisitor
Kapitel 37: Stimme nicht nur für Synchron
Kapitel 38: Unter Druck
Kapitel 39: Bottroper Filmspaß
Kapitel 40: Der Film ruft
Kapitel 41: Endlich Moderator
Kapitel 42: Mein größter Erfolg – „Virginia“
Kapitel 43: Zwei Songs für Frankfurt
Kapitel 44: Ich, Michael – Ich, Dietmar!
Kapitel 45: Der lesbisch-schwule Grand Prix
Kapitel 46: Ich in der Kunst
Kapitel 47: Autogramme, von mir?
Kapitel 48: Schlussworte
Kapitel 49: Abbildungsverzeichnis
Werbung in eigener Sache

Impressum

 

ISBN:

978-3-9618-9256-3

 

Auflage 1 / v2 / September 2017

© Foto: Charly, Köln

 

Autor:

Dietmar Wolfgang Pritzlaff (Alle Rechte dem Autor vorbehalten.)

geb. in Altena/Westf., schreibt Romane, Kurzgeschichten, Lyrik, Haiku, Songtexte,

Theaterstücke, Hörspiele, Essays und Drehbücher, journalistische Texte

www.diwop.de

www.liesmichnet.de

 

Verlag:

© 2017 • dwp –Day Walker Productions

veröffentlicht von: feiyr.com

dwp-feiyr-com-Veröffentlichungen

 

© Coverbild: „TRAPEZ – Leben auf dem Hochseil“, Dispersion auf Malkarton

von Dietmar Wolfgang Pritzlaff, Köln

© Text, Satz und Fotos: Dietmar Wolfgang Pritzlaff, Köln

 

 

 

 

Kapitel 1: Wollen, aber nicht können

 

Ich? Eine Rampensau? Niemals! Und doch trieb es mich irgendwann auf die Bühnen meiner kleinen Welt. Zu Film und Synchron, zu Stadttheater und Oper. In meinen Anfängen für mich unvorstellbar.

 

Meine erste Theatererfahrung war im Alter von 10 Jahren im vierten Schuljahr. Unsere Klassenlehrerin Frau Gronna kam auf die grandiose Idee ein Theaterstück mit den „lieben“ Kleinen aufzuführen. DER FEHLERTEUFEL sollte gespielt werden.

 

Ich weiß überhaupt nichts mehr von diesem Stück, keinen Inhalt, keine Rollen und von wem das Stück stammt. Es gab in den 1970er Jahren einen ULI – DER FEHLERTEUFEL. Ob unser Stück eine Umsetzung der Figur in ein Theaterstück war, ist mir heute nicht mehr bekannt. Wikipedia schreibt (Zitat): Uli der Fehlerteufel ist eine Figur von Ilse Herrndobler. Die Figur trieb in den 1970er und 1980er Jahren ihr Unwesen in Rechtschreibfibeln westdeutscher Grundschüler. In diesen Fibeln und Arbeitsheften verdrehte er die Buchstaben, stahl Großbuchstaben, Satzzeichen oder sogar ganze Wörter. Aufgabe der Kinder war es, diese Fehler zu berichtigen. „Uli“ lebte in Lesebüchern und Sachkundeheften der Grund- und Sonderschulen. In Auslandsschulen von mehr als 50 Staaten wurde er zu einer gezielten Grundlage für die Beherrschung der deutschen Sprache im Unterricht eingesetzt. Aha! Aber, wie schon geschrieben, weiß ich es nicht genau, ob dieser Uli Anlass für unser Stück gleichen Namens war.

 

Ich bekam leider nur eine kleine Rolle und hatte so gar keine Lust darauf. Ich hätte gerne die Hauptrolle gespielt, aber die war schon vergeben und wurde von einem Mädchen verkörpert. Und gut verkörpert, dass musste ich zugeben. Ganz schön cool und locker ging ihr Spiel über die Bühne. In mir nagte mein Ego an sich selbst. Ich wollte mehr als ich wahrscheinlich konnte, wollte gefordert werden und gefördert werden, aber ich stand nun mal nicht hoch im Kurs unserer Lehrerin.

