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Dieser kleine Ratgeber will praktische Hilfen für Angehörige und Begleitende von Sterbenden bieten. In der Sterbezeit, in der letzten Phase des Lebens, können wir als daneben Stehende in einem behutsamen Dialog mit dem Sterbenden treten und voneinander lernen und diese Zeit bewusst gestalten.
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Seitenzahl: 99
Veröffentlichungsjahr: 2019
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1.0 Zum Autor
1.1 Zu diesem Buch
1.2 Trauer und Trauerreaktionen
1.3 Trauerzustände, -phasen, -aufgaben begleiten
1.4 Mögliche Sterbephasen
1.5 Die Ietzte Lebenszeit
1.6 Grundbedürfnisse Berührung Essen und Trinken
1.7 Innere / äußere Zustände
1.8 Körperliche Veränderungen und Koma
1.9 Begleitung Sterbender in akuten Notlagen
2.0 Anzeichen des nahen Todes
2.1 Unmittelbar nach dem Tod
2.2 Der Trauerprozess
2.3 Einige Trauerkonzepte im Überblick
2.4 Leitlinien für die Trauerbegleitung
2.5 Trauer-Gedichte
2.6 Personenzentrierte Gesprächsführung
2.7 Das Mäeutische Kurzgespräch
2.8 Übungen zur Begleitung
2.9 Übungen zur Verarbeitung
3.0 Links für Sterbebegleitung und Trauer
3.1 Literaturauswahl
3.2 Schlusshinweis
In der Zeit meines Studiums zum Diakon habe ich mich auf den Weg gemacht, um einen kleinen Helfer für Angehörige von sterbenden Menschen zu schreiben. Seit einigen Jahren engagiere ich mich ehrenamtlich und habe Erfahrungen gesammelt, in Teams der
Krisenintervention und in der Einsatznachsorge für Feuerwehrangehörige, als Krankenhausseelsorger und als Sterbe- und Trauerbegleiter.
Mit diesem Hintergrund möchte ich in diesem Büchlein meine Erfahrungen teilen und im Folgenden versuchen, Abläufe und praktische Hilfestellungen darstellen, mit ihren Möglichkeiten und Grenzen.
Ich möchte Mut machen, allen denjenigen, die sich zutrauen, anderen Menschen in der größten Not, beim Sterben beizustehen, ihnen zu begegnen, ohne Vorbehalt Trost zu spenden, durch das „einfach da sein“.
Zeil ist es, damit Menschen in dieser existenziell bedrohlichen Lebenslage Hilfe erfahren und nicht allein sein müssen, damit die Trauer nicht im Kopf bleibt. Ich möchte versuchen, Angehörigen und Helfern Mut zu machen, ein gesundes Maß zu finden, zwischen dem Begleiten, Beraten, Helfen, Dasein, Aushalten und Beistehen. Auch wachsam und behutsam mit dem Bedürfnis nach Abgrenzung, Grenzen, Schutz bei sich und dem anderen umgehen, sein Gegenüber ernst und wahr zu nehmen. Aus meiner Erfahrung sind wir als „Helfende“ nicht immer die „Wissenden“, sondern wir dürfen ebenso Unterstützung, Dankbarkeit und Hilfe von unserem Gegenüber erfahren. Demut, Zurücknahme und auch Humor sind für mich beim Begleiten von Sterbenden und den An- und Zugehörigen ein gutes Rüstzeug, neben der praktischen Erfahrung.
Für viele Angehörige und Freunde eines Sterbenden ist die Zeit des Sterbens, eine Zeit der Krise, Angst und Unsicherheit. Vielleicht geht es Ihnen auch so, dass Fragen Sie belasten, wie z.B. Was geschieht im Sterben? Ich kann nichts gegen das Sterben tun? Wie kann ich helfen? Ist es normal, dass sterbende Menschen meinen, schon verstorbene Menschen oder den Tod zu sehen? Was mache ich im Moment des Sterbens? In diesem Büchlein möchte ich Ihnen Impulse in der Begleitung Sterbender, in der Zeit des Sterbens anbieten.
