Starsight - Bis zum Ende der Galaxie - Brandon Sanderson - E-Book
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Starsight - Bis zum Ende der Galaxie E-Book

Brandon Sanderson

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Beschreibung

»Starsight« ist der 2. Teil von Brandon Sandersons abenteuerlichem Science-Fiction-Epos um eine furchtlose junge Heldin, die lernen muss, über ihren Planeten hinauszuschauen. Ihr ganzes Leben lang hat die junge Spensa davon geträumt, als Raumschiff-Pilotin ihre Heimatwelt gegen die übermächtigen Krell zu verteidigen. Doch als sie endlich am Ziel ist, warten zwischen den Sternen nur bittere Wahrheiten: Alles, was über Spensas Vater behauptet wird, stimmt – er war ein Feigling und ein Verräter, der sein eigenes Team angegriffen hat! Dafür ist alles, was man Spensa über den Krieg erzählt hat, eine Lüge … Seit sie die Sterne gehört hat, weiß Spensa nicht mehr, was sie glauben darf. Aber eines weiß sie mit Sicherheit: Wenn sie bis ans Ende der Galaxie reisen muss, um die Menschheit zu retten, dann wird sie genau das tun! Bestseller-Autor Brandon Sanderson hat mit Spensa eine rebellische junge Science-Fiction-Heldin geschaffen, der man auf ihrer Suche nach Wahrheit nur zu gern bis ans Ende der Galaxie folgt. Der 1. Teil von Brandon Sandersons filmreifem Science-Fiction Abenteuer ist auf Deutsch unter dem Titel »Skyward – Der Ruf der Sterne« erschienen.

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Seitenzahl: 610

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Brandon Sanderson

StarsightBis zum Ende der Galaxie

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Oliver Plaschka

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Ihr ganzes Leben lang hat die junge Spensa davon geträumt, als Raumschiff-Pilotin ihre Heimatwelt gegen die übermächtigen Krell zu verteidigen. Doch als sie endlich am Ziel ist, warten zwischen den Sternen nur bittere Wahrheiten: Alles, was über Spensas Vater behauptet wird, stimmt – er war ein Feigling und ein Verräter, der sein eigenes Team angegriffen hat! Dafür ist alles, was man Spensa über den Krieg erzählt hat, eine Lüge … Seit sie die Sterne gehört hat, weiß Spensa nicht mehr, was sie glauben darf. Aber eines weiß sie mit Sicherheit: Wenn sie bis ans Ende der Galaxie reisen muss, um die Menschheit zu retten, dann wird sie genau das tun!

Inhaltsübersicht

Widmung

Starsight

Teil Eins

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

Teil Zwei

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

Teil Drei

Zwischenspiel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

Teil Vier

Zwischenspiel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

Teil Fünf

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

Zwischenspiel

43. Kapitel

44. Kapitel

Epilog

45. Kapitel

Danksagungen

Leseprobe »Cytonic«

Für Eric James Stone,

der mir beizubringen versuchte, wie man sich kurzfasst

(eine Lektion, die ich praktisch nie gelernt habe),

aber dennoch ein wunderbarer Freund

und Vorbild war.

Teil Eins

 

 

 

 

 

 

 

 

1

Mit vollem Schub und flammendem Triebwerk raste ich durch ein Chaos von Destruktorfeuer und Explosionen. Über mir erstreckte sich die Ehrfurcht gebietende Weite des Alls. Verglichen mit dieser unendlichen Schwärze, erschienen mir Planeten wie Raumschiffe gleichermaßen unerheblich. Bedeutungslos.

Abgesehen davon natürlich, dass sich diese bedeutungslosen Schiffe alle Mühe gaben, mich zu töten.

Ich wich aus, ließ mein Schiff herumwirbeln und schaltete dabei den Antrieb ab. Sobald ich die Drehung vollendet hatte, haute ich die Booster wieder rein und schoss in die Gegenrichtung davon, um meine drei Verfolger abzuhängen.

Kämpfe im All sind völlig anders als Atmosphärengefechte. Zum einen sind die Tragflächen nutzlos: ohne Luft auch keine Strömung, kein Auftrieb, kein Widerstand. Im All fliegt man nicht wirklich – man stürzt bloß nicht ab.

Ich vollführte eine weitere Drehung und beschleunigte, um zur eigentlichen Schlacht zurückzukehren. Leider waren Manöver, die in der Atmosphäre noch beeindruckt hatten, hier oben nichts Besonderes mehr. Das Kampftraining im Vakuum hatte mich die letzten sechs Monate vor ganz neue Herausforderungen gestellt.

»Spensa«, meldete sich eine lebhafte männliche Stimme aus meiner Konsole. »Ich sollte dich doch warnen, wenn du dich besonders unvernünftig verhältst.«

»Nein.« Grunzend wich ich aus, und Destruktorschüsse strichen über das Verdeck meines Cockpits hinweg. »Daran kann ich mich nicht erinnern.«

»Du hast gesagt: ›Können wir später darüber reden?‹«

Ich wich abermals aus. Dreck – wurden diese Drohnen besser, oder hatte ich nachgelassen?

»Technisch gesehen war es sofort, nachdem du das gesagt hast, ›später‹«, fuhr die M-Bot, der KI meines Schiffs, im Plauderton fort. »Aber menschliche Wesen benutzten das Wort nicht im Sinne von ›chronologisch nach diesem Zeitpunkt‹, sondern im Sinne von ›irgendwann, wenn es mir besser passt‹.«

Die Krelldrohnen umzingelten uns und versuchten, mir den Rückweg abzuschneiden.

»Und du hältst jetzt für den besseren Moment?«, wollte ich wissen.

»Wieso denn nicht?«

»Weil wir mitten in einem Kampf sind!«

»Nun, ich würde sagen, dass eine lebensbedrohliche Situation genau der passende Zeitpunkt ist, dich auf besonders unvernünftiges Verhalten hinzuweisen.«

Mit einem Anflug von Wehmut dachte ich an die Zeiten zurück, in denen mein Raumschiff nicht mit mir geredet hatte; bevor ich geholfen hatte, M-Bot zu reparieren. Seine Persönlichkeit war das Überbleibsel einer uralten Technologie, die wir noch immer nicht verstanden. Ich fragte mich häufig, ob alle hoch entwickelten KIs einst so vorlaut gewesen waren, oder ob meine ein spezieller Fall war.

»Spensa – du solltest diese Drohnen doch zurück zu den anderen locken, oder?«

Sechs Monate war es her, dass die Krell versucht hatten, uns ins Vergessen zu bomben. Wir hatten sie zurückgeschlagen und neben unserem Sieg auch ein paar wichtige Fakten erfahren. Die Feinde, die wir als »die Krell« bezeichneten, waren eigentlich verschiedene Aliens, deren Aufgabe es war, uns auf unserem Planeten festzuhalten; Detritus war halb Gefängnis, halb Schutzgebiet für die Reste der menschlichen Zivilisation. Und die Krell unterstanden einer galaktischen Regierung, die sich als die Superiority, die Erhabenheit, bezeichnete.

Mittels überlichtschneller Kommunikationsmittel setzten sie aus großer Distanz ihre ferngesteuerten Drohnen gegen uns ein. Sie benutzten echte Piloten, keine KIs, weil es gegen galaktisches Gesetz verstieß, Schiffe sich selbst steuern zu lassen. Selbst M-Bots autonome Fähigkeiten hatte man massiv beschnitten. Doch es gab etwas, das die Superiority fast noch mehr fürchtete: Menschen mit der Fähigkeit, in jenen anderen Raum hineinzublicken, in dem sich die überlichtschnellen Vorgänge ereigneten. Menschen, die man Cytoniker nannte.

Menschen wie mich.

Sie wussten, was ich war, und sie hassten mich dafür. Die Drohnen griffen mich besonders gern an – und das konnten und sollten wir für uns nutzen. In der heutigen Einsatzbesprechung hatte ich die anderen Piloten mit viel Mühe zu einem gewagten Plan überredet: Ich sollte die Formation ein Stück verlassen, die feindlichen Drohnen dazu verleiten, mich in die Zange zu nehmen, und sie dann zurück zum restlichen Team locken, damit meine Freunde sie eliminieren konnten.

Es war ein solider Plan. Und ich würde ihn auch umsetzen … zu seiner Zeit.

Erst aber wollte ich etwas anderes versuchen.

Ich beschleunigte mit vollem Schub, fort von den feindlichen Schiffen. M-Bot war schneller und wendiger als sie; allerdings war einer seiner größten Vorteile sein Manövriervermögen in der Atmosphäre, wo er sich auch bei Höchstgeschwindigkeiten nicht in Stücke riss. Hier draußen im Vakuum spielte das keine Rolle, und den feindlichen Drohnen fiel es leichter, an uns dranzubleiben.

Sie folgten mir selbst dann noch, als ich in Richtung Detritus abtauchte. Meine Heimatwelt wurde von alten, stählernen Plattformen geschützt, die den Planeten wie Schalen umgaben, mit Geschützstellungen überall. Nach unserer Schlacht vor sechs Monaten hatten wir die Krell tiefer zurück in den Raum und fort von den Schalen gedrängt. Unsere neue Strategie war es, den Feind hier draußen anzugreifen und daran zu hindern, dem Planeten zu nahe zu kommen.

Das hatte unseren Ingenieuren – darunter auch meinem Freund Rodge – erlaubt, die Kontrolle über einige der Plattformen und ihre Geschütze zu erlangen. Künftig sollten diese orbitalen Stellungen unseren Planeten vor feindlichen Einfällen schützen. Für den Moment jedoch agierten die meisten Plattformen noch autonom – und konnten uns genauso gefährlich werden wie dem Feind.

