Star Wars™ Das Verhängnis der Jedi-Ritter 8 - Christie Golden - E-Book

Star Wars™ Das Verhängnis der Jedi-Ritter 8 E-Book

Christie Golden

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Beschreibung

Das "Verhängnis der Jedi-Ritter" nähert sich dem großen Finale …

Jedi-Ritter Luke Skywalker und sein Sohn Ben durchstreifen das Universum auf der Jagd nach dem dunklen Wesen Abeloth. Die Suche führt sie auf einen Planeten, der ein düsteres Geheimnis birgt …

Währenddessen führt das politische Vakuum auf Coruscant zu verheerenden Kämpfen um die Herrschaft über die Galaktische Allianz. Mit allen Mitteln versucht der Jedi-Orden, den Frieden zu wahren. Aber selbst die Jedi sind nicht auf die Bedrohungen vorbereitet, die plötzlich auf sie einstürzen …

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Christie Golden

AUFSTIEG

Das Verhängnis der Jedi-Ritter 8

Aus dem Englischen

von Andreas Kasprzak

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die amerikanische Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Star Wars™ Fate of the Jedi 08. Ascension«

bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung August 2012

bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe

Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München

Copyright © 2011 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.

All rights reserved. Used under authorization.

Translation Copyright © 2012 by Verlagsgruppe

Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, München

Cover Art Copyright: © 2011 by Lucasfilm Ltd.

Cover design by Ian Keltie and David Stevenson

Cover art by Ian Keltie

Redaktion: Marc Winter

HS · Herstellung: sam

Satz: omnisatz GmbH, Berlin

ISBN 978-3-641-08957-3V002

www.blanvalet.de

Dieses Buch, mein letzter Beitrag zu diesem fantastischen neunbändigen Abenteuer, ist jenen gewidmet, die diesen Weg an meiner Seite gegangen sind:

Aaron Allston

Troy Denning

Shelly Shapiro

Sue Rostoni

Die Kreativität, die dieses Team gemeinsam freigesetzt hat, kann man nicht anders als phänomenal bezeichnen. Danke, dass ihr mich einen Teil von alldem habt sein lassen.

Dramatis Personae

ABELOTH

ALLANA SOLO; junges Mädchen (Mensch)

BEN SKYWALKER; Jedi-Ritter (Mensch)

DARISH VOL; Großlord des Vergessenen Stamms der Sith (Mensch)

DRIKL LECERSEN; Moff (Mensch)

GAVAR KHAI; Sith-Schwert (Mensch)

HAN SOLO; Captain des Millennium Falken (Mensch)

HAYDNAT TREEN; Senatorin und Mitglied des Triumvirats, das die Galaktische Allianz regiert (Mensch)

IVAAR WORKAN; Sith-Hochlord (Mensch)

JAGGED FEL; Staatschef des Galaktischen Imperiums (Mensch)

JAINA SOLO; Jedi-Ritterin (Mensch)

LEIA ORGANA SOLO; Jedi-Ritterin (Mensch)

LUKE SKYWALKER; Jedi-Großmeister (Mensch)

PADNEL OVIN; Senator von Klatooine (Klatooinianer)

SABA SEBATYNE; Jedi-Meisterin und Mitglied des Triumvirats (Barabel)

TAHIRI VEILA; Verurteilte auf der Flucht (Mensch)

VESTARA KHAI; Sith-Schülerin (Mensch)

WYNN DORVAN; Mitglied des Triumvirats (Mensch)

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …

1. Kapitel

RATSKAMMER DES ZIRKELS, HAUPTSTADT TAHV, KESH

Die Sonne, die auf die Buntglaskuppel der Zirkelkammer herniederbrannte, tauchte die Gestalten aller Versammelten in ein Gewirr von Farben. Dessen ungeachtet war es in dem großen Raum nicht heiß. Für so meisterhafte Machtnutzer wie die Sith, die sich hier zusammengefunden hatten, war es ein Leichtes, so etwas Belangloses wie die Temperatur zu regulieren.

Es handelte sich um eine Krisensitzung, aber dennoch wurde strikt die Form gewahrt. Wenn die Sith eines waren, dann pedantisch. Großlord Darish Vol, das Oberhaupt des Vergessenen Stammes, hatte die Zusammenkunft vor weniger als einer Stunde einberufen. Nun saß er auf einem Podium genau in der Mitte der Kammer, höher als alle anderen, auf seinem traditionellen Thron aus Metall und Glas. Obgleich genügend Zeit gewesen war, seine farbenfrohen, formellen Gewänder anzulegen, sah er sich in der Dringlichkeit des Moments außerstande, sich hinzusetzen und das ausgemergelte, betagte Gesicht von seinen Dienern mit den Vor’shandi-Wirbeln und anderen Verzierungen bemalen zu lassen, wie es für dieses Treffen eigentlich angemessen gewesen wäre. Vol rutschte ein wenig auf seinem Thron hin und her, verärgert ob dieses Wissens, verärgert über die ganze Situation, die diese Zusammenkunft überhaupt erst nötig machte.

Sein Amtsstab ruhte quer über dem Schoß. Seine klauenartigen Hände klammerten sich darum, während die betagten, aber immer noch scharfen Augen durch den Raum schweiften, registrierten, wer anwesend war und wer nicht, und die Reaktionen jedes Einzelnen beobachteten und vorausahnten.

Links und rechts neben dem Großlord saßen die Hochlords. Heute waren neun des traditionell dreizehn Mitglieder umfassenden Zirkels zugegen, eine Mischung aus Männern und Frauen, aus Keshiri und Menschen. Eins dieser Mitglieder, Hochlord Sarasu Taalon, würde nie wieder unter ihnen sein. Taalon war tot, und sein Tod war einer der Gründe dafür, warum Vol die Versammlung einberufen hatte. In einem Kreis rings um das Podium herum saßen die Lords, die rangniedriger waren als die Hochlords, und hinter ihnen standen die Schwerter.

Auch von ihnen fehlten etliche. Viele waren tot. Einige … Nun, was aus ihnen geworden war, musste man abwarten.

Vol konnte die Anspannung im Raum spüren. Selbst jemand, der nicht machtsensitiv war, wäre imstande gewesen, die Körpersprache der Anwesenden zu deuten. Zorn, Besorgnis, Erwartung und Furcht durchströmten heute die Kammer, auch wenn die meisten der Zugegenen ihre Emotionen gekonnt verbargen. Vol bediente sich der Macht so selbstverständlich, wie andere atmeten, um den Herzschlag und die vom Stress produzierten biochemischen Stoffe zu regulieren, die durch seinen Körper zirkulierten. Auf diese Weise blieb der Geist klar, selbst wenn das Herz wie stets offen für Gefühle und Leidenschaft war. Wäre es blockiert oder von solchen Dingen unberührt gewesen, wäre es nicht länger das Herz eines wahren Sith gewesen.

»Ich sage Euch, sie ist eine Heilsbringerin!«, verkündete Lady Sashal gerade. Sie war zierlich, ihr langes weißes Haar perfekt frisiert, die violette Haut im ansprechendsten Lavendelton überhaupt gehalten. Ihre honigsüße Stimme erfüllte den Raum. »Schiff gehorcht ihr, und ist Schiff nicht das …« Einen Moment lang haderte sie mit ihrer Wortwahl, ehe sie sich wieder fing. »… das von Sith geschaffene Konstrukt, das uns von den Ketten unserer Isolation und der Ignoranz der Galaxis befreit hat? Schiff war das Werkzeug, das wir uns zunutze machten, um unserer Bestimmung nachzukommen – nämlich, die Sterne zu erobern. Und wir sind dabei, genau das zu tun!«

»Ja, Lady Sashal, das sind wir«, hielt Hochlord Ivaar Workan dagegen. »Und wir sind diejenigen, die diese Galaxis beherrschen sollten, nicht diese Fremde.«

Obwohl der attraktive, ergrauende Mensch lange Jahre den Rang eines Lords innehatte, war er erst unlängst zum Hochlord ernannt worden. Taalons vorzeitiges Hinscheiden hatte den Weg für Workans Aufstieg geebnet. Vol hatte es Freude bereitet zuzusehen, wie Workan in diese Rolle schlüpfte, als sei er dafür geboren. Obgleich Sith nur auf sich selbst und die Macht vertrauten, betrachtete Vol Workan dennoch als einen derer, bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn hintergehen würden, weniger groß war als bei anderen.

»Die Dunkle Seite ist sehr stark in ihr«, erklärte Hochlord Takaris Yur. »Stärker als in jedem anderen, von dem wir je gehört hätten.« Für den Meister des Sith-Tempels war dergleichen eine ausgesprochen gewichtige Feststellung. Nur wenige auf Kesh besaßen ein so umfassendes Wissen über die Historie der Sith – und über das, was vorging, während sie sich jetzt über die Sterne ausbreiteten – wie dieser täuschend sanftmütig wirkende, dunkelhäutige Mensch in mittleren Jahren. Yur hatte Ehrgeiz, der jedoch größtenteils nicht eigennütziger Natur war – eigentümlich für einen Sith. Sein Streben galt dem Wohl seiner Schüler. Er tat alles in seiner Macht Stehende, um sie so gut zu unterweisen, wie er konnte, ehe er sie auf eine nichtsahnende Welt losließ und die Aufmerksamkeit der nächsten Generation von Anfängern zuwandte. Yur sprach nur selten, aber wenn er es tat, schenkten ihm alle Gehör, wenn sie klug waren.

»Stärker als in mir?«, fragte Vol milde, sein Gesicht freundlich, als wäre er an einem hübschen Sommertag in eine beiläufige Plauderei vertieft.

