Talon Band 6: Die Verfemten - Marc Thomas - E-Book

Talon Band 6: Die Verfemten E-Book

Thomas Marc

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Beschreibung

In einem abgelegenen Tal fällt Talon in die Hände von Ausgestoßenen, mit denen ihn mehr verbindet, als er zuerst ahnt. Er willigt ein, die Menschen zum Tempel des schwarzen Löwen zu bringen, um sie von ihrem Fluch zu erlösen, unter dem sie seit dem Tod Eser Krus leiden müssen. Doch auf dem Weg dorthin muss er erkennen, welche Gefahr von diesen Menschen tatsächlich ausgeht. Das Erbe Eser Krus ist in den Aussätzigen lebendig – und es sucht nach Nahrung, um seinen Hunger zu stillen … ___ Dieser Roman wurde bereits 2018 veröffentlicht und vom Autor für die vorliegende Fassung neu bearbeitet.

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Seitenzahl: 91

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TALON BAND 6

 

 

Impressum

 

© Copyright Marc Thomas

© Copyright 2023 der E-Book-Ausgabe bei Verlag Peter Hopf, Minden

 

www.verlag-peter-hopf.com

 

ISBN 978-3-86305-330-7

 

Redaktionelle Betreuung: Wolfgang Kollmann

Covermotiv: Leonardo.ai | Covergestaltung: Thomas Knip

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

Inhaltsverzeichnis
Impressum
Die Verfemten
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Epilog

 

 

MARC THOMAS

Die Verfemten

Talon Band 6

 

 

Kapitel 1

 

Nur wenig Licht fiel durch die Baumkronen, die sich weit über dem einsamen Wanderer als Schatten am Himmel abzeichneten. Es war früher Vormittag, dennoch war die schmale Talsenke in kaum mehr als ein Dämmerlicht gehüllt. Dunst hing in Schwaden in der Luft, von den wenigen Sonnenstrahlen in einen bleichen Schein getaucht.

Mehrmals war Talon auf dem losen Geröll des steil abfallenden Bodens ins Rutschen geraten. Schürfwunden zeichneten seine nackte Haut. Irgendwann hatte er sich entschieden, eine hervorstehende Wurzel aus einem der schlanken, hoch aufragenden Bäume zu schlagen, die an den terrassenartig verlaufenden Vorsprüngen wuchsen. Mit diesem behelfsmäßigen Stock konnte er sich auf dem lockeren Gestein abstützen und vermied weitere Stürze.

Er fluchte innerlich. Die letzten Tage über war er durch die offene, in sanften Hügelketten verlaufende, Trockensavanne schnell vorangekommen. Selbst die Erinnerungen an die Geschehnisse um Sekhmet verblassten, als seien sie nicht mehr gewesen als ein Traum.

Seine Gedanken richteten sich nach vorne. Er musste zu Shion zurück und zumindest versuchen, einen Weg zu finden, um den Prozess umzukehren, den Eser Kru in Gang gesetzt hatte.

Auf seinem Weg zum Tempel des schwarzen Löwen war er an mehreren kleinen Siedlungen vorbeigekommen. Die leer stehenden Hütten hatten schemenhaft gewirkt, als seien sie mit Pastellfarben in die Landschaft gemalt worden. Sie waren mit jedem Moment vor seinen Augen verblasst. Hatte er eine davon berührt, verloren sich deren Umrisse, wie Gebilde aus Sand, deren Substanz der Wind mit sich reißt. Talon unterdrückte die Frage, was geschehen würde, wenn die Zeit noch weiter zurück schritt. Wenn sie die Jahrtausende überwand und jenen Punkt erreicht hatte, den der schwarze Magier zum Leben hatte erwecken wollen.

Er war nicht gewillt, zu warten, bis sich ihm die Antwort offen zeigte.

Am gestrigen Abend hatte er den Eingang zu diesem Tal erreicht. Links und rechts schoben sich schroff emporsteigende Hügelketten in den Himmel, die sich noch weit bis zum Horizont zogen. Talon fehlte es an Ausrüstung, um sie auf direktem Weg zu überqueren, also wählte er den Weg durch das Tal, das von einem kleinen Bach durchschnitten wurde. Doch das ebene Gelände verlor sich auch hier rasch und wich diesem schmalen Einschnitt durch die Felsen, der kaum breiter als zwanzig Meter war. Zu beiden Seiten ragten mächtige Schieferwände empor, deren graue Platten sich in langen Bahnen wie ein Muster übereinander legten.

Von der Kante der Klippen eroberte sich die Vegetation den Zugang zum Tal. Grüne Flechten legten sich wie ein Teppich auf den matten Stein und hingen in langen Bahnen herab. Allein der Boden lag nackt und kalt vor ihm.