Die Krell schwärmten mir nach, versuchten, mich von meinen Freunden abzuschneiden, die sich mit den restlichen Drohnen einen erbitterten Schlagabtausch lieferten. Diese Taktik, mich zu isolieren, beruhte auf einer fatalen Fehlannahme: dass ich allein weniger gefährlich war.

»Wir kehren nicht um und befolgen den Plan, oder?«, fragte M-Bot. »Du wirst versuchen, es allein mit ihnen aufzunehmen.«

Ich gab keine Antwort.

»Du machst Jorgen wüüüüüütend«, gab M-Bot zu bedenken. »Im Übrigen versuchen diese Drohnen, dich auf einen ganz spezifischen Kurs zu drängen, den ich dir auf deinem Schirm markiere. Meine Analyse lautet, dass sie einen Hinterhalt planen.«

»Danke«, sagte ich.

»Ich versuche dich nur daran zu hindern, mich in eben einem solchen Hinterhalt zu verlieren«, stellte M-Bot klar. »Ach, und falls du uns beiden das Leben kostest, beabsichtige ich, dich dafür heimzusuchen.«

»Mich heimsuchen? Du bist eine Maschine. Und davon abgesehen wäre ich dann tot, oder?«

»Mein Maschinengeist würde deinen organischen heimsuchen.«

»Wie soll das denn funktionieren?«

»Spensa, es gibt keine Geister!«, stöhnte er erschöpft. »Wieso machst du dir über so was Gedanken, statt dich aufs Fliegen zu konzentrieren? Menschen lassen sich wirklich so leicht ablenken.«

Ich hatte den Hinterhalt rasch durchschaut: Eine kleine Gruppe Krelldrohnen hatte sich hinter einem großen metallenen Trümmer knapp außer Reichweite der Geschütze versteckt. Als ich näher kam, verließen sie ihre Deckung und rasten auf mich zu. Ich jedoch war bereit: Ich entspannte mich, ließ meinem Unterbewusstsein die Kontrolle und versank in eine Trance. Dann lauschte ich.

Bloß nicht mit den Ohren.

In den meisten Situationen genügten ferngesteuerte Drohnen den Ansprüchen der Krell vollauf. Sie waren entbehrliche Werkzeuge, um die Menschen auf Detritus zu unterdrücken. Die enormen Distanzen, über die sie ihre Raumschlachten schlugen, zwangen die Krell jedoch dazu, zur Steuerung der Drohnen auf überlichtschnelle Kommunikationswege zurückzugreifen. Und selbst wenn sich die Krellpiloten auf ihrer nahe gelegenen Raumstation befänden, wären ihre Reaktionszeiten aufgrund der Funkverzögerung zu langsam für Kämpfe. Von daher führte kein Weg an Hyperfunk vorbei.

Und das wiederum öffnete eine sehr große Schwachstelle: Ich konnte ihre Befehle nämlich hören.

Aus irgendeinem Grund, den ich selbst nicht verstand, konnte ich in jenen Raum, den sie für ihre Kommunikation benutzten, hineinlauschen. Ich nannte ihn das Nirgendwo, eine andere Dimension, in der unsere physikalischen Regeln nicht galten. Ich konnte ihn hören, manchmal auch sehen – und in ihm die Wesen, die dort lebten und mich beobachteten.

Ein einziges Mal, in jener entscheidenden Schlacht vor sechs Monaten, war es mir gelungen, diesen Ort zu betreten und mein Schiff binnen eines Augenzwinkerns über weite Distanz zu teleportieren. Ich wusste immer noch so wenig über meine Kräfte. Ich hatte einen solchen Sprung auch kein zweites Mal geschafft, doch ich hatte gelernt: Was immer ich da in mir trug, ich konnte es beherrschen und zum Kampf verwenden.

Ich ließ mich von meinen Instinkten leiten und vollführte eine komplexe Folge von Ausweichmanövern. Meine kampferprobten Reflexe in Verbindung mit meiner Gabe, die Befehle der Drohnen zu hören, steuerten mein Schiff ohne bewusstes Zutun meinerseits.

Meine cytonische Gabe war mir von meiner Familie vererbt worden. Einst hatten meine Vorfahren solcherart die großen Flotten durch die Galaxis geleitet. Mein Vater hatte über dieselbe Gabe verfügt – und der Feind hatte sie ausgenutzt, um ihn zu töten. Nun setzte ich sie ein, um am Leben zu bleiben.

Ich reagierte schneller als die Drohnen; irgendwie verarbeitete ich ihre Befehle noch rascher als sie selbst. Bis sie mich angriffen, war ich ihnen schon ausgewichen, fegte durch sie hindurch und blies ihre Schilde mit meinem IMP weg, sodass sie leichte Beute waren.

In diesem fokussierten Zustand störte es mich nicht, dass der IMP auch meinen eigenen Schild zerstörte. Es spielte keine Rolle.

Ich feuerte meine Lichtlanze ab. Das Energieseil traf eins der feindlichen Schiffe und fesselte es an mein eigenes. Aufgrund unserer Trägheit umwirbelten wir einander, und ich nutzte den Schwung, um mich hinter die wehrlosen Gegner zu katapultieren.

Helle Funken erblühten in der Leere, als ich zwei der Drohnen vernichtete. Die verbliebenen stoben auseinander wie Dörfler vor dem Wolf in einer von Großmutters Geschichten. Als ich zwei weitere Schiffe unter Beschuss nahm; versank der ganze Hinterhalt im Chaos, und noch während meine Destruktoren das eine vernichteten, empfing ich im Geist schon die Befehle an das zweite.

»Du erstaunst mich immer wieder«, raunte M-Bot. »Du verarbeitest Daten schneller, als ich sie zu Projektionen aufbereiten kann. Beinahe … unmenschlich.«

Ich biss die Zähne zusammen, warf uns abrupt herum und nahm die Jagd auf eine abgeschlagene Drohne auf.

»Ich meine das im Übrigen als Kompliment«, sagte M-Bot. »Nicht dass ich an Menschen etwas auszusetzen hätte. Ich finde ihre zarte, labile und irrationale Art durchaus liebenswert.«

Ich zerstörte die Drohne. Ihr flammendes Ende tauchte M-Bots Rumpf in helles Licht. Dann entkam ich mitten durch das Feuer zweier weiterer. Auch wenn diese Schiffe keine Piloten an Bord hatten, empfand ein Teil von mir fast Mitleid mit ihnen und ihrer vergeblichen Gegenwehr. Sie kämpften gegen eine ihnen unbekannte, unaufhaltsame Macht, die sich nicht an die Regeln hielt, nach denen alles sonst in ihrer Welt spielte.

»Wahrscheinlich ist meine Wertschätzung für Menschen meiner Programmierung geschuldet«, fuhr M-Bot fort. »Aber was soll’s – auch nichts anderes als die Instinkte, die eine Vogelmutter dazu bringen, die ungelenken, federlosen Scheusale zu lieben, die aus ihren Eiern schlüpfen. Oder?«

Beinahe unmenschlich.

Ich flog, wich aus, ich schoss und zerstörte. Keinesfalls perfekt – manchmal überkompensierte ich, und viele meiner Schüsse gingen daneben. Doch ich war deutlich im Vorteil.

Die Superiority – und ihre Handlanger, die Krell – hatten offenbar gelernt, nach Menschen wie mir und meinem Vater Ausschau zu halten. Ihre Schiffe machten Jagd auf Piloten, die auffällig gut flogen oder zu rasch reagierten. Sie hatten schon versucht, meine Gabe auszunutzen, um meinen Verstand zu kontrollieren – so, wie sie es mit meinem Vater getan hatten. Glücklicherweise hatte ich M-Bot. Sein besonderer Schild war in der Lage, ihre mentalen Angriffe herauszufiltern und mich dennoch die Befehle des Feinds hören zu lassen.

All dies warf eine entscheidende, beängstigende Frage auf.

Was war ich?

»Es würde mich immens beruhigen, wenn du dir die Zeit nehmen könntest, unseren Schild neu zu zünden«, sagte M-Bot.

»Nicht jetzt«, sagte ich. Das hieße fast eine halbe Minute ohne Energie für irgendwas anderes.

Erneut bot sich die Chance, zur eigentlichen Schlacht zu fliegen und dem Plan zu folgen, den ich selbst entworfen hatte. Stattdessen machte ich kehrt, beschleunigte mit vollem Schub und raste den feindlichen Schiffen entgegen. Meine Gravitationskapazitoren absorbierten einen Großteil der extremen g-Kräfte und bewahrten mich vor einem Schleudertrauma, trotzdem wurde ich platt in meinen Sitz gedrückt. Meine Haut zog an mir, und mein ganzer Körper war so schwer, als wäre ich in einer Sekunde hundert Jahre gealtert.

Ich hielt durch und feuerte auf die verbliebenen Drohnen. Reizte meine fremdartigen Kräfte bis an die Grenzen aus. Der Schuss eines Krelldestruktors streifte mein Verdeck, so hell, dass er ein Nachbild auf meiner Netzhaut hinterließ.

»Spensa«, sagte M-Bot. »Sowohl Jorgen als auch Cobb beschweren sich über Funk. Ich weiß, dass ich sie beschäftigen soll, aber …«

»Dann tu das auch.«

»Erschöpftes Seufzen.«

Ich klemmte mich an ein feindliches Schiff. »Hast du gerade gesagt, dass du seufzt?«

»Ich empfinde eure nonverbale Kommunikation als zu missverständlich, von daher experimentiere ich mit Wegen, mich deutlicher auszudrücken.«

»Widerspricht das nicht dem Gedanken dahinter?«

»Offensichtlich nicht. Verächtliches Augenrollen.«

Destruktoren blitzten überall um mich herum, doch ich erwischte zwei weitere Drohnen. Dabei sah ich plötzlich eine Spiegelung im Verdeck meines Cockpits: eine Handvoll gleißend weißer Lichter, die mich wie Augen beobachteten. Wenn ich meine Fähigkeiten zu oft benutzte, blickte etwas aus dem Nirgendwo heraus und sah mich.

