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Wenn sich in der eigenen Beziehung kein Glück und keine Stabilität einstellen wollen oder die eigenen Beziehungen wiederholt scheitern, kann das damit zusammenhängen, dass man sich der tieferen Bedürfnisse und Motive, eine Beziehung einzugehen, nicht bewusst ist. Irgendwie schlittert man hinein und ist dann enttäuscht, wenn sich der Traum von der großen Liebe nicht erfüllt. Menschen sehnen sich nach Liebe und streben dabei für gewöhnlich nach einer Form von Liebe, die sie von dem Wohlwollen und der Anerkennung anderer abhängig macht. Sie neigen dann dazu, sich übermäßig anzupassen und zu verstellen oder sich von dem Partner Verhaltensweisen gefallen zu lassen, die eigentlich inakzeptabel sind, nur um seine Gunst nicht zu verspielen. Da sie aber seine positive Zuwendung brauchen, um darüber ihren Selbstwert zu regulieren, verwechseln sie die Wertschätzung, die sie dabei erfahren, nur allzu leicht mit Liebe und erkennen nicht, wie sie sich damit in eine Illusion begeben. Um den eigenen Wert zu erfahren und das Gefühl zu erlangen, geliebt zu werden, geben sie sich mit einer minderwertigen Form der Liebe zufrieden und verkennen das Potenzial wahrer Liebe. Niedrige Formen der Liebe sind auf Wertschätzung und Bewunderung angewiesen - sie brauchen diese Zufuhr, um existieren zu können. Eine höhere Form der Liebe setzt dagegen auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit und braucht nichts von anderen, um bestehen zu können. Nur eine solche Liebe kann zu wahrem Glück und echter Beständigkeit führen. Dieses Buch zeigt Wege auf, sich aus der Abhängigkeit zu lösen und wahrer Liebe anzunähern.
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Seitenzahl: 360
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Vorwort
Liebe, die auf Bewunderung beruht
Das Gefühl, etwas wert zu sein
Das Dilemma mit dem Selbstwert
Die kuriosen Wege der Selbstwertregulierung
Die Sorge um den Selbstwert versperrt den Weg zur wahren Liebe
Wahre Liebe ist ruhig und nährend
Wenn wahre Liebe auf egoistische Liebe trifft
Egoistische Liebe ist unruhig und fordernd
Liebe, die auf Selbstbestimmung beruht
Lieben bedeutet, wie die Liebe zu sein
Nachwort
Literaturverzeichnis
Zum Autor
Für alle, die nach wahrer Liebe suchen und nicht verstehen, warum es so schwer ist, sie zu finden.
Nicht alles, was sich wie Liebe anfühlt, ist auch Liebe! Die meisten Erlebnisse, die das Herz berühren, haben nicht einmal annäherungsweise etwas mit Liebe zu tun und beruhen auf einer schlichten Sinnestäuschung. Liebe wird aber gerne in vielerlei Verhaltensweisen hineingedichtet, weil man sie unbedingt haben will, nicht aber, weil sie tatsächlich da ist. Ein unbeherrschbares Verlangen nach Liebe lässt Fantasie erblühen und den Blick für die Wirklichkeit trüben, was häufig dazu führt, einer abenteuerlichen Vorstellung von Liebe hinterherzurennen.
Es gibt wohl kaum einen Menschen, der sich tief in seinem Herzen nicht nach Liebe sehnt. Jeder braucht sie und jeder sucht nach ihr. Dabei macht jeder täglich seine eigenen Erfahrungen mit der Liebe, doch nicht immer erlebt er dabei die Art von Liebe, die ihn rundum erfüllt und glücklich macht. Oft verwandelt sich der verheißungsvolle Anfang einer Beziehung in einen Reinfall. Jeder ist von der Liebe schon einmal enttäuscht worden und jeder hat irgendwann schon einmal den Glauben an sie verloren – und doch kann sich ihr niemand für immer entziehen. Denn gerade wenn der Schmerz am größten ist, wird der Schrei nach Liebe besonders laut. Offenbar kann auch die schrecklichste Erfahrung der Welt einen Menschen nicht dazu bringen, der Liebe für immer den Rücken zu kehren. In dem Moment, in dem sie nicht mehr da zu sein scheint, braucht er sie mehr denn je.
Alle Menschen suchen nach Liebe, denn ein Leben ohne Liebe lässt sie krank werden. Psychologen sehen die Grundursache vieler Verhaltensauffälligkeiten und neurotischer Schutz- und Abwehrmechanismen in einem unbewussten Hunger nach Liebe, der Betroffene zuweilen die seltsamsten Dinge tun lässt. Ein Mangel an Liebe kann zu einem unausgeglichenen, gespaltenen und anormalen Verhalten führen, das nicht nur Stress bei der betroffenen Person auslöst, sondern sich auch auf ihr Umfeld belastend auswirken kann. Was aber ist unter der Bezeichnung »Hunger nach Liebe« konkret zu verstehen und wie geht man mit einer solchen Diagnose um? Liebe kann man ja nicht in einer Apotheke kaufen und schon gar nicht lässt sie sich operativ implantieren, um die vordergründige Störung damit zu beseitigen. Welche Art von Liebe ist überhaupt gemeint und wie groß ist der individuelle Mangel, wenn man von »Hunger nach Liebe« spricht? Was darf sich ein Betroffener darunter vorstellen, wenn seine seelischen Probleme auf zu wenig Liebe zurückzuführen sind, und wie sieht ein erfolgversprechender Heilungsplan aus? Welche Liebe braucht er, wo sucht er nach ihr und wo findet er sie?
Ich musste in Gesprächen mit Menschen, die bei mir Rat suchten, immer wieder feststellen, dass ihr Bild von der Liebe von Wunschdenken und Irrlehren geprägt war. Denn es wurden als Beispiele für Liebe die eigenartigsten Verhaltensweisen und Thesen aufgeführt, die bei flüchtiger Betrachtung den Verdacht zulassen mögen, es handle sich um Freundlichkeit oder Liebe, sich bei näherer Untersuchung jedoch als Handlungen entlarvten, die ganz andere Motive als Beweggrund haben. Meine Beobachtungen führten mich vielmehr zu der Feststellung, dass die Suche nach Liebe vielfach in einem einseitigen Verlangen nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bewunderung steckenbleibt. Wertschätzung für die eigene Person wird anscheinend mit wahrer Liebe verwechselt, was mich ebenso verwunderte wie faszinierte: Verwundert war ich über die Anspruchslosigkeit und das mangelnde Bemühen um Differenziertheit und fasziniert von der einfachen wie praktischen Lösung, mit der man seinen Hunger nach Liebe scheinbar zu stillen vermag.
Hinter der Wertschätzung, die man aus seinem Umfeld erfährt, wird die Liebe vermutet, die man dem Anschein nach zum Glücklichsein braucht und emotionale Sättigung verschafft. Da positive und liebevolle Worte und Gesten der Mitmenschen angenehme Gefühle oder gar starke Erregung entstehen und daher Frustgefühle zumindest für eine Weile verstummen lassen können, scheint das Präparat »Wertschätzung« eine gute Empfehlung und das Problem unkompliziert lösbar zu sein. Der Beipackzettel mit den vielen Nebenwirkungen bleibt unbeachtet, weil eine Besserung so zügig eintritt. Doch in der Regel meldet sich das Hungergefühl recht schnell wieder, wenn die Wirkung der erfahrenen Wertschätzung nachlässt. Sogleich muss dann erneut die Pille »Wertschätzung« eingenommen werden, um nicht wieder schmachten zu müssen. Dieser Kreislauf kann zwar den Hunger nach Liebe zeitweilig kompensieren, löst ihn aber nicht auf. Im Gegenteil gerät man in eine Abhängigkeit: Je größer das Mangelgefühl, desto größer das Verlangen nach guten Gefühlen, die man in der Zuwendung, der Akzeptanz oder der Bewunderung anderer zu finden hofft.
