Swipe. Meet. Repeat. - Ivonne Ludwig - E-Book
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Swipe. Meet. Repeat. E-Book

Ivonne Ludwig

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Beschreibung

Skurrile Dates statt Kinderkriegen – ehrliche, verrückte, aber auch bewegende Einblicke in das Online-Dating-Leben mit Anfang 30 »Das Leben hat sein ganz eigenes Tempo. Alles kann sich ändern und das innerhalb weniger Augenblicke. Und wenn wir nicht aufpassen, dann verpassen wir diesen Moment. Unseren Moment. Und das wäre wahnsinnig traurig.« Nach einer fast zehnjährigen Beziehung stürzt sich Ivonne mit Anfang 30, einem Alter, in dem andere ans Heiraten und Kinderkriegen denken, erstmalig wieder zurück ins aufregende Dating-Leben. Sie meldet sich bei diversen Dating-Apps an und stolpert schnurstracks in eine Welt voller Männer, die sie auf ihr Äußeres reduzieren, nach dem dritten Date um Geld anbetteln oder auf Fetischparties einladen. Doch neben all den absurden und skurrilen Erfahrungen erlebt sie auch viele wunderschöne Marmeladenglasmomente und lernt sich selbst und das Leben auf eine vollkommen neue Art und Weise kennen – ein Leben, erfüllt mit neuen Eindrücken, intensiven Freundschaften, gebrochenen Herzen und Schmetterlingen im Bauch. »Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, tiefe ergreifende Gefühle und ein Spritzer Humor, mit alle dem kann man rechnen, wodurch ich das Buch kaum aus den Händen legen konnte.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Glaubhaft, echt und auf jeden Fall interessant beschreibt die Autorin ihr Stöbern nach Mr. Right auf verschiedenen Dating-Portalen. Ein unterhaltsamer Einblick mit Höhen und Tiefen.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Ich habe mich wunderbar unterhalten gefühlt, hatte viel Spaß und wurde unerwartet total mitgerissen.« ((Leserstimme auf Netgalley)) 

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© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Julia Feldbaum

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Alexa Kim »A&K Buchcover«

Covermotiv: Ivonne Ludwig und pngtree

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Playlist für durchtanzte Nächte

Vorwort

Einleitung

Rückblick

Der Ausnutzer: Aaron

Der Fuckboy: Alexander

Der Heiratswillige: Paul

Der Fuckboy: Alexander

Der Nesthocker: Holger

Der Ami: Dean

It’s not a Match!

Der Fuckboy: Alexander

Der Schubladendenker: Jonas

Der Fuckboy: Alexander

Der Ami: Dean

Der Fuckboy: Alexander

Der Schubladendenker: Jonas

Der Fuckboy: Alexander

It’s not a Match!

Der Fuckboy: Alexander

Der Langweiler: Christoph

Der Fuckboy: Alexander

Der Fuckboy: Alexander

Der Fuckboy: Alexander

Gedankenkarussell

Der emotional Unerreichbare: M

It’s not a Match!

Der emotional Unerreichbare: M.

Der Betrunkene: Theo

Der Stalker: Thomas

Der verwöhnte Prinz: Nathan

Der im Jogginganzug: Dennis

Das Mädelswochenende

It’s not a Match!

Der Polizist: Tom

Der Polizist: Tom

Der emotional Unerreichbare: M.

Der Grapscher: Julian

Das Wiedersehen: Alexander

Epilog

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Für alle Singles dieser Welt, die auf der Suche nach der großen Liebe die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben … zumindest noch nicht ganz.

Playlist für durchtanzte Nächte

Taylor Swift – Shake It Off

Anna Naklab, Alle Farben, Younotus – Supergirl

LEA – Leiser

Matt Simons – Better Tomorrow

Clean Bandit ft. Demi Lovato – Solo

Charli XCX feat. Kim Petras, Jay Park – Unlock It (Lock it)

Robin Schulz feat. Wes – Alane

Zoe Wees – Control

Calvin Harris feat. Dua Lipa – One Kiss

Shania Twain – Man! I Feel Like A Woman!

Deep Chills – Run Free

Lizzo – Good As Hell

Janelle Monáe – Make Me Feel

Taylor Swift – Style

Röyksopp – I Had This Thing

Katy Perry – Part Of Me

Demi Lovato – Cool For The Summer

Celeste – Stop This Flame

Jason Isbell – Only Children

Michelle Branch – Goodbye To You

John Mayer – Love On The Weekend

The Kid Laroi feat. Justin Bieber – Stay

Vorwort

Nach neun Jahren Beziehung das erste Mal wieder Single – und das während einer weltweiten Epidemie. Definitiv eine echte Herausforderung. Ein neuer Lebensabschnitt. Aufregend, gleichzeitig aber auch angsteinflößend.

Wer mich überhaupt veranlasst hat, all das hier niederzuschreiben? Es waren meine Freund*innen – schockiert und belustig von meinen Dating-Erfahrungen. Ein bisschen habe ich es wegen ihnen getan, ein bisschen aber auch für mich selbst. In erster Linie, weil ich all diese Begegnungen, so schräg, skurril und schmerzhaft sie teilweise auch waren, nicht vergessen möchte, aber auch, weil ich das Bedürfnis habe, all diese Erfahrungen zu teilen. Nicht nur die leidvollen, die verrückten, sondern auch die schönen, ganz gleich, ob am Ende mehr daraus geworden oder das Ganze doch im Sande verlaufen ist.

Vielleicht schreibe ich all das aber auch nur auf, weil ich nach einem Weg suche, die Erfahrungen zu verarbeiten.