Bei Ihren Fragen und Zweifeln möchte ich Sie mit Informationen, eigenen Erfahrungen und Gedanken aus der Begleitung Sterbender unterstützen. Es sollen mit den Informationen jedoch keine Regeln aufgestellt werden, oder starre Abfolgen benannt werden, da Sterben immer individuell ist. Sterben wird unterschiedlich empfunden, es verläuft und geschieht nie gleich, sondern ist, wie jedes Geschöpf einzigartig.
Jedes Geschöpf und jeder Mensch nähert sich seinem Tod auf seine ihm ganz eigene Art und drückt so in seinem Sterben seine Einmaligkeit aus.
Der Rückblick auf das eigene Leben, Bilanz ziehen, geschieht meist in Träumen, im Halbschlaf oder im monologhaften Gespräch. Einige machen diesen Rückblick in der Stille, ganz für sich allein - anderen wiederum hilft, die stille Anteilnahme eines anderen. Im Begleitenden kann der Sterbende Raum finden, sich selbst, seinem Leben, seinen Erinnerungen zu begegnen. Im und am Gegenüber kann es oft leichter geschehen, dass für den sterbenden Menschen Ordnungen, Zusammenhänge und Sinnhaftigkeit erkennbar werden, dass Ereignisse sich zueinander fügen und z.B. alte Versäumnisse und Schuldhaftes in einem anderen Sinnzusammenhang angenommen werden können. Für uns Außenstehende meist unerkennbar, verarbeitet der Sterbende im Schlaf und schlafähnlichem Zustand viel. Sterbende schlafen normalerweise mehr, als dass sie wach sind, es scheint so, als ob er nur schlafen würde. Durch die Hinwendung nach innen, hat der Sterbende meist weniger das Bedürfnis zu sprechen. Sprache und Worte können ihre Wichtigkeit verlieren. Still sein, wird wichtiger, Zeitlosigkeit entsteht. Sich auf das schweigende Zusammensein einlassen, kann eine neue Brücke als Angehörige/r und Begleiter/in zu dem Sterbenden möglich machen, die Stille kann als heilende Kraft erfahren werden. Wir werden ebenso ein wenig aus der Zeit des Alltags heraus gehoben, durch die Begegnung dürfen wir teilhaben an einer Art Zeitlosigkeit, in der ein Hauch von Ewigkeit erfahrbar werden kann. Durch die Begleitung Sterbender können wir persönlich auch an die Grenze der Belastbarkeit kommen. Sie können spüren, dass sie mehr Kraft haben, als sie selbst sich vorgestellt haben. Die Zeit für Sie kann ebenfalls belastend sein. Als Angehöriger haben Sie einerseits mit den praktischen Fragen, der Pflege, der Organisation zu tun und zum anderen gibt es da die Ungewissheit, wie es weitergehen kann, die Ungewissheit, ob die eigenen Kräfte reichen und die Angst vor dem Moment des Todes. Ebenso wie bei den Betroffenen, wie auch bei uns löst das Sterben vielfältige Gefühle aus, Gefühle der Trauer, der Angst, der Zweifel, der Wut, der Schuld, der Ohnmacht. Häufig beschreiben Betroffene das Gefühl, der tragende Boden gerät ins Wanken, wir sind heraus gerückt aus dem Alltag, der Sicherheit, dem Vertrauten.
Auch wir als Begleitende benötigen Hilfe und Unterstützung in der Zeit des Begleitens von Sterbenden.
Dies kann ganz praktische Hilfe beim Alltag, dem Einkaufen, dem Kochen usw. sein, oder dass jemand anderes Zeit mit dem Sterbenden verbringt, um uns zu entlasten, dass wir uns selbst wieder erholen können. Es kann ein Gespräch sein, mit einem Menschen, mit dem wir über unsere Sorgen und Ängste sprechen können.