Vielleicht hätte ich mehr Zutrauen zu mir selbst, mehr Mut und Courage gefunden oder erwecken können, aber ich hatte schon vor meiner kleinen Rolle absoluten Schiss in der Buchse. Ich wollte doch gar nicht im Mittelpunkt stehen und spürte doch, dass ich es wollte. Ja, was denn nun? Ja oder nein? Nein, oder Ja? Nein, lieber nein.

 

Weil ich unglücklich über meinen wenigen Text war und noch weniger Spielfreude entwickeln durfte in meinen zwei Auftritten, kam die Lehrerin auf die glorreiche Idee, dass ich noch ein Lied anstimmen sollte. Das Lied „So ein Tag, so wunderschön wie heute...“ Mir graute davor die Stimme zu erheben und mir verschlug es eher die Sprache als das ich einen ganzen Saal mitreißen wollte. Kurzum, das Lied wurde von mehreren angestimmt. Ich war zwar unter diesen, aber eben nicht mehr der Vorsänger. Später habe ich mir deshalb immer Vorwürfe gemacht. Warum hatte ich nicht den Mut und habe einfach gesungen. Es war das Lampenfieber, vor anderen Mätzchen zu machen. Es steckte einfach nicht in mir. Dachte ich zumindest damals. Bevor ich in eine Rolle schlüpfen konnte, musste ich mir sicher sein, musste ich üben und üben und mit gut zureden hätte ich es dann auch spielen können. Also doch keine Rampensau.

 

Der Theaternachmittag kam. Im großen Saal des „Lennestein Altena“, die einzige große Bühne und Saal mit Platz für 400 Leute, war gut gefüllt von unseren Klassen der Schule. Kinder, Mitschüler und ihre vor Stolz platzenden Eltern saßen gespannt im Saal. Auch meine Eltern freuten sich auf das Bühnenspektakel mit ihrem Sohn. Mein Auftritt rückte näher und näher. Mein Puls ging schneller und schneller. Wie heiße ich nochmals? Wo bin ich? Was für einen Text sage ich? Plötzlich war alles irgendwie weg und nur mit Mühe konnte ich auf die Bühne. Meine zwei Sätze gesagt und das war es dann auch schon. Schnell noch das Lied mitgesungen und hoffentlich das Ganze vergessen. Aber so einfach war das nicht. Mein Auftritt blieb meinen Eltern unvergessen und ich höre heute noch oftmals: „Du hast dich im Lennestein hinter den anderen versteckt und warst so leise... Man hörte dich gar nicht.“

Boah ey, lasst mich alle in Ruhe. Wie peinlich. Noch heute. Was für ein Quatsch. Das war doch nur Kinderkacke, aber es hat sich ins Gedächtnis gebrannt. Ich wollte nie mehr auf die Bühne. Ich hatte die Schnauze voll.

 

 

 

Kapitel 2: Herbergs-Spielshow

 

Die großen Spielshows der 1960er und 1970er-Jahre hatten es mir und der ganzen Familie angetan. Das waren die frühen TV-Highlights. Besondere Moderatoren und ihre Spielshows wie zum Beispiel Hans-Joachim Kulenkampff mit EINER WIRD GEWINNEN ( START: 1964), Dietmar Schönherr und seiner Ehefrau Vivi Bach mit WÜNSCH DIR WAS (START: 1974), Hans Rosenthal mit DALLI DALLI (START: 1971) und später kam noch Rudi Carrell mit AM LAUFENDEN BAND dazu (Start: 1974).

Große Shows für die ganze Familie und die ganze Familie versammelte sich zu diesen Shows vor dem Fernseher und ein gemeinsamer vergnüglicher Abend konnte begangen werden.

 

In den Schuljahren der 5ten bis zur 9ten Klasse wurden jedes Jahr Klassenfahrten unternommen. Wir wurden in diverse Jugendherbergen untergebracht. Am Abend war meist nicht viel los in und um die abgelegenen Herbergen, also musste man sich doch was ausdenken. Wenn man so mit anderen Mitschülern abends in einem Mehrbettzimmer schlafen musste, konnte man sich doch wenigstens unterhalten (wenn wir Schüler nicht gerade versuchten das Zimmer auseinander zu nehmen und wir vom Herbergsvater oder einem Klassenlehrer dafür die Leviten gelesen bekamen).

