Spurensuche - Dietmar Wolfgang Pritzlaff - E-Book

Spurensuche E-Book

Dietmar Wolfgang Pritzlaff

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Beschreibung

Der Weg des Künstlers Dietmar Wolfgang Pritzlaff in der bildenden Kunst von 1985 bis 2016. Der Künstler und seine Werke. Der Weg zum bildenden Künstler. Ein künstlerischer Werdegang mit Fotos der Werke und Ausstellungen.

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Impressum

 

ISBN: 978-3-9611-2784-9

 

Auflage 1 / v2 / Mai 2017

 

© Foto: Charly, Köln

 

 

Autor:

Dietmar Wolfgang Pritzlaff (Alle Rechte dem Autor vorbehalten.)

geb. in Altena/Westf., schreibt Romane, Kurzgeschichten, Lyrik, Haiku, Songtexte,

Theaterstücke, Hörspiele, Essays und Drehbücher, journalistische Texte

www.diwop.de

www.liesmichnet.de

 

 

Verlag:

© 2017 • dwp –Day Walker Productions

veröffentlicht von: feiyr.com

dwp-feiyr-com-Veröffentlichungen

 

© Coverbild: „Spuren vergangener Welten“, (Abb. 31),

Wandobjekt von Dietmar Wolfgang Pritzlaff, Köln

 

© Text und Satz: Dietmar Wolfgang Pritzlaff, Köln

 

 

Kapitel 1: Aller Anfang ist Lernen

 

Es war einmal... Ja, wie ein Märchen, kommt es mir heute noch so vor, wenn ich an meine Kunst, an mein Atelier, an meine Ausstellungen denke. Aber es ist wahr. Ungelernt, kein Studium, aber Künstler sein wollen. Und ich war es einmal. Aber der Reihe nach.

 

Erst einmal war ich ein kleiner Junge und wollte nichts malen, nicht kreativ sein, ich wollte spielen in weiten Wäldern, Wiesen und Auen, welche es in meiner Jugend noch überall im Sauerland gab. Ich wollte Bäume erklimmen und Baumhütten bauen. An Bäche Dämme bauen. Für mich gab es erst Mal nichts Schöneres, als im Schoße von Mutter Natur zu verweilen.

 

Irgendwann kam die Schule. Oh ja, die blöde Schule. Sie hielt mich von den so wichtigen Dingen im Leben ab. Verlorene, verschenkte Zeit und doch... Ich wollte meinen Wissensdrang stillen und ging gerne hin. Geschichte, Biologie, Physik, Mathematik, Erdkunde mochte ich, aber Kunstunterricht war das Beste.

 

Eigene Ideen auf das Blatt Papier bringen. Kleben, formen, schichten, das war das was ich wollte. Basteln und Handarbeiten kamen hinzu. Und auch ich habe Eierwärmer, und Topflappen für Muttis Küche und Schals gestrickt, Hauptsachte lang, aus Bast Bienen geflochten und Mobiles angefertigt. Natürlich darf das Makramee nicht fehlen. Wunderschöne „Gebamsel“, Staubfänger, für nix gut, aber schön anzusehen, hingen in unserem Heim an den Wänden.

 

Reichte das ganze Schulgebastel nicht, kam meine Mutter von der Arbeit im Kindergarten nach Hause und brachte mal wieder „Heimarbeit“ mit. Die Familie bastelte zusammen vor der Glotze oder mein Vater las aus einem Buch dazu vor oder wir unterhielten uns. Jedenfalls gab es eine Menge zu tun. Denn so manch ein Basar zu Gunsten des Kindergartens oder für andere Wohltätigkeitszwecke wollte ausgestattet werden. Akkordflechten und knüpfen.

 

Ich bin also in einer ziemlich kunsthandwerklichen Familie groß geworden. Vater, Mutter, zwei Schwestern und ich.