Yur wirkte gelassen, als er sich dem Großlord zuwandte und sich bei seiner Erwiderung verbeugte. »Sie ist ein uraltes Wesen«, sagte er. »Mir erscheint es töricht, nicht alles von ihr zu lernen, das uns möglich ist.« Vol lächelte ein wenig. Yur hatte seine Frage eigentlich überhaupt nicht beantwortet.

»Man lernt vielleicht einiges über einen Rukaro, indem man sich ihm in den Weg stellt«, fuhr Vol fort. »Aber möglicherweise überlebt man diese Begegnung nicht, um später von diesem Wissen zu profitieren.«

»Durchaus«, stimmte Yur zu. »Nichtsdestotrotz ist sie nützlich. Lasst sie uns erst vollkommen aussaugen, bevor wir uns der Hülle entledigen. Die Berichte weisen darauf hin, dass sie nach wie vor über großes Wissen und gewisse Fähigkeiten verfügt, um die Macht zu manipulieren, die sie uns und künftigen Generationen des Vergessenen Stammes beibringen könnte.«

»Sie ist keine Sith«, machte Workan deutlich. Die Verachtung in seiner melodischen Stimme deutete darauf hin, dass diese einzelne, vernichtende Feststellung genügen sollte, um die Debatte zu beenden.

»Doch, ist sie!«, protestierte Sashal.

»Aber nicht auf die Art, wie wir Sith sind«, fuhr Workan fort. »Und unsere Art – unsere Kultur, unsere Werte, unser Vermächtnis – muss der einzige Weg bleiben, wenn unser Schicksal rein und unbefleckt bleiben soll. Sonst riskieren wir, uns selbst dazu zu verdammen, jemandem, der nicht dem Stamm angehört, übermäßig viel Vertrauen zu schenken – ganz gleich, wie mächtig sie auch sein mag.«

»Sith nehmen sich, was sie wollen«, meinte Sashal und trat auf Workan zu. Vol musterte die beiden eingehend, während er sich am Rande fragte, ob Sashal den Ranghöheren auf diese Weise herausforderte. Denn das wäre töricht gewesen. Sie war nicht annähernd so stark wie Workan. Allerdings gingen Ehrgeiz und Klugheit zuweilen nicht Hand in Hand.

Sie hatte sich zu ihrer vollen, zierlichen Größe aufgerichtet und strahlte großes Selbstvertrauen in die Macht aus. »Wir werden sie fangen und uns zunutze machen – und vernichten, wenn wir mit ihr fertig sind. Doch zum Wohle der Dunklen Seite müssen wir sie zuerst für unsere Zwecke einsetzen! Hört auf Hochlord Yur! Denkt an das, was wir alles von ihr lernen können! Nach allem, was wir gehört haben, verfügt sie über Kräfte, die wir uns nicht einmal vorstellen können.«

»Nach allem, was wir gehört haben, ist sie unberechenbar und gefährlich«, konterte Workan. »Bloß ein Narr reitet den Uvak, den er nicht kontrollieren kann. Ich habe kein Verlangen, noch weitere Sith-Schwerter und -Lords auf Abeloths Altar zu opfern und damit indirekt ihre Pläne zu fördern – wie auch immer die aussehen mögen. Oder ist euch nicht in den Sinn gekommen, dass wir bislang nicht einmal genau wissen, was sie überhaupt ist?«

Vol registrierte, wie ein vages Gefühl der Sorge und eine gewisse Dringlichkeit von der Gestalt ausging, die sich just in diesem Moment der Kammer des Zirkels näherte. Es handelte sich um Schwert Yasvan, deren attraktive Gesichtszüge zu einem besorgten Stirnrunzeln verzogen waren.

»Nur ein Narr wirft eine Waffe weg, die noch immer einen Nutzen birgt«, hielt Yur dagegen. »Etwas so Uraltes … Wir sollten sie zappeln lassen und ihre Geheimnisse entschlüsseln.«

»Unsere Zahl ist begrenzt, Lord Yur«, entgegnete Workan. »Bei dem Tempo, in dem die Sith sterben, die mit ihr zu tun haben, werden am Ende vielleicht nicht mehr viele von uns übrig sein, die etwas von ihr lernen könnten.«

Vol lauschte, als Yasvan ihm etwas ins Ohr flüsterte. Dann nickte er und entließ das Schwert mit dem Wink einer leberfleckigen Hand. »So unterhaltsam diese Debatte auch war«, sagte er, »ist es nun an der Zeit, zum Ende zu kommen. Ich habe soeben erfahren, dass Schiff von unseren planetaren Verteidigungsanlagen registriert wurde. Abeloth und die Sith, die ich losgeschickt habe, um sie zu begleiten, werden nicht weit dahinter sein.«

Sie hatten alle gewusst, dass sie mit ihr rechnen mussten. Tatsächlich war das der Hauptgrund dafür gewesen, dass dieses Treffen einberufen worden war. Sämtliche Blicke wandten sich ihm erwartungsvoll zu. Wie würde ihr Großlord entscheiden?

Er spannte sie auf die Folter. Er war alt, und heutzutage gab es nur noch wenig, das ihn amüsierte, weshalb er sich gestattete, den Moment zu genießen. Schließlich sagte er: »Ich habe die Argumente dafür vernommen, weiter eng mit ihr zusammenzuarbeiten, und die Argumente dafür, die Bande zu ihr zu kappen. Obgleich ich zugeben muss, dass mir die erste dieser beiden Möglichkeiten nicht sonderlich gefällt, woraus ich auch nie ein großes Geheimnis gemacht habe, denke ich ebenso wenig, dass die Zeit für letztere Option gekommen ist. Die größten Chancen zu siegen hat man, wenn man alle Aspekte der Situation berücksichtigt. Deshalb werden Kesh und der Zirkel der Lords Abeloth auf unsere Welt einladen. Wir werden ihr ein prächtiges Willkommen bereiten, mit einem Festmahl und Spielen und Präsentationen unserer stolzen, mächtigen Kultur. Und«, fügte er hinzu, während er sie alle durchdringend ansah, »wir werden beobachten, lernen und lauschen. Erst dann werden wir unsere Entscheidung darüber treffen, was für das Wohl des Vergessenen Stammes auf Kesh am besten ist.«

Sith-Schwert Gavar Khai saß im Kapitänssessel auf der Brücke der Schwarzen Woge, jener ChaseMaster-Fregatte, die einst Sarasu Taalon gehört hatte. Die kreisrunde Form seines Heimatplaneten erfüllte den Sichtschirm – grün, braun, blau und lavendelfarben. Khai betrachtete die fruchtbare Welt mit schweren Lidern. So viele Jahre lang war Kesh von den Ereignissen in der Galaxis abgeschieden gewesen, und Khai stellte fest, dass seine Gefühle bezüglich des Vorhabens, daran etwas zu ändern, überaus gemischter Natur waren.

Ein Teil von ihm war froh darüber, wieder zu Hause zu sein. Genau wie jedes andere Mitglied des Vergessenen Stammes auch hatte er abgesehen von einer kurzen Phase vor zwei Jahren sein gesamtes Leben hier verbracht. Tief in ihm verwurzelt war die Leidenschaft für die wunderschönen Glasskulpturen und den lila Sand des Planeten, seine Musik und Kultur, die gelegentliche Grausamkeit und auch seine Ordnung. Über fünftausend Standardjahre lang war der Stamm hier daheim gewesen, um aus dem Umstand das Beste zu machen, dass sie nirgendwo anders hinkonnten – wie es nun einmal den Traditionen der Sith entsprach. Das uralte Raumschiff Omen war hier abgestürzt, und die Überlebenden hatten sich nicht damit zufrieden gegeben, bloß auf dieser Welt zu existieren, sondern versucht, sie zu beherrschen – und das war ihnen gelungen. Sie hatten den Spagat vollbracht, die Keshiri, die wunderschönen Ureinwohner von Kesh, nicht bloß mit offenen Armen für sich zu vereinnahmen, sondern sie gleichzeitig zu unterjochen.

Jene von ihnen, die es verdienten – in denen die Macht stark war und die imstande waren, sich an das Denken und Sein der Sith anzupassen –, konnten sich, genügend Willenskraft vorausgesetzt, einen Platz in ihrer Gesellschaft verdienen. Denjenigen, die die Macht nicht beherrschten, blieb diese Möglichkeit verwehrt. Diese Keshiri waren der Gnade der Herrschenden ausgeliefert. Und manchmal, wie im Falle von Gavar Khai und seiner Frau, wurde ihnen Gnade gewährt, sogar Liebe.

Meistens gab es jedoch keins von beidem. Allerdings lebten jene, die Risiken eingingen, um ihren Stand und ihre Macht zu steigern und dabei selten verloren, zumindest lange genug, um einen zweiten Versuch zu unternehmen. Dies war eine sehr kontrollierte Gesellschaft mit einer genauen Rollenaufteilung. Jedermann wusste, was von ihm erwartet wurde, und jedermann wusste ebenso, dass man kühn und gerissen sein und eine Menge Glück haben musste, wenn man vorhatte, sein Los zu ändern.

Bei Gavar Khai war all das der Fall gewesen. Sein Leben auf Kesh war gut verlaufen. Obgleich er danach strebte, es irgendwann zum Lord zu bringen – vielleicht sogar zum Hochlord, falls sich ihm die Gelegenheit dazu bot oder man sie irgendwie herbeiführen konnte –, war er nicht unzufrieden mit der Position, in der er sich befand. Obgleich keine Machtnutzerin, unterstützte seine Gattin ihn rückhaltlos. Sie hatte sich als vertrauensvoll und ergeben erwiesen und ihre ungeheuer vielversprechende Tochter Vestara wunderbar großgezogen.