 

Ich hatte eine Idee wie man in der langweiligen Einschlafphase, also kurz vor dem Wegpennen noch Spaß und Unterhaltung abliefern konnte. Ich erfand die Show LOGISCH-LOGISCH. Ich, der kleine Moderator stellte mir und natürlich den Mitschläfern knifflige Rechenaufgaben. Dabei musste ich alles schnellstens mir selbst in meinem kleinen Kopfcomputer vorrechnen, um dann die anderen nach der Lösung zu fragen. Einfache Additionen oder Multiplizieren. Die Wurzel aus... und zum Quadrat. Später kam noch Algebra hinzu. Meistens ging das ganz gut. Natürlich freuten sich meine Mitschüler darauf, dass ich mich verrechnete und sie es besser wussten. Der mit den meisten richtigen Antworten gewann das Spiel. Irgendwann waren wir nach den Rechenaufgaben müde und schläfrig und schliefen dann auch tatsächlich bald ein.

 

Ja, Moderator wäre fein. Jahre später wollte ich im Lokalfunk mitarbeiten. Als Reporter oder Moderator. Davon werde ich noch berichten.

 

Und erst viele Jahre später sollte mich Inka, eine gute Freundin aus Essen, fragen, ob ich ihren Tanzabend moderieren würde. Den Tanz ankündigen und eventuell noch kleine Anekdoten erzählen. Ich sagte OK und moderierte einen 4einhalb Stunden dauernden Abend. Aber davon wird auch noch später die Rede sein.

 

 

 

Kapitel 3: Sport ist Mord oder doch nicht

 

Neben Halbjahres- und Jahresabschluss-Zeugnissen gab es noch einige sportliche Prüfungen zu bestehen. Nicht gerade die legendären Bretter die die Welt bedeuten, aber immerhin vor Prüfern und Publikum.

Ich war immer unter den Besten der Klasse zu finden. Allerdings von den Jungs. Es gab noch ein paar Mädchen, die immer besser waren als alle Jungs zusammen. Zum Beispiel meine Sandkastenfreundin Dagma. Wir wetteiferten oft um die besseren Noten. Wenn wir eine Klassenarbeit zurückbekamen, las der Lehrer die Noten vor. Also wussten alle Schüler von den Leistungen oder Nichtleistungen der Anderen. Das malträtierte den einfachen Geist in mir. Und nach so einer Vorführung kam meine Freundin Dagma noch auf mich zu und fragte nach meiner Note. Als ob sie es nicht schon wüsste. Hatte sie geschlafen währen der Notenverlesung, oder hatte sie die Masern? Nein, sie wollte nur nochmals ihren Triumpf genießen. Und sie kam des Öfteren in den Genuss, weil sie immer besser war.

 

Die guten Noten fielen mir nicht zu. Ich musste hart daran arbeiten Wissen zu behalten, zu verstehen und wieder anzuwenden. Aber meist lernte ich für den Augenblick. Zur Klassenarbeit war das Wissen da. Danach verflüchtigte es sich gerne wieder in den engen Gehirnwindungen.

 

Mein Anspruch war gut zu sein und die Note gut zu bekommen. Allerdings gab es immer wieder auch Zeiten, in denen ich mehr oder weniger nur so daneben herlief. Der Unterrichtsstoff glitt an mir ab. Zum einen Ohr rein und schon in der nächsten Sekunde wieder zum anderen Ohr raus. Manchmal wollte einfach nichts hängenbleiben. Zu voll war der Kopf mit anderen Themen. Neueste musikalische Produkte aus Hitparade, Starparade, Disco, Plattenküche und Musikladen waren wichtiger. Oder die neuesten Filme im Kino. Da war doch kein Platz für Mathe, Englisch, Physik und Biologie.

 

Schwimmen war meine erste sportliche Leidenschaft. 1973, mit 10 Jahren schwamm ich mich frei und erntete ein Freischwimmerschein. Ein Jahr später dann das Fahrtenwimmer-Zeugnis und 1976 den Jugend-Schwimmschein. Ich war gut im Brustschwimmen und besonders gut im Kraulen. Rückenschwimmen mochte ich nicht. Ich schöpfte mir dabei immer literweise Wasser ins Gesicht und in die Nase. Ich hatte ständig das Gefühl falsch rum zu schwimmen. Beim Anschlag schlug ich mir regelmäßig den Kopf, anstatt rechtzeitig eine flotte Kehrtwende einzulegen. Nie wieder Rückenschwimmen.