Der Drang, sich mit Zuspruch zu sättigen, führt dazu, dass sich der Mensch lediglich nach wertschätzender Liebe sehnt, er verhindert jedoch, dass er bei seiner Suche jemals auf eine reine und wertvolle Liebe stößt. Er konzentriert sich auf die kurzfristige Befriedigung seiner Bedürfnisse und ist daher in der Wahl hinsichtlich der Liebe, die er braucht, nicht allzu anspruchsvoll – sie muss einfach nur schöne Gefühle erzeugen, um den Appetit zu zügeln. Aufgrund dieser Kausalität ist es nicht sehr verwunderlich, warum die Anforderungen, die an eine Liebe gestellt werden, überschaubar sind und die qualitätvollen Eigenschaften wahrer Liebe im Alltag so gut wie nie anzutreffen sind und auch gar nicht erst gesucht werden. Stattdessen findet man eher eigenwillige Interpretationen von Liebe, die bei näherer Untersuchung nicht einmal ansatzweise das Prädikat »Liebe« verdienen. Skurrile Formen der Liebe, die in erster Linie dem eigenen Nutzen dienen, gelten als gesellschaftlich erstrebenswert, obwohl sie augenscheinlich die Konstanz, Tiefe und Aufrichtigkeit vermissen lassen, die wahre Liebe eigentlich auszeichnet. Da aber nach Wertschätzung statt nach wahrer Liebe gesucht wird, fallen niemandem die mangelnde Qualität und der Selbstbetrug auf. Im Gegenteil: Wahre Liebe wird sogar in den meisten Fällen abgelehnt und verhöhnt, weil sie nicht dieselben stürmischen Gefühle wie beispielsweise eine Bewunderung auslöst.
Wie aber kommt es zu dem Irrsinn, unbedingt von Liebe erfüllt werden zu wollen, um sich dann mit Bewunderung zufriedenzugeben? Wie kann man felsenfest davon überzeugt sein, sich an einem traumhaften Strand inmitten der Karibik zu befinden, und den dröhnenden Ventilator der Sonnenbank nicht hören? Wie kommt es zu derartigen Wahnbildern? Diese Frage war für mich die Motivation, dieses Buch zu schreiben. Warum nehmen wir mit minderwertigen Formen der Liebe vorlieb und begeben uns in eine Seifenblase, die jederzeit platzen kann, statt wahre Liebe anzustreben und zu kultivieren? Was macht Bewunderung so begehrenswert, dass hierfür auf wahre Liebe verzichtet wird?
Mithilfe eingehender Erklärungen und der Auflistung vieler alltäglicher Situationen und Beispiele möchte ich den Lesern vor Augen führen, dass jeder von dem Verlangen nach Wertschätzung in unterschiedlicher Weise und Ausprägung betroffen ist. Theoretische Grundlagen können zwar das Verständnis erhöhen, sie machen aber nicht unbedingt betroffen, weil aus der Theorie nicht immer auf den eigenen Alltag übertragen wird, was dies für jeden Einzelnen konkret bedeutet und inwieweit es auch auf ihn zutrifft. Daher ist es mir wichtig, dem Leser verständlich zu machen, wie schwierig es ist, wahre Liebe zu finden, zu fühlen und zu leben, wenn er zu sehr von einem Verlangen nach Aufmerksamkeit, Bestätigung, Anerkennung oder Bewunderung getrieben wird und sein Glück zu stark von der positiven Zuwendung anderer abhängig macht.
Gleichfalls möchte ich Wege aufzeigen, wie das hohe Ideal der wahren Liebe erreicht werden kann. Liebe muss kein Wunsch bleiben, wenn man sie wirklich will, und sie muss auch nicht zu Enttäuschungen führen, wenn man einige Grundregeln und Gesetzmäßigkeiten verinnerlicht und persönliche Hindernisse aus dem Weg geräumt hat. Doch die erste Voraussetzung dafür ist eine ehrliche Selbstüberprüfung: Suche ich nach Bewunderung oder suche ich nach Liebe? Jeder muss zunächst erkennen, wohin sein Weg derzeit führt, bevor er seinen Kurs ändern kann.
Wer würde sich nicht darüber freuen, von seinen Mitmenschen für seine Eigenschaften und Besonderheiten regelmäßig bewundert zu werden? Bewunderung kann ungemein wohltuende Gefühle hervorrufen. Es ist für jeden Menschen eine äußerst beglückende Erfahrung, wenn andere in Bewunderung für seine Person, seine Fähigkeiten und Leistungen zu ihm aufblicken. Einmal im Mittelpunkt zu stehen, einmal die Aufmerksamkeit aller zu genießen und einmal zu hören oder zu spüren, wie gut man ist – ob nun auf einer großen Bühne oder nur im Familienkreis oder unter Freunden –, ist ein unglaublich erhebendes Gefühl. Endlich wird man wahrgenommen und für seine Besonderheit geschätzt, endlich erhält man die Anerkennung, die man verdient zu haben glaubt, und endlich werden die Mühen belohnt, die man auf sich genommen hat. Das unvergleichbare Erlebnis, einmal im Scheinwerferlicht zu stehen und von allen geliebt zu werden, ist so herrlich aufbauend und aphrodisierend, dass man sich – nachdem man es einmal erfahren hat – immer wieder danach sehnt.
Dabei versucht jeder, auf seine ganz persönliche Art mit seinen individuellen Möglichkeiten zu punkten: Manche wollen Bewunderung für ihre attraktive Figur, ihr wunderschönes Aussehen oder ihren extravaganten Modestil. Andere wollen Bewunderung für ihr gutes Benehmen, ihr enormes Wissen oder ihre besonderen Erfahrungen, für ihre Karriere, ihr Vermögen, ihre Macht, ihren Sportwagen, ihren letzten Abenteuerurlaub oder ihre talentierten Kinder. Manche gehen dabei offensiv vor und stellen exhibitionistisch zur Schau, was sie alles können und haben. Andere halten sich vorzugsweise im Hintergrund und bringen ihre Vorzüge auf eher unscheinbare und subtile Weise zum Ausdruck, hoffen aber insgeheim gleichermaßen, dass ihre positiven Eigenschaften von den anderen erkannt und sie selbst als besonders angesehen werden. Niemand ist frei von dem Wunsch, von anderen für seine Persönlichkeit und seine individuelle Note bewundert oder zumindest geschätzt zu werden, und die meisten sind unentwegt damit beschäftigt, ihre Außenwirkung zu optimieren, um mit einer perfekten Performance für Gesprächsstoff zu sorgen – oder zumindest keine Kritik zu erfahren. Lob, Jubel und Applaus, aber auch leises Staunen und stummer Neid lösen ein Triumphgefühl aus und berechtigen offenbar zur Annahme, ein außergewöhnlicher Mensch zu sein. Im Moment der Bewunderung ist man wie berauscht und davon überzeugt, dass es nichts annähernd Vergleichbares und nichts Besseres geben kann als das Gefühl, von allen verehrt und geliebt zu werden. Man hofft, dass dieser Augenblick ewig anhalten wird, und ist bereit, alles dafür zu tun, um es immer und immer wieder zu erleben.