Das hier ist kein Dating-Ratgeber, auch kein Buch, in dem ich euch eine Lebensweisheit nach der anderen um die Ohren haue. Dieses Buch ist das wahre Leben. Mein Leben. Zumindest ein kurzer Ausschnitt davon. Es sind Einblicke in meine Dating-Zeit, in Erfahrungen, die ich gemacht und gesammelt habe, in Dinge, die ich getan, Worte, die ich gesagt habe – und die nicht gesagt wurden. Dates, die zuerst funktionierten, dann aber doch nicht mehr, aber auch Dates, bei denen sofort klar war, dass es kein zweites Treffen geben würde. Es geht um meine Ängste, meine Wünsche, meine Zweifel – eine emotionale Achterbahnfahrt mit jeder Menge Loopings und Schrauben. Alles davon ungeschönt und ungefiltert, alles einfach so, wie es war, auch wenn man bei dem ein oder anderen Date vielleicht nicht ganz glauben kann, dass es tatsächlich so passiert ist. Ist es aber. Wirklich. Versprochen.

Es hat unglaublich gutgetan, all das aufzuschreiben. Manchmal ist es besser, seine Gedanken einfach zu Papier zu bringen, statt sie irgendwo in den hintersten Ecken unserer Köpfe zu verstauen und darauf zu hoffen, dass sie für immer dortbleiben. Es hilft, Dinge zu verarbeiten und manchmal sogar ein bisschen klarer zu sehen. Und vielleicht hilft euch dieses Buch ja auch ein bisschen – all jenen, die sich gerade in einer ähnlichen Situation befinden. Vielleicht könnt ihr irgendetwas für euch mitnehmen; ein paar Gedankenfetzen, die euch dabei unterstützen, eure eigenen zu sortieren. Vielleicht kommt ihr aber auch aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr raus, könnt nicht glauben, wie dumm und naiv (und lebensmüde) ich war, seid genervt von dem emotionalen Chaos in meinem Kopf und in meinem Herzen.

Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht habt ihr auch einfach nur Spaß mit diesem Buch. Und wenn es bloß dazu dient, euch zum Lachen zu bringen. Allein dafür hat es sich gelohnt.

Anmerkung: Ich habe mich regelmäßig auf COVID-19 testen lassen.

Alle in diesem Buch handelnden Personen sind echt und nicht frei erfunden. Sämtliche Namen wurden geändert. Unterhaltungen, Chats und Erlebnisse haben – bis auf ein paar Feinheiten, die angepasst und abgeändert wurden – genau so stattgefunden.

Einleitung

Dating is a great way to remind yourself, that dying alone isn’t that bad.

Unbekannt

Es gibt sie tatsächlich, diese Menschen, die die meiste Zeit ihres Lebens in Beziehungen stecken. Ich bin einer von ihnen. Mit sechzehn hatte ich meinen ersten Freund, und irgendwie zog sich diese ganze Beziehungssache dann durch mein komplettes weiteres Leben. Wenn mit dem einen Freund Schluss war, fand ich mich kurz darauf in einer neuen Beziehung wieder. Meist lagen kaum ein paar Monate dazwischen.

Mittlerweile bin ich einunddreißig Jahre alt und frisch gebackener Single.

Wir schreiben das Jahr 2020. Es ist Ende Juli, und wir stecken gerade mitten in einer Pandemie. Corona, yay, wenn das mal nicht der perfekte Zeitpunkt ist, um Single zu sein. Nicht.

Ich bin noch nicht sehr lange solo, nicht einmal zwei Monate, doch es geht mir gut. So gut, dass ich mir abends im Bett aus einer Laune heraus Tinder herunterlade. Zum ersten Mal in meinem Leben. Ich habe Herzklopfen und fühle mich merkwürdig. Ich komme gerade aus einer neunjährigen Beziehung und sehne mich nach etwas Neuem; nach etwas Aufregendem. Ich möchte Menschen kennenlernen, neue, interessante Bekanntschaften schließen. Ich möchte auf Partys gehen, feiern, frei sein wie ein Vogel. Ich bin nicht unbedingt auf der Suche nach einer neuen Beziehung, ich möchte einfach nur das Leben genießen und herausfinden, was die Zukunft Spannendes für mich bereithält. Blöd nur, dass dort draußen gerade ein echt fieses Virus sein Unwesen treibt.

Ich fühle mich wieder wie zwanzig und zurückversetzt in eine bereits lang vergangene Zeit – und ich bin vollkommen überfordert. Überfordert mit meinem neu gewonnenen Single-Leben, habe ich doch bis dato noch keinerlei Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln können. Schon gar nicht in der heutigen Zeit, im 21. Jahrhundert, wo Aussehen mehr zu zählen scheint als innere Werte. Außerdem befinden wir uns im gefühlten Dauer-Lockdown, was die Sache nicht gerade einfacher macht. Schon gar nicht das Alleinleben – insbesondere dann nicht, wenn das völliges Neuland für einen ist.

Ich schaue mir also dieses Tinder genauer an, auch als eine Art Experiment für mich selbst, um zu sehen, wie das Ganze läuft. Ich suche mir ein paar Fotos raus, von denen ich denke, dass sie ganz passabel sind (eine Mischung aus Urlaubs- und Modelfotos, dazu noch ein Selfie – passt!), und überlege mir, mit welchem Text ich mein Profil füllen könnte. Der Ruf dieser App geht ihr definitiv voraus. Freundschaft Plus oder One-Night-Stands, das ist es, was die meisten hier zu suchen scheinen. Dinge, auf die ich keine Lust habe.

Liebe Männerwelt, wenn ihr nur auf der Suche seid nach Sex, tut euch selbst und mir einen Gefallen und klickt auf das X. Danke. Ansonsten … Herzmensch, Nerd & Bücherwurm. Ich liebe das Reisen, bin gern draußen unterwegs und mache viel Sport. Nichtraucherin.

PS: Ich kann nicht kochen.

Das ist es, was letztendlich in meinem Profil landet. Nicht sonderlich einfallsreich und vermutlich nichts, was sich von den anderen Profilen abhebt, aber, hey, ich will ja ohnehin erst mal nur gucken, was passiert. Außerdem will ich gleich von Anfang an mit offenen Karten spielen, um nicht Gefahr zu laufen, am Ende erneut mit einem kaputten Herzen auf dem Sofa in meiner für eine Person viel zu großen Wohnung zu sitzen.

Nachdem ich mein Tinder-Profil fertig eingerichtet habe, erhalte ich auch schon die ersten Vorschläge, und irgendwie fühle ich mich, als würde ich mich bei Zalando und Co. gerade nach den neuesten Trends umschauen. Links wischen für Nein, rechts wischen für Ja.

