Teckys Abenteuer mit Sibylle - Gudrun Leyendecker - E-Book

Teckys Abenteuer mit Sibylle E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Das Jugendbuch "Teckys Abenteuer mit Sibylle" ist der 1. Band dieser Reihe. In Baden-Württemberg in einer Höhe von 773 Metern liegt die mittelalterliche Ruine der Burg Teck. Die 12-jährige Teresa Kaminski, genannt Tecky, zieht mit ihren Eltern in die Nähe von Kirchheim, einem kleinen idyllischen Ort unterhalb der Burg. Als sie von der sagenhaften Sibylle erfährt, die einmal in einer Höhle gehaust haben soll, beginnt sie ihre Recherchen und gerät in ein Abenteuer. Kann ihr der neue Freund Giorgio helfen?

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Inhaltsangabe:

Das Jugendbuch Teckys Abenteuer mit Sibylle ist der 1. Band dieser Reihe.

In Baden-Württemberg, in einer Höhe von 773 Metern, liegt die mittelalterliche Ruine der Burg Teck. Die 12-jährige Teresa Kaminski, genannt Tecky, zieht mit ihren Eltern in die Nähe von Kirchheim, einem kleinen idyllischen Ort unterhalb der Burg. Als sie von der sagenhaften Sibylle erfährt, die einmal in einer Höhle gehaust haben soll, beginnt sie ihre Recherchen und gerät in ein Abenteuer. Kann ihr der neue Freund Giorgio helfen?

„Es war einmal“, so könnte diese Geschichte auch beginnen, denn sie führte Tecky in vergangene Zeiten zurück. Aber da mich das 12-jährige Mädchen erst vor kurzer Zeit bat, ihre Erlebnisse des vergangenen Jahres aufzuschreiben, beginnt diese Geschichte mit einem kräftigen Gewitter, das sich im letzten Sommer über Baden-Württemberg ausbreitete.

Der Umzugswagen stand noch vor dem Haus, immerhin, die letzten Kisten waren trocken ins Haus gelangt.

„Was machst du denn noch so lange da draußen, Tecky?“ rief die Mutter aus dem Küchenfenster. „Es fängt gleich an zu regnen. Hast du denn nicht gehört, dass der Donner schon ganz nah ist?!“

„Ich habe nur gerade nachgeguckt, wie die Familie heißt, die da neben uns wohnt. Sie haben mehrere Kinder, das sieht man an den vielen unterschiedlichen Fahrrädern.“ Munter hüpfte sie zur Terrassentür, die noch weit offen stand, seit man das Klavier dort hineingetragen hatte.

Sie schlängelte sich zwischen den Kartons durch und schlüpfte in die Küche.

„Was hast du eben gesagt?“ fragte die Mutter. „Die Familie von nebenan interessiert dich?“

„Natürlich. Bisher lebte im Nachbarhaus auch meine beste Freundin, die Klara. Und ich wäre ganz bestimmt nicht mit euch hier in diesen Ort gezogen, wenn sie nicht gerade mit ihren Eltern nach Hamburg gegangen wäre.“

Frau Kaminski schenkte ihrer Tochter einen zweifelnden Blick. „So? Dann wärst du wohl in Esslingen geblieben. Das war ja auch eine sehr schöne Stadt. Aber wo hättest du denn dann wohnen wollen?“

„Natürlich bei Klara. Wir waren fast wie Schwestern und kennen uns schon seit dem Kindergarten. Ich vermisse sie jetzt schon. Übrigens, die Leute von nebenan heißen Bianchi, das habe ich auf dem Namensschild gelesen.“

„Das klingt italienisch“, meinte die Mutter. „Hast du auch jemanden gesehen?“

Tecky schüttelte den Kopf. „Nein, der Garten ist menschenleer, und im Haus ist es auch ganz still. Es sieht aus wie eine verwunschene Villa. Warum hast du mich jetzt schon hereingerufen? Es regnet doch nur ein paar Tropfen. Und das Gewitter ist auch noch nicht über uns.“

„Du bist wirklich ein merkwürdiges Mädchen“, stellte Frau Kaminski fest. „Die meisten Kinder haben Angst, wenn es so poltert, wie gerade jetzt. Als kleines Kind bist du immer zu mir ins Bett gekrochen, wenn es nur in der Ferne ein bisschen grummelte.“