Ich wusste nicht, was sie waren – ich nannte sie einfach nur die Augen. Doch spürte ich ihren brennenden Hass, ihren Zorn. Irgendwie hing das alles zusammen: meine Fähigkeit, ins Nirgendwo zu sehen und zu lauschen, die Augen, die mich von dort beobachteten, und die Gabe der Teleportation, die ich erst einmal einzusetzen geschafft hatte.

Nur zu gut erinnerte ich mich daran, wie ich mich damals gefühlt hatte: Ich hatte auf der Schwelle des Todes gestanden, eingehüllt von einer vernichtenden Explosion. Und in diesem Moment hatte ich wohl etwas aktiviert, das sich cytonischer Überlichtantrieb nannte.

Wenn es mir gelang, das zu meistern, konnte ich die Menschen von Detritus befreien. Mit dieser Kraft konnten wir den Krell für immer entkommen. Deshalb verlangte ich mir alles ab.

Als ich damals gesprungen war, hatte ich um mein Leben gekämpft. Wenn es mir nur gelänge, dieselben Gefühle erneut wachzurufen …

Ich tauchte ab, die rechte Hand auf der Steuersphäre, die linke am Schubhebel. Drei Drohnen erschienen hinter mir, aber ich registrierte ihre Schüsse und stellte mein Schiff in Seitenlage, sodass sie mich verfehlten. Dann beschleunigte ich und streckte meinen Geist nach dem Nirgendwo aus.

Weitere Augen, reflektiert in meinem Verdeck, als ob sie mir direkt über die Schulter sähen. Weiße Lichter, Sternen gleich, doch ihrer selbst … bewusster. Dutzende bösartig leuchtender Punkte. Wenn ich ihr Reich betrat, und sei es noch so vorsichtig, wurde ich für sie sichtbar.

Diese Augen setzten mir zu. Wie konnte ich von diesen Kräften derart fasziniert und zugleich verängstigt sein? Es war wie der Ruf der Tiefe, wenn man in den Höhlen am Abgrund einer tiefen Klippe stand und wusste, dass man sich einfach ins Dunkel werfen könnte. Nur einen Schritt weiter …

»Spensa!«, rief M-Bot. »Neues Schiff!«

Ich riss mich aus meiner Trance, und die Augen verschwanden. M-Bot hob mir seine Entdeckung auf dem Schirm hervor: ein weiteres Raumschiff, fast unsichtbar, das sich gleichfalls versteckt hatte. Es war schlank und diskusförmig und so schwarz wie das All. Kleiner als die üblichen Krellschiffe, aber mit einem größeren Cockpit.

Diese neuen schwarzen Schiffe tauchten seit etwa acht Monaten sporadisch auf, erstmals kurz vor dem Angriff auf unsere Basis. Damals war uns ihre Bedeutung noch nicht klar gewesen, doch jetzt wussten wir mehr.

Ich konnte die Befehle dieses Schiffs nicht wahrnehmen – weil ihm keine gesandt wurden. Solche schwarzen Schiffe wurden nicht ferngelenkt, sondern von echten Alienpiloten gesteuert. Und nicht von irgendwelchen – sondern den Besten der Besten.

Die Schlacht war gerade deutlich interessanter geworden.

2

Mein Herz machte vor Aufregung einen Satz.

Ein echter Gegner. Gegen Drohnen zu kämpfen war aufregend, klar, aber es fehlte auch etwas. Es war nicht persönlich genug. Ein Duell mit einem echten Alien dagegen fühlte sich an wie Großmutters Geschichten von der Alten Erde: tapfere Piloten aus der Zeit der Großen Kriege, in erbittertem Wettstreit, von Angesicht zu Angesicht.

»Ich werde dich besingen«, flüsterte ich. »Wenn dein Schiff erst brennt und deine Seele entflieht, dann werde ich singen. Über den Kampf, den wir fochten.«

Dramatisch, ja – meine Freunde lachten immer noch, wenn ich solche Sachen von mir gab, Sätze wie aus den alten Geschichten. Ich tat das auch nicht mehr so häufig. Aber ich war immer noch ich, und ich sagte so was auch nicht für meine Freunde, sondern für mich.

Für mich und den Feind, den ich im Begriff war zu töten.

Der Alienpilot hielt auf mich zu und schoss seine Destruktoren ab, während ich noch mit den Drohnen beschäftigt war. Grinsend wich ich aus und spießte ein Stückchen Weltraumschrott mit meiner Lichtlanze auf. Damit konnte ich eine schnelle Kehre vollführen und den Trümmer zugleich hinter mich bringen, sodass er mir als Schutz diente. M-Bots Gravikaps schluckten Großteile der g-Kräfte, doch ich spürte immer noch einen Zug nach unten, während ich im Bogen schwang. Die Feuerstöße trafen den Trümmer, und ein Schuss kam mir gefährlich nahe. Dreck – ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, meinen Schild neu zu zünden.

»Dies könnte eine gute Gelegenheit sein, zurückzufliegen und den Gegner zu den anderen zu locken«, merkte M-Bot an. »So wie der Plan es vorsah …«

Meine Gegner raste an mir vorüber. Ich vollendete meine Kehre und nahm die Verfolgung auf.

»Dramatisches Verebben des Sprachflusses angesichts deines verantwortungslosen Handelns«, erläuterte M-Bot.

Ich feuerte auf das gegnerische Schiff. Das wirbelte herum und deaktivierte sein Triebwerk. Seiner Trägheit folgend, flog es weiter, doch nun mir zugewandt. Im Rückwärtsflug büßte man viel von seiner Wendigkeit ein, von daher war ein solches Manöver ziemlich riskant. Andererseits – wenn man selbst noch einen voll geladenen Schild besaß und der Gegner keinen …

Ich sah mich gezwungen, meinen Angriff abzubrechen, um dem feindlichen Beschuss auszuweichen. Eine volle Konfrontation war zu riskant. Also zog ich nach links und widmete mich kurz wieder den Drohnen. Eine erwischte ich, dann pflügte ich auch schon durch ihre Trümmer, die M-Bots Tragfläche zerkratzten und krachend gegen mein Verdeck schlugen.

Richtig – kein Schild. Und im All regneten die Trümmer nach einem Abschuss auch nicht herab. Ein richtiger Anfängerfehler – und eine Erinnerung daran, dass Kampf bei Schwerelosigkeit all meinem Training zum Trotz noch ungewohnt für mich war.

Der Alienpilot nahm souverän meine Verfolgung auf. Einerseits war es ja aufregend, so gefordert zu werden. Andererseits …

Ich drehte ab, versuchte, zurück zur Schlacht zu fliegen, doch die Drohnen schnitten mir nun den Weg ab. Vielleicht hatte ich mich etwas übernommen.

»Ruf Jorgen«, sagte ich. »Richte ihm aus, dass ich in der Bredouille sitze und es nicht schaffe, den Gegner in unseren Hinterhalt zu locken. Vielleicht sind er und die anderen ja so nett, stattdessen zu mir zu kommen.«

»Na endlich«, kommentierte M-Bot.

Ich wich weiter aus und verfolgte die Manöver meines Gegners auf dem Monitor. Dreck. Ich wünschte wirklich, ich könnte ihn hören, so wie die Drohnen.

Eigentlich ist das gut so, dachte ich. Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr auf meine Gabe verlasse.

Ich biss die Zähne zusammen und traf eine spontane Entscheidung. Da ich es nicht zurück zur Schlacht schaffte, tauchte ich stattdessen auf Detritus hinab. Die Verteidigungsanlagen bildeten keine durchgängige Schale; sie bestanden aus einzelnen Plattformen mit ehemaligen Quartieren, Werften und Waffensystemen. Die dem Planeten nächstgelegenen nahmen wir nach und nach in Besitz, doch die äußeren Plattformen feuerten immer noch auf alles, was ihnen vor die Geschütze kam.

Ich beschleunigte auf Werte, bei denen die meisten Jäger – in der Atmosphäre – schon klapperten oder auseinanderbrachen. Hier oben spürte ich nur die Beschleunigung, aber nichts von der Geschwindigkeit.

Rasch erreichte ich die nächste Plattform. Sie war lang und dünn und leicht gebogen wie ein Stück Eierschale. Die verbliebenen Drohnen und das schwarze Schiff waren mir immer noch auf den Fersen. Bei diesen Geschwindigkeiten waren Kämpfe deutlich gefährlicher; man hatte kaum Zeit, zu reagieren, ehe man mit etwas zusammenstieß, und schon die kleinste Berührung meiner Steuersphäre konnte mich im Handumdrehen vom Kurs abbringen.

»Spensa?«, fragte M-Bot.

»Ich weiß, was ich tue«, murmelte ich konzentriert.

»Da bin ich mir sicher. Aber … nur für den Fall … du erinnerst dich doch, dass wir diese äußeren Plattformen nicht kontrollieren, richtig?«

Ich richtete meine ganze Aufmerksamkeit darauf, möglichst nahe über die stählerne Landschaft hinwegzuziehen, ohne mit etwas zu kollidieren. Die Geschützstellungen nahmen mich ins Visier und begannen zu feuern – doch sie feuerten auch auf meine Verfolger.

Ich konzentrierte mich aufs Ausweichen. Oder vielmehr darauf, wahllos Kurven zu fliegen. Ich konnte die Drohnen ausmanövrieren, wenn es darauf ankam, doch sie waren in der Überzahl. Nahe der Plattform geriet das jedoch zum Nachteil für sie – denn für die Geschütze waren wir alle gleichermaßen Ziele.

Mehrere Drohnen verglühten in Explosionen, die fast augenblicklich wieder erloschen. Das Vakuum des Alls erstickte alle Flammen.