 

Mein damaliger Trainer, unser Sportlehrer, wollte mich unbedingt in einen Schwimmverein bringen. Zum großen Test sollte ich bei den Stadtmeisterschaften mitmachen. OK, dachte ich mir, Kraulen kannste, mach was draus. Der Trainer nannte mir Ort, Datum und Uhrzeit und er selbst würde mich in Empfang nehmen.

Der große Schwimmtag kam und ich stand bereit in unserem Freibad zum großen Kraulen. Allerdings allein. Weit und breit kein Trainer. Also sah ich den anderen beim Wettschwimmen zu. Ordentlich getrennt nach Altersstufen. Ich machte mir gar keine großen Gedanken über den Wettkampf. Irgendein Herr der Meisterschaften stieß mich an und fragte ob ich auch hier schwimmen würde. Ja klar, ich warte auf meinen Trainer. Ob ich gemeldet sei, fragte der freundliche Herr weiter. Nö, ich sollte auf meinen Trainer warten. Der Mann und ich im Schlepptau marschierten an einen Tisch an dem man sich eintragen lassen konnte. Ich stand auf keiner Liste. Wie, was, wo? Name, Adresse, Schule, Verein und Disziplin. Und dann hieß es auf einmal: „In fünf Minuten bist Du dran!“

Was jetzt? Einfach so? Nicht aufgewärmt, nicht vorgeduscht, ausgezogen (bis auf die Badehose natürlich nur), auf die Ansage aus den Lautsprechern gewartet, rauf auf das Podest, Startschuss und rein ins Nass. Ich war mal wieder überfordert. Niemand der mir sagte was und wo und wie und dann einfach so rein ins Wasser. Mein Königsdisziplin Kraulen, das werde ich doch wohl schaffen. Aber nix ist mit schwimmen. Nach ein paar Metern schwamm ich zu nah an den Absperrleinen. Um den rechten Arm wickelte sich das Absperrseil und ich kam einfach nicht sofort frei. Die anderen Schwimmer waren schon drei Meter weiter. Ich entwirrte mich und schwamm wieder an, aber der Vorsprung war zu groß und ich landete auf den unteren Plätzen. Toll gemacht!

 

Ich hatte die Nase von Wettbewerben gestrichen voll. Vor den Besuchern und den anderen Schwimmern war es mir echt peinlich vorbeizugehen. Dann sah ich meinen Trainer und lief auf ihn zu. Wo er denn geblieben sei? Ich mache das hier und heute doch zum ersten Mal. Was weiß ich ob ich angemeldet bin oder nicht? Ich machte ihm Vorwürfe und er grinste breit und hatte so ein „selbst-Schuld-Lächeln“ im Gesicht. Nie wieder Meisterschaften und auch kein Schwimmverein kam für mich mehr in Frage, wenn ich schon hier von „meinem Trainer“ allein gelassen werde. Ich hatte doch von Tuten und Blasen, oder besser von der Ordentlichkeit einer Anmeldung bei einer Meisterschaft noch nie etwas gehört oder gesehen.

 

Ich schwamm in der Schule nur noch für eine gute Note. Ein einziger Bursche, der Klaus, war genauso gut im Schwimmen und im Turnen wie ich. Ihn zu übertrumpfen und er mich, war unser Wettkampf. Mal war aber er schneller, mal ich. Es hielt sich die Waage. Eben gleichgut.

 

In Leichtathletik konnten wir uns mehrmals messen. Auch hier gab es mal für den einen oder den anderen bessere Noten und Punkte. Bei den Bundesjugendspielen holte mal ich, mal er Gold oder Silber. Unausgesprochen, still und leise, waren wir Gegner im Sport, weil wir immer zum Schluss übrigblieben. Die anderen waren da schon aus den Vorrunden ausgeschieden. Ergebnisse im Weitsprung, Hochsprung, 50 Meter-Lauf, Ballwerfen, Kugelstoßen und Dauerlauf wurden ermittelt. Ich war gut im Weitsprung und Laufen auf kurzen Distanzen. Dauerlauf war nie meine Disziplin.

 

Nach meinen guten Bundesjugendspiel-Ergebnissen meinte mal wieder mein Sportlehrer: „Aus dir wird mal was!“ Was sollte das sein? Ein Berufssportler? Darauf hatte ich keinen Bock. Ständig auf Wettbewerben und Training, Training, Training... Ich brauchte doch meine Zeit für andere Dinge.