Und Vestara war das Wertvollste von allem gewesen, das Gavar Khai gehört hatte. Disziplin bekam jedes Sith-Kind praktisch von dem Moment an zu spüren, in dem es den Mutterleib verließ. Es war die Pflicht der Eltern, ihre Kinder nach besten Kräften zu formen. Andernfalls waren sie später nicht darauf vorbereitet, Anspruch auf ihre angemessenen Rollen in der Gesellschaft zu erheben. Prügel war an der Tagesordnung, die jedoch nur selten aus Zorn entsprang. Vielmehr war sie Teil der Art und Weise, wie Sith-Eltern ihre Kinder leiteten und lehrten. Khai hatte sich nicht sonderlich auf diese Aspekte der Disziplinierung gefreut, zog er es doch vor, hierfür andere Methoden anzuwenden, wie etwa Meditation, Kampftraining bis zur völligen Erschöpfung und das Vorenthalten bestimmter Dinge.

Zu seiner Freude hatte er festgestellt, dass er niemals gezwungen gewesen war, als Maßregelung Hand an Vestara zu legen. Anscheinend war sie von Geburt an dazu bestimmt, sich hervorzutun. Sie besaß genügend eigenen Antrieb und Ehrgeiz, dass sie ihn nicht brauchte, um sie zu »ermutigen«. Natürlich verfolgte Khai selbst auch Ziele und Absichten. Für seine Tochter hegte er allerdings noch größere – oder zumindest war dem einst so gewesen.

Seine Grübeleien wurden vom Klang der piependen Kom-Konsole unterbrochen, die verkündete, dass eine Nachricht von der Oberfläche eingetroffen war.

»Eine Botschaft von Großlord Vol, Schwert Khai«, verkündete seine Nummer zwei, die stellvertretende kommandierende Offizierin Tola Annax, um dann leise hinzuzufügen: »Ausgesprochen prompt, wirklich, ausgesprochen prompt.«

»Ich habe damit gerechnet, dass er sich nach dem Empfang der Mitteilung kurzfristig melden würde«, meinte Khai. »Ich werde mit ihm sprechen.«

Ein Hologramm des verhutzelten Großlords flackerte auf. Es war schon einige Zeit her, seit Khai den Anführer des Vergessenen Stammes das letzte Mal gesehen hatte. Hatte Vol schon immer so gebrechlich gewirkt, so … alt? Das Alter war etwas, das es zu respektieren galt, denn wenn ein Sith ein hohes Alter erreichte, bedeutete das, dass er in seinem Leben nicht viel falsch gemacht hatte. Allerdings konnte man auch zu alt sein, und jene, die zu alt waren, mussten Platz für Neues machen. Beiläufig und seine Gedanken wohl abschirmend, fragte sich Khai, ob der angesehene Großlord allmählich an diesen Punkt gelangte. Er sah, dass seine weißhaarige Keshiri-Stellvertreterin das Hologramm offen anstarrte. Zweifellos ging Annax, die nahezu besessen davon war, die Schwächen anderer zu bestimmen, dasselbe durch den Kopf.

»Schwert Gavar Khai«, sagte Vol, dessen Stimme überraschend kräftig klang. »Ich hatte erwartet, mit Abeloth persönlich zu sprechen.«

»Sie befindet sich im Augenblick an Bord von Schiff. Keine Sorge, Ihr werdet sie kennenlernen, wenn sie auf Kesh eintrifft«, sagte Khai ruhig. »Sie ist sehr darauf bedacht, einen guten ersten Eindruck zu machen.«

»Ich nehme an, dass der Umstand, dass ich jetzt mit Euch rede, der Beleg dafür ist, dass sie Euch ausgewählt hat, den verblichenen Hochlord Taalon bei unseren … Interaktionen mit ihr zu ersetzen.«

»Das wurde zwar nicht ausdrücklich so gesagt, aber ja, seit Lord Taalons Tod wendet sich Abeloth in allen wichtigen Belangen an mich.«

»Gut, gut. Dann versichert Abeloth, die so bestrebt ist, einen guten ersten Eindruck zu machen, doch bitte, dass unser Volk, das so eng mit ihr zusammengearbeitet und so viel für sie geopfert hat, ebenfalls das Verlangen verspürt, dass unsere erste Begegnung positiv verläuft. Zu diesem Zweck werden wir ein wenig Zeit brauchen, um uns auf eine so erlauchte Besucherin vorzubereiten. Sagen wir, drei Tage. Erst eine Parade, um die Herrlichkeit des Vergessenen Stammes zu demonstrieren, und dann ein Maskenfest.«

Khai erkannte eine Falle, wenn er sich mit einer konfrontiert sah. Genau wie Annax – die sich nun rasch mit den Kontrollkonsolen beschäftigte, um das Hologramm nicht zu offenkundig zu mustern, während sie zuhörte – und der Rest der Besatzung. Wie es Fallen oft so an sich hatten, war diese allzu offensichtlich. Vol stellte Khais Loyalität auf die Probe. Abeloth dazu zu zwingen, drei geschlagene Tage abzuwarten, bevor man sie empfing, bedeutete nichts weiter, als sie auf ihren Platz zu verweisen und sie warten zu lassen wie einen Frischling, der zum Rapport über seine Studien antreten musste. Aber natürlich würde Vol dergleichen abstreiten, indem er einfach behauptete, sichergehen zu wollen, dass für ihren geschätzten Gast alles perfekt sei. Und angesichts der Vorliebe der Sith für Zeremonien und Demonstrationen ihrer Überlegenheit besaß diese Aussage den zweifelhaften Vorzug, dass sie möglicherweise sogar zutraf.

Vol wartete auf Khais Reaktion. Er versuchte, sich darüber klar zu werden, wem die Treue des Schwertes galt.

Mit einem Mal wurde Khai ruckartig bewusst, dass er das selbst nicht wusste. Zweifellos hatte Abeloth die Unterhaltung wahrgenommen und überwachte Khais Präsenz in der Macht. Nach allem, was er über Schiff wusste, besaß sie außerdem die Fähigkeit, das Gespräch selbst mitanzuhören. Er wandte sich in aller Gelassenheit an den Mann, der augenscheinlich über den Vergessenen Stamm der Sith herrschte. »Abeloth wird enttäuscht sein zu hören, dass die Vorbereitungen für ihren Empfang so lange dauern werden«, sagte er, darauf bedacht, den Tonfall sorgsam zu modulieren. »Womöglich betrachtet sie es sogar als Beleidigung.« Außerhalb von Vols Blickfeld nickte Annax.

»Nun, das wollen wir aber nicht, oder?«, erwiderte Vol. »Als herausragendes Beispiel eines Sith-Schwerts müsst Ihr ihr einfach glaubhaft versichern, dass dies aus reinem Respekt heraus geschieht. Ich vertraue darauf, dass Euch das gelingt.«

Khai nickte zögerlich. »Das wird es.«

»Ausgezeichnet. Ihr habt mir und dem Zirkel stets gute Dienste geleistet, Khai. Ich wusste, dass Ihr mich jetzt nicht enttäuschen werdet. Richtet Abeloth meine besten Wünsche aus. Ich freue mich schon sehr auf unsere Begegnung. Mir sind gewisse Gerüchte zu Ohren gekommen, und ich kann es kaum erwarten, von Euch zu erfahren, wie sich Vestara in unserem Sinne macht.«

Das Hologramm verschwand. Khai lehnte sich im Sessel zurück, rieb sich das Kinn und dachte nach. Er vernahm den leisen Klang, der eine eingehende Nachricht ankündigte, und war schlagartig auf der Hut.

»Schwert Khai«, sagte Annax. »Abeloth wünscht, unter vier Augen mit Euch zu sprechen.« Ihre hellen Augen waren auf ihn gerichtet, und ihr wacher Verstand war zweifellos bereits zwei Schritte weiter und sinnierte darüber, wie diese spezielle Unterhaltung wohl ausgehen mochte.

Khai nickte. Auch damit hatte er gerechnet. »Dann werde ich sie in meinem Quartier empfangen.«

Kurz darauf befand er sich in der asketischen Kapitänskajüte der Schwarzen Woge. Er nahm sich einen Moment Zeit und sammelte sich für das vor ihm liegende Gespräch. Nachdem er an dem kleinen Schreibtisch Platz genommen hatte, sagte er laut: »Übertragung aktivieren!«

»Ich stelle Sie durch, Sir«, entgegnete Annax unverzüglich.

Khai fragte sich, ob die Keshiri heimlich lauschte. Er hatte eine Hologramm-Darstellung erwartet, aber Abeloth zog es vor, allein über Audio zu kommunizieren.

»Schwert Khai«, sagte sie. Ihre Stimme klang besser als zu dem Zeitpunkt, da sie ihre Übereinkunft getroffen hatten zusammenzuarbeiten – kräftiger, beherrschter und weniger … verletzt.

Khai verdrängte diese Gedanken unverzüglich. »Abeloth«, sagte er stattdessen, »ich habe Neuigkeiten von Lord Vol.«

»Ich weiß«, entgegnete sie, um damit seinen Verdacht zu bestätigen, dass sie die Unterhaltung längst wahrgenommen hatte. »Es lief nicht so gut, wie Ihr erwartet hattet.«

»Sagen wir lieber, es lief nicht so gut wie gehofft«, korrigierte Khai.

»Ich hoffe doch, dass er mir nicht die Möglichkeit verwehrt, endlich Eure Welt zu besuchen«, sagte Abeloth.