»Ich frage mich, ob diese Geschütze ihre Erfüllung darin finden, nach all den Jahren hier oben endlich etwas abzuschießen«, sinnierte M-Bot.

»Eifersüchtig?«, fragte ich und wich grunzend aus.

»Laut Rodge haben sie keine echten KIs, nur simple Zielerfassungssysteme. Von daher wäre das wie Eifersucht auf eine Ratte.«

Eine weitere Drohne verging. Nur noch eine Weile. Ich wollte unsere Chancen ein wenig verbessern, bis meine Freunde eintrafen.

Abermals versank ich in Trance. Die Geschütze konnte ich nicht hören, doch in solchen Momenten absoluter Konzentration war mir, als würde ich eins mit meinem Schiff.

Ich konnte auch den Blick der Augen wieder spüren. Mein Herz klopfte laut in meiner Brust. Mit diesen auf mich gerichteten Geschützen … und meinen Verfolgern, die noch immer feuerten …

Ein bisschen noch …

Mein Bewusstsein sank tiefer, und ich glaubte, M-Bots komplettes Innenleben zu spüren. Ich schwebte in tödlicher Gefahr. Ich musste entkommen.

Jetzt musste es doch klappen. »Aktiviere Cyto-Überlichtantrieb!«, rief ich aus und versuchte, dasselbe wie damals zu tun, als ich uns teleportiert hatte.

»Cyto-Überlichtantrieb ist offline«, meldete M-Bot.

Dreck. Das eine Mal, als es funktioniert hatte, war die Meldung positiv ausgefallen. Ich versuchte es erneut, aber … ich wusste nicht einmal, was genau ich damals getan hatte. Ich war in Gefahr gewesen, dem Tode nahe. Und dann … dann hatte ich …

Was getan?

Der Schuss eines nahen Geschützes blendete mich, und ich musste zähneknirschend hochziehen und mich in sichere Entfernung begeben. Der Alien hatte ein, zwei Treffer eingesteckt, aber überlebt. Vielleicht war wenigstens sein Schild geschwächt. Davon abgesehen waren noch drei Drohnen übrig.

Ich wurde langsamer und wendete mein Schiff auf seiner Achse, sodass ich rückwärtsflog – ein Manöver, das anzeigte, dass ich nach hinten schießen wollte. Wie erwartet, wich das schwarze Schiff umgehend aus. Mit angeschlagenem Schild war man also nicht mehr ganz so mutig. Statt zu feuern, nahm ich die Verfolgung auf und schüttelte mit der plötzlichen Umkehr auch die Drohnen ab.

Ich klemmte mich an meinen Gegner und versuchte, nahe genug für einen Schuss zu kommen. Doch wer immer dort am Steuer saß – er oder sie war richtig gut. Das Schiff wirbelte durch eine Reihe von Ausweichmanövern, während es immer weiter beschleunigte. Einmal verschätzte ich mich und scherte in die falsche Richtung aus. Ich orientierte mich neu, passte das schwarze Schiff bei seiner nächsten Wendung ab und feuerte meine Destruktoren ab – doch ich war schon zu weit abgeschlagen, und meine Schüsse gingen ins Leere.

M-Bot nannte mir stets aktuelle Geschwindigkeit und Schusswinkel, damit meine Konzentration nicht einen Sekundenbruchteil lang durch den Blick auf die Anzeigen gestört wurde. Vorgebeugt saß ich im Sitz, versuchte, jedes Manöver des schwarzen Schiffs zu imitieren – abtauchen, eindrehen, beschleunigen. Wartete auf den kritischen Moment, in dem wir lange genug auf einer Linie waren, damit ich schießen konnte.

Mein Gegner wiederum konnte jeden Augenblick herumwirbeln und das Feuer eröffnen – wahrscheinlich wartete auch er nur darauf, mich unvorbereitet zu erwischen.

Der perfekte Moment. Diese brennende Intensität. Jene bizarre Form der Verbindung, bei der mein Gegner jede meiner Bewegungen spiegelte, sich mühte, kämpfte, litt – enger und enger in einem widersinnig intimen Wettstreit. Auf einen Schlag würden wir eins sein. Und dann würde ich ihn töten.

Ich lebte für diese Herausforderung. Für den Kampf gegen eine echte Person, das Wissen, dass es entweder ich oder sie hieß. In solchen Momenten kämpfte ich nicht für die Streitkräfte oder die Menschheit – sondern um zu beweisen, dass ich es konnte.

Das schwarze Schiff scherte im selben Moment nach links aus wie ich. Dann wirbelte es herum und richtete die Waffen auf mich. Für einen kurzen Moment bildeten wir eine Linie – und feuerten beide eine Salve aufeinander ab.

Die Schüsse meines Gegners gingen fehl. Meine nicht. Der erste Treffer ließ den geschwächten Schild zusammenbrechen; der zweite traf knapp neben dem Cockpit und riss das diskusförmige Schiff auseinander. Gierig verschlang das Vakuum den Lichtblitz.

Ich zog nach rechts, wich den Trümmern aus, holte tief Luft und versuchte, meinen Herzschlag zu beruhigen. Schweiß tränkte das Futter meines Helms und rann mir die Schläfen hinab.

»Spensa!«, rief M-Bot. »Die Drohnen!«

Dreck.

Ich machte kehrt und raste beiseite, gerade als drei gleißende Explosionen mein Cockpit erhellten. Ich zuckte zusammen – doch die Lichter zeigten nicht an, dass ich getroffen wurde, sondern dass die Drohnen der Reihe nach explodierten. Zwei unserer Schiffe rauschten vorüber.

Ich aktivierte den Gruppenkanal auf meiner Instrumententafel. »Danke, Leute!«

»Kein Problem«, antwortete Kimmalyn. »Wie die Heilige schon sagte: ›Gib gut auf die Schlauen acht, denn sie begehen gern Dummheiten.‹« Ihre Stimme hatte einen leichten Akzent und strahlte Gelassenheit und Zuversicht aus, selbst wenn sie mich gerade tadelte.

»Ich dachte, der Plan war, dass du die Drohnen zu uns lockst?«, fragte FM. Sie klang selbstsicher wie eine Frau, die doppelt so alt war.

»Das hatte ich mittelfristig ja auch vor.«

»Klar«, ätzte FM. »Deshalb hast du auch den Funk abgeschaltet, damit Jorgen dich nicht anschreien kann.«

»Der Funk war nicht aus. M-Bot hatte bloß einen Störsender an.«

»Jorgen hasst es wirklich, mit mir zu reden!«, verkündete M-Bot begeistert. »Das merke ich an der Art, wie er’s mir sagt!«

»Schön, wie auch immer«, sagte FM. »Der Feind zieht sich zurück. Und du kannst von Glück reden, dass wir bereits auf dem Weg waren, noch bevor du es über dich gebracht hast, um Hilfe zu bitten.«

Immer noch ganz neben mir – mit rasendem Herzen, die Hände schweißnass –, zündete ich meinen Schild. Dann wendete ich und flog den anderen entgegen. Mein Weg führte mich am Wrack meines Gegners vorbei, das nach wie vor mit unveränderter Geschwindigkeit dahinfiel, wie es im Weltraum nun mal war.

Es war auseinandergebrochen, aber nicht vollständig zerstört. Und so war ich fröstelnd in der Lage, einen Blick auf die Leiche des Aliens zu werfen. Eine kastenförmige Erscheinung. Vielleicht hatte seine Rüstung den Piloten vor dem Vakuum geschützt …

Nein. Ich sah, dass die Rüstung zerborsten war. Das eigentliche Wesen darin ähnelte einer kleinen, zweibeinigen Krabbe – hellblau und spindeldürr, mit einem Panzer vom Bauch bis zum Gesicht. Ich hatte Wesen wie ihn schon gesehen – an Bord von Shuttles, draußen bei der Raumstation, die Detritus aus sicherer Entfernung bewachte. Sie waren unsere Gefängniswärter. Und während die Daten, die wir gestohlen hatten, diese krabbenartige Spezies als Varvax bezeichneten, nannten die meisten von uns sie immer noch die Krell – obwohl wir nun wussten, dass »Krell« eigentlich kein Name war, sondern ein Akronym in einer Sprache der Superiority, ein Satz über die Eindämmung von uns Menschen.

Der Alien war mit Sicherheit tot. Die Flüssigkeit, die seine Rüstung gefüllt hatte, war ins Vakuum entwichen, wo sie erst explosionsartig verdampft und dann zu festen Partikeln gefroren war. Das All war wirklich seltsam.

Mit Blick auf den Alien bremste ich ab und summte leise ein Lied unserer Vorfahren. Ein Wikingergesang für die Toten.

Gut gekämpft, schickte ich seiner Seele in Gedanken nach. Dann trafen auch schon unsere Bergungsteams ein, die den Kampf aus sicherer Distanz verfolgt hatten. Wir versuchten immer, Krellschiffe zu bergen, besonders die mit echten Piloten. Vielleicht gelang es uns irgendwann, einen funktionsfähigen Überlichtantrieb zu erlangen. Die Superiority nutzte nicht die Bewusstseine ihrer Piloten, sondern bereiste die Sterne mit rein technologischen Mitteln.

»Spin?«, rief mich Kimmalyn. »Kommst du?«

»Ja.« Ich wandte mich ab und schloss mich ihr und FM an. »M-Bot? Wie würdest du die Fähigkeiten dieses Piloten einschätzen?«

»Ähnlich den deinen. Und das Schiff war leistungsfähiger als alles, was wir bisher gesehen haben. Ich will ganz ehrlich sein, Spensa – schon, weil meine Programmierung mir lügen unmöglich macht. Dieser Kampf hätte so oder so ausgehen können.«

Ich nickte. Das war auch mein Eindruck gewesen. Ich war einem ihrer Besten entgegengetreten, und es war eine schöne Bestätigung, dass mein Können nicht allein vom Kontakt zum Nirgendwo abhing. Dennoch machte ich mir Sorgen, als ich mich aus meiner Trance riss und diese merkwürdige Leere und Sinnlosigkeit verspürte, die so oft auf eine Schlacht folgte. In all unseren Kämpfen hatten wir erst eine Handvoll dieser schwarzen, von echten Piloten gesteuerten Schiffe gesehen.