Ich gebe zu, ich tue mich schwer mit meinem ersten Mal Swipen. Es fühlt sich verdammt oberflächlich an, und es dauert eine Weile, bis ich mich daran gewöhne. Meist vertreibe ich mir abends im Bett ein bisschen die Zeit damit. Ich schaue mir Profilfotos an, lese mir Texte durch, schüttle mit dem Kopf, rolle mit den Augen, lache das ein oder andere Mal laut auf und wische zu neunzig Prozent nach links.

Bis ich dann plötzlich doch mal nach rechts swipe. Ein sogenanntes Match.

Rückblick

Es hat eine Weile gedauert, bis ich bereit war, es auszusprechen – es »offiziell« zu machen. Wenn es erst einmal laut ausgesprochen ist, gibt es kein Zurück mehr. Doch irgendetwas sagt mir, dass ich es nun bin. Bereit, meine ich. Bereit zu erzählen, was war und was ist.

Im Leben scheint nicht immer die Sonne. Manchmal regnet es, manchmal stürmt es gar. Manchmal so sehr, dass man den Weg, der vor einem liegt, nicht mehr erkennen kann. Man verliert die Orientierung, verliert das Ziel aus den Augen. Plötzlich verschwimmt alles, und man fühlt sich hilflos, verloren sogar. Doch kein Regen, kein Sturm bleibt für immer. Irgendwann drängt sich die Sonne wieder zwischen den dunklen Wolken hervor, kitzelt uns mit ihren warmen Strahlen an der Nase und vertreibt das Gefühl der Kälte; erfüllt uns wieder mit einer Wärme, die wir glaubten, verloren zu haben.

Anfang Juni 2020 ist meine Beziehung in die Brüche gegangen. Fast zehn Jahre, also ein Drittel meines bisherigen Lebens, habe ich mit dieser einen Person verbracht, und jetzt ist sie weg.

Ich glaube an Seelenverwandtschaft, an die große Liebe, glaube aber auch daran, dass man sie mehr als einmal im Leben finden kann. Die letzten fast zehn Jahre waren aufregend, wunderschön. Wir haben uns weiterentwickelt, allerdings in entgegengesetzte Richtungen. Viele Trennungen enden in einem regelrechten Rosenkrieg. Gemeinsame Fotos werden gelöscht, und die Jahre, die man miteinander verbracht hat, förmlich ausradiert. Aber genau das möchte ich nicht. Diese Zeit hat mir viel bedeutet, hat mich geprägt, mir unglaublich viel gezeigt; hat mich Dinge gelehrt, nicht nur über mich selbst, sondern auch über das Leben … und die Liebe. Ich möchte diese Jahre nicht ausradieren, möchte dieses Kapitel meines Lebens nicht löschen; nicht die Seiten aus dem Buch meines Lebens herausreißen. Vielmehr bin ich dankbar. Dankbar für diese Zeit, für das, was wir hatten.

Nicht jede Beziehung ist für die Ewigkeit bestimmt. Und das ist okay, auch wenn es wehtut. Und es tut verdammt weh.

So viel hat sich verändert, aber so viel ist auch gleich geblieben. Ich muss das Alleinsein wieder lernen, aber auch das ist okay. Denn eigentlich bin ich im Alleinsein echt gut. Das Gefühl, etwas verloren zu haben, hat mich in den letzten Wochen nur einfach daran gehindert, dieses Alleinsein zu genießen.

Die letzten Wochen waren schwer. Es heißt, Liebeskummer sei gleichzusetzen mit einem kalten Entzug. Liebe löst das Gleiche in unserem Gehirn und in unserem Körper aus, wie Drogen es tun. Es kostet Kraft, Anstrengung und vor allem Zeit, so etwas zu verarbeiten. Doch auch das ist okay. Es muss wehtun. Dieser Schmerz ist ein Zeichen dafür, dass wir leben, dass wir lieben. Wir müssen fühlen, um zu verarbeiten, und das habe ich die letzten Wochen getan. Ich habe Wasserfälle geweint, habe jede Nacht versucht, von dem Gedankenkarussell in meinem Kopf abzuspringen.

Und es wird besser. Es stimmt, wenn man sagt, die Zeit heile alle Wunden. Der Schmerz wird von Tag zu Tag ein bisschen weniger, das Herz wieder ein wenig leichter. Neue Gefühle kommen hinzu: Aufregung, Nervosität, Vorfreude auf den nächsten Lebensabschnitt. Auch das Gefühl von neu gewonnener Freiheit drängt sich irgendwie dazwischen.

Alles ist so neu, gleichzeitig aber auch irgendwie nicht.

Es fühlt sich gut an.

Und es geht mir gut.

Mir geht es gerade wirklich richtig gut.

Das Leben passiert eben. Es passiert einfach.

Der Ausnutzer: Aaron

Er: Hey, bin neu auf Tinder. Bedeutet ein Match, dass wir uns jetzt treffen müssen?

Ich: Müssen nicht … Ein Match bedeutet zunächst, dass wir gegenseitiges Interesse bekundet haben. Der Rest liegt dann wohl an uns.

Er: Das finde ich gut.

Ich: Und ich finde gut, dass du boxt. Ich boxe auch.

Er: Haha, dann suchst du hier einen Boxpartner?

Ich: Wer weiß, vielleicht?

Aaron ist groß, sportlich, hat dunkle Haare und boxt. Irgendwie macht ihn das ziemlich attraktiv, zumindest für mich. Wir unterhalten uns zunächst über Belangloses, wo er wohnt, wo ich wohne, dass er gern Sport treibt und was er zu Abend gegessen hat. Eine angenehme Unterhaltung entsteht, bis er mich nur einen Tag später nach meiner Handynummer fragt.

Er: Hast du Snapchat oder WhatsApp?

Ich: Letzteres ja, aber meine Nummer gebe ich nicht so schnell raus.

Ich habe zu viele Horrorfilme gesehen und zu viele True Crime Podcasts gehört, als dass ich sofort meine Handynummer hergeben würde.