»Ganz im Gegenteil. Er hat darauf beharrt, dass Kesh und vor allen Dingen Tahv drei Tage zugestanden werden, um sich gebührend auf Eure Ankunft vorzubereiten, damit die Sith Euch so als Ehrengast begrüßen können, wie es Euch zusteht.«

»Geht Ihr davon aus, dass er lügt?«

Gavar Khai spielte gerade ein gefährliches Spiel. Vor allem anderen wollte er seinen persönlichen Erfolg sicherstellen – ja, sogar sein schlichtes Überleben, falls es darauf hinauslief. Er war seinem Volk stets treu ergeben gewesen, doch seine Erfahrungen mit Abeloth hatten ihm auch die Augen für die große Macht geöffnet, die sie beherrschte. Im Idealfall gelang es ihm, beides unter einen Hut zu bringen, aber er musste sich stets darüber im Klaren sein, dass es zwischen Abeloth und dem Vergessenen Stamm ebenso gut erneut zu Spannungen kommen konnte. Und wenn das geschah, musste er dafür sorgen, dass er auf der Gewinnerseite stand.

Obwohl Lügen nützlich waren, galt dies für die Wahrheit zuweilen sogar noch mehr. Deshalb sagte er die Wahrheit. »Ich denke nicht, dass er lügt. Es ist eine kulturelle Tradition, große Ereignisse mit einer prächtigen Feier zu begehen. Es gibt ständig Paraden und Festlichkeiten und derlei. Mit Sicherheit ist sich Lord Vol sehr darüber bewusst, dass es für die Sith ein ausgesprochen wichtiges Ereignis ist, sich mit Euch zu verbünden.«

»Dennoch scheinen mir drei Tage eine sehr lange Zeit zu sein, um den vermeintlichen Ehrengast so lange warten zu lassen.« In ihrer Stimme lag Verärgerung, die er ebenso deutlich in der Macht spüren konnte, kalt und erzürnt.

»Solche Vorbereitungen benötigen nun einmal Zeit«, wandte er ein. »Ich weiß nicht, was er plant.«

Zumindest das war so wahr wie der Umstand, dass die Sonne aufging, auch wenn Tola Annax ihm diesbezüglich vermutlich eine Liste potenzieller Möglichkeiten hätte präsentieren können.

»Nun gut, wir geben Lord Vol seine drei Tage. Ich muss zugeben, ich glaube, dass es mir gefallen wird, im Mittelpunkt so pompöser Festlichkeiten zu stehen. Es ist gut, geehrt und respektiert zu werden.«

»In der Tat. Das wird ein freudiges Ereignis werden. Mir wurde gesagt, dass es eine Parade und anschließend ein Maskenfest geben wird.«

Sie ließ sich einen Moment Zeit, ehe sie amüsiert kicherte. »Ein Maskenfest, wie passend … Ja, das wird mir mit Sicherheit gefallen.«

»Ich kann voller Überzeugung sagen, dass es nichts ähneln wird, das Ihr je gesehen habt.«

»Natürlich nicht. Ich bin mir sicher, dass eine so isolierte Welt ganz einzigartige Traditionen entwickelt hat.« Die Art und Weise, wie sie isoliert sagte, ließ es wie rückständig klingen. Khai zwang sich, jeden Anflug von Verstimmung, der ihn angesichts ihrer Herablassung überkam, zu unterdrücken.

»Dies ist Eure Welt, Schwert Khai«, fuhr sie fort. »Ich weiß, dass Ihr außer Eurer Tochter noch mehr Familie habt. Werdet Ihr ihr vor den Feierlichkeiten einen Besuch abstatten?«

»Ich bin der Anführer dieser Flotte«, erklärte Khai. »Eigentlich hatte ich das nicht beabsichtigt, nein.«

»Tut es«, sagte Abeloth. Obwohl es wie ein Vorschlag klang, wusste Khai, dass es keiner war. »Das gilt auch für alle anderen, von denen Ihr meint, dass sie die Gelegenheit zu schätzen wissen, die Ihren zu besuchen. Ich glaube nicht, dass ich lange zögern werde.«

»Wie Ihr wünscht«, antwortete Gavar Khai, der sich zum hunderttausendsten Mal fragte, was genau sie damit nun wieder meinte.

2. Kapitel

KHAI-ANWESEN, KESH

Die Nacht war wunderschön. Der Mond war groß und voll und tauchte das Land rings um das Khai-Anwesen in einen silberblauen Schein. Gavar Khai lehnte am Balkongeländer des elterlichen Schlafzimmers, nackt bis auf eine leichte, locker fallende Hose. Er hatte das schwarze Haar aus dem üblichen Knoten befreit, sodass es lose über die Schultern floss.

Er blickte auf seinen kybernetischen Arm hinab, hob ihn langsam, ballte und entspannte die Faust. Die Technik war ausgezeichnet. Das Gerät sah in jeder Hinsicht wie ein richtiger Arm aus. Es verfügte über komplexe Sensoren, die sämtliche spürbaren Gefühle nachahmten. In vielerlei Weise war der künstliche Arm einem aus Fleisch und Blut sogar überlegen. Jetzt, wo er den Umgang damit langsam meisterte, wurde ihm bewusst, dass er bald kräftiger und schneller sein würde als mit seiner echten Hand. Falls das zutraf, würde sich die »Entstellung«, die in den Reihen des Vergessenen Stammes so verpönt war, letzten Endes doch noch als Vorteil erweisen.

Aber … nichtsdestotrotz war es eine künstliche Hand, und als er damit eine Stunde zuvor den Körper seiner Gattin liebkost hatte, hatte sich ihre Haut anders angefühlt als sonst. Das war kein Manko – immerhin hatte kein sinnloser Unfall zu diesem Verlust geführt, sondern ein Kampf mit einem der mächtigsten Jedi, die es je gab. Dennoch konnte er das Gefühl nicht abschütteln, dass es nicht dazu hätte kommen sollen.

Khai seufzte leise und ließ den Blick abermals über die Landschaft aus felsigen Hügeln und widerstandsfähigen Bäumen schweifen, die in dieser trockenen Umgebung wuchsen. Unmittelbar unter sich vernahm er das fröhliche Plätschern von Wasser, das aus einem großen Brunnen aus Glas und Keramik strömte.

Für gewöhnlich fand er dieses Geräusch beruhigend. Doch wenn er jetzt an das Wort Brunnen dachte, kam ihm zwangsläufig ein anderes Wort in den Sinn, nämlich Fontäne, und das Einzige, was ihm dazu einfiel, war die Fontäne der Urhutts auf Klatooine. Es war der Inbegriff von Taalons Arroganz und Torheit gewesen, sich ein Stück des Gebildes aneignen zu wollen. Das Ganze hatte zum unnötigen Verlust mehrerer Angehöriger des Vergessenen Stammes geführt. Normalerweise hätte ihn so etwas nicht weiter gekümmert. Doch er konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob sie womöglich am Ende doch imstande gewesen wären, über Abeloth zu triumphieren und sie gekonnt zu unterwerfen, wenn sie noch ein weiteres Schiff voller Sith zur Verfügung gehabt hätten, anstatt sich nun in der unangenehmen Lage zu befinden, sich auf ein Bündnis mit ihr einlassen zu müssen.

Und dennoch … Es konnte sich am Ende als etwas Gutes erweisen. Wenn sie tatsächlich mächtiger als der Vergessene Stamm war …

Er spürte, dass seine Gemahlin wach war, und auch ihre Sorge, hörte das leise Tapsen nackter Füße, als sie hinter ihn trat und die Arme um seine schlanke Taille schlang. Gedankenverloren legte er die kybernetische Hand auf eine der ihren. Sie schmiegte ihre Wange an seinen Rücken.

»Warum ruht mein Gemahl nicht friedlich in seinem Bett?«, fragte Lahka leise. »Er sorgt sich doch nicht etwa wegen der bevorstehenden Ereignisse?«

Gavar antwortete nicht sofort. Er seufzte, ehe er sich umdrehte, um seine Frau anzusehen und sie in die Arme zu schließen. »Ja, das tue ich«, gab er zu. »Viel hängt davon ab, wie die Dinge morgen Abend verlaufen.« Er blickte zum Mond empor und korrigierte seine Worte. »Heute Abend.«

Sie lächelte zu ihm empor. Lahka besaß nicht einen Funken Machtsensitivität. Normalerweise hätte sie das seiner Zuneigung automatisch unwürdig gemacht. Doch Lahka hatte andere, ausgesprochen wertvolle Qualitäten. Sie war intelligent, geduldig und wusste, wie man Geheimnisse bewahrte. Und sie war wunderschön, so wunderschön wie jede Keshiri-Frau, obwohl sie doch ein Mensch war. Selbst jetzt, wo ihre Jugend lange hinter ihr lag, berührte ihn ihr sanftmütiges Lächeln. Sie hatte sich als gute Ehepartnerin und Mutter erwiesen, und er hatte sie vermisst.

Ihre Augen suchten die seinen. »Du sorgst dich um unsere Tochter«, sagte sie.

Gavar tippte ihr zärtlich auf die Nase. »Und da erzählst du den Leuten, du seist nicht machtsensitiv.«

»Ich bin Gavar-sensitiv«, sagte sie mit herzlichem Gemüt, »was vielleicht sogar noch besser ist.«

Sie hatten bislang noch nicht über Vestara gesprochen, und Gavar stellte fest, dass er sich danach sehnte, sich dieser Bürde zu entledigen. Niemand in der Galaxis kannte Vestara so gut, wie Lahka und er es taten. Vielleicht konnte sie sich einen Reim auf Vestaras Verhalten machen.

Also sprach Gavar Khai, während sie auf dem Balkon standen und er die Arme um seine Frau gelegt hatte, ruhig über die Gefahren, denen er ihre Tochter ausgesetzt hatte, von ihrem Erfolg oder ihrem möglichen Versagen. Davon, dass sie Hochlord Taalon getötet hatte. Lahka protestierte nicht oder wirkte in irgendeiner Form aufgewühlt. Sowohl ihre Tochter als auch ihr Gemahl waren machtvolle Adepten der Dunklen Seite. Er war derjenige, der am besten dazu imstande war, Vestara zu leiten, nicht sie. Doch Gavar wusste, dass sie sie beide liebte, und er begrüßte die Gelegenheit, frei und ungezwungen zu sprechen.