 

Als wir Schüler das technische Werken in der Schule bekamen, bin ich zum Wahlpflichtfach Tanzen gewechselt. Ausdrücken von Gefühlen in Bewegung fand ich schon immer faszinierend. Beim technischen Werken kam es auf Präzision an. Ein Millimeter zu wenig und schon ging es mit den Zensuren in den Keller. Nee, das war nicht so mein Ding. Ich wollte frei gestalten, allerlei eigene Ideen umsetzen und wollte mich nicht an irgendwelche technischen „Vorschriften“ halten. Ich war halt ein Freigeist.

 

War bis dahin mein ganzes Streben in der Kunst vom Spaßfaktor getrieben, sollte ich alsbald mit der harten Kunstwelt zusammentreffen. Diese hinterließ nachhaltige Spuren bei mir.

 

Ich war 11 oder 12, malte im Kunstunterricht ein Blatt Papier mit einem orangenen über dunkelroten bis lilagefärbten Hintergrund. Ein Sonnenuntergang mit Wasserfarben, getupft und ineinander zerfließen lassen. Dann sollte die neu erlernte Kartoffeldrucktechnik zum Zuge kommen. Aus einer Kartoffel wird eine Form geschnitzt. Die Form wird mit Farbe angepinselt und dient als Stempel. Nun wird das Blatt Papier „gestempelt“. Ich abstrahierte eine Vogelform und ließ dann Zugvögel in meinem Sonnenuntergangsbild in den immer dunkler werdenden Himmel fliegen.

 

Wow! Ich war von mir selbst begeistert, wie gut das wirkte. Ein tolles Bild. Ich bekam mal wieder eine Eins in Kunst dafür von meiner Lieblings-Lehrerin Frau Reschke. Sie meinte ich sollte es gleich in der Klasse aufhängen, damit alle das Bild sehen können. Dieses Privileg stand nicht jedem zu, nur die Auserwählten durften ihre Bilder in der Klasse aufhängen. Mein Bild also hing dort so vor sich hin und ich durfte mich jeden Tag im Unterricht aufs Neue daran erfreuen. Oder meine Bilder hingen in der Aula in großen Schaukästen, wo nur die Auserwählten aus den Klassen ihre Arbeiten hängen durften. Schüler aus allen Klassen konkurrierten um die wenigen hartumkämpften Plätze. Insgesamt 4-mal gelang es mir ausgestellt zu werden. 1975 – Bild SCHWARZER FLUSS in der Hauptschule Breitenhagen, 1976 – Bild WM’76 FUSSBALL-WELTMEISTERSCHAFT POKAL in der Hauptschule Breitenhagen, 1977 – BILD BLÄTTER IN SIEBTECHNIK in der Hauptschule Breitenhagen, 1978 – SONNENUNTERGANG in der Hauptschule Mühlenrahmede. Alle Bilder leider verschollen oder verkauft.

 

Klasse gemacht, Dietmar. Aber es ging noch weiter. Die Kunstlehrerin kam zu mir und erzählte mir von einer guten Sache, eine Wohltätigkeitsauktion für „Brot für die Welt“, eben für einen guten Zweck. Sie fragte mich, ob ich das Bild für diese Auktion zur Verfügung stellen würde. Ich bekomme aber kein Geld dafür, sondern nur Ehre. Mein Bild bei einer Auktion. Ich konnte es kaum glauben. Erst wollte ich mein Bild nicht hergeben. Nee, das sollte mit nach Hause und an der Wand im Kinderzimmer hängen. Aber nach ein paar Überlegungen willigte ich doch ein.

 

Der Tag der Auktion kam. Die Lehrerin nahm mich in ihrem Auto mit zur Auktion. Irgendwo in Lüdenscheid. Ungefähr 14 Kilometer von Altena im Sauerland entfernt, wo ich aufwuchs und zur Schule ging.

Es gab eine Menge toller Sachen dort für die Versteigerung und viele Leute besahen sich die Sachen bevor es losging. Mein Bild prangte an der Wand notdürftig mit kleinen Klemmen an eine Holzlatte befestigt, damit dem Bild nichts passiert. Noch nicht einmal einen Rahmen aus Holz oder Glas drum herum, aber es leuchtete mit seinen schweren Farben durch den Raum. Toll, ein Bild von mir in meiner ersten Ausstellung.