Wenn die Krell uns wirklich vernichten wollten, wieso schickten sie dann nicht mehr davon? Und … war das wirklich das Beste, was sie zu bieten hatten? Ich war gut, aber ich flog erst seit einem Jahr. Unsere gestohlenen Informationen legten nahe, dass unsere Feinde eine enorme galaktische Koalition aus Hunderten von Welten führten. Da mussten sie doch Piloten haben, die besser waren als ich …

Das alles kam mir einfach sehr seltsam vor. Die Krell hatten früher nie mehr als hundert Drohnen gegen uns ins Feld gesandt. Inzwischen nahmen sie das nicht mehr so genau und stellten bis zu hundertzwanzig auf … doch das wirkte immer noch wenig, verglichen mit der mutmaßlichen Größe ihrer Streitkräfte.

Was also war da los? Wieso hielten sie sich immer noch zurück?

Kimmalyn, FM und ich kehrten zum Rest unserer Flotte zurück. Die DDF – die Defiant Defense Forces – gewannen immer mehr an Stärke. Heute hatten wir nur ein einziges Schiff verloren; früher hatten wir in jeder Schlacht ein halbes Dutzend oder mehr eingebüßt. Und wir nahmen noch Fahrt auf. Die letzten beiden Monate hatten wir die ersten Schiffe auf Grundlage der in M-Bot verbauten Technik konstruiert. Erst ein halbes Jahr war seit der verlustreichen zweiten Schlacht von Alta vergangen, doch der moralische Auftrieb – und dass unsere Piloten länger überlebten und ihre Fähigkeiten trainierten – machte uns täglich stärker.

Den Feind hier oben anzugreifen und gar nicht erst bis zu uns kommen zu lassen, hatte den Radius unserer Bergungsoperationen vergrößert. Und so eroberten wir nicht bloß die nahe gelegenen Verteidigungsplattformen, wir bargen auch Material für neue Schiffe.

Damit stieg auch der Bedarf an neuen Kadetten dramatisch. Nicht mehr lange, und wir hatten genug Flugstein und Piloten für Hunderte Jäger.

Alles in allem war der Fortschritt fast wie eine Lawine. Und trotzdem machte ich mir insgeheim Sorgen. Das Verhalten der Krell war eigenartig. Und davon abgesehen waren wir auf entscheidende Weise im Nachteil: Sie konnten die Galaxis bereisen, während wir auf unserem Planeten festsaßen.

Es sei denn, ich lernte, meine Gabe zu benutzen.

»Hm, Spensa?«, meldete sich M-Bot. »Jorgen ruft uns, und ich glaube, er ist verärgert.«

Seufzend nahm ich den Ruf entgegen. »Hier Skyward Zehn.«

»Geht es dir gut?«, fragte er ernst.

»Ja, schon.«

»Gut. Wir unterhalten uns später.« Er beendete den Kontakt.

Ich zuckte zusammen. Er war nicht bloß verärgert … er kochte vor Wut.

Sadie – die Neue, die mir als Wingmate zugeteilt worden war – flog in Skyward Neun an meine Seite. Die Lage ihres Schiffs strahlte eine gewisse Unsicherheit aus, vielleicht interpretierte ich da aber auch zu viel hinein. Ich hatte sie wie geplant zurückgelassen, als die Krell mir ihre Übermacht auf den Hals gehetzt hatten, und glücklicherweise war sie schlau genug gewesen, ihre Befehle zu befolgen und bei den anderen zu bleiben.

Nun mussten wir auf Order vom Oberkommando warten, ehe wir zurück zum Planeten konnten, also schwebten wir eine Weile im All. Auch Kimmalyn trieb langsam näher, bis ich sie in ihrem Cockpit erkennen konnte. Mit einem Helm auf ihrem langen schwarzen Haar wirkte sie immer etwas ungewohnt.

»Hey«, rief sie mich auf einem privaten Kanal. »Alles gut bei dir?«

»Ja.« Das war eine Lüge. Jedes Mal, wenn ich meine Gabe einsetzte, verspürte ich einen Konflikt. Unsere Vorfahren hatten vor Leuten wie mir Angst gehabt. Menschen mit cytonischen Kräften. Bevor wir auf Detritus abgestürzt waren, hatten wir im Maschinenraum gearbeitet und unser Schiff geleitet.

Man hatte uns die Maschinisten genannt. Der Rest der Besatzung war uns aus dem Weg gegangen – und bestimmte Vorurteile und Gebräuche wirkten noch heute in unserer Gesellschaft nach, selbst nachdem wir vergessen hatten, was ein Cytoniker war.

War das alles nur Aberglaube, oder steckte mehr dahinter? Ich hatte die Bösartigkeit der Augen gespürt. Und kurz vor seinem Tod hatte mein Vater seine eigenen Freunde angegriffen. Wir gaben den Krell daran die Schuld, aber wenn ich an seine wütende Stimme in den Aufzeichnungen dachte, machte ich mir doch Sorgen.

Was immer ich auch war – ich machte mir Sorgen, dass meine Taten uns alle in große Gefahr brachten. Eine Gefahr, die wir noch kaum verstanden.

»Leute?« Sadie richtete ihr Schiff neu aus. »Was bedeutet diese Warnung auf meinem Schirm?«

Ich sah nach dem blinkenden Licht auf meinem Scanner, unterdrückte ein Fluchen und ließ einen Scan laufen. Ich konnte gerade so die Krellstation dort draußen in der Leere ausmachen; dann erschien auf einmal etwas Neues daneben. Zwei Objekte, die noch größer waren als sie.

Gewaltige Schiffe. »Zwei neue Schiffe haben das System erreicht«, meldete M-Bot. »Meine Langstreckensensoren bestätigen, was auch das Oberkommando sieht: Es scheint sich um Schlachtschiffe zu handeln.«

»Dreck«, sagte FM über Funk. Bislang hatten wir es nur mit Jägern zu tun gehabt – doch wir wussten aus unseren Daten, dass der Feind auch über Kriegsschiffe dieser Größenklasse verfügte.

»Wir haben nur wenige Informationen über die Bewaffnung solcher Schiffe«, sagte M-Bot. »Aber meine Prozessoren sagen mir, dass sie wahrscheinlich darauf ausgelegt sind, den Planeten zu bombardieren.«

Bombardieren – sie konnten den Planeten aus dem All angreifen und selbst die Bewohner der tiefen Kavernen zu Asche verbrennen.

»An den Verteidigungsplattformen kommen sie nicht vorbei«, sagte ich. Zumindest nahmen wir das an. In der Vergangenheit hatten die Krell stets tief fliegende Bomber entsandt, statt ihre Tiefentöter aus dem Orbit abzuwerfen. Die Verteidigungsplattformen waren genau dazu da, so etwas zu verhindern.

»Und wenn sie zuerst die Plattformen zerstören?«, fragte Sadie.

»Dafür sind deren Geschütze zu stark«, sagte ich.

Das war zum Teil auch Prahlerei. Wir wussten nicht mit Sicherheit, was die Verteidigungssysteme von Detritus leisten konnten. Dazu mussten wir sie erst ganz unter unsere Kontrolle bringen – doch davon waren wir leider noch mehrere Monate entfernt.

»Kannst du was hören?«, fragte Kimmalyn.

Ich lauschte mit meinen cytonischen Sinnen. »Nur eine schwache, leise Musik. Fast nur ein Rauschen, aber … schöner. Ich müsste näher ran, um zu verstehen, was sie sagen.«

Ich hatte schon immer diese Klänge von den Sternen gehört. Als ich noch jünger gewesen war, hatte ich sie für Musik gehalten. Während meines Trainings und in den Gesprächen mit meiner Großmutter war mir klar geworden, dass ich in Wahrheit den Klängen der überlichtschnellen Signale lauschte, mit denen die Krell durch das Nirgendwo kommunizierten. Jetzt gerade hörte ich wahrscheinlich den Funkverkehr zwischen der Krellstation oder den Schlachtschiffen und dem Rest der Superiority.

Man befahl uns, Position zu halten und zu warten, ob die Schlachtschiffe vorrückten. Wir warteten eine lange Zeit, aber sie blieben bei der Station. Was auch immer ihr Auftrag war, es wirkte nicht so, als ob sie ihn in unmittelbarer Zukunft ausführen würden.

»Wir haben neue Befehle«, meldete sich Jorgen schließlich. »Die Schlachtschiffe rühren sich nicht, also sollen wir uns wieder bei Plattform Eins einfinden. Los geht’s.«

Seufzend wendete ich mein Schiff und flog zurück zum Planeten. Ich hatte die Schlacht überstanden.

Nun wurde es wohl Zeit, dass ich mich anschreien ließ.

3

M-Bot berechnete unseren Anflug.

Die anderen hatten sich immer noch nicht ganz an ihn gewöhnt. Ein Computerprogramm, das denken und sprechen konnte wie ein Mensch? Großmutter, die vor unserem Absturz auf Detritus ein kleines Mädchen gewesen war, sagte, sie habe von solchen Dingen gehört – aber sie seien verboten gewesen.

Dennoch bot uns M-Bot Vorteile, die sich nicht ignorieren ließen. Dank seiner extrem präzisen Kalkulationen konnten wir auch mühelos durch die Verteidigungsplattformen navigieren, ohne ein ganzes Heer von Mathematikern verpflichten zu müssen.