Bewunderung löst einen Rausch aus, sie ist mehr als bloße Beachtung, Zuneigung oder Anerkennung: Sie lässt einen Menschen von der eigenen Großartigkeit und Vollkommenheit träumen. Bewunderung wirkt beschwingend und euphorisierend. Sie kann blitzartig den Selbstwert so in die Höhe schnellen lassen, dass es sogar zum Erleben von Allmachtsgefühlen kommen kann. In manchen Fällen erfährt man Bewunderung völlig unerwartet und in anderen Fällen muss man recht viel dafür tun und unendlich lange auf die erhoffte Aufwertung warten. Doch wenn sie entgegengebracht wird, ist Bewunderung unglaublich anregend und heilsam. Sie ist stärker als jedes aufmunternde Wort und wirkt schneller als jedes Aufputschmittel, kann schlagartig jegliche verlorengegangene Lebensfreude zurückbringen und zu einem noch nie zuvor erlebten Antrieb verhelfen. Eine nette Geste kann erfreuen, ein süßes Lächeln kann verzücken, eine innige Umarmung kann wärmen, ein zärtlicher Kuss kann erregen und leidenschaftlicher Sex kann zutiefst befriedigen. Bewunderung jedoch kann ein Feuer entfachen, wie man es noch nie zuvor erlebt hat. Sie kann die Stimmung beträchtlich anheben, Schwierigkeiten und Sorgen im Handumdrehen ausblenden, eigene unliebsame Schwächen und Makel förmlich ausradieren, hartnäckigste Probleme völlig unbedeutend erscheinen lassen und über schwere Krisen spielend hinweghelfen. Bewunderung ist das Allheilmittel gegen Frust, Stress, Niedergeschlagenheit, Minderwertigkeitsgefühle, Sinnlosigkeit, Trägheit und Unbehagen. Wer Bewunderung erfährt, wächst über sich hinaus, lässt alles Unerfreuliche hinter sich und fühlt sich einfach nur noch glänzend. Bewunderung kann das eigene Leben mit Sinn erfüllen oder diesen zurückbringen.
Bewunderung scheint das perfekte Naturheilmittel zu sein, passend für jede Krise und jeden persönlichen Tiefpunkt. Zwar ist es nicht immer leicht zu haben und steht nicht unbegrenzt zur Verfügung, dafür ist es aber extrem effektiv. Diese Arznei vermag seelischen Schmerz in Sekunden aufzulösen und ihn für eine ganze Weile zu betäuben oder ihn zumindest nicht mehr so schlimm erscheinen zu lassen. Kein Wellnessurlaub und keine Frischzellenkur kann vergleichbare Ergebnisse erzielen – und schon gar nicht in so kurzer Zeit. Doch wie jedes Präparat ist Bewunderung nicht ganz frei von Nebenwirkungen, die – je nach Dosis – zu erheblichen Schäden führen können. In den meisten Fällen werden die Begleitsymptome aber in Kauf genommen, weil die Wirkung von Bewunderung so überragend ist. Die langfristigen Nachteile werden ausgeblendet, zu verführerisch ist der Genuss des begleitenden Größengefühls. Zudem ist es nicht rezeptpflichtig und kann auf dem Markt jederzeit frei erworben werden – man muss nur mithilfe der eigenen Attraktivität eine gewisse Nachfrage erzeugen und Popularität erzielen.
Die Krux an Bewunderung ist jedoch, dass man sie nur über die Reaktion seiner Mitmenschen erfahren kann. Man braucht Fürsprecher, in deren Ausdruck von Freude und Faszination das eigene außergewöhnliche Talent zu spüren ist. Erst das positive Echo aus dem Umfeld macht das Erleben von Bewunderung möglich. Das bewundernde Gegenüber muss dafür nicht zwangsläufig anwesend sein: Positive Reaktionen auf die eigene Person können auch über Mails, Social Media, Zeitungsberichte oder das Fernsehen geäußert werden. Auf irgendeine Weise muss man anerkennende Resonanz erhalten, die die Begeisterung anderer über die eigenen Fähigkeiten zum Ausdruck bringt. Um Bewunderung zu erfahren, braucht man einen Spiegel, der die eigene Person so abbildet, wie man sich selbst gerne sehen möchte und wie man sich lieben kann.
Bewunderung kann man sich zwar in gewissem Maß selbst entgegenbringen, doch hat sie dann längst nicht denselben Effekt wie eine von außen zugeführte. Man kann zwar stolz auf sich sein, sich selbst auf die Schultern klopfen und sich über seine Talente freuen, Bewunderung von anderen löst aber ganz andere Gefühle aus, die für die meisten weitaus lohnender sind als die Freude über sich selbst. Selbstlob kann ein Gefühl von Zufriedenheit und Stolz erzeugen, Bewunderung hingegen lässt jeden in höhere Sphären aufsteigen.
Zu viel Bewunderung kann jedoch zu Übermut, Arroganz und Größenwahn verleiten, zu wenig oder gar keine Beachtung und Anerkennung lösen hingegen Wehmut, Frust, Rückzug und Depression aus. Zu viel Erfolg kann eine Person überheblich werden lassen, zu wenig oder gar kein Erfolg verdrießlich. Bewunderung erfährt man nur für eine herausragende Eigenschaft oder Leistung. Man muss etwas dafür tun – Bewunderung gibt es nicht umsonst. Zudem hält die starke Wirkung von Bewunderung auch nicht sehr lange an: Klingt die Begeisterung der Mitmenschen ab, verfliegt auch das Größengefühl und Melancholie breitet sich aus. Um diesen schmerzhaften Absturz tunlichst zu vermeiden, muss man immer wieder mit neuen herausragenden Leistungen und Sensationen von sich reden machen, regelmäßig für aufsehenerregenden Nachschub sorgen und am besten sämtliche Erfolge früherer Tage noch übertreffen, um dem Publikum stets etwas Neues zu bieten und es nicht zu langweilen. Verliert man eines Tages seine Attraktivität und Leistungsfähigkeit, seine besondere Funktion, sein Vermögen oder sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder bleiben erwartete Erfolge aus, dann verschwindet auch die Bewunderung und das Publikum zieht wie eine Wanderhure weiter. Bewunderung zielt nie auf den ganzen Menschen, sondern nur auf dessen nennenswerten Eigenschaften und Verdienste, die seine Person interessant und einzigartig machen. Sie wird immer nur situations- und leistungsbezogen für einen gelungenen Auftritt vergeben, ist somit vergänglich und muss ständig reproduziert werden. Bewunderung folgt immer der Attraktivität: Geht diese verloren, verflüchtigt sich auch die Bewunderung. Das Publikum, das man für sich eingenommen und von dem man sich abhängig gemacht hat, um geliebt zu werden, entpuppt sich als hochgradig egoistisch und vergnügungssüchtig: Keine Show – kein Applaus! Daher bedarf es eines enormen Aufwands, die eigene Attraktivität und Leistungsfähigkeit nicht nur zu erhalten, sondern sie auch noch ständig zu steigern, um im Kampf um Bewunderung bestehen zu können und so immer wieder in ihren Genuss zu kommen. Dieser permanente Erfolgszwang wird zudem noch von der Angst begleitet, eines Tages von der Leiter zu fallen und in die Bedeutungslosigkeit abzustürzen.