Dann begann das bieten bei der Auktion. Auf amerikanische Art wurde geboten. Anstelle der sich steigernden Gesamtsumme, kann jeder geben was er geben will, bei demjenigen bei dem eine Uhr schellt, hört die Auktion auf und derjenige hat dann gewonnen.

Erst wurde nur zögerlich geboten und dann ging es plötzlich Schlag auf Schlag. Und meine Lehrerin bot kräftig mit und legte immer wieder 50 Pfennige und auch Markstücke in die Auktionsschale. Die Uhr schellte – schade, ich hätte noch Stunden so verbringen können, denn es ging ja um mein Bild, aber Frau Lehrerin hatte es tatsächlich geschafft, das Bild, mein Bild zu ersteigern. Sicher hat sie um die 5 Mark gegeben. Dann wurde Kassensturz gemacht und 22 Mark hatte mein Bild für den guten Zweck gebracht. Ich war mächtig stolz und plötzlich war da ein ganz neues Gefühl: Ehre und Lob wurde mir zuteil. Etwas von mir selbst gemachtes, erdachtes, erfundenes war wertvoll.

Leider habe ich kein Foto von meinem Werk, noch weiß ich, ob das Bild noch existiert oder längst verblichen im Müll gelandet ist.

 

Vorher hatte ich mir nie Gedanken um Verkauf und Wert meiner Werke gemacht. Ich konnte nie gut meine Kunst für mich selbst bewerten. In Ausstellungen war ich meist überteuert. Man fand meine Kunst gut – aber für den Preis!? Nee, zahlen wollte man für meine Kunst meist nicht. Bei mir fing es aber gerade damit an.

 

Ich malte zeichnete, werkelte, aber meist für Geschenke und nicht des Geldes wegen und natürlich für die Schublade, oder besser gesagt, für eine große Sammelmappe.

 

Mit 12 Jahren schenkten mir meine Eltern ein Spirograph-Kasten. Er beinhaltete Zahnräder und mit Zähnen bestückte Schienen, die man zu ungewöhnlichen Formen zusammenstecken konnte. Es wurde mit spitzem Bleistift, Buntstiften oder farbigen Kugelschreiberminen mit einem Zahnrad an den Zahnschienen vorbeigeführt und es kam zu erstaunlichen Ergebnissen. Filigrane bunte Linien, die man mit freier Hand niemals so akkurat und präzise hinbekommen kann. Damit konnte ich mich Stunden beschäftigen. Und jetzt gab es als Geschenke meine bunten, feinlinigen Bilder auf Zeichenpapier, einfach nur so oder hinter Glas und mit Rahmen, wenn mein Geldbeutel es zuließ.

 

 

 

Abb.1 – SPIROGRAPH-BILD, Kugelschreiber auf Papier

30 x 40 cm, Privatbesitz

 

 

1977 sollten alle Schüler meiner Klasse eine ganz besondere Erfahrung machen: das Berufs-Praktikum. Ich war jetzt 14. Drei Wochen nicht in die Schule, kein Unterricht, keine Lehrer. Hurra!

Aber eben drei Wochen in einen Beruf reinschnuppern. Mit einer meiner besten Schulfreundinnen Hanna hatte ich einen Praktikumsplatz in einem Blumengeschäft in Altena ergattern können. Da wir beide nicht so viel Geld für einen Bus hatten, latschten wir morgens und nachmittags den weiten Weg in die Stadt.

An jedem Morgen wurden frische Blumen angeliefert. Das hieß, die ältere Ware durchschauen, ob etwas vergammelt ist und dann Platz für die neuen Blümchen gemacht.

Wir Praktikanten wurden in die hohe Gesteckkunst eingeweiht. Ich baute aus Bambusstangen eine Leiter und arrangierte davor die Blüten und Blätter. Noch einen Tannenzapfen und schon war mein besonderes Gesteck fertig. Außer uns Praktikanten waren noch in dem Laden zwei junge Frauen beschäftigt, die eine im dritten, die andere im zweiten Lehrjahr und natürlich Chef und Chefin.