 

Noch einmal ließ ich mich auf einen Wettbewerb ein. Leichtathletikmeisterschaften und ich sollte hier nur den Weitsprung zeigen, denn ich war in dem Jahr weit gesprungen bei den Bundesjugendspielen und holte mir das begehrte Gold. Na ja, begehrt? Die meisten meiner Mitschüler fanden den Tag der Bundesjugendspiele so was von überflüssig und strengten sich nicht an, aber jeder musste ja mitmachen, egal ob er Lust hat oder nicht. Dementsprechend war auch die Begeisterung nicht in die Nichtsportler hineinzubekommen.

 

Der Wettkampf war auf einem Luxussportplatz mit Tartan-Bahnen. In der Schule liefen wir auf harten rutschigen Ascheplätzen. Ich kam mit der Bahn einfach nicht zurecht. Erstens waren da die größeren Jungs und jungen Männer, die den Anlauf für den Weitsprung für sich beanspruchten um vorher noch zu üben. Zweitens war die Anlaufbahn viel länger als ich es gewohnt war, also probiert ich immer in der Mitte zu starten, aber die großen Jungs schrien weg da und rannten schon los, bevor ich überhaupt in Abstoßposition war. Meine Eltern hatten mich zu dem fremden Sportplatz gebracht und jetzt erwies sich meine Mutter als Retterin. Sie stellte sich einfach auf die Bahn und sagte zu mir: „Jetzt kannst du und los.“ Ich machte ein paar wirklich unschöne Sprünge vor dem eigentlichen Wettbewerb. Diese gummierte Anlaufbahn war mir suspekt. Ich konnte irgendwie nicht die Schritte abmessen, nicht den Absprung richtig vorbereiten. Ich bräuchte mehr Übung auf so einer Gummibahn. Der Wettkampf begann. Ich lief von der Seite an und – Absprung. Mindestens 30 cm verschenkt, viel zu früh abgesprungen. Zweiter Sprung das gleiche. Der dritte Versuch wurde erst gar nicht gewertet, da ich übergetreten hatte. Ich fluchte und wollte von Wettkämpfen nie mehr was wissen. Aus und vorbei die Sportlerkarriere. Aber wollte ich das denn überhaupt?

 

Schwimmen blieb eher meine Sportart, die ich weiterpflegte. 1978 erschwamm ich mir noch das Deutsche-Rettungsschwimmabzeichen in Bronze der DLRG. Ich wollte noch weitermachen, es fehlten ja noch Silber und Gold, aber dazu kam es dann nicht mehr.

 

 

 

 

Kapitel 4: Petri Heil!

 

Mein Vater ist Jäger und wollte mich schon als kleinen Dötz zum Jägersmann formen. Einmal mitgenommen auf Ansitz war es nur langweilig und öde in die Natur zu starren und auf etwas zu hoffen, das munter und schnell aus der Dickung vor die Flinte läuft. Oder eben auch nicht. Meistens konnte ich nicht wirklich lange konzentriert ins Grüne starren. Ich flüsterte etwas meinem Vater zu, doch der hob nur seinen Zeigefinger an die geschlossenen Lippen. Sollte bedeuten: Halt die Klappe!

Das Erschießen von wilden Tieren hätte ich auch noch ertragen und das Aufbrechen von den toten Tieren war eigentlich in unserer Familie etwas völlig Normales. Hasen wurde das Fell über die Ohren gezogen, Rehe und Wildschweine ausgeweidet und ausgeblutet. Ständig hingen irgendwelche toten Tiere im kühlen Keller. Felle wurden gegerbt, Schädel wurden abgekocht um sie mit dem Gehörn an die Wand zu hängen. Wir sind und waren schon immer eine wildfleischfressende Familie. Ausgestopfte Tiere, Gehörne und Geweihe hängen noch immer an den Wänden der elterlichen Wohnung. Ein richtiges Museum. Nur eines wollten die lieben, kleinen Blagen nicht: Bitte keine Köpfe mit Hals von den Tieren. Bitte keine Kunstaugen in den Raum blicken lassen. Wir Kinder liebten Märchen, aber das Märchen DIE GÄNSEMAGD mit dem Spruch: „O du Falada, da du hangest...“ ließ uns erschauern und wir stellten uns den noch blutenden abgeschlagenen Kopf des Pferdes Falada vor, wie er uns von der Wand anstarrt und seine Weisheiten von sich gibt.