Talon hielt inne. Er ging in die Knie und legte den behelfsmäßigen Stab neben sich auf die rutschigen Schieferplatten, die sich aus der Wand gelöst hatten. Vor ihm schälte sich die Form eines menschlichen Knochens aus dem unförmigen Grau des Gesteins. Fetzen verdreckten Stoffs klebten an dem sauber abgenagten Knochen, der zu einem Unterarm gehören musste. Die wenigen Reste Fleisch, die noch an der Oberfläche klebten, waren fast schwarz und lange eingetrocknet.

Er erhob sich aus seiner gebeugten Haltung und sah sich um. Sein Blick fuhr suchend über das dämmrige Schattenspiel des Bodens, der sich von hier an in einem leichten Schwung zur Mitte des Tals absenkte. Es dauerte nicht lange, bis er weitere Umrisse erkennen konnte, die eindeutig zu den Knochen eines Menschen gehörten.

Talon griff nach dem Ast und stützte sich auf dem schräg abfallenden Untergrund ab. Über ihm erklangen entfernt die Geräusche kleiner Vögel, die sich in den Baumkronen tummelten. Doch hier unten lag eine schweigsame Ruhe über dem Tal, als ob das Leben beschlossen hatte, sich von hier fernzuhalten. Nicht einmal Insekten krochen über den Boden, die auf der Suche nach Nahrung an den Knochen reiche Beute gefunden hätten.

Wachsam blickte er sich um. Sein Blick bohrte sich noch tiefer in die Schatten der Umgebung, während er sich über das Geröll nach unten kämpfte. Zu beiden Seiten des Bachs, der sich in einem verschlungenen Bett durch das Tal zog, lief der Boden etwa drei, vier Meter flach aus. Sollte im Dunkel eine Gefahr lauern, so hatte Talon auf diesem Untergrund wenigstens einen besseren Stand.

Dennoch rutschte er die letzten Meter förmlich nach unten. Das Echo des kleinen Steinschlags, der seinen Bewegungen folgte, hallte hohl von den Talwänden wider. Weitere Knochen säumten den Boden. Manche von ihnen wirkten, als wuchsen sie direkt aus dem steinernen Boden empor. Talon erkannte ein angewinkeltes Knie, das sich einem Torbogen gleich aus dem Schiefer schob, und nur knapp dahinter die Überreste einer menschlichen Hand, die sich nach oben reckte und mit dem Stein verschmolzen zu sein schien.

Talon nahm den Ast und schlug gegen den Unterschenkelknochen des halb vergrabenen Skeletts. Der Knochen zerbröselte zu Staub.

Der Atem des hochgewachsenen Mannes beschleunigte sich. Seine Augen wanderten hin und her und suchten die kaum zu durchdringende Düsternis vor ihm ab. Die Schatten an den Felswänden schienen in Bewegung zu geraten. Talon spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Sein Instinkt sagte ihm, dass er nicht allein war. Doch so gründlich er sich auch umsah: es war ihm unmöglich, etwas in dem Dämmerlicht auszumachen.

Obwohl ihn der Durst plagte, beschloss er, dem Bach erst eine Weile zu folgen und die Umgebung im Auge zu behalten. Wenn er trank, war er ein leichtes Ziel.

Unter seinen Tritten brachen dünne Schieferplatten mit einem leisen Knirschen. Das Geräusch war neben dem unablässigen Gurgeln des Wassers das einzige, was er nun hörte. Die sonnenabgewandte Steinwand zu seiner Rechten war in Schatten gehüllt. Silhouettengleich legte sich das Muster der stark verästelten Bäume vor den kaum zu erkennenden Himmel. Mehrmals wechselte Talon die Uferseite und durchschritt das flache Wasser des Bachs. Seine Fußsohlen klatschten auf die nassen Steine. Doch noch immer ließ sich weder in den Felswänden noch am Boden eine Bewegung ausmachen, die seinem Instinkt recht gegeben hätte.

So beschloss er, an einer weit auslaufenden Biegung des Bachs Halt zu machen. Er kniete sich nieder und tauchte die flache Hand in das Wasser, das in dieser lichtlosen Umgebung nicht minder schwarz wirkte als die Felsen. Es legte sich mit seiner Kühle beruhigend auf die erhitzte Haut.

Talon formte die rechte Hand zu einer Schale und schöpfte etwas Wasser. Doch noch bevor er sie am Mund ansetzte, zuckte sein Kopf zurück, und er ließ die Flüssigkeit zwischen den Fingern hindurchfließen. Das Wasser hatte einen eigenartigen Geruch. Er war es gewohnt, welches zu trinken, das mit Erde oder Sand versetzt war. Ohne einen Brunnen oder eine Quelle war klares Wasser in dieser abgelegenen Gegend ein Luxus, auf den er nicht hoffen durfte.