Alle besahen sich unsere Gestecke und meins gefiel, weil es auffiel. Aber dann kam der Chef und meinte, die Gestecke müssen den Schütteltest überstehen. Mein Gesteck war ein Gesteckschwamm im Glas und dann alles reingestopft, was nicht niet- und nagelfest war. Er nahm mein Gesteck, dreht es auf den Kopf. Ich hielt den Atem an und wollte schon etwas sagen, dann aber rüttelte er noch mit dem Glas und alles fiel in Klumpen zu Boden. Mein Gesteck war nicht rüttelfest.

Also gut neu gemacht. Dieses Mal aber schnitt ich ein größeres Stück vom Gesteckschwamm ab. Es passte nicht ganz in die Glasschale. Mit etwas Druck ging es dann doch und die überstehenden Ränder schnitt ich ab. Nun hatte ich eine rüttelfeste Grundsubstanz geschaffen und begann dann die Dekoration von vorne.

Wenn ein Gesteck fertig war, brachte man es in den Verkaufsraum zu einem Tisch auf dem die Gestecke gesammelt ausgestellt wurden.

Meine Gestecke fielen immer irgendwie zwischen den anderen auf. Mal mit einer Bambusleiter, mal mit großen Pinienzapfen oder mit bunt angemalten Kieselsteinen bestückt, waren sie wirklich auffallender als andere.

Und siehe da – die nächste Ehre wurde mir zu teil. Eine Kundin suchte nach einem Geschenk und stand vor dem Gestecktisch. Ihr Auge blieb an meinem Gesteck mit der Bambusleiter hängen und war ganz entzückt. Die Auswahl war groß, aber mein Gesteck wurde verkauft. Genial! Meist waren die „Ladenhüter“, die Gestecke die zwar nach allen Regeln der Blumenkunst gefertigt wurden, aber nach 08/15 aussahen, noch zum Feierabend im Laden und fanden keine Abnehmer. Dann wurde jedes Schälchen für die Nacht nochmals mit Wasser befüllt, damit die Blumen nicht die Köppe hängen ließen.

 

Der Beruf gefiel mir. Viele Menschen um sich, Mitarbeiter und Kunden und immer kreative Kreationen aus dem Hause Pritzlaff, die sich gut verkauften. Das könnte doch meine Zukunft sein. Aber in Gesprächen mit den Angestellten musste ich leider feststellen, dass dieser Beruf völlig unterbezahlt wurde. Viel Arbeit, wenig Geld.

Zu etwas mehr Geld bringt man es wohl erst, wenn man einen eigenen Laden aufmachen kann. Aber dazu muss man erst Mal das nötige „Großgeld“ mitbringen um ein Polster zu haben. Und wenn man Auszubildende haben wollte, musste man auch noch den Meistertitel erlangen. Das kostet wiederum viel Geld und Zeit. Aussichtlos, trübe Aussichten für meine Berufswahl. Also Florist auf keinen Fall, leider. Schade.

 

Ich war gerade richtig in der Blumenkunst angekommen, da sollte ich noch mehr Erfahrungen machen. Meine Mutter belegt Kurse an der Volkshochschule und von ihr erlernte ich die Grundlagen der japanischen Gesteckkunst Ikebana.

Wow... Ikebana ist eine Weltanschauung, eine Meditation, eine Denkkunst mit Blumen. Dabei sind Besonderheiten zu beachten: die Gestecke werden ausgerichtet auf Himmel, Erde und den Menschen, oder das Höchste, das Edelste und die Basis. Im Gegensatz dazu, ist die europäische Blumensteckkunst symmetrisch ausgerichtet.

Nicht so bei Ikebana. Asymmetrische Anordnungen bringen Spannung in die Kunst. Das Dreieck gilt als asymmetrisch und es braucht Zeit und Ruhe um solches mit Blumen einzubringen.