So hielten wir uns sorgsam an seinen Kurs, gerade außerhalb der Reichweite der Geschütze, die sich auf ihren stählernen Plattformen von der Größe von Bergen erhoben. Ich nahm die Schatten von Wolkenkratzern wahr. Während meiner Schulzeit war Kulturerbe ein Pflichtfach gewesen; dort hatten wir Bilder der Alten Erde gesehen und spezielle Höhlen besucht, wo verschiedene Tierarten gezüchtet wurden. Von daher kannte ich irdisches Leben und auch Dinge wie Wolkenkratzer, obgleich mich Großmutters Geschichten aus grauer Vorzeit immer mehr interessiert hatten.

Diese Wolkenkratzer deuteten darauf hin, dass die Plattformen um Detritus einst bewohnt gewesen waren, so wie der Planet – aber irgendetwas hatte sie vor vielen Jahrhunderten zerstört.

Der Anblick all dieser Bauten, die sich in die Unendlichkeit erstreckten, raubte mir jedes Mal den Atem. Unsere fünfzig Raumjäger waren im Vergleich dazu nur Staubkörner. Wie lange hatte es gedauert, all das zu errichten? In dem Kavernennetzwerk unserer Nation, den Standhaften Höhlen, lebten vielleicht hunderttausend Menschen. Die gesamte Bevölkerung hätte auf eine einzige dieser Plattformen gepasst.

Uns wurde befohlen, unseren Anflug zu verlangsamen. Wir wendeten unsere Jäger, sodass die Triebwerke zum Planeten wiesen. Ein leichter Gegenschub bremste uns ab.

Von unten betrachtet, erinnerten die Schalen an die Mechanik eines schauerlichen Uhrwerks, das einem unbekannten Zweck diente. Jede Plattform kreiste auf ihrem eigenen Orbit, die Geschütze bereit, jeden – ob Mensch oder Alien – zu vernichten, der ihr zu nahe kam. Doch die Schalen waren auch der Grund, weshalb wir überhaupt noch am Leben waren, von daher wollte ich mich nicht beschweren.

Bald darauf durchdrangen wir auch die innerste Schale, die aus vielerlei Gründen hervorstach. Der offensichtlichste war, dass sie mehrere Tausend riesige Lichtquellen enthielt, die Teile unseres Planeten wie Scheinwerfer erhellten. Diese Himmelsleuchten schufen einen künstlichen Tag-Nacht-Rhythmus.

Auch waren die hiesigen Plattformen noch deutlich reparaturbedürftiger als die äußeren. Knapp außerhalb der Atmosphäre trieben riesige Trümmerfelder durchs All. Dieser Weltraumschrott bestand wahrscheinlich aus den Überresten zerstörter Plattformen. Teile davon stürzten immer wieder ab, nachdem sie ihre letzte Energie verloren hatten, und regneten auf den Planeten herab.

Eine Männerstimme meldete sich in meinem Helmlautsprecher. »Skyward-Staffel und Xiwang-Staffel. Admiral Cobb befielt Ihnen, an Plattform Eins anzulegen. Der Rest fliegt weiter zur Oberfläche zum Schichtwechsel.«

Den Sprecher erkannte ich als Rikolfr, ein Mitglied des Admiralsstabs. Ich gehorchte und leitete den Anflug ein. Einen Moment kam Detritus in Sicht: eine blaugraue Kugel mit heller, einladender Atmosphäre. Dreißig Schiffe unserer Flotte nahmen Kurs auf den Planeten.

Der Rest von uns glitt oberhalb der Atmosphäre dahin, vorbei an mehreren Plattformen, deren Lichter in freundlichem Blau statt dem wütenden Rot der anderen blinkten. Dank M-Bots Stealthtechnologie hatten wir auf einer Plattform landen und ihre Systeme hacken können. Glücklicherweise machten die internen Sicherheitsprotokolle ein paar Ausnahmen für Menschen, was den Ingenieuren eine kurze Atempause verschafft hatte – genug, um ihre Arbeit zu erledigen.

Anschließend hatten Rodge und die übrigen Ingenieure es geschafft, noch weitere der nahe gelegenen Plattformen herunterzufahren, sodass wir auch diese in Besitz nehmen konnten. Bislang hatten wir erst zehn von Tausenden übernommen, doch es war ein Anfang.

Plattform Eins mit ihren Jägerhangars war die größte davon. Wir hatten sie in ein orbitales Hauptquartier verwandelt, obgleich die Ingenieure an manchen Systemen noch arbeiteten – vor allem an den alten Speicherbänken.

Wie befohlen steuerte ich meinen Landeplatz an, einen kleinen individuellen Hangar. Die Tore schlossen sich, die Lichter gingen an, und Luft strömte ein. Mit einem tiefen Seufzen öffnete ich das Verdeck. Es fühlte sich immer so trist an, nach einer Schlacht ins normale Leben zurückzukehren. So unrealistisch es war, ich wünschte, ich könnte weiter Patrouille fliegen. Die Antworten darauf, wer – oder was – ich war, lagen irgendwo dort draußen, nicht in diesen sterilen, stählernen Hallen.

»Hey!«, rief M-Bot, als ich ausstieg. »Nimm mich mit. Ich will auch etwas Spaß haben.«

»Man wird mir bloß einen Vortrag halten.«

»Wie ich schon sagte …«

Also schön. Ich griff unter die vordere Instrumententafel und löste seinen neuen mobilen Rezeptor aus der Halterung. Das Armband war mit Sensoren, einem holografischen Projektor, einem Funkverstärker und einer kleinen Zeitanzeige ausgestattet. Angeblich hatte M-Bot bereits in der Vergangenheit ein solches Gerät besessen, aber verloren – wahrscheinlich hatte sein alter Pilot ihn mitgenommen, als er vor Hunderten von Jahren Detritus erkunden ging.

Als M-Bot unseren Ingenieuren die Pläne für den Nachbau entwarf, wären sie vor Freude über die Mikrohologramm-Technologie fast durchgedreht. Glücklicherweise hatten sie in ihrem Jubel noch die Zeit gefunden, mir einen Ersatz zu bauen – und den trug ich nun meist anstelle meines Lichtseils mit mir. Seit ich nicht mehr regelmäßig Höhlen erforschte, hatte ich für das alte Armband meines Vaters kaum noch Verwendung.

Ich schloss das Band um mein Handgelenk und reichte meinen Helm Dobsi von der Bodencrew, die gerade die Leiter zu mir hochgeklettert kam.

»Irgendwelche Probleme?«, erkundigte sie sich.

»Ich habe rechts am Rumpf einen Trümmer abgekriegt, als mein Schild unten war.«

»Ich sehe es mir an.«

»Danke. Und nur zur Warnung – er hat wieder eine seiner Stimmungen.«

»Hat er die denn jemals nicht?«

»Es gab da mal diesen Tag, als seine Selbstdiagnose lief«, überlegte ich. »Da hat er ganze fünf Minuten lang den Mund gehalten. Das war ein wahrer Segen.«

»Ihr wisst, dass meine Programmierung mich befähigt, Sarkasmus zu erkennen?«, erkundigte sich M-Bot.

»Sonst wäre es ja nicht witzig.« Ich betrat meine Umkleide, die mir hier auch als Quartier diente – nicht dass ich viel besessen hätte. Die Pilotennadel meines Vaters, meine alten Höhlenkarten und ein paar improvisierte Waffen, dazu Kleider zum Wechseln … das passte alles in eine Kiste neben dem Feldbett.

Kaum dass ich eintrat, begrüßte mich ein trillerndes Flöten. Schreckschneck saß auf ihrem Platz neben der Tür. Sie war gelb mit kleinen blauen Stacheln auf dem Rücken und hatte sich aus meinen alten Shirts ein Nest gebaut. Als ich ihr den Kopf kraulte, flötete sie fröhlich. Sie fühlte sich nicht schleimig an, eher rau wie gutes Leder.

Es war gut, sie hier zu sehen; eigentlich sollte sie immer in meinem Quartier bleiben, aber häufig stahl sie sich davon und tauchte dann plötzlich im Hangar auf. Sie schien gern in M-Bots Nähe zu sein.

Ich wusch mich kurz, zog mich aber nicht um. Lange genug getrödelt. Ich riss mich zusammen und trat mit der Entschlossenheit einer Kriegerin hinaus auf den Flur. Nach der Rückkehr aus dem All kam mir die Plattform immer zu hell vor, die Wände weiß und glänzend. Einzig der Teppichboden wirkte nicht übermäßig poliert oder leuchtend. Er war erstaunlich gut gealtert – wahrscheinlich, weil hier ein Vakuum geherrscht hatte, ehe die Ingenieure alle Lecks versiegelt und die Lebenserhaltungssysteme neu gestartet hatten.

Die anderen Mitglieder meiner Staffel erwarteten mich schon. Nedd und Arturo stritten, ob es Piloten erlaubt sein sollte, ihre Schiffe zu bemalen. Ich ignorierte sie und trat zu Kimmalyn, deren Haar ganz durcheinander war. Ihren Helm trug sie unter dem Arm.

»Dir ist klar, wie sauer Jorgen auf dich ist?«, flüsterte sie.

»Ich komme schon mit ihm klar.«

Sie hob eine Braue.

»Ernsthaft«, sagte ich. »Ich muss bloß ausreichend selbstsicher und einschüchternd wirken. Hast du zufällig etwas Eye Black dabei?«

»Äh, was soll das sein?«

»Eine Art Kriegsbemalung, die die Männer der Alten Erde auf ihren Turnierplätzen trugen. Gnadenlose Kämpfe, ausgetragen mit einem toten Schwein.«

»Nett. Aber leider kann ich damit gerade nicht dienen. Spin … wäre es nicht besser, Jorgen nicht noch mehr reizen? Nur so zur Abwechslung?«

»Weiß nicht, ob ich das schaffe.«

FM lief vorüber und reckte aufmunternd den Daumen. Ich erwiderte die Geste, war aber in ihrer Gegenwart immer noch ein wenig verlegen. Irgendwie schaffte es die große, schlanke Frau, selbst eine Fliegerkombi modisch wirken zu lassen, während ich mir in meinem unförmigen Anzug immer vorkam, als hätte ich drei Lagen zu viel an. Sie gesellte sich zu T-Stall und Catnip, die unserer Staffel zugeteilt worden waren, um die Reihen zu schließen. Beide Männer waren Anfang zwanzig, ein paar Jahre älter als wir, gaben aber ihr Möglichstes, sich einzufügen.