Trostlosigkeit soll durch Bewunderung eliminiert werden
Mit zunehmendem Alter und sich häufenden negativen Erfahrungen verfestigt sich die Einstellung, dass das Leben nicht wirklich etwas Besonderes ist. Hat man erst einmal die Neugierde eines Kindes abgelegt und die Entdeckerlust eines Pioniers hinter sich gelassen, ist man vom Leben enttäuscht worden und hat man erkannt, dass sich die gesteckten Ziele bei Weitem nicht mit der Leichtfüßigkeit erreichen lassen, die man sich in seiner jugendlichen Unbekümmertheit vorgestellt hatte, tritt Ernüchterung ein: Es wächst die Erkenntnis, dass das Leben stärker ist als man selbst. Angesichts des Widerstands, der einem wie Windböen entgegenbläst, fühlt man sich wehrlos, klein und minderwertig. Man muss feststellen, dass es nicht ausschließlich in der eigenen Hand liegt, ob man glücklich wird oder nicht, sondern in dieser Hinsicht das Schicksal ein gehöriges Wort mitredet. Wenn man seine Ziele nicht erreicht, ständig zurückgeworfen wird, wenn man von der Alltagslast erdrückt wird und immerzu Angst vor der Zukunft haben muss, kann dies Resignation auslösen. Von unerfreulichen Ereignissen immer wieder aus der Bahn geworfen zu werden und trotz besten Wissens und größter Mühen nicht seine persönliche Glücksformel zu finden, kann zu anhaltenden Wut- und Ohnmachtsgefühlen führen. Man verzweifelt, weil man nicht vorankommt oder glaubt, vom Leben benachteiligt zu werden. Es wird einem klar, dass man das eigene Schicksal irgendwie ertragen und sich mit weitaus weniger begnügen muss, als man es sich in jungen Jahren erhofft hatte oder als es von Vorbildern oder Autoritäten versprochen wurde.
Die Vorstellung, das eigene Leben einfach nur wie einen stumpfsinnigen Auftrag abzuwickeln, ohne dass es einen Unterschied macht, ob man überhaupt existiert, lastet schwer auf der Psyche. Man will einen nennenswerten Beitrag in dieser Welt leisten, nicht nur ein winziges Zahnrad im dem riesigen Getriebe des Universums oder nur eine Nummer auf dem Aktenreiter im Archiv des Einwohnermeldeamts sein. Man will das Gefühl haben, mehr zu sein als nur ein Wassertropfen im riesigen Ozean. Angesichts der eigenen Bedeutungslosigkeit, der Irrelevanz des eigenen Daseins im Vergleich zum ewigen Leben, der damit einhergehenden Überflutung schmerzhafter Kleinheitsgefühle sowie der Aussichtslosigkeit, diesem traurigen Schicksal jemals zu entrinnen, wird dringend eine Gegenstrategie benötigt, um dem Leben einen Sinn zu verleihen und es zu etwas Außergewöhnlichem zu machen.
Es entwickelt sich der dämonische Zwang, aus dem Einheitsbrei ausbrechen und spüren zu wollen, dass das eigene Dasein einen Unterschied macht. Daher will man anders sein als andere, sich mit seiner Einmaligkeit abheben und aus der Menge herausragen, um nicht in der totalen Unscheinbarkeit unterzugehen. Es sieht beinahe so aus, als hätte man gar keine andere Wahl, als sich hervorzutun, als zwänge sich eine gewisse Notwendigkeit zur Profilierung geradezu auf und als gäbe es nur diesen einen Weg aus der Trübseligkeit, um die eigene Existenz erträglicher zu machen. Der zunehmende Trend zur Individualisierung in unserer Gesellschaft unterstreicht diese Vermutung und macht deutlich, dass das Erfolgsrezept für ein erfülltes Leben scheinbar im Erleben von Besonderheit und Großartigkeit liegt. Ein glückliches Leben kann es offenbar nur geben, wenn man spürt, dass man entweder mehr wert ist als andere oder sich zumindest von anderen in origineller Weise unterscheidet, um wahrgenommen zu werden. Entscheidend ist nicht immer, unbedingt mehr wert als andere zu sein, sondern vielmehr, von anderen überhaupt einen Wert zugewiesen zu bekommen.
Aus einem unerträglichen Gefühl der Minderwertigkeit heraus kann der Wunsch wachsen, unbedingt einen nachhaltigen Einfluss auf diese Welt ausüben zu wollen und nicht nur einen Namen auf einem Grabstein zu hinterlassen, sondern ein ansehnliches Erbe anzuhäufen, von dem noch Generationen sprechen und profitieren werden. Das Ausmaß von Bewunderung für die eigene Person ist dann der Gradmesser dafür, wie erfolgreich man bei der Umsetzung des manischen Vorsatzes ist, aus dem eigenen Leben unbedingt eine außergewöhnliche und unwiederholbare Erfolgsstory zu machen. Schmerzhafte Kleinheitsgefühle werden dann mit der Realisierung wahnwitzigster Größenfantasien zu kompensieren versucht.
Oft muss man aber gar nicht darauf warten, bis die eigenen hohen Ideale vom Schicksal zunichte gemacht werden und man von einem Gefühl der Nüchternheit eingeholt wird. Die meisten machen bereits in ihrer Kindheit die Erfahrung, nicht den Wert als Person beigemessen zu bekommen, den sie zur Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls benötigen und der ihre wahren Talente und ihr wahres Potenzial spiegelt und fördert. Als Kind ist der Mensch von der leiblichen und emotionalen Versorgung seiner Eltern abhängig und kann nur darauf hoffen, dass diese alles richtig machen und ihm zu einer gesunden Entwicklung verhelfen. Aufgrund dieser Abhängigkeit erlebt sich das Kind neben seinen Eltern als klein, schwach und minderwertig. Die Größe und Macht der Eltern müssen auf ein Kind beängstigend wirken – vor allem, wenn es nicht liebevoll behandelt und auf seine individuellen Bedürfnisse und Veranlagungen nicht hinreichend eingegangen wird. Die Erfahrung, dem Willen der Eltern hilflos ausgeliefert zu sein, nimmt ein Kind in sein späteres Leben mit. Wenn es von seinen Eltern nicht die Zuwendung erhalten hat, die es gebraucht hätte, und nicht um seinetwegen geliebt wurde, sondern nur für die Eigenschaften und Leistungen, die seine Eltern von ihm erwarteten, bleibt ein Schmerz in Form von Kleinheitsgefühlen zurück. Fortan wird es sich gegen die ständig im Verborgenen wirkende Minderwertigkeit wehren müssen, um seine innere Balance nicht zu verlieren und nicht zu resignieren. Im späteren Leben wird es dann nach Aufmerksamkeit oder Bewunderung suchen, um in dieser Form der Zuwendung die vermisste Liebe zu finden, die die Eltern nicht zu geben fähig waren. Bewunderung soll dann die mangelnde Liebe der Eltern ausgleichen und das Gefühl von Wertlosigkeit betäuben.