 

 

 

Abb.2 – TRAUM IN WEISS, Seidenblumen, Bambusstöcke,

Styropor-Deko-Stangen auf Holzklotz, ca. 13 x 25 cm

 

 

Ich arrangierte als Geburtstagsgeschenke zahlreiche Gestecke. Ich übertrug dabei die natürlichen Zutaten, wie Blumen, Hölzer, Blätter, Rinde etc. auf künstliche, wie Seidenblumen, Holzleisten, Acrylstäbe, Knöpfe etc., um die Haltbarkeit des Gesteckes zu verlängern. Verblühen sollten meine Gestecke niemals.

Für Omas, Tanten, Schwestern und Eltern entstanden die kleinen Kunstblumen-Kunstwerke, die auch mit Freuden angenommen wurden. Ob einige von den verschenkten Gestecken heute noch „leben“? Wer weiß...

 

Einige Zeit später erlernte ich in der Schule die Peddigrohr-Flechtkunst. In jenen Tagen gab es neue Geschenke: Körbe, groß und klein, Schalen mit und ohne Deckel, Untersetzer, Blumenübertöpfe etc.

 

Und das Malen trat in den Hintergrund. Vor allem keine Porträts oder ganze Menschen. Das interessierte mich nicht. Das beste Bild von einem Menschen ist für mich entweder fotorealistisch, aber dann kann man auch einfach ein Foto machen, oder Film, oder völlig entfremden, um das Gefühl des Augenblicks zu zeigen. Kubistisch, surreal, abstrakt. Das kommt jeder Person näher, als das Lächeln der Mona Lisa, bei der auch keiner weiß, ob sie nicht gerade denkt: „Ihr spinnt doch alle“ und deshalb so unverschämt verschmitzt lächelt oder grinst.

Für mich waren immer Filme wichtiger. Ich brauche Visuelles. Menschen bei ihren Taten, kleinsten Gesten und Mimiken, Bewegungen und Gefühlausbrüchen zu zusehen. Irgendwann Mitte der 1980er Jahren entdeckte ich Spiegelglas für mich, als Darstellung des Menschen. Nur der Mensch hat etwas erfunden sich selbst zu betrachten. Deshalb: Spiegel gleich Mensch. Und wenn dann der Mensch mein Werk ansieht, sieht er auch unweigerlich sich selbst in den Spiegelstücken. Bruchstückhaft nur, aber er ist in meinem Werk.

 

Das Umweltbewusstsein begann sich einen Weg in meinen Kopf zu bahnen. Smog legte sich auf Stadt und Land. Autobahnen wurden gesperrt. Autofahren verboten. Autofreie Wochenenden, Ölkrise und mehr. Ich verstand einfach nicht, wie die Gesellschaft so vor sich hin busseln konnte und nichts gegen die allgemeinen Katastrophen unternahm, oder nur sehr wenig und sehr langsam unternahm.

Ich musste etwas ausdrücken was mich bedrückt. Stift her und losgezeichnet. Einige Zeichnungen haben es bis heute geschafft ver- und bewahrt zu werden.

 

 

 

Abb. 3 – TOD AUS 1000 SCHLOTEN, Bleistift auf Zeichenpapier,

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

 

Die Abholzung des Regenwaldes (Bleistiftzeichnung: DER LETZTE REST IN BETON GEFASST), die Verschmutzung der Gewässer (Bleistiftzeichnung: FLUGUNFÄHIGER ÖLTEPPICH), Giftgaswolken aus dem Ozonloch (Bleistiftzeichnung: GEFAHR AUS DEM HIMMEL) waren Themen, die bearbeitet werden wollten. Leider sind diese Zeichnungen verschollen.