Teckys Augen blitzten. „Das liegt an Klara. Wir haben uns alle Ängste abgewöhnt. Mit den Spinnen haben wir angefangen. Dann haben wir uns in der alten Scheune mit Mäusen angefreundet, und irgendwann kam uns einmal die Idee, das Gewitter als Himmelsfeuerwerk zu betrachten. Klara würde dazu sagen, der Himmel begrüßt uns nun mit einem Spektakel, und er freut sich, weil wir jetzt hier eingezogen sind.“

Die Mutter stöhnte. „Klara! Klara! Jedes zweite Wort von dir ist nur „Klara“. Sie hat einfach zu viel Fantasie gehabt, das Mädchen. Aber das hat sie wohl von ihrer Oma geerbt, die ihr ständig Märchen erzählt hat.“

„Das war eine Superoma“, fand Tecky. „Sie hat nicht nur die ganzen Grimms Märchen auswendig gekannt, sie hat auch selber immer wieder neue erfunden. Ich glaube, deswegen hat auch Klara in der Schule immer gern Aufsätze geschrieben. Es ist richtig gemein, dass wir jetzt so weit voneinander getrennt sind. Wer weiß, ob es hier überhaupt so nette Mädchen gibt!“

„Vielleicht musst du dich da gar nicht so weit umsehen. Möglicherweise haben die Bianchis auch eine Tochter, wenn so viele Kinderfahrräder dort stehen. Vielleicht erfährst du das schon morgen, wenn du deine neue Schule besuchst.“

Tecky stöhnte. „Oh nein! Das auch noch. Morgen ist schon wieder Schule, und ich habe noch nicht mal mein Zimmer fertig eingeräumt.“

„Lass dir Zeit damit!“ schlug die Mutter vor. „Hier werden wir jetzt erst einmal wohnen bleiben.“

***

Am anderen Morgen stand Tecky auf dem Schulhof, ganz nah am Zaun und hörte auf die Geräusche der vielen fremden Kinder ringsumher. Es sah nicht danach aus, als könnte man hier Freunde finden, niemand kümmerte sich um sie.

Während ihre Gedanken zu Klara spazierten, rief jemand laut ihren Namen. Diese Stimme kannte sie, abrupt drehte sie sich um und schaute in die Richtung, aus der die Rufe kamen. Sie entdeckte ihre Mutter hinter dem Zaun, die ein buntes Mäppchen in die Luft hielt.

„Tecky! Du hast dein Federmäppchen zu Hause vergessen. Hier!“ Die Mutter wedelte mit dem Gegenstand in der Luft. „Das brauchst du doch gleich in der Schule!“

Zwei Mädchen in Teckys Alter sahen neugierig herüber und begannen zu lachen. Die Rothaarige äffte die Stimme der Mutter nach. „Tecky! Tecky!“

Mehrere umstehende Kinder begannen zu lachen.

Die Schwarzhaarige sah interessiert herüber. „Was ist denn das überhaupt für ein Name? Tecky! Ist die vielleicht die Fürstin von Teck und wohnt als Schlossgeist in der Burg?“

Einige Kinder kamen herbei und lachten ebenfalls.

Frau Kaminski näherte sich dem Zaun und schob das Federmäppchen durch eine Lücke. Eilig nahm es Tecky in Empfang. Sie bedachte die Mutter mit einem bösen Blick. „Deswegen hättest du nicht hierher kommen müssen! Schau doch nur, was du für einen Wirbel hier verursachst! Ich wäre heute auch einmal ohne ausgekommen.“

Die junge Frau sah ihre Tochter erstaunt an. „Aber Tecky! Was ist denn bloß los mit dir?! Danke könntest du mir schon sagen. Ich habe extra alles stehen und liegen lassen und bin auf dem schnellsten Weg zu dir gekommen.“

„Deswegen musst du doch nicht allen sagen, wie ich genannt werde!“ schimpfte das Mädchen.