»Dann liebt sie diesen Jedi-Jungen?«, fragte Lahka.

»Obwohl er noch ein Junge ist, ist er doch bereits ein Jedi-Ritter, was ihrem Äquivalent eines Schwertes entspricht. Und ja, ich glaube, das tut sie.«

»Denkst du, sie könnte ihn bekehren? Er könnte sich als wertvoller Gewinn für den Stamm erweisen, und was du sagst, klingt, als würde er unsere Tochter gut behandeln – mit Respekt und Fürsorge.« Lahka setzte die richtigen Prioritäten – erst der Stamm und dann ihr Kind.

»Ich fürchte, dass es ihm vielleicht gelingt, sie zu bekehren. Manchmal denke ich, dass sie wahrhaftig meine Tochter ist, die leidenschaftliche, stolze Sith, zu der ich sie ausgebildet habe. Manchmal jedoch habe ich den Eindruck, als sei sie kurz davor, uns alle zu verraten.«

Wieder schenkte sie ihm ein Lächeln, das beinahe vor Liebe leuchtete. »Nicht unsere Vestara. Sie kennt ihre Pflichten – gegenüber der Dunklen Seite, gegenüber den Sith, gegenüber dem Vergessenen Stamm, gegenüber uns. Selbst wenn sie ins Wanken geraten sollte habe ich vollste Zuversicht, dass sie nicht vollends vom Weg abkommen wird.«

Er legte seine Stirn gegen die ihre und seufzte leise. »Ich hoffe, du hast recht«, sagte er. Er brauchte nicht näher darauf einzugehen. Falls Vestara sie verriet, war es seine Pflicht, sie zu erschlagen, und das wusste Lahka.

Schweigend hob Lahka den Mund zu seinem und küsste ihn. Ihre Finger schlossen sich um Gavars kybernetischen Arm, und sie führte ihn zurück ins Schlafzimmer.

Sobald sie eingeschlafen war, ließ Gavar sie abermals allein. Rasch streifte er sein Gewand über und schlüpfte hinaus. Er durchstreifte die Flure seines eigenen Zuhauses, als wäre er ein Fremder, sah alles mit neuen Augen. War dies wirklich sein prachtvolles Heim, voll mit Kunstgegenständen, hohen Decken und Musikinstrumenten? Vor Vestaras Zimmer blieb er stehen.

Er dachte an jenen Tag, als er an diese Tür geklopft hatte, mit dem Wissen über etwas, von dem Vestara keine Ahnung hatte – nämlich, dass sie in Kürze ihre Ausbildung im Tempel beginnen würde. Er erinnerte sich daran, wie er Muura herbeigerufen hatte, um der verwirrten jungen Keshiri mitzuteilen, dass ihre Dienste nicht länger benötigt wurden.

Muura war klug genug gewesen, nicht um eine Empfehlung zu bitten. Nach Vestaras Abreise war sie wortlos gegangen. Er war ihr gegenüber nicht kleinlich gewesen. Sie hatte Kleidung und Essen für mehrere Tage, und er hatte einen oder zwei seiner Freunde, die Töchter hatten, darüber informiert, dass sie nicht mehr in seinen Diensten stand. Falls sie daran interessiert waren, sie anzustellen, würden sie sie finden. Nichtsdestotrotz war Muuras Zeit als Dienerin im Khai-Haushalt zu ihrem logischen und unvermeidlichen Ende gelangt, das wussten sie beide.

Außerstande zu widerstehen, öffnete Gavar die Tür und warf einen Blick ins Zimmer seiner Tochter. Lahka hatte den Raum so gelassen, als sei das Mädchen gerade erst fortgegangen und würde eines Tages zurückkehren, auch wenn Khai wusste, dass dies – abgesehen von kurzen Besuchen – nicht passieren würde.

Die Fenster waren geschlossen, um die kühle Nachtluft draußen zu halten, aber die Vorhänge standen offen. Im sanften Licht des Mondes konnte Khai alles erkennen. Sein Blick wanderte über die hübschen Glasvasen, über das dick gepolsterte Bett, in dem schon lange niemand mehr geschlafen hatte, hin zu dem Anziehtisch und dem Spiegel, wo Muura Vestara herzurichten pflegte. Das Zimmer war ordentlich, ohne dass es dabei penibel wirkte.

Hier hatte er sein einziges Kind umarmt, als sie aufgebrochen war, um sich ihrem Schicksal zu stellen. Hier würde er sie stets vor sich sehen, ihren kräftigen Körper und ihr liebreizendes, von Vor’shandi-Verzierungen geschmücktes Antlitz, in einem exquisiten Kleid, wie sie hoch aufgerichtet dastand, obwohl er wusste, dass sie nervös war. Es war ein so vielversprechender Anfang für sie gewesen …

Khai warf einen letzten, langen Blick in das Zimmer, ehe er leise die Tür schloss. Als er das Haupthaus verließ, fuhr er mit den Fingern über das glatt polierte Gestein der Wände. Massive Türen öffneten sich auf ein Fingerzucken hin, und einen Moment später stand Gavar Khai draußen in der kühlen Nachtluft. Er nahm einen tiefen Atemzug und ließ den Blick über seinen Grund und Boden schweifen. Dann drehte er sich zielsicher um. Er wusste, wo er jetzt hinzugehen hatte und marschierte eine gewundene Steinstraße hinunter.

Die Familie Khai gehörte nicht annähernd zu den wohlhabendsten auf Kesh, aber sie hatten genug. Beim Tode ihrer Eltern hätte Vestara alles geerbt, um zu einer wohlhabenden und einflussreichen Frau zu werden. Das Anwesen hätte sie wohlhabend gemacht – ihre ihr angeborenen Fähigkeiten und ihre Gerissenheit hätten ihr dabei geholfen, es in der Sith-Gesellschaft sehr weit zu bringen.

Hätten ihr dabei geholfen. Doch konnten sie es nach wie vor? Gavar Khai vermochte es nicht zu sagen, und diese Unwissenheit nagte an ihm, befeuerte die Ruhelosigkeit, die ihn nicht schlafen lassen wollte, nicht einmal in seinem eigenen Bett, neben einer hingebungsvollen Ehefrau.

Es war eine gute Sache, clever genug zu sein, dass andere die eigenen Motive nicht erraten konnten. Er war stolz darauf gewesen, dass es Vestara gelungen war, die Skywalkers zu täuschen – sogar den berühmten Luke Skywalker –, und das so überzeugend, dass sie sich nach wie vor in ihrer Gesellschaft befand. Der Gedanke, einen so talentierten Machtnutzer wie Ben Skywalker auf die Dunkle Seite zu ziehen – fest an der Seite einer Sith –, hatte ihn mit Begeisterung erfüllt.

An der Seite einer Sith, die einen Hochlord umgebracht hatte … einen Hochlord, der dabei gewesen war, zu etwas … anderem zu werden. War das Verrat gewesen oder Loyalität? Spielte Vestara immer noch das Spiel, das sie für sie arrangiert hatten? Oder war vielmehr Sith-Schwert Gavar Khai, ihr Vater, derjenige, der hier übertölpelt wurde, und nicht Luke Skywalker?

Khai konnte es beim besten Willen nicht sagen. Er knurrte leise und folgte der Straße hinunter zu den Stallungen. Äußerlich waren die Ställe so hübsch und reich verziert wie das Wohnhaus selbst. Weiter daneben befand sich ein umzäuntes Gehege, wo Wildtiere wie Shumshure und Muntoks eingeritten wurden, und in der Mitte des Geheges ragte der Pferch empor, groß und rechtwinklig. Er blieb davor stehen, schnippte mit einem Finger, um den schweren Bolzen an dem großen Tor zu bewegen, das den Uvak in Schach hielt, und trat ein.

Vestara spielte nicht bloß mit ihrem eigenen Leben und ihrem Ruf, sondern auch mit dem ihres Vaters, mit dem ihrer Familie. Falls es ihr nicht gelang, Ben Skywalker auf ihre Seite zu ziehen und ihren Beitrag zum Bezwingen seines Vaters zu leisten, dann würde Gavar Khai den Löwenanteil der Vergeltungsmaßnahmen von Lord Vol und dem übrigen Zirkel tragen müssen. Und falls es dem Jungen mit seiner Überzeugungskraft tatsächlich gelang, sie »umzudrehen« …

»Das wird nicht passieren«, sagte er laut.

Er stand in der Mitte des Pferchs. Drinnen war es ausgesprochen dunkel. Uvaks waren tagaktive Geschöpfe, und normalerweise schliefen sie sofort ein, wenn man sie an einem dunklen Ort einschloss. Er hatte die Tür offen gelassen, und ein schmaler Strahl Mondlicht bot die einzige Helligkeit. Drinnen ragten zwei hohe Säulen auf, die in der Dunkelheit verschwanden. Das jetzt fest geschlossene Dach war am Tage zurückgefahren, sodass es den Tieren möglich war, uneingeschränkt zu fliegen. Falls sie sich jedoch zu weit von Zuhause entfernten, versetzte ihnen ein an den Beinen angebrachter Reif einen kräftigen Schlag.

Die Familie Khai besaß zwei Uvaks. Einer gehörte Gavar, und als Vestara noch wesentlich jünger gewesen war, hatte sie die Familie dadurch geehrt, dass sie ein frisch geschlüpftes Küken dazu gebracht hatte, sie als seine Herrin zu akzeptieren. Sie hatte das Tier Tikk genannt, nach dem klickenden Laut, den es mit dem Schnabel gemacht hatte, als es aus dem Ei geklettert war. Gavar hatte das Küken beobachtet, hatte verfolgt, wie seine Tochter ihren Willen eingesetzt hatte, um die Kreatur dazu zu bringen, zu ihr zu kommen, anstatt zu einem anderen Sith-Kind.