 

Die Kunst hinter dem Schein das Sein in der Kunst zu sehen, erweckte die gute Klassenkameradin Hanna in mir. Eine Banane ist eine Banane. Basta. Aber als ich die Klassenkameradin besuchte hing ein Bild an der Wand, das mich faszinierte. Der Titel: „Banane im Herbst“. Sie hatte eine Banane auf ein Blatt Papier gelegt, drum herum Klebe auf das Papier aufgetragen und mit einem Anspitzer einen Bleistift über der Banane angespitzt. Die herunterfallenden Bleikrümel und die Holzstückchen des Bleistiftes klebten auf dem Papier. Die Banane weggenommen und trocknen lassen, fertig. Eine weiße Fläche in Form einer Banane blieb übrig. Wunderschön und einzigartig. Die gefallenen Holzstückchen bildeten mit den Bleikrümeln den Herbst. Ich habe das Bild geliebt.

 

Ende der 1970er Jahre sind nur wenige Werke entstanden. Zu sehr nahm mich die gerade begonnene Ausbildungszeit in Beschlag. Und es hieß lernen, lernen und nochmals lernen, dieses Mal an zwei Orten, in der Berufsschule und im Ausbildungsbetrieb: eine Schraubenfabrik. Ich wurde Industriekaufmann. Ein ordentlicher Beruf. Nix Kreativität, nix gestalten. Zahlen und Verkaufen und Herstellung von Schrauben und Muttern und Kalkulationen und Buchhaltung und Betriebswirtschaftslehre und und… und...

Und nebenbei auch noch Schreibmaschine schreiben lernen und ich wollte in allem gut sein. Na ja, Schreibmaschine schreiben kann ich heute noch. Sonst wäre dieser Text nicht entstanden, denke ich. Die Industriekaufmannlehre schloss ich mit „befriedigend“ ab. Na klasse, und ich hatte mich so angestrengt. Schriftliche Prüfung „gut“ aber leider die mündliche Prüfung verhauen, also runtergestuft von meiner guten Zensur. Heul... Schnief...

Später musste ich noch auf den „Technischen Kaufmann“ aufrüsten und wieder lernen. Dann bekam ich eine Stelle „nur“ im Großhandel nicht in der Industrie. Die meisten Mitschüler der Abschlussklasse 10 – Mittlere Reife wurden auch Kaufmänner. Bank-, Speditions-, Großhandels-, Einzelhandels- und natürlich Industriekaufmann. Bäh...

Ich wusste einfach keinen Beruf für mich. Mir fiel nix ein. Zur deutschen Bank getrabt und mich um eine Stelle beworben. Aber das wäre ja gar nichts für mich. Schlipsträger, Anzugsbeklemmungen und Sessel pupsen. Nein, bitte nicht. Wurde auch nichts draus. Aber was Kreatives? Wie denn, wo denn, was denn? Nicht im Sauerland, nicht in dieser Zeit und nicht in Altena.

 

Als es schon viel zu spät war, ich war schon 25 Jahre alt, begann ich mich für Kunst, Schauspiel und Regie zu interessieren, aber wo sollte ich Informationen dazu herbekommen.

Und ein Studium musste auch noch her. Ich aber hatte gerade begonnen mich niederzulassen und mein Gehalt war mir wichtig. Jetzt wieder kein Geld haben, studieren und wieder lernen, lernen, lernen, und nebenbei noch arbeiten gehen, jobben, damit man das Studium und das Leben finanzieren kann? Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber ich versuchte irgendwie doch noch was Kreatives zu verzapfen.

Allerdings war ich für ein Schauspielstudium zu alt, aber im Filmemachen musste doch noch was möglich sein. Ich bewarb mich zwei Mal bei der DFFB – der deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, und wurde, übrigens wie auch Rainer Werner Fassbinder, mein großes Idol, abgelehnt. Und auch in München an der Film- und Fernsehhochschule bekam ich eine Absage.

 

Also dann: weiter im kaufmännischen Bereich arbeiten und nebenbei etwas malen und zeichnen oder so was ähnliches...

 

Es entstanden in den wenigen verbliebenen Mußestunden Tusche-, Filz- und Kohlezeichnungen, aber irgendwie wollte es nicht ganz die Kunst werden, die ich wirklich machen wollte. Mir blieb erst Mal nichts anderes, als mich mit der bisschen Kunst zufrieden zu geben.