Wertschätzung wird zum seelischen Stabilisator
Im Gegensatz zu allen anderen Lebensformen auf der Erde ist sich der Mensch seiner Begrenztheit und Unvollkommenheit bewusst, was häufig zur Folge hat, dass er unter seiner Unzulänglichkeit leidet, aber gleichfalls auch die Motivation auslöst, über sich hinauswachsen zu wollen. Die Angst, nicht genug zu sein oder das eigene Leben nicht mit hinreichend Sinn füllen zu können, muss auf irgendeine Weise überwunden werden. Dieser Schmerz kann förderliche Entwicklungen anstoßen, er kann jedoch auch zerstörerische Ausmaße annehmen – je nachdem, wie sehr ein Mensch unter seinen Kleinheitsgefühlen leidet und wie hoch sein Anspruch ist, unbedingt mehr sein zu wollen als andere und als es seiner Natur entspricht.
Sein selbstreflektierendes Bewusstsein erzeugt im Menschen wiederkehrende Zweifel im Hinblick auf seine Fähigkeiten, seinen Wert und seine Bestimmung in dieser Welt. Anhaltende Zweifel bringen allerdings auf Dauer sein inneres Gleichgewicht ins Wanken und er muss sich nach Lösungen umschauen, wie er seine Zweifel dämpfen kann. Ein profanes Mittel ist es dann, sich die Bestätigung, die man sich nicht selbst geben kann, aus seinem Umfeld zuführen zu lassen, um sich darüber stabilisieren zu können. Dieser Umweg macht die Aufmerksamkeit, Bestätigung, Anerkennung oder Bewunderung der Mitmenschen notwendig und zu einer regelmäßigen Einnahme dieses Wundermittels. Je unsicherer man in Bezug auf den eigenen Wert ist, desto mehr Wertbestätigung muss von außen zugeführt werden, um sich sicher fühlen zu können.
So wird Aufmerksamkeit, Anerkennung oder Bewunderung zur Nahrung für schwache, verletzte und verzweifelte Seelen. Sie lindert den tiefen Schmerz, der in Bezug auf die eigene Minderwertigkeit und die Last des Daseins empfunden wird. Sie tröstet über die Tatsache hinweg, nicht vollkommen und außergewöhnlich zu sein, sondern nur ein ganz gewöhnliches, klitzekleines Element in den Weiten des Kosmos. Wertschätzung vermeidet, dass man zu lange mit seinem Schicksal hadert und von Selbstzweifeln und Selbstmitleid zerfressen wird. Sie macht Schwächen und persönliche Grenzen erträglich, löst das Gefühl von Armseligkeit auf und kann dem eigenen Leben eine Bedeutung geben. Aufmerksamkeit, Bestätigung, Anerkennung und Bewunderung machen in dem grauen Alltag häufig den feinen, aber wesentlichen Unterschied, ob man sich glücklich fühlt oder nicht.
Dabei braucht es nicht immer den frenetischen Applaus oder die stürmische Begeisterung eines Millionenpublikums, wie sie Stars und Berühmtheiten auf den großen Bühnen der Welt erleben, um sich gut und wertvoll fühlen zu können. Auch mildere Formen der Wertschätzung können schon äußerst befriedigende Ergebnisse erzielen: Die höfliche Beachtung der eigenen Person, eine freundliche Begrüßung, eine ermunternde Bestätigung, ein nettes Lob und eine unerwartete Anerkennung können Selbstzweifel im Hinblick auf den eigenen Wert erheblich absenken. Von anderen zu erfahren, dass man eine Bedeutung für sie hat, dass es einen Unterschied macht, ob man da ist oder nicht, und dass die eigenen Eigenschaften und Fähigkeiten offenbar für andere wichtig sind, lässt jeden innerlich aufatmen. Die Wertschätzung anderer gibt emotionalen Halt und hat einen äußerst heilsamen Einfluss auf das seelische Gleichgewicht.
Bewunderung ist letztlich nur eine gesteigerte Form der Wertschätzung und wird vor allem dann benötigt, wenn gewöhnliche Beachtung, Zuwendung, Bestätigung oder Anerkennung keine Zufriedenheit mehr erzeugt oder als selbstverständlich erachtet wird. Lediglich von anderen wahrgenommen oder ernst genommen zu werden und zu hören, dass man gemocht wird, reicht dann nicht mehr aus – man will über die Bewunderung spüren, dass man mehr Wertschätzung als andere verdient hat und deswegen auch beliebter und wichtiger sein muss.
Doch wenn ein normales und übliches Entgegenbringen von Wertschätzung nicht mehr genügt, um sich anerkannt zu fühlen, wird es kritisch. Sobald das eigene Verlangen nach Wertschätzung über die Bereitschaft des sozialen Umfeldes, Wertschätzung zu gewähren, hinausgeht, muss sie provoziert werden. Zwischenmenschliche Interaktionen und Beziehungen werden dann hauptsächlich zum Zweck der Befriedigung des individuellen Anerkennungsbedürfnisses gesucht und eingegangen. Eine solche Person trägt eine besonders starke Unsicherheit in sich und muss daher durch gezielte Manipulation ihre Mitmenschen dazu ermuntern, ihr hinreichend Wertschätzung entgegenzubringen. Hierzu versteckt sie ihre unvorteilhaften Züge und Schwächen, passt sich äußeren Erwartungen perfekt an und richtet ihr gesamtes Auftreten daran aus, eine gute Bewertung von ihren Mitmenschen zu erhalten. Auf diese Weise wird Wertschätzung zum rettenden Anker für unsichere und unzufriedene Persönlichkeiten, die sich auf irgendeine Weise benachteiligt, hilflos, schutzlos und minderwertig fühlen. Aus ihr schöpfen sie ihre Kraft, ihren Mut und ihre Zuversicht. Sie ist die Kraftquelle, die sie glücklich und zufrieden sein lässt – wenn auch meist nur vorübergehend.
Ein überzogenes Verlangen nach Aufmerksamkeit, Bestätigung und Bewunderung treibt bedürftige Menschen dazu, sich über alle Maßen hinaus anzustrengen, in der Öffentlichkeit möglichst makellos zu erscheinen, von einem Erfolg zum nächsten zu jagen und sich mit ihren besonderen Eigenschaften und Begabungen unentwegt in Szene zu setzen. Der Kontakt zu anderen Menschen wird dann nicht mehr gesucht, um einen ungezwungenen Austausch oder Freundschaften zu pflegen, sondern ausschließlich, um Wertschätzung zu erfahren. Es geht nur darum, dem anderen ein Lob zu entlocken oder über seine Ergriffenheit die große Begeisterung für das eigene Talent zu spüren. Soziale Verbindungen werden dann aus rein egoistischen Motiven eingegangen und das Gegenüber nur noch als Lieferant von Wertsteigerung und Wohlbefinden genutzt.
