Todesgrüße aus der Reha - Hannes Wildecker - E-Book

Todesgrüße aus der Reha E-Book

Hannes Wildecker

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Beschreibung

In den Hunsrück-Reha-Kliniken, gelegen im Saarland, unmittelbar hinter der rheinland - pfälzischen Grenze geschehen zwei Morde. Die unterschiedlichen brutalen Tötungsarten lassen auf ein persönliches Hasspotential schließen. Hauptkommissar Becker und Kommissar Krüger vom saarländischen LKA gelangen in ihren Ermittlungen, begleitet vom Orkan "Sabine" und dem Virus COVID-19 schon bald an ihre Grenzen. Hauptkommissar Overbeck, der sich wegen eines Sportunfalls in der Reha befindet und während dieser Zeit eine Hiobs-Botschaft für seine Person erfahren muss, ermittelt vorerst im Hintergrund und kann damit einiges zur Klärung beitragen. Doch die lässt noch etwas auf sich warten, weil plötzlich eine weitere Person verschwindet und durch diese Tatsache Patienten und Bedienstete in höchste Alarmbereitschaft versetzt.

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Hannes Wildecker

Todesgrüße aus der Reha

Der letzte Fall für Overbeck

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

TODESGRÜẞE AUS DER REHA

Impressum

Ein etwas anderer Krimi

Inhalt

Zur Person

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Bisher von Hannes Wildecker erschienen:

Bisher von Hans J. Muth (Pseudonym von Hannes Wildecker) erschienen:

Impressum neobooks

TODESGRÜẞE AUS DER REHA

Hannes Wildecker

Der letzte Fall für Overbeck

Ein Saar-Hunsrück-Krimi

Impressum

Texte: Copyright by Hans Muth

Umschlaggestaltung: Hans Muth

Umschlagsfoto: Pixabay

Verlag: Rosalibre 2020

Hans Muth

Kapellenstr. 6

54316 Lampaden

[email protected]

www.hans-muth.de

Druck: epubli,

ein Service der neopubli, GmbH Berlin

Printed in Germany

Ein etwas anderer Krimi

Dieser Krimi ist ein Saar-Hunsrück-Krimi, er erfährt also im Gegensatz zur Reihe „Tatort Hunsrück“ eine Erweiterung ins benachbarte Saarland. Schauplatz ist eine Reha-Einrichtung, im Buch "Hunsrück-Reha-Klinik" genannt.

Was anders ist an diesem Krimi?

Ganz einfach: eine gewisse Anzahl der Protagonisten sind realistisch. Das heißt, es gibt sie tatsächlich unter ihrem richtigen Namen.

Sehr erfreut bin ich darüber, dass sich diese später im Roman Mitwirkenden spontan für die Handlung bereiterklärt haben.

Mein Dank geht an:

Roland John

Uwe Kautenburger

Steffi Jacobs

Robin Küsters

Hans-Dieter Dellwo

Ed Stevens

Petra Puhl

Die Handlung ist natürlich frei erfunden!

Inhalt

In den Hunsrück-Reha-Kliniken, gelegen im Saarland, unmittelbar hinter der rheinland - pfälzischen Grenze geschehen zwei Morde. Die unterschiedlichen brutalen Tötungsarten lassen auf ein persönliches Hasspotential schließen.

Hauptkommissar Becker und Kommissar Krüger vom saarländischen LKA gelangen in ihren Ermittlungen, begleitet vom Orkan „Sabine“ und dem Virus COVID-19 schon bald an ihre Grenzen.

Hauptkommissar Overbeck, der sich wegen eines Sportunfalls in der Reha befindet und während dieser Zeit eine Hiobs-Botschaft für seine Person erfahren muss, ermittelt vorerst im Hintergrund und kann damit einiges zur Klärung beitragen. Doch die lässt noch etwas auf sich warten, weil plötzlich eine weitere Person verschwindet und durch diese Tatsache Patienten und Bedienstete in höchste Alarmbereitschaft versetzt.