 

 

 

 

Kapitel 2: Auf der Suche

 

Anfang der 1980er-Jahre begann ich meine Suche nach neuen kreativen Eingebungen und fand sie 1982 in Dortmund in den Westfallenhallen. In den Messehallen veranstaltete man die „Creativa“. Erst in nur 2 kleinen Hallen gezeigt, wuchs die Kunsthandwerksmesse bis heute zu einer der meist besuchten Messen in Dortmund und ist heute die größte europäische Kunsthandwerksmesse überhaupt. In 6 Hallen präsentiert sich die Messe in 2017.

Handarbeit, Malen und Zeichnen, Basteln von Puppen und Spielzeug bis hin zu Schmuck. Geräte, Werkzeuge und Zubehör für die unterschiedlichsten Kreativ-Techniken wurden angeboten. Immer neue Strömungen und Ideen überraschen die Besucher bis heute. Das war mein jährliches Pflichtprogramm.

Erst begeisterte ich meinen besten Freund Erik für die Messe. Er, ein Jahr älter als ich und schon Führerscheinbesitzer fuhr mit mir nach Dortmund. 1982 hatte auch ich endlich den Führerschein. Von da an gab es für mich kein Halten mehr. Die Städte Hagen, Dortmund und Bochum wurden in Sachen Kunst, Theater und vor allem auch Kinobesuche ständiger Aufenthaltsort.

 

Eine neue „Creativa“-Technik war Wasserfarben in Öllachen verlaufen zu lassen. Man verstrich Sonnenblumenöl mit einem Pinsel auf ein Zeichenpapier. Dann ließ man Wasserfarben in die noch frischen Öllachen laufen und hielt das Blatt schräg, damit die Farben sich schön vermischen und verschmieren. Wow... geniale Effekte!

 

 

 

Abb. 4 – OHNE TITEL, Farbe in Öl zerfließen lassen auf Zeichenpapier

30 x 40 cm, Privatbesitz

 

 

 

Ich besuchte Museen und Galerien. Der Besuch der Art Cologne stand regelmäßig auf dem Programm und auch die wenigen Versuche der Stadt Düsseldorf, eine Kunst-Messe wie die Art Cologne, aber eher regionale Künstler und Galerien wurden besucht. Seit 1982 wurde auch die documenta in Kassel alle fünf Jahre zum Pflichtprogramm.

 

Das es tatsächlich Kunst und Kunstinteressierte in Altena im Sauerland gab, wurde mir erst später bewusst.

Zwischendurch durfte auch mal wieder gezeichnet werden. Merkwürdige Zeichnungen entstanden, wie zum Beispiel „Snake Kobra“. Die Zeichnung zeigt zwar eine Schlange, aber eher eine Schlange an einem Äskulapstab und keine Kobra. Das Zeichen der Apotheker. Aber ich bin halt kein Apotheker, nur das Zeichen fand ich immer gelungen.

 

 

Abb. 5 – SNAKE KOBRA, Blei- und Buntstiftzeichnung

30 x 40 cm, Privatbesitz

 

 

 

Mein nachfolgendes „Tittenherz“ fand wenig Gefallen innerhalb meiner Familie und fand auch keine Begeisterung unter meinen Freunden.

 

 

Abb. 6 – TITTENHERZ, Bleistiftzeichnung

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

Neue Impulse in Sachen Kreativität gab mir die in der Schule neu erlernte Spritztechnik. Ausgeschnittene Formen aus Papier legt man auf ein Zeichenblatt und durch ein Sieb, Teesieb oder extra im Handel erhältliche gröbere Siebe, wird mit einem Pinsel Wasserfarbe über die Ränder der ausgeschnittenen Formen „gespritzt“. Dann nimmt man die Formen weg und erhält ein faszinierendes Bild.