Allerdings muss der Bewunderungsbedürftige bei seiner Jagd nach Komplimenten äußerst geschickt taktieren: Auf der einen Seite muss er aufpassen, sich äußeren Erwartungen und gesellschaftlichen Regeln entsprechend zu verhalten, um nicht negativ aufzufallen und daher das Gegenteil von Bewunderung in Form von Ablehnung, Missachtung oder gar Spott zu erfahren. Auf der anderen Seite muss er dabei aber von der allgemeinen Norm bis zu einem gewissen Grad abweichen und sich auffällig inszenieren, um zu imponieren und als interessant wahrgenommen zu werden. In dem Spannungsfeld zwischen Anpassung, um keine Missgunst zu ernten, und dem persönlichen Anspruch, anders und besser zu sein, reibt er sich auf und schießt dabei in beiden Richtungen häufig über das Ziel hinaus: Entweder will er sich mit einer vorbildlichen Anpassungsfähigkeit und besonders korrekten Manieren hervortun und verhält sich aus diesem Grund extrem konformistisch, so dass sein Verhalten am Ende irgendwie einstudiert und steif wirkt und deswegen eher Abneigung statt Bewunderung auslöst. Oder er fällt wiederholt mit völlig unpassenden und extravaganten Verhaltensweisen aus dem Rahmen und provoziert dadurch eher Mitleid als Bewunderung, weil sein unübersehbarer Geltungsdrang nervig ist oder albern wirkt. In keinem Fall jedoch verhält sich der Bewunderungsbedürftige natürlich und authentisch, was an der Aufdringlichkeit und Überzogenheit seines Auftretens zu erkennen ist und daher früher oder später auf Missfallen und Ablehnung stößt.
Das Verlangen nach Bewunderung kann zu einer Sucht werden
So erfrischend das Gefühl von Bewunderung auch sein kann, es verpufft sehr schnell, wenn die Bewunderung ausbleibt und nicht schleunigst Nachschub erfolgt. Wenn die Wirkung nachlässt oder man sich an den überwältigenden Effekt der Bewunderung gewöhnt hat und sie deswegen schon nichts Besonderes mehr ist, tritt anstelle der Hochstimmung ein Zustand von Trübseligkeit und Schwermut ein. Fühlte man sich zuvor noch berauscht, so stürzt man nun in kürzester Zeit in ein tiefes Loch, sobald der Rummel um die eigene Person verblasst. Um die Niedergeschlagenheit und innere Leere zu bekämpfen, muss dann erneut um die Aufmerksamkeit und Bewunderung anderer gekämpft werden, um sich wieder lebendig fühlen zu können. Stehen kurzfristig keine Resonanzobjekte zur Verfügung oder verweigern sie sich, wird der Bedürftige unruhig, launisch und gereizt oder er greift notgedrungen auf Ersatzmittel wie Alkohol oder Drogen zurück, die dann die ersehnten Rauschgefühle erzeugen sollen.
Die Sucht nach Aufmerksamkeit oder Bewunderung setzt einen verhängnisvollen Teufelskreis in Gang: Je einsamer und unbedeutender man sich fühlt und je weniger man diesen Zustand aushalten kann, umso mehr wird nach Zuwendung der Mitmenschen und Bewunderung gesucht. Und je mehr Bewunderung gebraucht wird, desto tiefer ist der nachfolgende Absturz in die Wertlosigkeit, wenn der Beifall verstummt und man wieder mit sich allein ist. So schwankt der Bewunderungsbedürftige pausenlos zwischen einem Gefühl von Großartigkeit und Minderwertigkeit hin und her und findet nie sein inneres Gleichgewicht.
Irgendwann kommt er aus diesem Kreislauf auch nicht mehr allein heraus, weil er sich seines neurotischen Verhaltens und der verhängnisvollen Folgen nicht bewusst wird. Aufgrund seines überstarken Verlangens nach Wertschätzung nimmt er die Abhängigkeit gar nicht wahr – zu sehr wird sie von seiner Angst überlagert, keine Quellen mehr zu finden, über die er seine Leere füllen kann. Irgendwann kann der Bedürftige an nichts anderes mehr denken und er sieht in allen Menschen, denen er begegnet, nichts weiter als Erfüllungsgehilfen seines Größendrangs. Dann hat die Sucht nach Anerkennung endgültig die Kontrolle über sein Leben übernommen und nicht er, sondern seine Sucht bestimmt sein Leben.
Die Suche nach Aufmerksamkeit und Bewunderung führt zu einer Spaltung der Persönlichkeit: Positive und erfolgversprechende Eigenschaften und Fähigkeiten werden zuweilen bis zur Lächerlichkeit überbetont, während Schwächen und Defizite sorgsam verdeckt oder rigoros geleugnet werden. Herausragende Aspekte der Persönlichkeit werden selbstverliebt kultiviert, während ungünstige Aspekte schlichtweg ausgeblendet werden. Der Bewunderungsbedürftige poliert sein Profil und Image fortlaufend auf und treibt sich auf diese Weise mit einer Peitsche immerzu selbst an: Immer höher, immer weiter, immer mehr und immer besser. Dieser Zwang fördert unvermeidlich negative Eigenschaften wie Gier, Wichtigtuerei, Gewissenlosigkeit, Unehrlichkeit, Eitelkeit, Egoismus und Rücksichtslosigkeit zutage. Positive Eigenschaften hingegen, die das gute zwischenmenschliche Miteinander fördern, wie Verständnis, Toleranz, Empathie, Ehrlichkeit und Vertrauen sind auf dem Weg zur Einzigartigkeit und im Kampf um das knappe Gut Bewunderung hinderlich. Bestenfalls werden sie nach außen vorgegeben, hinter dem Rücken der anderen wird aber anders agiert. Es geht immer nur darum, besser als andere zu sein und mehr zu bekommen, um so seinen Wert zu beweisen. Über allen anderen zu stehen, verleiht ein Gefühl von Allmacht sowie die trügerische Sicherheit, unantastbar zu sein und daher niemals seelisch verletzt werden zu können. Der Bewunderungsbedürftige macht auf diese Weise aus seinem Leben eine Seifenblase, die jederzeit platzen kann, wenn die Stützen, auf denen seine Einzigartigkeit beruht, wegbrechen und so das tragische Ende einer grandiosen Illusion besiegelt wird.
Wahre Liebe hat keinen Stellenwert
Alle Bemühungen des Bewunderungsbedürftigen sind letztlich nur ein Schrei nach Liebe. Doch sein Dilemma besteht darin, dass er gar nicht so genau weiß, was Liebe eigentlich ist. Er weiß nicht, wie sich wahre Liebe anfüllt, wo er sie finden kann und was er dafür tun muss, um ihr zu begegnen. In seiner Not stürzt er sich auf alles, was sich irgendwie wie Liebe anfühlt, mit der Folge, dass er sich auf seiner Suche nach Liebe hoffnungslos verrennt und auf Täuschungen jeglicher Art hereinfällt. Aufmerksamkeit, Zuwendung, Bestätigung, Anerkennung und Bewunderung als Formen der Wertschätzung haben gewiss eine angenehm wohltuende und beglückende Wirkung, weil man sich beachtet, ernst genommen oder aufgewertet fühlt. Sie können mit dem Eindruck einhergehen, von anderen Menschen gemocht und geliebt zu werden, obwohl sie in den meisten Fällen lediglich aus Anstand, Respekt oder Verführungsabsichten gegeben werden. Aber man fühlt sich geschmeichelt, was wiederum warme, behagliche oder sogar erregende Gefühle auslöst. Insofern ist es zunächst nicht verwunderlich, wenn der emotionale Effekt, der durch Wertschätzung erfolgt, leicht mit Liebe verwechselt wird.