Zur Person

Hannes Wildecker, mit bürgerlichem Namen Hans J. Muth, geb. 1944 bei Sankt Goarshausen, ist deutscher Journalist und Autor. Unter dem Pseudonym Hannes Wildecker schreibt Muth die Krimi-Reihe „Tatort Hunsrück“.

Diese Kriminalromane spielen im Hunsrück und beschreiben neben dem eigentlichen Fall die Eigenarten der Natur und den natürlichen, bodenständigen Charme der Bewohner von Hunsrück und Hochwald mit ihren Besonderheiten und Problemen.

Hannes Wildecker ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Er lebt im Landkreis Trier-Saarburg.

„Todesgrüße aus der Reha“ ist der 9.Krimi aus der Reihe „Tatort Hunsrück“.

Prolog

Montag, 19,30 Uhr

Das Sprachgewirr im untersten Trakt der Hunsrück-Reha-Klinik begann langsam an Intensität zu verlieren. Die Schritte und die von ihren Hilfsmitteln begleiteten knackenden Geräusche wurden zunehmend leiser und verebbten schließlich. Aufzugtüren schlossen sich, Treppenhauszugänge fielen leise ins Schloss und die Rufe der Therapeuten, die sich gegenseitig einen erholsamen Feierabend wünschten, verstummten nach kurzer Zeit.

Nun sollte man annehmen, dass der gesamte Bereich im Untergeschoss der Klinik, dem sogenannten therapeutischen Trakt, bis zum kommenden Morgen, bevor die Behandlungsräume und Sportstätten wieder ihre Türen öffneten, in himmlische Ruhe fallen würde. Im Prinzip entsprach dies auch der Regelmäßigkeit, die sich in Jahrzehnten in diesem Trakt manifestiert hatte. In den meisten der endlos scheinenden Gänge und der Räumlichkeiten war dies auch heute Abend der Fall. In den meisten, ja … nicht aber in allen.

Dort, wo sich Roland John gerade zu dieser Zeit in den Tiefe der Klinik befand, war es für ihn wie ein Stück Heimat. Eine etwas andere Heimat, aber doch ein wichtiger Lebensbereich innerhalb seiner beruflichen Tätigkeit. Hier spulte er sein Tagespensum ab, hatte ständig mit Menschen wechselnder Charaktere zu tun und es gelang ihm auch stets, den berühmten Draht zu seinem Gegenüber aufzubauen. Das erwartete man auch von ihm, denn seine Patienten, alles Rekonvaleszenten mit irgendwelchen Gebrechen oder zurückliegenden Operationen, setzten in ihn, wie in alle Therapeuten des Hauses, ein großes Stück Hoffnung auf dem Weg zur Besserung. Denn das, was er als eine zweite Heimat für sich deklarierte, war nichts anderes, als die therapeutische Ebene im Untergeschoss der Hunsrück-Reha-Klinik im Saarland, gelegen nahe an der Grenze zum benachbarten Bundesland Rheinland-Pfalz.

John war, wie fast alle seine Kollegen, der typische Saarländer mit einer „Sprooch, wie der Mund gewachsen ist“ und mit der festen Überzeugung, dass das Saarland der bessere Teil der beiden Grenzländer sei. Aber das sahen die Rheinland-Pfälzer ebenso und so machten die einen beispielsweise ihre Witze über den anderen und umgekehrt, wobei oftmals derselbe Witz für beide herhalten musste.

Auch waren diese beiden Bundesländer charakteristisch ein gutes Stück voneinander entfernt. Auf der einen Seite der Rheinland-Pfälzer mit seiner oftmals knorrigen, aber direkten Art, auf der anderen Seite der Saarländer, lockerer in seiner Anschauungsweise, offen und zu begeistern für die banalen Dinge des Lebens.