Frau Kaminski staunte. „Aber so wirst du doch schon immer genannt. Alle deine Freunde nennen dich so. Und wenn du hier neue findest, werden sie dich auch so nennen. Oder bestehst du seit heute auf „Teresa“?“

„Du hörst doch, wie sie darauf reagieren. Warum sind wir bloß hierher gezogen. Diese blöde Burg! Warum hat sie auch ausgerechnet meinen Namen?!“

Die Mutter lächelte. „Ich glaube, die Burg hieß schon lange vor dir so. Damit hat sie wohl mehr Anspruch auf diesen Namen. Und ich glaube nicht, dass sie dir das in irgendeiner Weise übel nimmt. Immerhin wurde sie schon um 1100 erbaut, und damit ist sie schon ein paar Jahre älter als du.“

„Es ist ja auch jetzt egal“, antwortete Tecky verärgert. „Es ist besser, wenn du jetzt nach Hause gehst! Siehst du nicht, wie die anderen hier herüber sehen? Das muss ich doch jetzt alles ausbaden.“

Frau Kaminski griff nach der Hand ihrer Tochter. „Sei nicht böse! Du hast nur gerade einmal dafür gesorgt, dass sie etwas zu lachen hatten. Das wird auch vorübergehen. Sie werden sich schon an deinen Namen gewöhnen. Hast du mir nicht noch gestern erzählt, dass ihr beide, du und Klara gegen alle Ängste gearbeitet habt? Vielleicht hast du nur ein bisschen Sorge wegen des ersten Schultags und machst dir ein paar Gedanken, wie deine Mitschüler dich hier aufnehmen. Ihr werdet euch schon alle aneinander gewöhnen. Das hast du doch bisher immer geschafft. Mit der Zeit hast du dich immer noch durchgesetzt. Kannst du dich noch daran erinnern, als du das erste Mal im Seniorenheim allein gesungen hast? Was hattest du da für ein Lampenfieber! Du wolltest weglaufen, erinnerst du dich? Aber als sie dann alle applaudiert haben und ihnen die Tränen der Rührung in den Augen standen, da hast du dich gefreut und wusstest, was du schaffen kannst!“

Tecky seufzte. „Das ist schon so lange her, das habe ich fast vergessen. Da war ich auch noch sehr klein.“

Die Glocke schellte und rief die Kinder zum Eintreten in das Schulgebäude.

„Bis nachher!“ rief Frau Kaminski ihrer davoneilenden Tochter hinterher. „Viel Glück!“

Tecky drehte sich nicht mehr um, sondern lief schnurstracks durch das große Tor, mischte sich in den Strom der großen und kleinen Schüler und suchte ihr Klassenzimmer auf.

***

Gleich in der ersten Stunde lernte Tecky ihre Klassenlehrerin, Frau Biermann kennen. Die ältere Frau schien bei den Mitschülern sehr beliebt zu sein und verstand es offensichtlich, mit den Kindern einen guten Kontakt zu halten.

Sie begrüßte die Schulklasse heiter und stellte die neue Schülerin vor. „Das ist Teresa Kaminski“, teilte sie den Anwesenden vergnügt lächelnd mit. „Und da ich euch ein paar Minuten vom normalen Unterricht stehlen will, was euch sicherlich nicht sonderlich leid tut, dürft ihr euch alle einmal selbst mit Namen vorstellen. Eine Biografie ist nicht unbedingt notwendig, sonst bleibt uns nämlich keine Zeit mehr für den Unterricht übrig.“

Die Schüler standen einzeln auf und präsentierten sich mit Vor- und Nachnamen. Tecky achtete auf den Klang ihrer Stimme und stellte fest, dass die Rothaarige, die sich auf dem Schulhof über ihren Namen amüsiert hatte, Anna Keim hieß und neben einem Jungen mit dem Namen Niklas Becker saß. Ein paar Plätze weiter hinten stellte sich auch die Schwarzhaarige mit einem überheblichen Ton in der Stimme vor. Sie hieß Cora Wiese und saß neben einem blonden Jungen mit dem Namen Oliver Borchert.

Am Ausdruck ihrer Gesichter sah Tecky, dass sich diese vier Mitschüler wenig erfreut zeigten, sie als Neue in ihrem Kreis zu sehen, geschweige denn Anstalten machten, sie aufzunehmen.

Nachdem alle vierundzwanzig Schüler ihren Namen genannt hatten, wandte sich Frau Biermann noch einmal an Tecky. „Es ist hier wie überall. Du wirst es nicht viel anders finden, als in der Schule, in der du bisher zum Unterricht gegangen bist. Hier gibt es faule und fleißige Mitschüler, sicher auch ein paar, mit denen du dich nicht anfreunden möchtest, aber vielleicht gibt es hier auch jemanden, der dir sympathisch ist. Lass dir Zeit zum Eingewöhnen! Du bist herzlich willkommen!“