Ein Tier musste dann doch wie Falada an die Wand genagelt werden und starrt wirklich unwirklich in die gute Stube. Na ja, wenigstens nur eins. Ein Muffel-Kopp – passt doch wunderbar zu den Sauerländern.

 

Mein Patenonkel war ein Angler. Gibt es irgendetwas das er nicht aus den Tiefen der See zog? Ich glaube nein. Zu seiner und meines Vaters Freude machte ich den Jugendfischereischein, damit ich mal nicht nur blöde rumsaß an den Anglertagen, die mein Onkel und mein Vater begingen.

Wieder eine Prüfung: als 12-jähriger vor den alten Prüfungsherren der Angelvereinigung. Ich musste Fische nach Fotos erkennen und benennen, Laichzeit und Größe der fangbaren Fische auswendig aufsagen und dergleichen. Eine Schippe mehr Wissen verlangte man drei Jahre später von mir, als ich als 15-jähriger wieder vor den Petri-heil-Herren stand und meine zweite Prüfung absolvierte, jetzt aber den richtigen Fischereischein.

Ich bekam eine Angel geschenkt und wurde gerne mitgenommen zum Angeln. An einem Teich wurde ein Wettangeln veranstaltet. Links und rechts von mir schossen die kleinen Schwimmbojen der Angelruten nach unten und zeigten ein Fischbiss an, nur bei mir blieb der Erfolg aus. Ich spielte mit den schon gefangenen Fischen meines Onkels und Vaters. Dabei muss ich natürlich ganz aus Versehen die Reuse an einer Seite aufgerissen haben und die lieben kleinen Fischlies entfleuchten der Reuse und konnten gleich wieder aus dem Teich geangelt werden. Vielleicht sogar von meinem Onkel oder Vater. Ich setzte so den Kreislauf der Fischerei wieder in Gang. Natürlich gab es Diskussionen um das kaputte Netz und tut-mir-leid-Sprüche.

Angeln war auch blöde. Von früh morgens um 05.00 Uhr bis abends um 18.00 Uhr auf ein Stück Wasser starren und nix tut sich.

Einmal wurde ich sogar Angelkönig, das bedeutete den größten Fang des Tages an einem Anglerteich gemacht zu haben. Allerdings geschah dies ohne mein Zutun.

Meine Eltern und ich fuhren nach Haselünne in Niedersachsen. Wir trafen dort auf einen weiteren begeisterten Angler, der Freund meines Vaters war.

Morgens um 06.00 Uhr waren wir schon an dem kleinen Angelteich. Dunstig trübe schoben sich die müden Nebelschwaden über den Teich. Erst zur Mittagzeit klarte es auf und die Sonne kam hervor. Mit Broten ausgestattet begingen wir unser Frühstück und immer musste man Ruhe bewahren, denn die Fische hören alles.

Nach Stunden des Wasserstarrens war ich echt müde geworden. Ich klemmte meine Angelrute zwischen zwei große Steine und legte mich in die Sonne. Ich muss ein paar Stunden völlig weggetreten gewesen sein. Ruhig und fest holte ich den morgens verpassten Schlaf nach. Unsere Ausbeute: 2 kleine Fische, Rotaugen. Das war alles. Ich holte meine Angel ein und siehe da – es ging irgendwie nicht. Vorsichtig holte ich Meter für Meter der Schnur ein und dann kam der Übeltäter zum Vorschein. Die Angelschnur hatte sich um einen großen Ast gewunden. Mein Vater half mir beim Bergen des Astes. Ich hatte schon alles vermutet: einen kaputten alten Stiefel oder rostige Autoteile, aber es war ein dummer Ast...!?