Scheuen Sie sich nicht, um Hilfe zu fragen, z. B. bei Beratungs- und Seelsorge- Zentren in jeder größeren Stadt. Alles allein zu schaffen, oder schaffen zu müssen, impliziert eine Überforderung, in der wir uns selbst aus dem Blick verlieren können. Wir benötigen auch als Begleiter Freiräume, Zeit zum Auftanken, damit wir hilfreich bleiben. Nachbarn, Freunde können Sie um Hilfe bitten, so dass diese guten Gewissens Ja oder Nein sagen können. Wenn wir anderen das Gefühl geben können, dass sie gebraucht werden, helfen sie meist gerne. Darüber hinaus unterstützen ambulante Hospizvereine, Hospizdienste, SAPV- und AAPV-Teams,, Konsilliardienste, Fachpflegedienste und Palliative-Care Netzwerke und Palliativmediziner professionell bei der Begleitung, durch medizinische und psychosoziale und geistliche Versorgung, Gespräche und andere praktische Hilfen. Wenn Sie religiös sind, suchen Sie das Gespräch mit einen Seelsorger, entsprechend Ihrem Glauben, einem Geistlichen, einem Pfarrer, Rabbi, Imam etc., dies kann hilfreich, entlastend, tröstend sein.
Zum Aufbau des Buches:
Zu Beginn stelle ich die Trauer- und Sterbephasen vor, mit den möglichen Reaktionen und den dazugehörigen Aufgaben zur Bewältigung und Begleitung. Diese Darstellung ist bewusst aus beiden Perspektiven und soll einen größeren Blick auf den gemeinsamen Dialog, den Sterbeprozess werfen.
Im Folgenden Teil stelle ich die letzte Lebenszeit und die konkreten Veränderungen dar, die bei einem Sterbeprozess auftreten können. Hierzu gehören die Grundbedürfnisse, Berührung, Essen, trinken, Nähe und Distanz, körperliche Veränderungen die auftreten können. Hieran schließe ich eine Darstellung der inneren und äußeren Veränderungen, wie z.B. fehlende Orientierung und Unruhe. Im Weiteren gehe ich zu den Anzeichen des nahen Todes und zur Zeit direkt nach dem Tod ein. Die dann möglich auftretenden Gedanken und Gefühle in der Zeit der Trauer in ersten Tage und Wochen, stelle ich dann dar.
Zum Schluss des Buches stelle ich praktische Übungen zur Begleitung mit Sterbenden vor, die entweder zur Reorientierung beitragen, bei akuten Angstzuständen, oder Sicherheit geben können, oder ein Loslassen ermöglichen können. Des weiteren habe ich noch Übungen zur Abgrenzung und Stabilisierung für Begleiter gefügt. Diese werden durch weitere Links zur Information aufgeführt, die hilfreich bei der Begleitung sterbender Menschen sein können.
Trauer und Trauerreaktionen und die mit der Trauer verbundenen Phasen und Aufgaben zu unterscheiden, kann hilfreich bei der Begleitung sein. Es werden bei der Trauerbegleitung meist vier bis fünf Phasen der Trauer unterschieden. Diese Phasen können zum Teil gleichzeitig auftreten, wiederkommen oder teilweise auch ausfallen, sie treten nicht chronologisch und voneinander abgegrenzt auf.
Was ist Trauer? Trauer ist eine normale Reaktion etwa auf den schwerwiegenden Verlust geliebter Menschen oder auch von schicksalsmäßigen Verlusten, wie Beziehung, Arbeit, Wohnort, Gesundheit, Besitz und Autonomie. Sie ist von großer Gedrücktheit, Freudlosigkeit, Mutlosigkeit und depressiven Verstimmungen begleitet.
Wie Trauer erlebt und nach außen getragen wird, hängt entscheidend von der Kultur ab und ist häufig auch religiös geprägt. Das Erleben einer großen Bandbreite an Gefühlen von Verzweiflung, Wut oder sogar Gefühllosigkeit ist individuell verschieden und kann unterschiedlich lange andauern. Trauer ist zunächst keine krankhafte Störung. Oft hilft dem Betroffenen schon ein mitfühlendes und partnerschaftliches Gespräch.