Er roch an seiner Hand. Ein schwerer, süßlicher Geruch hatte sich auf der Haut festgesetzt. Ein Geruch nach Moder und Verwesung …

Ein Schlag traf ihn am Kopf. Farbige Kreise tanzten vor Talons Augen. Benommen kippte er zur Seite und konnte sich nur mühsam mit der linken Hand auf dem rutschigen Untergrund abstützen. Er hatte Mühe, das Bewusstsein nicht zu verlieren. Ein kaum zu hörendes Sirren pfiff durch die Luft. Direkt vor ihm spritzte das Wasser plötzlich empor. Ein Stein, kaum größer als eine Walnuss, durchstieß die Oberfläche ein zweites Mal, um dann im Bach zu versinken.

Talon ließ sich zu Boden fallen. Sein Kopf ruckte nach rechts. Ein weiterer Stein schoss über ihn hinweg. Er kam aus dem schattenverhangenen Felsvorsprung, der den Bach in eine Kurve zwang.

Jemand schießt mit einer Schleuder!, jagte ihm der Gedanke durch den Kopf.

Unwillkürlich tastete er mit den Fingern nach seiner Schläfe und fühlte das Blut, das aus der aufgerissenen Wunde floss. Er fluchte mit zusammengebissenen Zähnen. Nur langsam legte sich das Schwindelgefühl. Es fiel ihm schwer, seine Bewegungen zu koordinieren und sich auf die Umgebung zu konzentrieren.

Mehrere Schatten lösten sich mit einem Mal aus der Felswand. Schwerfällig bewegten sie sich vorwärts. Sie schienen Mühe zu haben, beim Laufen das Gleichgewicht zu behalten. Affen?, versuchte Talon benommen, seine Gegner zu erkennen. Doch dafür waren die Umrisse nicht massig genug.

Das Blut rauschte in seinem Kopf. Mühevoll erhob er sich und griff nach der knorrigen, fast mannshohen Wurzel, die er neben sich gelegt hatte. Kurz überlegte er, sich mit dem bronzenen Kurzschwert zu verteidigen, das er in der ägyptischen Tempelruine erbeutet hatte. Doch selbst wenn er zwei oder drei der Gestalten damit abwehren konnte, würden ihn die übrigen überwältigen.

Jetzt erst erkannte er die Kleiderfetzen, in die die Gestalten gehüllt waren. Sie waren in zahlreichen Lagen dicht übereinander gelegt und verhüllten die Körper fast vollständig. Der Stoff war brüchig und dreckig. Nur um die Augen lag bei den meisten ein kleiner Spalt frei. Sie waren blutunterlaufen und funkelten in dem schwachen Licht fiebrig.

Talon hob den Holzstab auf. Dieser besaß deutlich mehr Reichweite als das Schwert und würde ihm erlauben, seine Gegner auf Distanz zu halten. Er schwang ihn um seinen Körper und trieb damit die vordersten Angreifer zurück. In dem Dämmerlicht konnte er kaum ausmachen, wie vielen Gegnern er gegenüberstand, doch es waren genügend, um ihn in einem weiten Bogen langsam zu umzingeln.

Seine provisorische Waffe traf eine der Gestalten in die Seite und warf sie zurück. Die Wurzel knirschte bedenklich. Ein dumpfer Aufschrei drang aus den Stofffetzen. Talon nutzte den Schwung aus und traf zwei weitere Körper, die nach hinten taumelten.

Eine verhüllte Hand packte ihn bei der Schulter. Talon riss den Kopf herum und blickte in zwei glimmende Augen. Mit dem Ellenbogen schlug er den Arm zurück. Ekel packte ihn. Der raue Leinenstoff war mit Absonderungen durchtränkt und legte eine schmierige Schicht auf seine Haut. Die Faust seiner linken Hand schlug zu. Er traf eine der Gestalten mitten in das vermummte Gesicht. Es fühlte sich an, als würde er auf einen Stapel nasse Wäsche einprügeln. Umgehend bildete sich auf dem verdreckten Tuch ein dunkler, roter Fleck.

Ein Schlag traf ihn in die Seite, auf Höhe der Niere. Talon schrie auf. Er taumelte vor und zog dabei die lange Wurzel in einem weiten Bogen durch. Sie traf einen seiner Gegner und schleuderte ihn mit Wucht zu Boden, doch dabei zerbrach das Holz und ließ ihm kaum mehr als einen wertlosen Stumpf zurück.