Ich drehte die Schnur auf und kurbelte mir fast die Finger wund. Und dann rief mein Vater: „Da hängt ja noch was dran!“ Ein großer 3 Kilo schwerer Karpfen hing am Ende der Schnur. Er hatte sich in den Köder verbissen und der Fisch muss immer und immer wieder um den Ast geschwommen und mit der Angelschnur umwickelt haben. Wahrscheinlich hat er gekämpft wie ein „Löwe“ und ist um sein Leben geschwommen, aber den Angelhaken konnte er nicht lösen. Er steckte seitlich am Maul des Fisches. Diese Befreiungsaktion hatte ihn derart müde gemacht, dass der arme Karpfen kaum noch mit den Flossen schlug, als wir ihn aus dem Wasser nahmen. Am Abend gab es dann einen Karpfen gegrillt für alle. So war Angeln dann wieder ganz erträglich. Nix getan und doch einen Fisch erwischt.

 

 

 

Kapitel 5: Haarige Zeiten

 

Mit 14 Jahren ging ich brav zu dem Friseur auf unserem Berg, dann brauchte ich nicht extra in die Stadt latschen oder den Bus nehmen. Zwei Friseusen und der Friseur hatten einen Anschlag auf mich vor. Ich sollte Haarmodel werden. Man versprach mir Ruhm und Ehren als Model auf Wettkämpfen. Die Modelle würden fotografiert und in irgendwelchen Frisurentrendkatalogen erscheinen mit Namensnennung und Foto und Beschreibung und und und..

Eigentlich hatte ich so gar keine Lust dazu. Meine Haarpracht war lockig bis kräuselig. Ich wollte sie immer glatt. Schwarz und glatt wie Rock Hudson, Cary Grant oder Clark Gable. Mit Pomade glänzend wie eine Speckschwarte aber keine Kräuselungen, die wild in jede Richtung standen und den Gesetzen der Schwerkraft trotzten.

Als Model hatte ich keine Wünsche zu äußern, sondern nur die neuesten Haartrachten auszuhalten. Ich wollte aber keine Wellen, Locken und fransige Seiten. Und schon gar nicht Chris Roberts Föhnwellen. Für die jüngeren Leser: Chris Roberts war und ist ein Schlagersänger, der hochgeföhnte Haartollen besaß und mit Minipli eine echte Negerkrause hätte haben können. Aber Neger sagt man nicht mehr, und die Negerkrause ist veraltet und darf man auch nicht mehr so nennen. In den „guten alten“ 60er- und 70er-Jahren saß die Negerkrause wie ein übergestülpter Ballon auf den Häuptern. Wie soll man diese Krause aber auch anders beschreiben? Diese Krause war die erste Station meines Haarmodeldasein.

Ich betrachtete mich im Spiegel und der Schock saß tief. Wie sollte ich mit so einer Kugel nach Hause? Gespött sämtlicher Bergbewohner. Meistens schlich ich mich durch die Häuser nach Hause, nur um mir sofort wieder die Haare zu waschen und die Krause loszuwerden.

Um öfters als einmal im Monat beschnitten, beföhnt und bekämmt zu werden, schnitt meine Friseurin kleine Stückchen vom „Kuchen“ ab und ich sollte die langen Zotteln nach hinten föhnen. Kurz vor dem großen Wettbewerb durfte ich jede Woche zum Friseur antanzen und dann wurde doch immer etwas mehr als üblich abgeschnitten.

Zwei Wochen standen noch auf dem Programm und vielleicht durch das viele Föhnen und waschen, waschen und föhnen und nach Hause und wieder waschen und föhnen, waren meine Haare etwas lädiert. Zwar nicht ganz strohig, aber schon trocken und spröde. Meine Friseuse geriet in Schockstarre. Keine Frisur wollte mehr halten und auch mit viel Haarspray, Gel und Haarwasser standen die Haarsträhnen in Richtungen ab, die sie sich selbst aussuchten. Frau Friseuse kam ihnen nicht mehr bei und kurzerhand hatte man sich für ein anderes Model entschieden und ich durfte nicht mit zu den Meisterschaften. Erst meine Haarpracht verhunzen und dann nicht dazu stehen wollen. Ich war beleidigt und wollte nie mehr zum Friseur.

Der Natur gelang es tatsächlich. Schon mit 23 bekam ich dünnes Haar und dann gingen sie mir reihenweise aus. Mit 28 Jahren war das Haupthaar schon derart wenig, dass sich kaum die Mühe lohnte eine Frisur formen zu wollen. Es klappte sowieso nicht mehr und Haarsträhnen über die leeren Lücken zu legen sah ziemlich besch... eiden aus.