Er: Okay, wie du willst.

Danach herrscht erst einmal Funkstille. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich meine erste Tinder-Erfahrung damit bereits erledigt hat, doch wider Erwarten löst er das Match nicht auf. Ich ebenfalls nicht.

Während ich die nächsten Tage damit verbringe, häufiger auch mal nach rechts, statt immer nur nach links zu wischen, meldet sich Aaron noch mal. Wir unterhalten uns, länger diesmal, intensiver, schreiben uns fast im Stundentakt und tauschen ein paar Tage später unsere Instagram-Accounts aus. Ich will ihm nicht schon wieder einen Korb geben, doch bereit, ihm meine Handynummer zu schicken, bin ich noch immer nicht. Also verlagern wir unsere Unterhaltung zunächst auf Instagram.

Zwei weitere Tage vergehen, bis er vorschlägt, sich zu treffen. Mittlerweile hatte ich Gelegenheit, mir einen ersten Eindruck von ihm zu verschaffen. Ich mag seine interessierten Fragen, die vielen Emojis, die er in seinen Nachrichten benutzt. Also gebe ich ihm dann letztendlich doch meine Nummer und hoffe inständig, es nicht irgendwann zu bereuen.

Er wohnt irgendwo im Saarland, ungefähr eine Stunde entfernt. Für mich kein Problem. Für ihn offensichtlich auch nicht. Und auch wenn er mit seinem Kommentar, für eine Frau wie mich überall hinfahren zu wollen, ein leichtes Augenrollen in mir auslöst, so stimme ich dennoch einem Treffen zu.

Es ist Anfang August, unglaublich heiß, und ich habe ohnehin nichts anderes vor. Wir verabreden uns für den nächsten Tag, einen Sonntag. Wir wollen uns bei mir in der Nähe treffen, irgendwo in der Stadt – auf ein Eis oder einen Kaffee.

Der Sonntagmorgen vergeht ohne eine Nachricht von ihm. Da wir noch keine Uhrzeit, geschweige denn einen genauen Treffpunkt ausgemacht haben, schreibe ich ihm. Er antwortet sofort und bittet mich, ihn anzurufen.

Minutenlang halte ich das Handy in meiner Hand, starre auf das Display, auf seine Nachricht. Mein Herz poltert ein wenig. Allein die Vorstellung, ihn anzurufen und gleich seine Stimme zu hören, löst in mir ein immenses Gefühl der Aufregung aus.

Ich hatte völlig vergessen, wie nervenaufreibend diese Kennenlernphasen sind. Die kribbelnden Momente des langsamen Herantastens. Um ehrlich zu sein, habe ich kaum Erfahrung damit. Vielleicht fühlt sich meine Brust ja genau deswegen gerade so an, als hätte sie jemand zugeschnürt.

Fünf Minuten später starre ich noch immer auf das Display meines Handys. Dann fasse ich mir ein Herz, hole einmal tief Luft und wähle seine Nummer. Es klingelt. Einmal. Zweimal. Dreimal. Er geht nicht dran, stattdessen lande ich direkt auf seiner Mailbox.

Ein Teil von mir ist erleichtert, der andere verwundert.

Also schreibe ich ihm eine Nachricht.

Ich: Ruf einfach an, wenn du Zeit hast :-)

Wenige Minuten später klingelt mein Handy. Ich begrüße ihn mit einem zittrigen »Hi« und einem unbeholfenen Kichern. Dann erzählt er mir, dass er am Abend zuvor ein Fußballspiel hatte und im Moment noch im Schwimmbad sei. Er sei Rettungsschwimmer und arbeite dort nebenbei an den Wochenenden. Er sei müde, müsse noch bis mindestens 16:00 Uhr arbeiten und fände es besser, wenn ich zu ihm statt er zu mir käme.

Ich muss gestehen, ich bin enttäuscht. Vielleicht auch ein bisschen genervt. Nicht nur, weil er mir das schon früher hätte schreiben können, sondern auch, weil ich Unzuverlässigkeit hasse. Außerdem fühle ich mich nicht wohl bei dem Gedanken, zu ihm zu fahren. Wie gesagt, zu viele Horrorfilme und so.

Nervös sitze ich auf dem Sofa, wandere dann nachdenklich in meiner Wohnung auf und ab, überlege hin und her, stelle schon fast eine Pro- und Kontraliste auf und entscheide mich dann doch, zu ihm zu fahren. Seit Monaten habe ich nichts mehr unternommen, Corona sei Dank, und ich möchte endlich mal wieder raus unter Leute, möchte Spaß haben, Neues erleben und vor allem das Wetter genießen – den Sommer einfach gebührend feiern.

Wir verabreden uns für 16:30 Uhr. Er gibt mir eine Adresse, die ich natürlich sofort google. Die Adresse befindet sich in der Nähe eines Krankenhauses, augenscheinlich eine anständige Gegend. Nichts zu befürchten also. Hoffe ich zumindest.

Als ich dort ankomme, parke ich mein Auto irgendwo am Straßenrand, weil ich keinen Parkplatz finde, und lasse ihn wissen, dass ich da bin. Er sei noch auf dem Rückweg vom Schwimmbad, brauche noch fünf Minuten. Schon wieder zu spät, denke ich mir. Ich steige aus meinem Auto, weil es darin einfach viel zu heiß und stickig ist, und laufe die Straße auf und ab, schaue mir die Häuser an, beobachte die Kinder, die in den Vorgärten spielen, und werfe immer mal wieder einen Blick auf die Uhr, bis schließlich ein Auto vorfährt.

Er steigt aus, groß, dunkle Haare, braun gebrannt. Er ist schmal gebaut, aber sportlich, trägt Shorts und ein rotes Shirt. Ich gehe auf ihn zu, begrüße ihn mit einem Lächeln und einer flüchtigen Umarmung. Nervös, wie ich bin, plappere ich gleich drauf los, erzähle ihm, dass ich keinen Parkplatz gefunden und stattdessen mein Auto ein Stück irgendwo die Straße runter abgestellt habe.