Sie hatte Tikk geliebt. Im Gegensatz zu ihr hatte er gewusst, was dem Tier widerfahren würde, als Vestara ihn dazu auserkoren hatte, sie zur Schüler-Ausbildung in den Tempel zu tragen.

Als Vestara den Tempel erreichte, war ihre neue Meisterin, Lady Rhea, aufgetaucht, um den Befehl zu geben, Tikk erschlagen zu lassen. Vestara hatte richtig reagiert und nicht protestiert. Zufrieden hatte Lady Rhea das Tier verschont.

Es war eine alte Tradition, eine Art erniedrigendes Einführungsritual für Novizen, das jenen gegenüber niemals erwähnt wurde, die es nicht schon selbst durchgemacht hatten. Khai wusste also, was kommen würde, und als man ihn anschließend gefragt hatte, ob er Tikk aus dem Tempel abholen wolle, war ihm klar geworden, dass seine Tochter ihre erste Prüfung bestanden hatte.

Er blickte an der Säule empor, die Tikk als Nest diente. Khai machte sich die Macht zunutze, um seine Fähigkeit zu verstärken, im Dunkeln etwas zu sehen. Von diesem Blickwinkel aus schien es, als würde Tikk tief und fest schlafen. Mit ein wenig Unterstützung durch die Macht sprang Khai mit einem Satz nach oben und landete leichtfüßig neben dem Uvak. Tikk hatte sich vom Schwanz bis zum Schnabel zusammengerollt, seine Schwingen waren einer Decke gleich über den Leib gebreitet.

Khai betrachtete ihn einen Moment lang, ehe er zu der anderen Säule hinüberschaute. Sein eigenes Reittier schlief ebenfalls. Khai streckte seine richtige, lebendige Hand nach dem anderen Uvak aus und ließ die Kreatur behutsam, unauffällig, in einen Schlummer gleiten, aus dem sie erst in einigen Stunden wieder erwachen würde. Zufrieden streckte er die Hand aus, um Tikks langen, geschmeidigen Hals zu tätscheln, während er dem Geschöpf ein Gefühl der Ruhe vermittelte. Tikk regte sich leicht, öffnete ein Auge und gab einen grollend schnurrenden Laut von sich, bevor der Uvak das Auge wieder schloss und noch tiefer einschlief als zuvor.

Tikk war ein treues Reittier gewesen, das Vestara wohlgedient hatte, genauso, wie sie den Sith wohlgedient hatte. Doch Gavar Khai wusste nicht mehr, ob sie das noch immer tat oder nicht.

Ein Zzzz-ssssch ertönte, als er das Lichtschwert einschaltete. Ein weicher roter Lichtschein badete Tikks schlafende Züge. Einen Herzschlag später fiel der Kopf des Uvaks in die Tiefe, um mit einem dumpfen Aufprall und einem leisen Knirschen auf dem Steinboden zu landen. Tikks Augen waren noch immer geschlossen.

Die Kreatur war schmerzlos gestorben, und Khai war froh darüber. Tikk hatte nichts getan, das Leiden gerechtfertigt hätte. Khai deaktivierte das Lichtschwert, nickte bei sich und ließ sich mithilfe der Macht nach unten fallen, um sanft zu landen. Jetzt konnte er schlafen.

3. Kapitel

TAHV, KESH

Eine solche Feier hatte Tahv nicht mehr erlebt, seit die Sith zum ersten Mal den Boden des Planeten verlassen hatten, um die Sterne zu erobern.

In der berühmten Stadt aus Glas, als die sie im Laufe der Jahrhunderte bekannt geworden war, hatte Tag und Nacht emsiges Treiben geherrscht, seit Lord Vol verkündet hatte, dass zu Ehren von Abeloth, der Freundin des Vergessenen Stammes, ein prächtiges Fest veranstaltet werden würde. Handwerker hatten sich der Macht, Bestechung, Nötigung und Drohungen bedient, um wahrhaft denkwürdige Feuergloben zu erschaffen, die die gesamte Stadt umgaben. Jeder Feuerglobus – eine Kugel aus Glas und Metall, die etwas Leuchtendes enthielt wie beispielsweise eine Kerze, einen Glühstab oder ein von Natur aus phosphoreszierendes, lebendiges Geschöpf – war einzigartig. Nichts war massenproduziert, und jedes Kunstwerk repräsentierte in gewisser Weise seinen Schöpfer: durch ein bestimmtes Design, durch eine einmalige Farbgebung oder durch einen – zwar wesentlich weniger subtil, aber vermutlich effektiver – in eine Glasfacette geätzten Namen. Einige der Glasmacher hatten dafür gesorgt, dass sich ihre Lehrlinge und Gesellen im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode geschuftet hatten.

Auch waren für diesen Anlass ganz besondere Shikkars gefertigt worden. Viele würden heimlich ihre Intrigen spinnen, um sich eine begehrte Position in Tahv zu sichern, seien es nun Handwerker, Politiker oder gewöhnliche Sith-Bürger – auch wenn sich kein Mitglied einer Sith-Gesellschaft selbst jemals als gewöhnlich betrachten würde.

Von überall auf dem Planeten und von anderen Welten wurden Delikatessen herbeigeschafft. Mehr als nur ein paar Schiffe fielen dabei unglücklichen Zwischenfällen zum Opfer, und ihre Wettbewerber drückten ihr Mitgefühl aus, indem sie sich beeilten, die entstandene Lücke mit ihren eigenen Produkten zu füllen. Jene, die für ihren erstklassigen Pinselstrich bekannt waren, waren hochbegehrt, um die schönsten, elegantesten Vor’shandi-Hautmalereien anzufertigen, und die Schneider hatten alle Mühe, die plötzliche Nachfrage nach dem »prächtigsten Gewand auf ganz Kesh, verstanden?« zu befriedigen.

Geld wechselte den Besitzer, stündlich nahm die Reputation vieler zu und ab – und die Sith blühten im Angesicht all dessen auf. Schließlich war alles bereit.

Drei Standardjahre zuvor hatte es nördlich von Tahv noch einen großen, offenen Landstrich gegeben. Da das Gelände weder dazu taugte, Getreide anzubauen, noch attraktiv genug war, um dort Häuser zu errichten, hatte sich das Areal als idealer Standort für einen Raumhafen erwiesen – etwas, wofür der Sith-Stamm noch nie zuvor Verwendung gehabt hatte, das seitdem jedoch in verschiedenen Phasen aufs Geratewohl erbaut worden war. Die Arbeiten daran hatten kurz nach der Ankunft von Schiff begonnen, dem geheimnisvollen, scheinbar empfindungsfähigen Sith-Ausbildungsvehikel, das älter war, als sie sich auch nur vorstellen konnten. Unter Schiffs Anleitung hatte der Vergessene Stamm einen rudimentären Raumhafen errichtet, und bald darauf verfügten sie auch über Schiffe, die Platz zum Andocken brauchten.

Jetzt drängten sich auf der Landezone ChaseMaster-Fregatten, das ehrwürdige Schiff, mit dem all dies seinen Anfang genommen hatte, und Scharen von Sith. Die meisten waren einfach nur begierig darauf, ihre Angehörigen wieder zu Hause zu begrüßen, und wenn auch bloß für einen kurzen Besuch. Andere waren da, um Verhalten, Aktionen und Gefühle in der Macht zu analysieren und ihren Meistern darüber Bericht zu erstatten. Und wieder andere der Anwesenden hatten Befehlen zu gehorchen und zu töten.

Alle waren da, um Abeloth zu sehen, die in Schiffs seltsamem Inneren eingetroffen war und sich als Einzige dazu entschieden hatte, nicht zu landen. Schiff schwebte ungefähr fünfzehn Meter hoch in der Luft, eine kugelrunde Form mit zwei spitz zulaufenden Streben oben und unten und zwei fledermausartigen, membranversehenen Schwingen, die sich zu beiden Seiten hin erstreckten. In der Mitte der Sphäre befand sich ein runder Sichtschirm, der wie ein abscheuliches Auge wirkte.

Natürlich wartete Abeloth bis zum letztmöglichen Moment – bis die Besatzung jeder einzelnen Fregatte von Bord gegangen war, bis die letzten feierlichen Lieder gespielt oder gesungen worden waren, bis Lord Vol eine ganze unbehagliche Weile in prachtvollen, schweren Zeremoniengewändern auf einem schwebenden Podium gestanden hatte. Unten auf dem Boden verfolgte Gavar Khai mit einem leichten Stirnrunzeln im Gesicht und seiner Frau an seiner Seite das Geschehen.

Schließlich wurde Schiffs »Auge« langsam transparent und öffnete sich dann wie bei einer aus dem Schlaf erwachenden Kreatur, und Abeloth schwebte heraus.

Dazu brauchte sie weder ein Podium noch trug sie eine schwere Robe. Um genau zu sein, hatte sie anscheinend nur sehr wenig an, das sie allenfalls züchtig bedeckte: ein durchscheinendes Gewand, das von der Brise erfasst wurde und leichthin flatterte. Sie hatte sich für ihre Frauengestalt mit den blonden Haaren, den weisen grauen Augen und einem kleinen Lächeln auf den Lippen entschieden. Sie hob ihre Arme, neigte den Kopf, und die Brise spielte mit ihren locker fließenden, blonden Locken, als sie leichtfüßig zu Boden glitt. Khai schaute zu Vol hinüber. Weder spürte er Unbehagen in dem alten Mann noch sah er es ihm an, als Vol mit dem Podium neben Abeloth zu Boden schwebte, doch er wusste, dass Vol zumindest verärgert war. Dies würde ein ausgesprochen interessanter Tag werden.