Es ist jedoch ein Irrtum zu glauben, Bewunderung sei dasselbe wie Liebe – nur weil sie unter die Haut geht, ein Kribbeln erzeugt und sich gut anfühlt. Bewunderung löst schöne Gefühle aus – mehr nicht! Wertschätzung, egal in welchem Ausmaß, ist aber nur ein Aspekt wahrer Liebe und umfasst bei Weitem nicht alle Eigenschaften, die wahre Liebe ausmachen. Wohlgemerkt hat Wertschätzung für einen kultivierten zwischenmenschlichen Umgang natürlich eine hohe Bedeutung: Sie ist für den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen und Verbundenheit unerlässlich. Ohne Wertschätzung würde das zivilisierte Zusammenleben verrohen. Insofern soll die Bedeutung jeglicher Form von Wertschätzung nicht kleingeredet werden, sie sollte jedoch auch nicht überschätzt und mit dem Wesen wahrer Liebe gleichgesetzt werden.
Wahre Liebe ist viel mehr als reine Wertschätzung und ein erhebendes Gefühl der Freude und Sinnlichkeit. Viel zu häufig wird Liebe lediglich auf leidenschaftliche und lustvolle Gefühle reduziert, die vor allem in einer Phase der Verliebtheit oder bei erotischen Spielen auftreten. Wahre Liebe hat aber nichts mit stürmischen und euphorischen Gefühlen zu tun – diese entspringen mehr einem Trieb, einer Begierde, einem Hunger nach Lust. Wahre Liebe wird begleitet von Freude, Heiterkeit und Sanftmut, die in einen beständigen emotionalen Zustand gleichmäßiger Zufriedenheit und inneren Friedens eingebettet sind. Aufpeitschende Gefühle hingegen signalisieren eher einen Kontrollverlust, ein übersteigertes Verlangen, eine Kompensation seelischer Konflikte oder eine Dekompensation aufgrund von Stressbelastung, die durch den Gefühlsausbruch zutage tritt.
Der glückliche Gemütszustand, der wahre Liebe kennzeichnet, ist nur ein Merkmal von vielen und macht mitnichten ihren eigentlichen Kern aus. Wahre Liebe umfasst mehr als sexuelle Lustgefühle. Sie kann Leidenschaft auf vielen Gebieten entfachen, z. B. die Leidenschaft für eine bestimmte Tätigkeit oder die Freude an der Natur – sie ist deswegen aber keineswegs mit primitiven Rauschzuständen zu vergleichen. Leidenschaft im Sinne von wahrer Liebe bedeutet Hingabe: sich ganz in einer Tätigkeit verlieren oder sich ganz einer anderen Person widmen, ohne dabei einen bestimmten Zweck zu verfolgen, ohne dabei an die Zeit zu denken und ohne dabei das eigene Ego befriedigen zu wollen. Völlige Hingabe setzt Offenheit, Vertrauen, Absichtslosigkeit und Selbstvergessenheit voraus. Sie verzichtet auf jegliche Planung, Berechnung und Kontrolle, weil dadurch die Gefahr besteht, dass kreative Bestrebungen viel zu stark eingeschränkt werden. Wahre Liebe bedeutet grenzenlose Entfaltung von Schöpfungskraft und Originalität, um dadurch Schöneres, Höheres und Edleres zu erzeugen.
Wahre Liebe besteht aus einer ganz anderen Form der Leidenschaft, als allgemein angenommen wird, und geht zudem weit über diesen Aspekt hinaus. Wahre Liebe ist viel mehr als nur ein Gefühl. Sie ist eine Grundstimmung und ein Bewusstseinszustand, eine Lebenseinstellung und ein Lebensgefühl, eine Fähigkeit und Profession, eine universelle Energie und schöpferische Kraft. Wahre Liebe ist keine spontane Erscheinung, sie folgt einem überaus logischen und kohärenten Prinzip. Sie kann nicht erlangt werden, indem man sich darauf fixiert, von anderen geliebt zu werden, oder sich in der Hoffnung verliert, eines Tages vom Strahl der Liebe getroffen zu werden und für immer gesegnet zu sein. Wahre Liebe kann man nicht finden und sie fließt auch niemandem rein zufällig zu. Man muss bereit sein, die Fähigkeit zu erwerben, wahre Liebe zu empfinden, zu leben und zu geben – und dies ist ein langwieriger Prozess und kein einmaliges Erlebnis.
Doch genau hierin liegt das Problem, warum sich die meisten Menschen so schwertun, wahre Liebe zu finden und zu erfahren: in ihrer Bedürftigkeit. Das Verlangen, selbst geliebt zu werden und sich darüber als wertvoll zu erleben, ist so mächtig, dass der Fokus nur auf die eigene Bedürfnisbefriedigung gerichtet wird. Selbstlose und hingebungsvolle Tendenzen bleiben daher die rühmliche Ausnahme. Der Druck, den eigenen Schmerz zu lindern, überlagert den Sinn für ideelle Werte und braucht sämtliche Lebensenergie auf, die selbstlos anderen zur Verfügung gestellt werden könnte. Es geht im täglichen Überlebenskampf in erster Linie um die Aufrechterhaltung der eigenen seelischen Stabilität, weshalb egoistische Absichten viel zu stark in den Vordergrund rücken.
Das Erlangen wahrer Liebe hat bei einer solchen Ausgangslage kaum eine Bedeutung. Es geht nur um die kurzfristige Optimierung des eigenen seelischen Wohlbefindens: Man will sich glänzend fühlen – unabhängig davon, wie sich andere fühlen. In der Folge wird alles, was sich gut anfühlt und schöne, warme oder prickelnde Gefühle erzeugt, wie eine Medizin eingenommen und aufgrund der beglückenden Wirkung als Liebe bezeichnet: Liebe ist alles, was guttut, was das Herz berührt und Sehnsüchte erfüllt. Liebe wird aber auf diese Weise zum Selbstzweck. Ihre Bedeutung und ihr Sinn werden aus einem subjektiven Empfinden und dem eigenen persönlichen Bedürfnis hergeleitet und verallgemeinert, was einen sein Ziel so deutlich verfehlen lässt, wie Christoph Kolumbus einst den indischen Kontinent verfehlte – und dennoch sein ganzes Leben lang daran glaubte, Indien gefunden zu haben.
Meist steckt hinter dem, was allgemein unter Liebe verstanden wird, lediglich ein unbeherrschbares Verlangen: Man will von dem anderen geliebt werden, um sich gut fühlen zu können. Aus diesem Grund muss der andere davon überzeugt werden, dass man es wert ist, Zuwendung von ihm zu erhalten, um sich dann über seine positive Reaktion als liebenswert zu erfahren. Liebe muss der Selbststärkung dienen. Daher ist den meisten Menschen nur daran gelegen, selbst Liebe zu bekommen, statt sie zu geben. Sie wollen geliebt werden und Liebe empfangen, statt selbst zu lieben und Liebe zu schenken. Dies ändert die Vorzeichen natürlich grundlegend und führt in eine komplett andere Richtung: Denn wenn man sich lediglich gut oder fantastisch fühlen will und seinen Selbstwert pflegt, ist wahre Liebe nicht unbedingt das Mittel der Wahl, denn wahre Liebe gibt sich allen gleichmäßig hin und kennt keine Bevorzugung. Daher scheint Bewunderung die vielversprechendere Variante zu sein, wird sie doch nur exklusiv verabreicht und stellt ein Privileg dar, was die Eitelkeit und den Selbstwert erfreut. So betrachtet ist die Liebe, um die sich alle bemühen, nichts anderes als Bewunderung, nur dass der Ausdruck Liebe romantisch unterlegt ist und etwas Schönes assoziiert, während Bewunderung narzisstisch angehaucht ist und daher anrüchig erscheint. Deshalb vermeiden es die meisten auch zuzugeben, bewundert werden zu wollen, und verharmlosen ihr Verlangen vor sich selbst, indem sie sich wünschen, geliebt zu werden.