»Ich muss noch kurz rein, mich umziehen. Kommst du mit?«

Sämtliche meiner Alarmglocken gehen an. Ich stocke für den Bruchteil einer Sekunde. Dann lächle ich. »Schon okay«, sage ich dann. »Ich warte einfach hier draußen.«

Er runzelt die Stirn. »Sicher? Es ist ziemlich heiß hier in der Sonne. Komm doch einfach schnell mit hoch. Dauert auch nicht lange.«

Ich schüttle den Kopf, lächle verlegen. »Ne, ne. Ich warte einfach hier, kein Ding«, erwidere ich und halte mein Gesicht demonstrativ in die pralle Sonne, als würde ich diese Hitze genießen. Dabei sterbe ich gerade und spüre schon, wie mir vereinzelte Schweißtropfen den Rücken runterrinnen.

»Du hast kein Vertrauen, was?« Er grinst.

»Ehrlich gesagt nein.« Ich zucke mit den Achseln, dann grinse ich auch.

»Es ist alles gut. Wirklich. Komm einfach kurz mit hoch. Dauert nicht lange. Versprochen.« Der Schlüssel in seiner Hand klimpert leise.

Ich schaue ihn an, muss wieder grinsen, er ebenfalls, und irgendwie macht ihn das sympathisch. Und er hat recht, es ist wirklich verdammt heiß hier in der Sonne. Viel zu viel Sonne für meine natürliche Blässe. Also begleite ich ihn in seine Wohnung.

Er ist zuvorkommend und freundlich, hält mir die Tür auf, bietet mir Wasser an und sagt, er müsse noch schnell die Blumen auf seinem Balkon gießen, weil er das heute Morgen vergessen habe.

Jemand, der sich um seine Pflanzen kümmert, kann kein böser Mensch sein, oder? Oder?

Etwa zwanzig Minuten später haben wir seine Wohnung wieder verlassen und stehen vor seinem Auto. Wir wollen in die Stadt, etwas essen. Doch auch jetzt zögere ich einen Moment.

»Ich habe nicht vor, dich zu entführen, falls du das denkst.« Er scherzt, und ich muss lachen.

»Na, das will ich doch hoffen.«

Gemeinsam fahren wir in die Innenstadt und suchen uns ein kleines, gemütliches Restaurant. Seine Gesellschaft ist angenehm, auch wenn er nicht sonderlich gesprächig ist.

Er lebt zwar schon ein paar Jahre in Deutschland, sagt aber, dass es ihm manchmal noch immer etwas schwerfällt, längere Unterhaltungen auf Deutsch zu führen. Also versuche ich, das Gespräch irgendwie in Gang zu halten, stelle ihm Fragen über sich und seine Familie, seine Heimat, seine letzten Reisen, über Lieblingsfarben und Lieblingsessen, und irgendwann scheint der Knoten endlich geplatzt zu sein.

Nach dem Essen laufen wir durch die Stadt und reden über Gott und die Welt. Wir haben – alles in allem – einen richtig tollen Nachmittag. Wir unterhalten uns, wenngleich seine Zurückhaltung ein tiefer gehendes Gespräch nicht unbedingt zulässt, lachen so viel, dass mir irgendwann der Bauch wehtut, und gönnen uns noch einen leckeren Cocktail. Alkoholfrei natürlich.

Als es dann schließlich immer später wird, die Sonne irgendwann am Horizont verschwindet und sich dieser wirklich schöne Sommertag langsam dem Ende zuneigt, fragt er mich, ob ich nicht noch Lust hätte, mit zu ihm zu fahren, auf eine Tasse Tee oder Kaffee.

Nachdem ich die letzten paar Stunden Gelegenheit hatte, mich ein wenig an ihn zu gewöhnen, komme ich zu dem Entschluss, dass es nichts zu befürchten gibt, und begleite ihn tatsächlich noch in seine Wohnung. Wir hören Musik, während er uns einen leckeren original marokkanischen Minztee serviert. Skeptisch wie ich bin, frage ich ihn frech, ob er K.-o.-Tropfen in das Getränk gemischt habe.

Er lacht. »Pass auf, ich trinke zuerst davon, dann wartest du ein paar Minuten, und wenn nichts passiert, kannst du auch was trinken. Okay?«

Ich lächle und nicke.

Wir unterhalten uns und ich vergesse vollkommen die Zeit. Ehe ich mich versehe, ist es 22:00 Uhr, Zeit also aufzubrechen, auch wenn ich das – um ehrlich zu sein – noch gar nicht möchte. Mittlerweile fühle ich mich wahnsinnig wohl in seiner Nähe. So wohl, dass auch er es merkt und sich sogar einen Kuss stiehlt.

Erstaunt darüber, wie gut das erste Date doch gelaufen ist, mache ich mich schließlich auf den Heimweg. Ich kann es irgendwie gar nicht so ganz glauben, nach all den Horrorgeschichten, die man so von Tinder hört, dass mein erstes richtiges Tinder-Match zu einem so tollen Date und wunderschönen Nachmittag geführt hat. Es war nicht perfekt, doch was ist schon perfekt? Und abgesehen von den minimalen Sprachschwierigkeiten, denen wir uns ausgesetzt sahen, ist der Tag ziemlich gut verlaufen. Ich hatte Spaß, unglaublich viel Spaß sogar, und bereits jetzt spiele ich mit dem Gedanken, ihn noch mal wiederzusehen.

Er offensichtlich auch, denn das zweite Date kommt schneller als erwartet, und zwar bereits zwei Tage später. Wir verabreden uns für abends, diesmal bei mir zu Hause. Wir haben genauso viel Spaß wie bei unserem ersten Date, unterhalten uns, finden immer wieder neue interessante und spannende Dinge über den jeweils anderen heraus, tauschen uns über Erlebtes aus, lachen viel.

Auch das dritte Date kündigt sich nach diesem Abend recht zügig an.

Leider nimmt die gesamte Geschichte ab diesem Zeitpunkt allerdings eine eher negative Wendung.