So waren sie eben unterschiedliche, liebenswerte Nachbarn, beide Hochwälder, diesseits und jenseits des geografischen Teufelskopfs beheimatet, vor und hinter einer waldbedeckten Anhöhe im Schwarzwälder Hochwald, von weiten schon zu erkennen an dem 120 Meter hohen, inzwischen stillgelegten Fernseh-Sendemast.

Roland John hatte die Beleuchtung in dem therapeutischen Kraftraum gerade ausgeschaltet, als ein metallenes Geräusch ihn aufhorchen ließ. Es klang so, als berührten sich zwei Eisenteile leicht, denn das Geräusch war sofort wieder verschwunden. Eisenteile gab es in dem Raum reichlich. Trainingsmaschinen, Fahrräder und Hanteln waren Werkzeuge derjenigen, die sich in dieser Rehabilitations-Klinik von einer Operation oder einem Leiden erholten und mithilfe von Kraftmaschinen oder Gewichten wieder auf die Beine kommen wollten.

Die Bewegung seiner rechten Hand, die den Schlüssel in das Schloss der Eingangstür zum medizinischen Trainingsbereich einführen wollte, stockte. John drehte sich langsam um und durchpflügte mit zusammengekniffenen Augen den Raum, dessen Beleuchtung er bereits ausgeschaltet hatte. Die letzten Patienten hatten vor einer Stunde den Kraftraum verlassen und er selbst hatte noch den Papierkram erledigt, bevor auch sein beruflicher Tagesablauf in den Hunsrück-Kliniken dem Ende zu ging. Die therapeutische Ebene im Untergeschoss war nun menschenleer, die anderen Therapeuten hatten offensichtlich ihre Arbeit erledigt, und ihm oblag es nun, für endgültige Ruhe in diesem medizinischen Bereich zu sorgen.

„Hallo!“ Seine eigene Stimme widerhallte in dem riesigen Raum, doch er erhielt keine Antwort. Er verharrte noch einen Moment, legte den Kopf schief und schob das rechte Ohr nach vorne, als stärke dies seinen Hörsinn.

John schüttelte ärgerlich den Kopf und strich über sein blondes, schmales Kinnbärtchen. Er hatte sich verhört. Da war niemand mehr. Offensichtlich hatte sich das Klingen des aufeinanderschlagenden Metalls der Hantelscheiben vom vergangenen Tagesablauf in seinen Gehörgängen festgesetzt. Einen Tinnitus hatte er dank der täglichen Geräusche sowieso bereits davongetragen und eine Bescheinigung des Arztes lag ihm schon seit Langem vor.

Er lauschte erneut in die Dunkelheit hinein. Nein, da war niemand, da konnte niemand mehr sein. Und außerdem kam auf sein „hallo“ keine Antwort. Also, wer wollte sich schon über Nacht in einem Raum, der angefüllt war mit schwerem Eisen, einsperren lassen? Selbst einem Trainingswütigen würde die Zeit bis zum anderen Morgen zu lang werden. Nein, er hatte sich verhört.

Nicht zu überhören allerdings war das Getöse des seit Tagen von den Wetterfröschen prophezeiten Orkans „Sabine“, der sich, von Norden herkommend, inzwischen über das ganze Saarland gelegt hatte und den Menschen dort das Leben schwermachte. Zerstörte Häuser, Verkehrschaos und Überschwemmungen waren die Spuren, die er in den letzten Tagen in Gesamtdeutschland und darüber hinaus hinterlassen hatte.

John schickte sich erneut an, den Schlüssel ins Schloss zu führen, als er in das Stürmen des Orkans erneut ein metallenes Geräusch wahrnahm. Dieses Mal hatte er sich nicht getäuscht. Irgendetwas oder irgendjemand hatte dieses Geräusch verursacht. Irgendetwas war in diesem Raum. Ein Tier? Eine Katze?