Die beiden mächtigen Meister der Dunklen Seite landeten beinahe gleichzeitig, einen Meter voneinander entfernt. Abeloth winkte der Menge zu, die enthusiastisch applaudierte. Nur wenige von ihnen waren sich der Spannungen zwischen den beiden Anführern so bewusst wie Khai. Als Gastgeber oblag es Vol, den ersten Schritt zu tun, und so ging er mit ausgestreckten Händen auf Abeloth zu. Sie wandte sich freundlich um, lächelte und umschloss seine Hände mit den ihren.

»Viel zu lange«, sagte Vol, seine Stimme weithin hörbar, »hat der Vergessene Stamm auf Kesh geschlummert. Obwohl dies unsere wahre Heimat ist und es stets bleiben wird, ist es nur ein Planet von vielen, da bald unzählige Welten uns gehören werden. Die vergangenen drei Jahre haben überwältigende Veränderungen mit sich gebracht. Und der heutige Tag ist womöglich der bedeutendste, seit Schiff erstmals am Himmel über Kesh erschien, um von der Galaxis zu berichten, die auf uns wartete, und dabei half, uns von den Grenzen unserer Welt zu befreien, wie schön sie auch immer sein mag.«

Wieder wandte er Abeloth sein scharf geschnittenes Gesicht mit der markanten schnabelartigen Nase zu und lächelte mit scheinbar aufrichtiger Warmherzigkeit. »An diesem Tage heißen wir, der Vergessene Stamm, jemanden willkommen, der einst unser Feind war. Wir sind mächtig und stark, genau wie unser Ehrengast. Indem wir uns heute mit Abeloth verbünden, legen wir den Grundstein für eine strahlendere Zukunft für unsere Kinder. Das Universum ist riesig. Doch bald wird es uns gehören – dem Vergessenen Stamm und Abeloth. Unsere Gegner werden vor uns auf die Knie fallen oder vor Grauen fliehen, und die Sith, mit unserer lieben Freundin an unserer Seite, werden über alles herrschen, so weit das Auge reicht. Ich ersuche Euch, meine Stammesgefährten – heißt mit mir unsere glorreiche Verbündete willkommen … Abeloth!«

Er ließ Abeloths Hände unvermittelt los und hob in einer einladenden Geste die seinen. Mit einem Mal tauchten in einem Gestöber von Farben und schnell schlagenden Flügeln Vögel aus allen Himmelsrichtungen auf. Jeder von ihnen trug eine kleine Blume, und sie sausten über die Menge hinweg und tauchten herab, um ihre bunten, süß duftenden Geschenke loszulassen.

Khai kannte die Blume. Man nannte sie den Sieg der Sith. Sie lockte keine fliegenden Insekten an, um sie zu bestäuben, sondern Bodeninsekten und gab den süßesten Duft ihres kurzen Daseins nicht ab, wenn sie an einem Strauch blühte, sondern wenn sie fest zusammengepresst oder, noch besser, unter jemandes Stiefel zerquetscht wurde. Lachend fing Lahka drei der hübschen gelben Blumen, zermalmte sie und genoss freudig ihren Duft.

Die Blume war allgemein bekannt, und überall um Khai herum wurden die Blüten geschunden. Abeloth schaute ein wenig verwirrt drein, hob dann aber eine Blüte an ihre zierliche Nase und schüttelte angesichts des Mangels an Duft den Kopf. Khai verfolgte, wie Vol ihr sagte, was zu tun war, und sie lächelte gemächlich und zerdrückte die Blume mit übertriebenem Nachdruck.

Ein Schauder der Besorgnis durchfuhr Gavar Khai, und er fragte sich, ob die Siegesblume der Sith ihren Namen wohl zu Recht oder zu Unrecht trug.

Die anschließende Parade war spektakulär. Alle heimgekehrten Sith und natürlich der Ehrengast fuhren bei Einbruch der Abenddämmerung durch die uralten, gewundenen Straßen von Tahv. Einige ritten auf riesigen, gezähmten Lasttieren, die Shumshure genannt wurden, andere zogen es vor, auf Schwebeschlitten verschiedenster Couleur zu sitzen. Die prächtigen Feuergloben, jeder so einzigartig wie eine Schneeflocke, schwebten am Rande der Strecke und leuchteten dem sich vorwärtsschlängelnden Zug von Feiernden den Weg.

Abeloth und Lord Vol saßen gemeinsam auf einem besonders erlesenen Schwebeschlitten. In Form eines Raubvogels aus Vossoholz geschnitzt und mit kostbarem Geschmeide und Edelsteinen dekoriert, bewegte sich das Gefährt wie ein Lebewesen. Es drehte sein Haupt bald hierhin, bald dorthin, dank clever eingesetzter Technik blinzelten seine Augen, und gelegentlich öffnete das Geschöpf den Schnabel, um einen schrillen Schrei auszustoßen.

»Wie bezaubernd«, hatte Abeloth gesagt, als sie den Schlitten sah. »Eure Handwerker sind ausgesprochen geschickt. Vielleicht sollte ich ein solches Vehikel als Souvenir mitnehmen.«

»Vielleicht ein ähnliches«, hatte Vol erwidert und ihr ein Lächeln geschenkt, das gleichermaßen umsichtig wie raubtierhaft wirkte. »Aber ich fürchte, keines, das auch nur annähernd so prächtig ist wie dieses. Der Konkurrenzkampf unter den Künstlern hier in Tahv ist erbittert und gewalttätig. Ich bedaure, Euch mitteilen zu müssen, dass Meister Dekta Amon, der unbestrittene Meisterkünstler, der diesen wunderbaren Schwebeschlitten angefertigt hat, verschwunden zu sein scheint.«

Sie hatte sich zu ihm umgedreht und eine blonde Augenbraue in die Höhe gezogen. »Ach, tatsächlich? Höchst bedauerlich.«

»Nicht für jene, die im Besitz seiner wenigen Meisterwerke sind«, hatte Vol erwidert.

Sie hatte ihn einen Moment lang gelassen und ungerührt gemustert. »Tja, dann«, sagte sie und bedachte ihn mit einem gleichermaßen charmanten wie falschen Lächeln, »sollte ich wohl doch einfach Euren Schlitten nehmen.«

Sie hatten gelacht. Zuschauern, die nicht für die Macht empfänglich waren, war gewiss nichts aufgefallen. Und jene, die machtsensitiv waren, hätten bloß gute Laune wahrgenommen. Doch Lord Vol wusste, dass sie damit beide vollkommen falschlagen.

Abeloth schien ihren Spaß zu haben. Vol beobachtete sie mit der Gerissenheit des Raubvogels, auf dessen Ebenbild er fuhr. Lord Darish Vol hatte einige Erfahrung darin, andere zu beobachten. Er wäre nicht so weit aufgestiegen, noch hätte er so lange gelebt, ohne jedem überlegen zu sein, der es vielleicht wagte, ihn herauszufordern. Er hatte längst aufgehört, die Attentatsversuche und politischen Intrigen zu zählen, mit denen er in den vergangenen mehr als acht Jahrzehnten konfrontiert worden war. Doch er hatte von jedem einzelnen Versuch gelernt, und deshalb spielte er problemlos den freundlichen, wohlwollenden Gastgeber, während er alles kritisch beäugte, was er sah.

Abeloth war sehr attraktiv und ausgesprochen reizvoll. Alle Anwesenden, sogar die Zuschauertrauben, die sich in der Hauptstadt drängten, wussten, dass sie imstande war, ihre Gestalt zu verändern. Das war eine faszinierende Fähigkeit, und offensichtlich genoss Abeloth es, ihren Bewunderern Demonstrationen ihrer Gabe zuteilwerden zu lassen. Besonders drei Erscheinungsbilder schien sie zu bevorzugen: zwei Menschen und eine Keshiri. Alle waren weiblich, obgleich Vol sich sehr wohl darüber im Klaren war, dass sie genauso gut auch einen Mann verkörpern konnte. Sie wechselte ihr Aussehen, wenn es erforderlich war, und schätzte ihr Publikum dabei gut ein: ein hübsches Mädchen mit natürlichen Zügen und braunem Haar, eine kultivierte, hübsche blonde Frau und eine Keshiri, die sogar Lord Vol den Atem verschlug, ungeachtet seines Alters und des Umstands, dass er – dank der vorliegenden Berichte – ihr wahres Äußeres kannte.

Während sich die Parade langsam durch Tahv bewegte, brach die Nacht herein. Die künstliche Beleuchtung, die die Stadt normalerweise erhellte, war auf Vols Anweisung hin nicht aufgeflammt, damit die Tausenden von Feuergloben umso heller funkelten. Als die Parade, die von der Nordseite Tahvs aus einen serpentinenartigen Pfad nach Süden genommen hatte, schließlich ihr Ziel erreichte, stiegen die Teilnehmer aus, um sich einer Schar kleiner, schwebender Scheiben gegenüberzusehen. Jede Scheibe würde zwei oder drei Dutzend Personen sicher hoch in die Luft befördern, wobei jede von einer Besatzung aus zwei oder drei Sith-Schwertern gesteuert wurde.

Vol legte die nicht unbeträchtliche Entfernung vom Schwebeschlitten zur Scheibe mit einem Machtsprung zurück und drehte sich dann zu Abeloth um. »Kommt, leistet mir Gesellschaft«, sagte er, »für den Höhepunkt der Parade. Und dann folgt … unser Maskenfest.«

Abeloth lächelte reizend, ehe sie herüberschwebte – sie brauchte nicht einmal zu springen –, um sich neben ihn zu stellen. Als sie durch die Luft driftete, veränderten sich ihre Gesichtszüge. Das Haar wurde dunkler, grober und lockiger, und ihr Antlitz wurde ein wenig voller. Einzig ihre Augen schienen noch dieselben zu sein: grau und unergründlich. Er lächelte sie an, nahm ihren Gestaltwandel mit einem Nicken zur Kenntnis, breitete die Arme aus und ließ das Podest in die Höhe schweben.