Kurz nach unserem zweiten Date eröffnet er mir, dass er am Wochenende gern mit mir wegfahren möchte. Ich bin überfordert und tendiere – ehrlich gesagt – dazu, ihn aus meiner Überforderung heraus zu ghosten. Unter Ghosting oder Ghosten versteht man einen vollständigen Kontakt- bzw. Kommunikationsabbruch ohne Ankündigung oder Erklärung. Obwohl vorher also Dates stattgefunden haben, vielleicht sogar mehr als das, und man sich gut verstanden hat, laufen jegliche Kontaktversuche plötzlich ins Leere. Eigentlich so überhaupt nicht meine Art und etwas, von dem ich mir geschworen habe, es nicht zu tun, weil es dem anderen gegenüber unglaublich respektlos ist und ich selbst nicht wollen würde, dass man so mit mir umgeht.

Und trotz meiner Überforderung, meiner Angst, sage ich schließlich Ja zu diesem Wochenendtrip.

So weit so gut.

Allerdings soll es nicht dazu kommen.

Hatte er zunächst vorgeschlagen, bereits Freitagmittag loszufahren, erzählt er mir ein Tag vorher, dass er am Freitag noch Fußballtraining habe, was er nicht absagen könne. Er würde sich daher doch gern erst Samstag auf den Weg machen, bis er dann letztendlich zu dem Entschluss kommt, dass sich der Trip dann ja gar nicht mehr lohne. Stattdessen will er mich am Samstag einfach besuchen. Wir würden uns dann hier bei mir einen schönen Tag machen, womit ich ebenso einverstanden bin. Eigentlich bin ich sogar ein wenig erleichtert darüber, dass aus dem Wochenendausflug nichts wird.

Ich setze mich an meinen Laptop, suche ein hübsches Restaurant aus, überlege, was wir sonst noch machen können, bis er sich dann am Samstagmittag noch einmal bei mir meldet.

Er: Sorry, das klappt heute doch nicht. Bin noch im Schwimmbad bei meinem anderen Job und muss bis 20:00 Uhr arbeiten.

Ich: Okay, dann sehen wir uns heute also doch nicht?

Er: Danach ist es zu spät, um noch zu dir zu fahren. Ich bin müde.

Ich: Und was ist mit morgen?

Er: Muss morgen auch wieder im Schwimmbad arbeiten. Jemand ist krank geworden.

Ich: Okay, kein Problem.

Meine Laune ist im Keller. So schnell wird aus einem geplanten Wochenendtrip ein großes, leeres Nichts. Ich bin genervt, angefressen. Für die Zukunft betrachtet möchte ich einfach niemanden an meiner Seite haben, auf den man sich nicht verlassen kann; jemand, der mich versetzt und warten lässt.

Also mache ich es mir am Sonntag auf meinem Balkon gemütlich. Ich lasse meine Füße in der blauen Sandmuschel baumeln, die ich mit kaltem Wasser befüllt und auf meiner Terrasse platziert habe. Neben mir steht ein kühles Getränk, in meiner Hand halte ich ein Buch, in das ich bereits seit Stunden versunken bin. Das Wetter ist traumhaft und meine Laune wieder besser. Wie könnte es auch nicht bei blauem Himmel und Sonnenschein?

Und dann macht sich plötzlich mein Handy bemerkbar. Eine Nachricht. Von ihm.

Sein Arbeitsplan hat sich geändert, er muss doch nur bis 17:00 Uhr arbeiten, und wenn ich Lust hätte, könnte er danach direkt zu mir kommen. Wir könnten uns noch etwas zu essen bestellen, uns in die Sonne setzen und ein Glas Wein zusammen trinken. Ich bin zwar hin und her gerissen und noch immer etwas enttäuscht von der Art und Weise, wie er mich versetzt hat, dennoch sage ich zu. Naiv, ich weiß.

17:30 Uhr: Sorry, hab doch erst jetzt frei. Muss noch nach Hause, duschen, umziehen. Kann erst ca. um 19:00 Uhr losfahren. Okay? Such doch schon mal ein Restaurant aus, dann bestellen wir sofort, wenn ich da bin.

19:20 Uhr: Ich gehe doch jetzt schon was Essen, hab total Hunger. Danach fahr ich los.

Dein Ernst, Alter?

21:00 Uhr: Bin erst jetzt mit dem Essen fertig. Soll ich noch vorbeikommen? Brauche ja etwa eine Stunde bis zu dir, und es ist ja schon spät.

Für einen kurzen Moment bin ich versucht, ihm einfach zu sagen, dass er bleiben soll, wo der Pfeffer wächst. Aber das tue ich nicht. Stattdessen antworte ich ihm, dass ich auf ihn warte.

Um 22:00 Uhr steht er vor meiner Tür.

Im Nachhinein kann ich gar nicht genau sagen, wieso ich die Sache nicht schon an dieser Stelle beendet habe. Wäre eine meiner Freund*innen an meiner Stelle gewesen, hätte ich ihr mehr als deutlich angeraten, die Finger von diesem Typ zu lassen. Doch irgendwie ist man immer besser darin, Ratschläge zu erteilen, statt sie selbst zu befolgen.

Der Abend verläuft gut: kurz, aber sehr schön. Ich genieße seine Nähe wahnsinnig.

Als wir uns voneinander verabschieden, bleibt er im Hausflur stehen, bemerkt das Schlüsselbrett an der Wand.

»Wow, du hast ziemlich viele Schlüssel«, stellt er fest und sieht mich eindringlich an. »Hängt da auch der Schlüssel zu deinem Herzen?« Ein zartes Lächeln umspielt seine Lippen.

Und ich stehe einfach da und schaue ihn an, hin und her gerissen, ob ich laut loslachen oder dahinschmelzen soll.

Seine erwartungsvollen Blicke sind noch immer auf mich gerichtet, und mir wird klar, dass er das eben ernst gemeint hat. Ich lächle, zucke mit den Achseln und grinse. »Wer weiß«, ist alles, was ich darauf erwidere, bevor ich ihn noch nach unten begleite und verabschiede.

Als ich die Tür hinter ihm schließe und höre, wie er den Motor seines Wagens startet, spüre ich da plötzlich ein paar Schmetterlinge in meinem Bauch. Kein Verliebtsein, sondern wirklich nur dieses schöne, aufregende, kribbelnde Gefühl in der Magengegend. Aufregung, Nervosität – vielleicht auch eine Mischung aus beidem.