Wenn nach dem auslösenden Ereignis eine Trauerreaktion sehr lange fortbesteht und in der Stärke der Belastung deutlich von einer normalen Trauer abweicht, kann es sich um eine behandlungsbedürftige Störung handeln. Bei abnormen Trauerreaktionen geht man davon aus, dass der Betreffende unfähig ist, die verschiedenen Phasen eines normalen Trauerprozesses zu durchlaufen. Um die schwierige Unterscheidung zwischen normal verlaufender Trauer und erschwerter / pathologischer Trauer verstehen zu können, wird im Folgenden zunächst der übliche Trauerverlauf dargestellt
Phasen der normalen Trauer
Beobachtungen von Personen, die einen geliebten Menschen verloren haben, zeigen, dass diese in der Regel verschiedene Phasen durchlaufen. Zeitweises Hin- und Herpendeln zwischen den Phasen - auch nicht chronologische Verläufe, sind möglich. Der Abschluss des Trauerprozesses versetzt den Betroffenen in die Lage, den Verlust zu akzeptieren und mit der Erinnerung an die verlorene Person ein neues Leben aufzubauen. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass jeder Sterbende und auch Trauernder alle Phasen durchmacht.
Erste Phase: Nicht-Akzeptieren
Betroffene wollen den Verlust nicht wahrhaben und fühlen sich unfähig, die Nachricht zu akzeptieren. Typisch sind Äußerungen wie "Ich konnte es einfach nicht fassen" oder "Es erschien unwirklich". Die Betroffenen wirken versteinert und gefühllos. Wie betäubt werden Routinen zunächst weitergeführt, jedoch unter ständiger Anspannung und Furchtsamkeit. Diese ungewöhnliche Ruhe kann jeden Augenblick von einem Ausbruch intensiver Emotionen unterbrochen werden.
Zweite Phase: Aufbrechen chaotischer Emotionen
Nach Stunden oder Tagen kommt es zum Aufbrechen "chaotischer Emotionen". Der Trauerschmerz wird nun intensiv erfahren. Er wechselt sich mit Angst, Wut, Hilflosigkeit, Schuldgefühlen, auch unbegründeter Heiterkeit oder der Suche nach Schuldigen ab. Es kann zu Gewichtsverlust und Schlafstörungen kommen.
Dritte Phase: Suchen und Sich-Trennen
In einzelnen Episoden wird die Realität des Verlustes immer bewusster. Dies führt zu großer Ruhelosigkeit und der Beschäftigung mit dem verlorenen Menschen. Häufig besteht das Gefühl der tatsächlichen Anwesenheit der verlorenen Person. Der Betroffene versucht, alle auf den betrauerten Menschen hinweisende Reize genau zu beobachten und wahrzunehmen. Zum Beispiel werden Geräusche im Haus so interpretiert, dass der vermisste Mensch doch noch präsent ist. Gleichzeitig besteht der entgegengesetzte Impuls, sich von Erinnerungen freizumachen. Man beobachtet ein Schwanken zwischen dem Hegen und Pflegen von Erinnerungsstücken und dem Drang, diese wegzuwerfen, zwischen dem Aufsuchen und Vermeiden von Orten, die einen an die verstorbene Person erinnern. Um diese nicht zu vereinenden Tendenzen zu überwinden, wird schließlich akzeptiert, dass der Verlust von Dauer ist - die Suche nach dem Verstorbenen wird abgeschlossen.
Vierte Phase: Neuorganisation
Nach der Akzeptanz des Verlustes übernimmt der Trauernde neue Aufgaben und Rollen. Neben gedanklichen Veränderungen werden auch diverse Gewohnheiten neu geordnet, die mit der verstorbenen Person zusammenhängen. Der Betroffene geht wieder auf Menschen zu. Der Schmerz um den Verstorbenen nimmt ab, kann jedoch zu bestimmten Anlässen wieder neu belebt werden.
Erschwerte / pathologische Trauer
Die Abgrenzung zwischen einer normal verlaufenden Trauerreaktion und einer erschwerten, oder krankhaften (pathologischen) Entwicklung, einer abnormen Verlustreaktion, ist abhängig von der Dauer der