Ein Filmprojekt und eine Rolle im Theater bei denen ich mitspielte, sollten mich fast gänzlich von meinen Haaren im Gesicht und auf dem Kopf befreien. Aber davon berichte ich auch noch später.

Heute gibt es einen Langhaarschneider und einen Rasierapparat und schon ist alles so kurz, dass nur noch ein Handtuch nach der Kopfwäsche reicht. Ein wenig rubbeln und schon ist wieder das Oberstübchen frisch und frisiert. Die Halbglatze wächst immer weiter nach hinten. Dafür gibt es heute mehr Bart, einen Vollbart, also eine Fellfresse.

 

 

 

 

Kapitel 6: Schreibmaschine und THW

 

1979 erlernte ich für meine Ausbildung das Maschineschreiben. Also das Rumgehacke mit 10 Fingern auf der Tastatur. Unsere Lehrerin war eine absolut resolute ältere Dame die nicht lange fuckelte und einfach das Licht löschte, wenn wir auf den alten mechanischen Schreibmaschinen lernten und eine Taste suchten. Sie diktierte im Dunkeln einen kurzen Text – Licht wieder an – und ich war eine Reihe höher gerutscht und hatte nur ,,woieu woow wppie“ geschrieben. Oder wir bekamen eine Abdeckung für die Tastatur über die schreibenden Hände gestellt und mussten wieder „blind“ schreiben lernen. Die Lehrerin war streng aber genial. Unter ihrer Leitung konnte ich bald auf mechanischen und elektrischen Schreibmaschinen schreiben. Für meine spätere Beschäftigung, das Verfassen meiner eigenen Texte war das sehr willkommen.

Ich hatte Spaß an den schnellen Tastaturquälereien und nach dem Schreibmaschinen-Grund- und -Erweiterungskurs ging ich montags ab 18.00 Uhr in einen Schnellschreibekurs. Ich wollte spitze werden. Es gab Wettkämpfe im Leistungsschreiben und es gab Bundesjugendschreiben. 1979 und 1980 holte ich noch eine Note 3 – zu wenig Anschläge. 1981 aber konnte ich die Note 1 mit nach Hause nehmen. Allerdings haben mich meine guten bis sehr guten und schnellen Schreibmaschineschreibenkenntnisse in meinen Jobs im kaufmännischen Bereich oder später in Werbeagenturen dazu geführt, dass ich immer alles abschreiben durfte. Na, klasse!

 

1982 gab es erst einmal die Führerscheinprüfung. Theorie glänzend bestanden, aber die praktische Prüfung versemmelt. Der Prüfer hatte wohl einen schlechten Tag und ließ 8 von 12 Prüflingen durchfallen. Ich gehörte dazu. Der Prüfer verlangte nach ca. 2 Minuten Fahrtzeit: „Die nächstmögliche rechts rein.“ Ich lenkte den Wagen sofort nach rechts, aber das war es dann auch schon. Eine Bushaltestelle, erst danach kam die wirkliche Möglichkeit. Ich wollte mich rausreden. An einer Bushaltestelle kann man doch mal kurz halten und den Gurt nochmals richtig anlegen und ein Spiegel war noch nicht so richtig eingestellt. Aber der Prüfer ließ keine Ausreden zu. Ich musste aussteigen und das wars. Beim zweiten Mal schaffte ich den Führerschein sofort. Allerdings war der Prüfer auch ein anderes Format. Als ich rückwärts einparken musste, gab mir der Prüfer Anweisungen: „So, jetzt einschlagen und langsam rückwärts, noch mehr einschlagen und...“ Und ich stand in der Parklücke. Danke, Sie Prüfer, sie. Der war klasse.

 

Um nicht aus meinem Beruf zu fliegen, begann ich 1983 eine Helferausbildung beim THW. Ersatzdienst für die Bundeswehr. Ich kam eher durch Zufall und Dummheit ins Technische Hilfswerk. Und dann ging es schon los mit den Prüfungen. THW-Grundausbildung, Atemschutz-Geräteträger-Lehrgang, Truppführer A und B, Retten aus Wassergefahren hießen die Lehrgänge mit Abschlusszeugnis. Ich wollte in die Bootsgruppe, aber da hatte man schon genug Truppführer. Also sollte ich in die Bergungsmannschaft.