Ein Gefühl, das allerdings zwei Tage später schon wieder nachlässt.

Ich bin gerade auf der Arbeit, als mein Handy klingelt. Ich kann nicht rangehen, also rufe ich ihn später zurück.

Ich: »Sorry, bin am Arbeiten. Du hast angerufen?«

Er: »Ja, ich brauche eine rechtliche Beratung.«

Ich: »Okay, schieß los!«

Er: »Ich sitze gerade bei der Bank. Ich brauchte einen Kredit – bis morgen ganz dringend 2.000 Euro.«

Ich: »Okay?«

Er: »Meinst du, die geben mir den Kredit? Ich habe noch nie einen beantragt, und ich brauche das Geld dringend bis morgen für meinen Bruder.«

Ich: »Ich bin mir nicht sicher, aber ich bezweifle, dass dir irgendeine Bank innerhalb von weniger als 24 Stunden einen Kredit über 2.000 Euro gewährt. Keine Ahnung, ich weiß ja nicht, welche Voraussetzungen es gibt.«

Er: »Aber ich brauche das Geld ganz dringend. Mein Bruder hatte 30.000 Euro Schulden, 25.000 sind schon abbezahlt, 3.000 habe ich, aber 2.000 brauche ich noch.«

Ich: »Vielleicht klappt es ja. Hast du denn Unterlagen dabei, die deine Vermögenssituation belegen? Die brauchst du auf jeden Fall. «

Er: »Jaja, die haben Einblick in alles – mein Gehalt, mein Konto, alles. «

Ich: »Ich kann ehrlich gesagt nicht so viel dazu sagen, ich arbeite nicht auf einer Bank, aber wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass das so kurzfristig klappt.«

Er: »Aber ich brauche das Geld ganz dringend.«

Ich: »Dann drücke ich dir die Daumen, dass es klappt.«

(Pause)

Er: »Wenn ich dir das Geld schnell wieder zurückzahlen würde per Scheck, würdest du mir das dann leihen?«

Ich: »Du willst, dass ich dir 2.000 Euro leihe?«

Er: »Ja, wie gesagt, mein Bruder steckt in Schwierigkeiten, und ich brauche das Geld dringend bis morgen.«

Ich: »Sorry, aber ich verleihe kein Geld.«

Er: »Hast du das Geld nicht, oder was?«

Ich: »Es spielt keine Rolle, ob ich das Geld habe oder nicht. Ich verleihe kein Geld, nicht mal an meine engsten Freund*innen.«

Er: »Ja, aber wofür brauchen wir uns denn, wenn wir uns noch nicht mal in Schwierigkeiten aus der Patsche helfen?«

Ich: »Ist das dein Ernst? Wir kennen uns gerade mal zwei Wochen.«

Er: »Ich würde dir das Geld auch geben, wenn du in Schwierigkeiten wärst.«

Ich: »Ist ja schön, aber ich leihe dir trotzdem keine 2.000 Euro.«

Er: »Ist noch zu früh, was? Weil wir uns noch nicht so lange kennen?«

Ich: »Richtig.«

Er: »Das werde ich dir nie vergessen.«

Ich: »Na dann … kann man nichts machen.«

Er: »Ja, na dann, ich muss jetzt auch los, muss jetzt mit der Frau hier sprechen. Ich melde mich später bei dir.«

Ich: »Viel Erfolg.«

Damit war nicht nur das Telefonat beendet, sondern auch die Sache zwischen ihm und mir, was auch immer da zwischen uns gewesen ist.

»So was kann auch echt nur dir passieren«, sagt mein Chef keine zehn Minuten später, als ich ihm kurz darauf von meiner ersten Tinder-Erfahrung berichte.

»Ob der sich noch mal meldet?«, frage ich, fast schon ein bisschen ängstlich. Immerhin weiß er, wo ich wohne.

Mein Chef schüttelt den Kopf. »Das ist eine Masche. Er hat’s bei dir probiert, kam nicht durch damit, jetzt sucht er sich eine andere.« Er zuckt mit den Achseln, als er das sagt und ich hoffe, er hat recht damit.

Wie sich eine Woche später herausstellt, sollte mein Chef leider nicht recht behalten. Aaron meldet sich noch einmal via WhatsApp bei mir, fragt mich, warum ich mich so lange nicht gemeldet und ob ich nicht noch mal Lust hätte, mich mit ihm zu treffen. Immerhin müssten wir noch das versäumte gemeinsame Wochenende nachholen. Ich lasse ihn wissen, dass ich kein Interesse mehr daran hätte, ihn weiter kennenzulernen; erkläre ihm, dass mich die Sache mit dem Geld ziemlich abgeschreckt hätte und er mich doch bitte in Ruhe lassen solle. An meine Bitte hält er sich ungefähr zwei Tage. Kurz darauf blockiere ich nicht nur seine Handynummer, sondern auch sein Instagram-Profil. (Ein paar Monate später wird er sich noch einmal bei mir melden, dazu aber später mehr.)

Ich verbuche das Ganze als eine Erfahrung, die auf der einen Seite zwar aufregend und schön war, auf der anderen Seite aber auch etwas, worauf ich gut und gern hätte verzichten können. Zugegeben, für den ein oder anderen Lacher, gerade unter meinen Kolleg*innen, war die Story gut, doch für mehr auch nicht.

Ich bin kurz davor, die App wieder von meinem Handy zu werfen, mein Profil zu löschen und einfach zu vergessen, dass ich mich jemals auf diese ganze Online-Dating-Sache eingelassen habe. Allerdings bestünde meine erste und einzige Tinder-Erfahrung dann lediglich daraus, dass irgendein Typ versucht hat, mich und mein Konto um 2.000 Euro zu erleichtern. Möchte ich das wirklich? Nein, irgendwie nicht. Also entscheide ich mich gegen das Löschen der App. Nicht nur, weil ich meine Online-Dating-Erfahrung nicht als ausschließlich schlechte Erfahrung abschließen und abstempeln möchte, sondern auch, weil sich da noch jemand anderes in meine Chats geschlichen hat. Jemand, den ich zwischen dem zweiten und dritten Date mit Aaron gematcht habe: Alexander.