Sie wandte sich von Tecky ab und ließ ihren Blick schweifen. „Und jetzt wenden wir uns dem Thema der heutigen Stunde zu. Nehmt bitte eure Bücher heraus und sucht die Seite mit der Nummer 42. Dort findet ihr das Gedicht von Eugen Roth mit dem Namen: „Der kleine Unterschied. Cora, kannst du es bitte einmal vorlesen?“

Die Schüler kramten in ihren Taschen, holten geräuschvoll die Bücher heraus, blätterten darin herum, und das schwarzhaarige Mädchen erhob sich endlich und begann laut vorzulesen:

„Ein Mensch, dem Unrecht offenbar

gescheh'n von einem andern war,

prüft, ohne eitlen Eigenwahn:

Was hätt' in dem Fall ich getan?

Wobei er feststellt, wenn’s auch peinlich:

Genau dasselbe, höchstwahrscheinlich.

Der ganze Unterschied liegt nur

in unsrer menschlichen Natur,

die sich beim Unrecht-Leiden rührt,

doch Unrecht-Tun fast gar nicht spürt.“

Einige Schüler lachten, mehrere tuschelten und Anna gähnte.

Frau Biermann ergriff das Wort. „Und jetzt hätte ich gerne von euch einige Beispiele aus dem eigenen Leben. Vielleicht weiß jemand eine Geschichte, die in seiner Umgebung passiert ist. Es geht um ein Unrecht, das jemand erleiden musste, während der Täter so absolut kein Mitleid spürte. Und wenn ihr nichts aus eurem eigenen Leben wisst, dann könnt ihr auch gern etwas aus der Geschichte heraussuchen!“

Einige Augenblicke blieb es ganz still in der Klasse. Dann meldete sich Cora zu Wort, und Tecky sah das Mädchen erwartungsvoll an.

Frau Biermann forderte die Schülerin zum Sprechen auf, und die hübsche Schwarzhaarige erhob sich. Ihr Unterton war spöttisch: „Wir haben doch hier unterhalb der Burg Teck das beste Beispiel. Jeder von uns kennt die Sage der Sibylle, die in der Höhle aus Kalkstein gehaust haben soll, im Sibyllenloch. Oder kennt die etwa jemand nicht?“

Alle Augen richteten sich auf Tecky, und die Lehrerin blickte das Mädchen erwartungsvoll an. „Du bist gestern erst hierher gezogen, Teresa. Hast du schon einmal etwas von der Sibyllensage gehört?“

Tecky schüttelte leicht den Kopf. „Nein, bisher noch nicht. Wir haben gestern erst den Umzugswagen ausgeräumt, und sind drinnen auch noch nicht fertig. Ich weiß noch nichts über diese Gegend und habe auch von dieser Sage noch nichts gehört.“

„Dann fahre bitte fort mit deinen Erklärungen!“ wendete sich die Lehrerin an Cora.

Das schwarzhaarige Mädchen grinste. „Diese Sibylle soll allen Menschen etwas Gutes getan haben. Sie hat mit Geschenken nur so um sich geworfen. Das hat natürlich vielen Leuten gefallen. Aber so ist diese Welt ja nicht, und deshalb muss man wissen, wie die Sage weitergeht. Diese Dame, die auch hellsehen und weissagen konnte, hatte nämlich drei intelligente Söhne. Und die haben ganz schön dazwischen gefunkt.“ Sie sah Tecky herausfordernd an.

Als das Mädchen still blieb, fuhr sie triumphierend fort: „Die drei tollen Söhne haben sich ebenfalls Burgen gebaut. Eine auf dem Wielandstein, der andere auf der Diepoldsburg und der dritte auf dem Rauber. Und sie haben den Menschen erst einmal gezeigt, wer der Herr im Haus ist. Sie haben den Leuten nämlich alles wieder fortgenommen, und sie haben auch alles zerstört, was ihnen in die Hände kam. Das hat ihrer Mutter natürlich überhaupt nicht gefallen. Aber wir leben hier in einer Welt ohne Happy End, und deswegen ist die Alte auch eines Tages mit einem feurigen Wagen von hier abgehauen. Sie konnte das Wirken ihrer Söhne natürlich nicht ertragen und wollte daher nicht mehr in ihrer Nähe sein. So ist es eben in dieser Zeit. Das Stärkere siegt.“

Frau Biermann hob die Augenbrauen. „Das ist also deine Meinung, Cora. Dann möchte ich euch alle jetzt bitten, eure Schulhefte herauszunehmen und eure Gedanken über dieses Thema aufzuschreiben. Da wir eine Doppelstunde haben, könnt ihr euch genügend Zeit dazu lassen.“

Ein paar Kinder maulten leise, aber sie folgten der Aufforderung ihrer Klassenlehrerin.