Abgesehen von Jorgen blieb nur noch Sadie, die Neue. Prompt kam sie über die Schwelle zwischen Umkleide und Flur gestolpert und ließ beinahe den Helm fallen. Ihr blaues Haar und ihre markanten Züge weckten Erinnerungen an … nun ja, schmerzhafte Erinnerungen.

Die meisten anderen brachen bereits in Richtung Messe auf, ich jedoch wartete auf Jorgen – besser, ich stellte mich ihm gleich. Er war meistens der Letzte, weil er nach einem Flug stets die komplette Checkliste durchging, obwohl das auch die Bodencrew erledigen konnte. Kimmalyn leistete mir noch Gesellschaft, und Sadie huschte zu uns.

»Du warst so toll da draußen.« Sie drückte sich den Helm an die Brust und strahlte mich an. Dreck – wir waren bloß einen Jahrgang über ihr gewesen, also praktisch gleich alt. Aber so jung wie sie gerade sahen wir doch bestimmt nicht aus.

»Ja, klar, bist selbst gut geflogen heute«, gab ich zurück.

»Du hast mir zugesehen?«

Das hatte ich zwar nicht, aber ich nickte ihr ermutigend zu.

»Vielleicht schaffe ich’s ja bald, wie du zu sein, Spin!«

»Du warst ganz wundervoll, Liebes.« Kimmalyn tätschelte Sadie die Schulter. »Aber versuche nie, jemand anderes zu sein als du selbst. Dafür fehlt dir eine Menge Übung.«

»Richtig, stimmt.« Sadie kramte ein kleines Notizbuch und einen Stift aus ihrer Tasche. »Nie … als du selbst …« Sie schrieb mit, als zitierte Kimmalyn aus dem Buch der Heiligen. Dabei war ich ziemlich sicher, dass alles frei erfunden war.

Kimmalyns ruhige Züge waren schwer zu deuten, doch ein leichtes Zwinkern verriet ihr Entzücken darüber, dass jemand ihre Aussprüche festhielt.

»Ich wünschte, ich hätte dir folgen können, Spin. Es sah gefährlich aus für dich da ganz allein.«

»Das Einzige, dem du folgen sollst, sind deine Befehle«, erklang eine strenge Stimme. »Wenn andere sich nur ebenfalls daran hielten!«

Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass unser Staffelführer sich zu uns gesellt hatte und nun hinter mir stand. Jorgen, manchmal auch Jerkface genannt.

»Äh, danke, Sir.« Sadie salutierte und stolperte davon zur Messe.

»Viel Glück«, flüsterte Kimmalyn und drückte meinen Arm. »Mögest du nur das bekommen, was du verdienst.« Und damit ließ sie mich natürlich im Stich.

Nun, dieses Monster konnte ich auch selbst erlegen. Ich wandte mich um, das Kinn hocherhoben – dann musste ich den Kopf noch etwas weiter zurücklegen. Warum nur musste er auch so verdreckt groß sein? Jorgen Weight mit seiner tiefbraunen Haut war eine Säule vorbildhafter Pflichterfüllung. Jeden Abend ging er mit dem Verhaltenskodex der DDF unter dem Kopfkissen zu Bett, zum Frühstück hörte er patriotische Reden, und er benutzte ausschließlich Silberbesteck, auf dem Lass Spensa keinen Spaß haben stand.

Zugegeben, ich übertrieb ein bisschen. Dessen ungeachtet schien er wirklich deutlich zu viel Zeit für Kritik an mir zu haben. Nun, ich war unter Bullys aufgewachsen. Ich wusste, wie ich mich gegenüber Leuten zu behaupten hatte, die …

»Spensa«, sagte er. »Hör endlich auf, so ein Bully zu sein.«

»Ooooooh«, erklang M-Bots Stimme aus meinem Armband. »Der war gut.«

»Halt die Klappe«, murmelte ich. »Bully? Bully?« Ich gab Jorgen einen Stups. »Was soll das heißen, Bully?«

Er beäugte meinen Finger.

»Ich kann hier gar nicht der Bully sein«, sagte ich. »Du bist größer als ich!«

»So funktioniert das nicht, Spensa«, grollte Jorgen mit tiefer Stimme. »Und … was hast du da im Gesicht?«

Im Gesicht? Die Frage traf mich so unvermittelt, dass ich unseren Streit kurz vergaß und stattdessen mein Spiegelbild in der glänzenden Wand betrachtete. Es hatte schwarze Streifen unter den Augen. Was?

»Eye Black«, erklärte M-Bot. »Schminke, wie sie die Athleten der Alten Erde trugen. Du hast Kimmalyn gesagt …«

»Das war ein Witz!« Die schwarze Farbe war ein Hologramm, das M-Bot von seinem Rezeptorarmband auf mich projiziert hatte. »Du brauchst wirklich jemanden, der dir mal das Humorprogramm neu schreibt, M-Bot.«

»Oooohhhhh. Tut mir leid.« Er ließ das Hologramm verschwinden.

Jorgen schüttelte den Kopf, dann schob er sich an mir vorbei und marschierte den Flur hinab, sodass ich ihm nacheilen musste.

»Du warst immer schon sehr unabhängig, Spin«, sagte er. »Das kapiere ich ja. Aber jetzt benutzt du deine Kräfte und deinen Status, um alle anderen – inklusive Cobb – herumzuschubsen. Du ignorierst das Protokoll und die Befehle, weil du weißt, dass wir anderen verdreckt noch mal machtlos sind. Das sind die Taten eines Bullys.«

»Ich versuche, die anderen zu beschützen!«, protestierte ich. »Ich lenke den Feind ab! Ziehe das Feuer auf mich!«

»Der Plan war, dass du den Gegner zu uns lockst, damit wir ihn von den Flanken aus angreifen können. Es gab mehrere Gelegenheiten dazu, aber stattdessen hast du lieber selbst gekämpft, mit voller Absicht.« Er musterte mich. »Du versuchst, irgendwas zu beweisen. Was ist los mit dir in letzter Zeit? Du warst früher immer erpicht darauf, Teil des Teams zu sein. Dreck, du hast dieses Team überhaupt erst zusammengeschweißt. Und jetzt benimmst du dich so? Als ob es einzig und allein um dich ginge?«

Ich …

Meine Einwände schwanden dahin, weil ich wusste, dass er recht hatte und Ausreden die falsche Waffe in diesem Kampf waren. Es gab nur eines, das bei Jorgen etwas brachte: die Wahrheit.

»Sie sind fest entschlossen, mich zu töten, Jorgen. Sie werden alles schicken, was sie haben, bis ich tot bin.«

Am Ende des Flurs hielten wir unter grellweißem Licht vor einer Tür.

»Du weißt, dass das stimmt.« Ich blickte ihm in die Augen. »Sie haben herausgefunden, was ich bin. Wenn sie mich ausschalten, können sie uns für immer auf Detritus gefangen halten. Sie werden jeden töten, um an mich ranzukommen.«

»Also machst du es ihnen leichter?«

»Ich lenke sie wie gesagt ab, damit …« Meine Worte erstarben mir auf den Lippen. Dreck, Jerkface und sein durchdringender Blick immer. »Okay, gut! Ich versuche, mich zu fordern. Das eine Mal, als ich es geschafft habe – der eine Hypersprung –, das war mitten in einer Explosion gewesen. Ich war verzweifelt, in Lebensgefahr. Ich glaube, wenn ich dieses Gefühl wiederherstellen kann, dann schaffe ich es auch ein zweites Mal. Dann finde ich vielleicht heraus, was das ist, das ich da kann, und was … was ich in Wahrheit eigentlich bin.«

Er seufzte und wandte den Blick melodramatisch zur Decke. »Ihr Heiligen, helft uns!«, murmelte er. »Spin, das ist verrückt.«

»Es ist tapfer«, widersprach ich. »Eine Kriegerin fordert sich immer. Gibt nicht nach. Geht bis an die Grenzen ihrer Kraft.«

Er sah mich skeptisch an, doch ich hielt seinem Blick stand. Jorgen brachte mich dazu, Dinge auszusprechen, die ich normalerweise nicht mal mir selbst eingestand. Vielleicht machte ihn das zu einem guten Staffelführer. Dreck, allein, dass er mich irgendwie – mehr oder weniger – im Griff hatte, bewies das.

»Spensa – du bist das Beste, das wir haben. Du bist extrem wichtig für die DDF … und für mich.«

Plötzlich wurde mir bewusst, wie nahe wir uns waren. Er neigte nur ein Stück weit den Kopf – und einen Augenblick lang wirkte es, als wollte er noch weiter gehen. Unglücklicherweise stand diesem Moment und dem, was sich vielleicht noch daraus entsponnen hätte, aber auch etwas im Weg.

Zum einen war das Verhältnis zwischen Staffelführer und Pilotin etwas schwierig. Doch war das nicht alles. Jorgen war die Verkörperung der Ordnung, und ich … na ja, ich nicht. Ich wusste ja gar nicht, wer oder was ich wirklich war. Ehrlich gesagt hatte ich mich wohl deshalb das letzte halbe Jahr nicht richtig auf ihn eingelassen.