Jetzt lag Tahv unter ihnen ausgebreitet. Die Feuergloben umrissen jede Straße und krönten die Kämme der Mauern, die die Stadt umschlossen. Vol ging durch den Kopf, dass dieser Anblick selbst in den Stumpfsinnigsten Ehrfurcht zu wecken vermochte. Er verspürte einen flüchtigen Anflug von Stolz auf seinen Heimatplaneten und auf sein Volk – sowohl auf den Vergessenen Stamm und die Reinheit seiner Ahnenlinie als auch auf jene Keshiri, die sich als mächtige Sith einen Platz in ihren Reihen verdient hatten.

Diese Frau neben ihm – falls man sie überhaupt als Frau bezeichnen konnte – war ein Werkzeug, das ihnen zu noch größerem Ruhm verhelfen würde. In dem Moment jedoch, in dem sie für die Sith nicht mehr von Nutzen war – nun, wenn es so weit war, besaß sie keine Daseinsberechtigung mehr.

Ein plötzliches Funkeln von Lichtern riss ihn aus seinen Grübeleien, als das Feuerwerk begann. Abeloth schaute seltsam hingerissen zu und klatschte in die Hände wie ein kleines Mädchen, während überall um sie herum die Feuerwerkskörper explodierten – alle von der Macht geleitet, um ansprechende Formen und Muster zu bilden. Vol fand diesen Anblick eigentümlich verstörend.

Das Maskenfest würde das letzte Ereignis dieses geschäftigen Tages sein. Morgen würden Abeloth und der Zirkel zu einem formellen Treffen in ihrer Ratskammer zusammenkommen, wo sie über die genaueren Einzelheiten des Bündnisses verhandeln würden. Die heutige Nacht jedoch war angeblich dem Vergnügen, der Unterhaltung, der verspielten Täuschung und der Frivolität vorbehalten, diente in Wahrheit allerdings der weiteren Observation, dem Einschätzen, dem falschen Spiel und dem Ränkeschmieden. Mit anderen Worten: Es handelte sich durch und durch um ein Sith-Spektakel.

Die Festivitäten fanden im großen Saal des Sith-Tempels statt, der genauso höhlenartig und dunkel wie der Großteil des übrigen Tempels war. Gleichwohl, im Gegensatz zu den meisten Räumlichkeiten, die die Schüler besuchten und die für gewöhnlich asketisch und abweisend wirkten, war dieser Saal, in dem große Versammlungen von normalerweise feierlicher oder sonst wie angenehmer Natur stattfanden – Graduierungen und Theaterproduktionen, so wie heute Abend –, dem Anlass deutlich angemessener. Die Wände waren zwar noch immer dräuendes Felsgestein, aus dem Berg selbst gemeißelt, doch dafür zierten Porträts ehemaliger, herausragender Schüler die Mauern, der Boden war mit Mosaikintarsien aus Marmor versehen, und die Beleuchtung war eher festlich als praktisch.

Die Gäste waren mächtige Sith – Menschen und Keshiri, Männer und Frauen, alle die Obersten ihrer jeweiligen Sparte. Sie waren zugegen, weil Vol sie entweder belohnen oder im Auge behalten wollte. Der Vergessene Stamm zog es generell vor, auf Droiden zu verzichten, da ihre Fähigkeiten und Talente als denen lebender Wesen unterlegen betrachtet wurden. Dennoch hatten in den letzten paar Jahren viele ihren Weg hierher gefunden. Die meisten Droiden waren jedoch demontiert und ihre Bauteile und Elemente verwendet worden, um die Waffen und Schiffe aufzurüsten, die im größeren Kontext der galaktischen Eroberung durch die Sith eine so entscheidende Rolle spielten. Deshalb streiften nun menschliche und Keshiri-Bedienstete, die zwar Masken, aber keine Kostüme trugen, durch den Saal, um den Gästen Getränke und Leckerbissen zu reichen.

Jene Sith, denen eine Einladung für das vermutlich auf Jahre hinweg heißbegehrteste Ereignis zuteilgeworden war, hatten sich mit ihren Kostümen mächtig ins Zeug gelegt. Viele hatten ein kleines Vermögen ausgegeben und Schneider und Kunsthandwerker die letzten drei Tage über ohne Pause arbeiten lassen. Das Ergebnis war eine Fülle von Pracht, mit so vielen Juwelen, Edelmetallen und verzierten Glasmasken, die zur Schau gestellt wurden, dass einem von dem Übermaß an Eindrücken irgendwann schier die Augen schmerzten.

Lord Vol hatte nichts anderes erwartet. Er hatte vor, mit seinem eigenen Kostüm eine Botschaft zu übermitteln – eine zwar deutliche, aber nicht marktschreierische Botschaft. Er würde seinen großen Auftritt nicht eher haben, bevor sein ach so bedeutender Ehrengast eingetroffen war. Eine geschlagene Stunde nach Beginn des Maskenfests wurde Sith-Schwert Gavar Khai angekündigt. Er hatte seine Gattin nicht mitgebracht; sie war nicht eingeladen worden. Von einem Privatraum aus verfolgte Lord Vol, wie Khai den Saal betrat.

»Schau an, schau an«, sagte er. »Wie ich sehe, hat Khai einiges für Mythologie übrig.«

Gavar Khai war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet – nicht unüblich für jemanden, der traditionellen Sith-Gewändern stets den Vorzug gab. Diesmal jedoch trug er einen Umhang aus schwarzen Federn, jede einzelne davon mit einem Edelstein besetzt, und seine Maske war nichts als ein scharfer Schnabel.

»Der Dunkle Tuash von Alanciar«, sagte Ivaar Workan, der neben Vol stand. »Eine interessante Wahl.«

»Die Frage ist nur, ob die Neuigkeiten, die der Herold überbringt, für uns oder für Abeloth bestimmt sind?«, sinnierte Vol.

In der Folklore der Keshiri tauchten zwei Tuash’aa von Alanciar auf, ein dunkler und ein heller. Die Tuash’aa waren Riesenvögel, von denen man glaubte, sie würden Botschaften über das Kommen der Destruktoren überbringen. Der helle Tuash übermittelte die Nachricht, dass die Destruktoren entweder besiegt worden waren oder sich dazu entschlossen hatten, eine Welt nicht zu behelligen. Der dunkle Tuash hingegen …

»Ich nehme an«, mutmaßte Workan, »dass wir das bald erfahren werden. Und seht – seine liebreizende Lady folgt ihm dicht auf dem Fuße.«

Damit bezog er sich nicht auf Lahka. Damit meinte er Abeloth. Vol seufzte.

»Sie liebt den großen Auftritt«, sagte Vol, nicht ohne einen Anflug von Bewunderung.

Abeloth legte nicht bloß einen großen Auftritt hin. Ihr Auftritt war perfekt. Die Türflügel wurden aufgestoßen, und eine Windbö fuhr herein, sodass es wirkte, als würde sich Khais Federumhang förmlich sträuben. Auch die Kostüme mehrerer anderer Sith in der unmittelbaren Nähe wurden von der Bö durcheinandergebracht. Dann gewann der »Wind« an Form und Farbe, wirbelte um die eigene Achse, bis er die Gestalt einer scheinbar aus Eis und Luft bestehenden Frau annahm, funkelnd und wunderschön, größer als eine gewöhnliche Menschenfrau, majestätisch und autoritär. Ihr Haar war goldblond, ihr Gewand silbern, ihre Maske vom reinsten, glitzerndsten, frostigsten Weiß. Sie schwebte eine Minute lang auf der Stelle, nahm den Applaus zur Kenntnis und schwebte dann sanft wie eine Feder hinunter auf den Steinboden.

»Eine Fallanassi-Illusion«, sagte Vol abrupt.

»Sie lernt dazu«, entgegnete Ivaar Workan mit seiner angenehmen Stimme. Sein Gesicht war gelassen und wirkte wohlwollend, während die beiden Sith Abeloth beobachteten.

»In der Tat. Doch andererseits gilt das auch für mich. Kommt«, sagte Vol und erhob sich, »gehen wir unseren Ehrengast begrüßen.«

Und so kam es, dass Lord Darish Vol, das Oberhaupt des Vergessenen Stammes der Sith, als schließlich der Augenblick kam, mit einer langen, schlichten hellbraunen Robe und einer schwarzen Maske, die seine deutlich erkennbaren Züge nur unvollständig verbarg, den Saal betrat, um Abeloth auf dem Maskenball willkommen zu heißen.

Die Menge teilte sich, und anfangs ging ein unsicheres Murmeln durch die Sith, als sie seine Aufmachung erkannten. Dann brachen sie in anerkennendes Gelächter und Applaus aus, der anschwoll, bis der ganze Saal jubelte. Vol drehte sich um, winkte und verneigte sich mit einem knappen Lächeln vor der Menge.

»Lord Vol«, sagte Abeloth, die Stimme von gekünstelter Wärme erfüllt, »was für ein amüsantes Kostüm … Auch wenn Euch wohl niemand irrtümlicherweise für einen Jedi halten würde.«

Genauso wenig, wie irgendjemand dich irrtümlicherweise für seine Verbündete hielte, dachte Vol, doch er hielt seine Gedanken gänzlich verborgen. Er lächelte liebenswürdig, bewegte einen Finger, und ein Kelch mit einer violetten, schwer duftenden Flüssigkeit schwebte in seine Hand.

»Ich dachte mir schon, dass Ihr meine Aufmachung genauso amüsant finden würdet wie ich. Wenn man in mein Alter kommt, ist Amüsement etwas ebenso Seltenes wie Kostbares. Schwert Khai, es freut mich, Euch zu sehen. Eine interessante Kostümwahl.«