Tecky überlegte. Was sollte sie schreiben? Was hatte sie erlebt? Gab es irgendetwas, das man mit dem Gedicht in Verbindung bringen konnte? Sie holte den Stift aus dem Federmäppchen und spielte damit.

Vielleicht musste sie gar nicht in die Ferne schweifen? Vielleicht hatte sie ihre Mutter eben auch ungerecht behandelt und mit ihr geschimpft, anstatt Danke zu sagen. Schließlich hatte sie es gut gemeint, als sie ihr bis in die Schule nachgelaufen war, um ihr den vergessenen Gegenstand nachzureichen. Aber in diesem Moment hatte sie, Tecky, nur an sich selbst gedacht. Sie wollte nicht zum Gespött ihrer Mitschüler werden, man sollte sie nicht auslachen. Aber warum hatten sie eigentlich gelacht? An dem Namen Tecky war doch eigentlich nichts auszusetzen. Es gab viel schlimmere Spitznamen, wie Mausi oder Baby oder Spatz. Vielleicht hatten Cora und Anna einfach nur irgendetwas gesucht, worüber sie sich lustig machen konnten. Vielleicht hätten sie sonst über ihre Schuhe oder ihre Haarfrisur gelacht. Cora hatte auch über diese Sibylle gelacht. Warum eigentlich? Sie hatte doch schließlich nur Gutes bewirkt und allen Menschen Freude gemacht. Sollten so nicht alle Menschen sein?

Stattdessen hatte die Mitschülerin den Eindruck erweckt, man müsse die drei Söhne bewundern, die sich der Mutter entgegengestellt hatten und Böses verbreiteten. Bewunderte Cora die Menschen, die rücksichtslos und egoistisch waren, die ohne Gewissen anderen schadeten?

Tecky seufzte. Was sollte sie nur schreiben? Vielleicht irgendeine Geschichte erfinden? Das hatte sie doch bei Klaras Großmutter gelernt. Aber bevor sie ihre Fantasie bemühte, fiel ihr dann doch noch eine wahre Geschichte ein. Sie erinnerte sich daran, wie sie mit ihrer Freundin vor mehreren Jahren öfter an den Haustüren der älteren Leute geklingelt hatten, um sie an die Tür zu locken, und wie diebisch sie sich gefreut hatten, als die Senioren dann jedes Mal im Garten nachschauten, wer da störte.

Sie vertiefte sich in den kleinen Aufsatz.

Später lernte sie noch andere Lehrkräfte kennen, einen Lehrer und eine Referendarin und gewann den Eindruck, dass sie im Laufe der Zeit mit ihnen schon klarkommen würde. Bei den beiden gab es noch keinen normalen Unterricht, denn auch sie waren neu in der Schule und beschränkten die ersten Stunden auf ein gegenseitiges Kennenlernen und ein Besprechen des Lernmaterials.

***

Beim Mittagessen entschuldigte sich Tecky. „Tut mir leid, Mama, dass ich dir heute Morgen nicht Danke gesagt habe! Ich wollte eben bei den Mitschülern einen guten Eindruck machen und habe mich geärgert, dass sie gelacht haben. Aber Cora und Anna sind wirklich ziemliche Zicken, und ich glaube, dass wir noch Ärger miteinander bekommen werden.“

Frau Kaminski legte ihrer Tochter einen warmen Pfannkuchen auf den Teller. „Die isst du doch so gern. Eigentlich bin ich noch lange nicht fertig mit der Wohnung und habe keine Zeit. Aber wenn am Wochenende Papa kommt, wird er uns helfen können, dann kommen wir weiter.“

„Die schmecken super“, lobte Tecky ihre Mutter. „Wir haben noch keine Hausaufgaben auf. Da kann ich dir nachher noch etwas helfen. Gibt es etwas Bestimmtes?“

„Traust du dir zu, dich um die Blumen im Garten zu kümmern? Auf der Terrasse steht ein Karton mit den Pflanzen, die wir mitgenommen haben. Ich hätte sie gern so schnell wie möglich in dem kleinen Beet neben dem Haus, damit sie nicht eingehen. Es sind meine Lieblingsrosen.“