Ich war ganz hin und weg von dieser Technik. Allerlei Formen wurden von mir auf Zeichenpapier geklebt und nur wenige wieder weggenommen. Ich vermischte also die Techniken und es wurden wieder Geschenke gebastelt. Die ganze „bucklige“ Verwandtschaft wurde mit diesen Spritztechnikbildern verwöhnt. Manche dieser Bilder hingen lange an den verwandtschaftlichen Wänden.

 

 

 

Abb. 7 – 2 KREISE, Siebtechnik auf Zeichenpapier

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 8 – BLITZE, Siebtechnik auf Zeichenpapier

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 9 – DREIECKE, Siebtechnik auf Zeichenpapier

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 10 – KREISE, Siebtechnik auf Zeichenpapier

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 11 – STERNENWANDERUNG, Siebtechnik auf Zeichenpapier

30 x 40 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 12 – CHINA, Bleistift auf Zeichenpapier

30 x 40 cm, Privatbesitz

 

Warum hießt das Bild eigentlich „China“? Wahrscheinlich, weil es mich an wildwucherndes Chinagras erinnert.

 

 

 

Abb. 13 – DIE TODESWELLE, Bleistift auf Zeichenpapier

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 14 – SCHATTENSPIELE, Bleistift auf Zeichenpapier

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

 

Mit 21 Jahren zeichnete ich wieder voller Leidenschaft. Die Geometrie hatte es mir angetan. Präzise Kreise, Dreiecke, Winkel, Ecken und Kanten. Nie war mein Wunsch ein Bild von einem Menschen zu malen. Was ich bis heute nicht kann, nicht will und nicht brauche. Oder ist es genau anders herum: Weil ich es nicht kann, redete ich mir ein, will ich es nicht und brauche es auch nicht?

 

 

Abb. 15 – DREIECKE – VERSCHOBEN (eher verschroben)

Bleistift auf Zeichenpapier, 30 x 40 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 16 – LINIEN, Bleistift auf Zeichenpapier

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 17 – LINIEN MIT SPITZEN, Bleistift auf Zeichenpapier

30 x 40 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 18 – LINIEN-STRÄNGE, Bleistift auf Zeichenpapier

30 x 40 cm, Privatbesitz

 

 

 

Neu hinzu kamen andere Materialien, wie schwarze Pappe, Glasfaserelemente und Dispersionsfarbe.

 

Abb. 19 – OHNE TITEL, Dispersion als Siebtechnik über schwarze Pappe

und Glasfaserstreifen auf Zeichenpapier, 30 x 40 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 20 – MAGNETISMUS, Bleistift auf Zeichenpapier

30 x 40 cm, Privatbesitz

 

 

 

Abb. 21 – LINSENLEBEN, Tusche und Bleistift auf Zeichenpapier

30 x 40 cm, Privatbesitz

 

 

 

Das Leben als Linse in einem Fotoapparat, in dem man das Leben, die Welt, nur bruchstückhaft erlebt.

1984 wollte ich meiner Zigarettensucht Ausdruck verleihen und klebte kleine Elemente der Zigarettenschachteln meiner geliebten Zigarettenmarke auf Zeichenpapier zu einer Collage.

 

Abb. 22 – SALUTI DA CAMEL FILTER, HOMMAGE AN EINE SUCHT

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

Diese Camel-Collage entstand nach dem ich eine Ausschreibung gelesen hatte, in der die Firma Camel aufrief aus den Elementen der Werbung eine neue Idee herzustellen. Die besten künstlerischen Umsetzungen sollten in einem Katalog festgehalten werden und eine Wanderausstellung mit den besten Arbeiten sollte es geben. Leider wurde mein Werk nicht auserwählt und nicht in den Katalog oder in die Ausstellung übernommen, aber als Dankeschön zur Teilnahme gab es den Katalog gratis und einen durchsichtigen Acrylglasblock mit integriertem Dromedar. Schön anzusehen. Der Acrylblock ist heute noch in meinem Besitz.

 

 

 

 

Abb. 23 – MASKEN IM NEBEL, Bleistift auf Zeichenpapier

40 x 30 cm, Privatbesitz

 

 

 

 

Kapitel 3: Exkurs Bundeswehr vs. THW