Es erstaunt dann auch nicht wirklich, wie wenig auf die Qualität der Liebe, die empfangen wird, geachtet wird und wie genügsam Menschen sein können, wenn sie das dringende Bedürfnis haben, von anderen beachtet und geliebt zu werden. Oft spielt es eine nur untergeordnete Rolle, wie ehrlich eine Wertschätzung oder Liebesbekundung ist. Allein die Tatsache, dass man Zuwendung und Anerkennung erfährt, erfüllt den Zweck, sich gut zu fühlen. Aus diesem Grund begnügt man sich mit einer Scheinliebe: Man will von allen gemocht werden – egal aus welchen Motiven Sympathie entgegengebracht wird. Man will nur das Gefühl erfahren, beliebt zu sein und geliebt zu werden. Es muss sich nur wie Liebe anfühlen – das reicht schon aus. Dafür ist man auch bereit, mit einer Täuschung vorliebzunehmen, wenn sie nur ausreichend beeindruckend dargeboten wird. Es wird weder auf den Inhalt noch auf die Qualität der Zufuhr geachtet – und dies umso weniger, je größer die innere Not ist. Es geht um die Stimulation der eigenen Gefühle, aber nicht um Liebe. Aus diesem Grund wird nach jedem Strohhalm gegriffen wie ein Verdurstender in der Wüste, der sogar den Urin seines Kamels trinkt, nur um zu überleben. Die gutgemeinte Empfehlung, sich auf einen langen und mühsamen Weg zu machen, um wahrer Liebe zu begegnen, weil nur dort dauerhaftes Glück und wahrer Frieden zu finden sind, klingt dann für einen Bedürftigen wie blanker Hohn.
Bewunderung suchen alle – im Großen wie im Kleinen
Wer jedoch glaubt, von der beschriebenen Thematik gar nicht betroffen zu sein, weil er überhaupt nicht nach der Wertschätzung seiner Mitmenschen verlangt und schon gar nicht den Wunsch nach Bewunderung verspürt, sondern nur hin und wieder den Bedarf an etwas Zuwendung und gelegentlicher Bestätigung hat, täuscht sich. Bewunderung ist keine Randerscheinung und lediglich eine Droge für Promis, Superreiche oder Mächtige und ein beliebtes Suchtmittel für Stars und Helden. Auch eine kleine Dosis in Form von wenig, aber regelmäßiger Aufmerksamkeit, Anerkennung oder Bewunderung kann bereits eine Abhängigkeit darstellen – zumindest jedenfalls ein ungünstiges Gewohnheitsmuster, das nur schwer wieder abzulegen ist. Wenn das eigene Dasein von der Beachtung und Akzeptanz anderer getragen werden muss, um es als zufriedenstellend erleben zu können, richtet man sich unbewusst mehr oder weniger an der Meinung und an den Werten anderer aus, weil man deren Zuneigung braucht, um sich gut fühlen zu können. Man gibt dann automatisch einen Teil seiner Authentizität und Freiheit auf, um dafür im Gegenzug emotionale Sicherheit und Glück zu erhalten. Die Suche nach Aufmerksamkeit und Bewunderung ist kein Thema, dass nur Prominente angeht, sondern sie geht alle an, die Selbstwert brauchen, um sich sicher und zufrieden fühlen zu können.
Jeder will heute ein kleiner Superstar sein und die modernen Medien und entsprechende Fernsehformate verhelfen auch zur Erfüllung dieses Traums. Jeder kann heute vor die Kamera treten und in die Schlagzeilen geraten, wenn es ihm gelingt, mit einer einmaligen Darbietung auf sich aufmerksam zu machen. Dabei muss es sich nicht einmal um echte Spitzenleistungen handeln. Die Darbietung kann auch absurd, sinnlos, abgründig oder einfach nur blöd sein – Hauptsache, sie ist anders und hebt sich von dem Alltäglichen ab. Die Einmaligkeit einer Person begründet sich dann nicht auf der authentischen und unkopierbaren Kombination ihrer angeborenen und ureigensten Eigenschaften und Talente, sondern auf dem Herausstellen und der Betonung von Fähigkeiten und Leistungen, mit denen sie Eindruck machen kann. Diese müssen keineswegs mit den Eigenschaften ihrer wahren Persönlichkeit überstimmen, sondern sind vielmehr ein ausgereiftes Produkt von Angebot und Nachfrage, um mit einer erfolgreichen Selbstdarstellung imponieren zu können.
Die Gier nach Aufmerksamkeit und Bewunderung zieht sich durch alle gesellschaftlichen Schichten, im Großen wie im Kleinen: Beachtung, Akzeptanz, Bestätigung, Anerkennung und Bewunderung sind Themen, die alle angehen. Niemanden lässt es kalt, wenn er von anderen auf positive Weise wahrgenommen wird und ein Lob oder ein Kompliment erhält. Alle wünschen sich, dass ein solches Ereignis möglichst oft in ihr Leben tritt. Man ist sich dessen aber meist nicht bewusst und merkt gar nicht, wie sehr das tägliche Verhalten von dem Verlangen nach Wertschätzung bestimmt wird. Dabei muss man sich nur einmal eine alltägliche Begebenheit vorstellen: Wenn Sie morgens beim Bäcker von der Verkäuferin nicht begrüßt und nicht einmal angeschaut werden, geht das dann spurlos an Ihnen vorüber? Wenn sich ein Freund nicht für ein Geschenk bedankt oder die Danksagung nicht Ihren Erwartungen entspricht, fühlen Sie sich dann nicht geknickt? Wenn Sie auf die Party Ihres besten Freundes nicht eingeladen werden, obwohl Sie es erwarten durften, können Sie das dann gelassen zur Kenntnis nehmen? Wenn ein privater Rückruf, auf den Sie warten, nicht zeitnah erfolgt, werden Sie dann nicht unruhig oder zornig? Wenn andere vor Ihnen an die Reihe kommen, fühlen Sie sich dann nicht übergangen?
Den Worten und Handlungen unserer Mitmenschen können wir entnehmen, ob wir ihnen wichtig sind, ob wir eine Bedeutung für sie haben und von ihnen akzeptiert werden. Wir wollen gesehen werden, wir wollen, dass man uns zuhört und an uns denkt – ob dies nun über eine bloße Beachtung, eine ermunternde Zustimmung, ein freundliches Lob, außergewöhnliche Bewunderung oder totale Verehrung erfolgt. Wir suchen Wertschätzung: Wir wollen, dass andere für uns da sind und uns einen Wert beimessen. Dieses Verlangen steckt in jedem. Wer allerdings nach Aufmerksamkeit oder Bewunderung strebt, der wird auch nur Aufmerksamkeit und Bewunderung bekommen – und keine Liebe. Er wird den ganzen Tag um Wertschätzung ringen, um sich glücklich fühlen zu können – oder enttäuscht sein, wenn es ihm nicht gelingt. Er wird abhängig von der Resonanz seines Umfeldes, was letztlich der Grund dafür ist, dass seine Stimmung nie wirklich stabil ist.