Schließlich zog er sich zurück. »Du weißt doch, dass die Nationalversammlung dich für zu wichtig hält, um dich in der Schlacht zu verlieren. Am liebsten würden sie dich zurückhalten.«

»Sollen sie ruhig versuchen.« Allein der Gedanke machte mich wütend.

»Ich würde das ja auch gern erleben«, gestand er mit verträumtem Lächeln. »Aber müssen wir ihnen wirklich noch mehr Gründe dafür liefern? Du, wir alle, sind Teil eines Teams. Rede dir jetzt nicht auf einmal ein, dass du irgendwas allein tun müsstest, Spensa. Und bei den Sternen, bitte bring dich nicht so in Gefahr. Wir finden schon eine andere Möglichkeit.«

Ich nickte, aber … er hatte leicht reden. Großmutter hatte mir erzählt, dass man Menschen wie mich schon gefürchtet hatte, als unsere Vorfahren noch alle Teil derselben Flotte gewesen waren.

Die Maschinisten – Herzen der Hypersprungantriebe. Fremdartig, vielleicht nicht mal menschlich.

Jorgen gab gerade seinen Code in die Tür vor uns ein, als diese von der anderen Seite geöffnet wurde. »Leute«, sagte Kimmalyn ganz außer Atem. »Leute!«

Eigenartig. So leicht war sie normalerweise nicht aus der Ruhe zu bringen. »Was ist denn los?«

»Rodge hat sich gerade gemeldet! Die Ingenieure, die an den Computersystemen der Plattform arbeiten? Die haben was gefunden. Eine Filmaufzeichnung.«

4

Jorgen und ich folgten Kimmalyn in den Raum, den alle als die Bibliothek bezeichneten, auch wenn er keine Bücher enthielt. Hier arbeitete das Ingenieurkorps rund um die Uhr an den alten Datenbänken. Sie hatten Teile der Wandverkleidung abgenommen und ein Geflecht aus Kabeln entblößt, das wie Sehnenstränge dahinter verlief. Obgleich wir Großteile der Plattform mit wenig Aufwand in Betrieb genommen hatten, waren wir aus vielen Computersystemen immer noch ausgesperrt.

Kimmalyn führte uns zu einer Gruppe in Overalls, die sich aufgeregt tuschelnd um einen großen Monitor scharten. Auch einige Offiziere aus dem Admiralsstab waren anwesend. Ich zupfte an meiner verschwitzten Fliegerkombi. »Jetzt wünschte ich doch, ich hätte mich umgezogen …«

»Ich könnte dir ein Hologramm machen!«, bot M-Bot an.

»Und was würde das daran ändern, dass ich mich verschwitzt fühle?« Ernsthaft, seit er sein Armband mit dem Projektor hatte, suchte er ständig nach Ausreden zum Angeben.

Beim Klang meiner Stimme reckte einer der Ingenieure den Kopf und grinste uns zu. Es war Rodge.

Er war immer noch so schlaksig, blass und rothaarig wie in unserer Kindheit. Bloß lächelte er heute deutlich öfter. Manchmal kam es mir vor, als hätte ich etwas verpasst – als hätte jemand damals, als wir M-Bot reparierten, meinen nervösen Freund gegen einen selbstbewussteren Typen ausgetauscht.

Ich war stolz auf ihn, besonders als ich sah, dass er wieder seine Kadettennadel trug – Cobb hatte sie extra für ihn rot lackieren lassen, als neues Zeichen für herausragende Leistungen von Ingenieuren und Bodencrew.

Rodge kam zu uns. »Ich bin ja so froh, dass sie dich gefunden hat«, sagte er leise. »Das wirst du sehen wollen!«

»Was habt ihr denn da?« Jorgen reckte den Kopf, um einen Blick auf den Monitor zu erhaschen.

»Die Video-Logs der Station«, flüsterte Rodge. »Die letzten, ehe alles abgeschaltet wurde. Sie wurden wohl mittendrin unterbrochen und dann nicht fertig verschlüsselt. Es ist der größte Datensatz, den wir aus dem Archiv bislang bergen konnten.« Er warf einen Blick über die Schulter. »Commander Ulan bestand darauf, dass wir noch auf Cobb warten, und da dachte ich, es würde sich bestimmt niemand beschweren, wenn die Heldin von Alta Zwei es ebenfalls sieht.«

In der Tat war meine Ankunft nicht unbemerkt geblieben. Ein paar Ingenieure stupsten einander und zeigten in meine Richtung.

»Weißt du, Spin«, merkte Kimmalyn an. »Manchmal ist es ganz praktisch, mit dir rumzuhängen. Jeder zollt dir so viel Aufmerksamkeit, dass der Rest von uns mit allem durchkommt.«

»Womit willst du denn durchkommen?«, erkundigte sich Jorgen. »Einem Extraschluck Tee?«

Da er die Augen immer noch auf den Monitor richtete, entging ihm eine erschütternd unhöfliche Geste seitens Kimmalyns. Mir dagegen stand der Mund offen. Hatte sie das gerade wirklich getan?

Kimmalyn warf mir ein verschmitztes Lächeln zu, das sie dann rasch hinter der Hand verbarg. Dieses Mädchen … Ich dachte immer, ich hätte sie durchschaut, und dann tat sie so was. Wahrscheinlich nicht zuletzt, um mich zu schockieren.

Die Unterhaltungen verstummten, als die Tür aufging und Cobb eintrat. Er trug einen kurzen weißen Bart und hinkte wie immer von seiner alten Verletzung; außer zu den förmlichsten Anlässen weigerte er sich jedoch, einen Stock zu benutzen. In der Hand hielt er eine dampfende Kaffeetasse, und die rechte Brust seiner weißen, frisch gebügelten Uniform war mit Orden der DDF geschmückt, die seine Verdienste und den Rang als Flottenadmiral anzeigten.

Er hatte diese Position widerstrebend angenommen, nachdem Ironsides – genauso widerstrebend – ihren Ruhestand angetreten hatte. In gewisser Weise war Cobb wohl gerade der wichtigste Mensch überhaupt. Andererseits war er aber immer noch … nun ja, Cobb.

»Was ist denn jetzt mit diesem Log?«, wollte er wissen. »Was ist auf dem verdammten Ding?«

»Sir!«, rief Commander Ulan, eine große Frau, die von der Besatzung der Yeong-Gwang abstammte. »Wir wissen es noch nicht. Wir wollten auf Sie warten.«

»Was?«, entgegnete Cobb. »Wissen Sie denn nicht, wie langsam ich zu Fuß bin? Kann drei Schichtwechsel brauchen, bis ich einmal quer durch diese dämliche Station gehumpelt bin.«

»Ähm. Sir. Wir dachten … Ich meine, niemand findet, dass Ihr Bein Sie langsam macht … äh … also nicht zu langsam, meine ich …«

»Reden Sie mir nicht nach dem Mund, Commander«, schnappte er.

»Wir wollten Ihnen bloß Respekt erweisen.«

»Respektieren Sie mich auch nicht«, grummelte Cobb und nippte an seinem Kaffee. »Da fühle ich mich bloß alt.«

Ulan lachte gezwungen, worauf Cobb ihr einen finsteren Blick zuwarf und sie umso betretener dreinschaute. Ich fühlte mit ihr. Der Umgang mit Cobb erforderte ähnlich viel Übung wie ein dreifacher Ahlstrom-Looping mit Rückwärtskehre.

Die Ingenieure machten Platz für Cobb, und Kimmalyn und ich ergriffen die Gelegenheit, uns näher an den Schirm heranzupirschen. Jorgen legte die Hände hinter den Rücken und ließ den höherrangigen Offizieren den Vortritt. Manchmal konnte der Junge wirklich zu pflichtbewusst sein; da bekam man ja fast ein schlechtes Gewissen, wenn man seine Bekanntheit nutzte, sich einen guten Platz zu ergaunern.

Cobb warf mir einen prüfenden Blick zu. »Ich habe gehört, du hast mal wieder eine kleine Show abgezogen, Lieutenant«, sagte er leise, während der Chefingenieur sich mit den Dateien befasste.

»Äh«, sagte ich.

»Und ob!«, meldete sich M-Bot aus meinem Armband. »Sie hat Jorgen gesagt, dass sie absichtlich versucht hat …« Ich schaltete ihn stumm. Dann schaltete ich vorsichtshalber auch den holografischen Projektor aus. Errötend sah ich Cobb an.

Der Admiral nippte an seinem Kaffee. »Wir unterhalten uns später. Wenn dir was passiert, würde das deine Großmutter sehr verärgern, und das will ich nicht. Sie hat mir letzte Woche Kuchen gebacken.«

»Äh, ja, Sir.«

Der Schirm flackerte, und das Video begann. Es zeigte genau den Raum, in dem wir standen, nur ohne die abgerissenen Verkleidungen. Ein paar Leute in unbekannter Uniform saßen geschäftig vor ihren Schirmen. Ich hielt den Atem an. Sie waren Menschen.

Natürlich hatten wir das immer gewusst. Obgleich Detritus bei unserer Ankunft unbewohnt gewesen war, fanden sich überall auf den alten Maschinen Beschriftungen in Sprachen der Alten Erde. Trotzdem war es unheimlich, diese mysteriösen Menschen der Vergangenheit zu sehen. Millionen, wenn nicht Milliarden von ihnen mussten den Planeten und seine Plattformen bevölkert haben. Wohin waren sie alle verschwunden?

Die Leute im Video schienen sich zu unterhalten. Erregt eilten sie im Raum umher. Auf den zweiten Blick schienen einige zu schreien, aber es gab keinen Ton. Ein blonder Mann stolperte in den Sessel vor dem Monitor, sodass sein Gesicht den Schirm ausfüllte. Er begann zu sprechen.

»Entschuldigung, Sir!«, sagte eine Ingenieurin. »Wir arbeiten noch an den Audiodaten. Eine Sekunde …«