Der Fuckboy: Alexander

Ich: Hiii.

Er: Hi, hübsch siehst du aus. Alles gut bei dir?

Ich: Ja, bin gerade mit dem Fahrrad unterwegs und quäle mich einen verdammt steilen Berg hoch, und bei dir?

Er: Bin gerade auf einer Bootstour. Fahrrad, hm? Wie steil ist der Berg denn?

 

Es ist Dienstag, bereits nach 22:00 Uhr abends und trotzdem noch so brütend heiß, dass an Schlaf kaum zu denken ist. Ich liege im Bett, alle viere von mir gestreckt, die Rollläden unten, Fenster offen, als plötzlich mein Handy vibriert.

Alexander hat dir eine neue Nachricht geschickt.

Vor gut einer Woche haben wir gematcht. Ich mag ihn, nicht nur wegen seiner Fotos, die mich gleich angesprochen haben, sondern auch wegen seiner Art zu schreiben. Alexander ist ein Jahr jünger als ich und von Beruf Wirtschaftsprüfer. Er wirkt sympathisch, und ich habe wirklich das Gefühl, mit ihm auf einer Wellenlänge zu sein. Zumindest soweit man das über die wenigen Nachrichten, die wir bisher ausgetauscht haben, beurteilen kann. Denn das ist das Problem. Er schreibt kaum, höchstens zwei Nachrichten pro Tag. Mehr nicht. Ich habe die Hoffnung schon fast aufgegeben, habe bezweifelt, dass das Ganze auf mehr hinauslaufen würde. Bis jetzt.

Er: Hast du morgen Lust auf einen Kaffee?

 

Natürlich habe ich Lust. Und im Gegensatz zu ihm warte ich keine vierundzwanzig Stunden, um ihm zu antworten, sondern sage zu.

Ich: Klar, sehr gern. Sag einfach kurz Bescheid, wann es dir zeitlich passt. Bin ja ohnehin in der Stadt.

 

Ich liege noch eine Weile wach, doch eine weitere Nachricht von ihm bekomme ich nicht. Zumindest nicht an diesem Abend. Auch als ich am nächsten Morgen aufwache, habe ich keine neue Nachricht. Ich gebe zu, ich bin enttäuscht. So ein bisschen. Ich habe keine Ahnung, ob das Date nun für heute steht. Ja? Nein? Vielleicht? Sicherheitshalber durchstöbere ich meinen Kleiderschrank nach einem hübschen sommerlichen Outfit, nur für den Fall der Fälle, und entscheide mich für ein geblümtes Maxikleid mit freiem Rücken. Ich packe noch schnell ein bisschen Make-up ein, Wimperntusche und eine Zahnbürste, nur falls wir uns später nach der Arbeit tatsächlich treffen sollten.

Der Tag vergeht, fliegt nur so dahin und noch immer keine Nachricht von ihm. So langsam werde ich ein bisschen nervös. Ich mag es nicht, wenn man mich warten lässt. Mittlerweile ist es 14:00 Uhr, um 16:30 Uhr mache ich für gewöhnlich Feierabend, und er hat sich noch immer nicht auf meine letzte Nachricht hin gemeldet. Also öffne ich die Tinder-App und schicke ihm noch eine Nachricht hinterher:

Ich: Hey, ich mache um 16:30 Uhr Feierabend. Wenn es bei heute bleibt, sag kurz Bescheid, damit ich weiß, ob ich hierbleibe oder nach Hause fahre. Ich geb dir mal meine Handynummer. Melde dich einfach über WhatsApp.

 

Entweder er meldet sich nun oder eben nicht. Dreißig Minuten später blinkt das Display meines Handys auf. Wir verabreden uns für 16:30 Uhr. Er gibt mir seine Adresse, die sich – wie sich herausstellt – gerade einmal zwei Kilometer von meiner Arbeitsstelle entfernt befindet.

Er: Wir sind ja fast Nachbarn.

Ich: Sieht so aus, haha. Je nach Temperatur brauche ich zehn Minuten bis zu dir.

Er: So heiß? Habt ihr keine Klimaanlage? Das schreit ja förmlich nach einem Eis.

 

Ich lächle. Und wie das nach einem Eis schreit.

Um 16:15 Uhr mache ich mich kurz frisch, wasche mir das Gesicht, bürste mir die Haare, ziehe mein Kleid zurecht und mache mich dann auf den Weg zu ihm. Ich weiß nicht, ob es an der nicht vorhandenen Datingerfahrung liegt oder einfach daran, dass ich grundsätzlich immer nervös bin, wenn ich auf neue Menschen treffe, doch mein Herz rast wie wild in meiner Brust, und ich habe das Gefühl, innerlich zu verglühen. Und dafür sind nicht die dreißig Grad draußen verantwortlich. Zumindest nicht ausschließlich.

Ich schmeiße Google Maps an, trotz der kurzen Entfernung zu seiner Wohnung. Ich will mich immerhin nicht verlaufen und mich schon vor unserem ersten Date blamieren. Einen Orientierungssinn besitze ich nämlich praktisch nicht.

Ich habe seine Wohnung noch nicht erreicht, da sehe ich auch schon einen Mann auf mich zukommen. Er trägt ein helles Shirt, blaue Shorts und lächelt mich an. Er hält irgendetwas in der Hand. Als ich vor ihm stehe, begrüßt er mich freundlich. Er ist kleiner als ich. Ein ganzes Stück, doch das übergehe ich einfach. Nicht nur aus Höflichkeit, sondern auch, weil es mir schlicht egal ist. Die Größe ist mir ebenso unwichtig wie das Alter. Wenn es passt, dann passt es, egal ob nun zwei, fünf oder zehn Jahre bzw. Zentimeter dazwischenliegen.

Er streckt die Hand aus und reicht mir ein Wassereis. Ich lächle. »Hab ja gesagt, das schreit nach einem Eis.« Er grinst.