„Hallo, ist da jemand?“, versuchte er es erneut und tastete sich, ohne die Beleuchtung einzuschalten, in Richtung der zahlreichen Geräte, an denen es tagsüber nur so von Patienten wimmelte. Er versuchte erneut, mit seinen Augen die Dunkelheit zu durchbrechen, und als er darin keinen Erfolg sah, entschloss er sich nun doch, langsam zu den Lichtschaltern zu schlurfen.

An der gegenüberliegenden Wand angekommen, streckte er seinen Arm aus, um den Schalter zu berühren, als sein Hals plötzlich von hinten von kräftigen Händen umklammert und er jäh zu Boden gezogen wurde. John versuchte, mit den Armen nach hinten zu schlagen, sich aus der Umklammerung zu befreien und Schreie zu artikulieren. Doch der Griff hielt ihn wie ein Schraubstock umklammert. Langsam erschlaffte seine Kraft und schließlich brach dunkle Nacht über ihn herein. Er spürte nicht mehr, wie er durch den gesamten Raum geschleift wurde, zu einer der zahlreichen Kraftmaschinen, die sich sein Peiniger offensichtlich bewusst für sein Vorhaben ausgesucht hatte.

Kapitel 1

Drei Tage zuvor, Freitag

Die Stimmung in der dritten Etage des Trierer Polizeipräsidiums war irgendwie deprimierend. Das Büro 324, in welchem Oberkommissarin Leni Schiffmann und ihr Kollege, Hauptkommissar Overbeck üblicherweise gemeinsam den Tageablauf und die damit verbundenen Ermittlungen bestritten, hatte, auch, wenn es sich nur um ein dienstliches Domizil handelte, irgendwie an Energie verloren.

Der Platz gegenüber von Leni, den Overbeck mit all seinem überschwänglichen Wesen mehr als nur besetzt hatte, war leer. Die lederne, mannshohe Trainingspuppe in der Büroecke, auf die Overbeck täglich eindrosch, hing in ihrem Halteseil, als warte sie darauf, dass ihr Besitzer wieder seine Hände und Beine gegen sie schwingen und den Raum mit klatschenden Geräuschen füllen würde.

Kriminal-Oberrat Peter Krauss durchpflügte mit bekümmerten Blick und großen Schritten das Büro von Hauptkommissar Overbeck und dessen Kollegin, Leni Schiffmann. Die Personalsituation im Kommissariat des Trierer Polizeipräsidiums für Mord und andere Kapitalverbrechen war verheerend und nun auch noch das: Overbeck, seinen Vorzeige-Ermittler, hatte es nun auch erwischt. Keine Grippe, damit hätte man für kurze Zeit auskommen können. Nein, der Herr Sportler hatte sich bei einem seiner Trainings-Einheiten das Sprunggelenk so sehr verletzt, dass er sich einer Operation unterziehen musste. Und nicht genug damit. Wie er, Krauss, soeben erfahren hatte, war für Overbeck eine Rehabilitations-Maßnahme angeordnet worden, die nun mindestens wiederum drei Wochen seine Abwesenheit von der Dienststelle begründen würde.

Krauss wusste um die Tatsache, dass asiatische Kampfsportarten zum Leben Overbecks dazugehörten. Aber nicht genug damit, dass er mehrmals in der Woche seiner Leidenschaft in so genannten Dojos als Sensei, also Meister und Trainer dieser Sportarten, nachging. Auch die Dienststelle missbrauchte er, so sah es Krauss nun mal, als eine Trainingsstätte, denn sein Büro zierte eine lebensgroße Trainingspuppe aus Leder, auf die er in jeder freien Minute losdrosch.

Viele interne Diskussionen hatte er diesbezüglich mit Overbeck geführt und, da er ihm sein Handeln dienstlicherseits nicht verbieten konnte, ihn angefleht, seinem Training ausschließlich in der Freizeit nachzugehen. Doch er war hierbei immer wieder auf Granit gestoßen.

Ich halte mich fit für den Dienst, war Overbecks wiederkehrende Begründung und Krauss blieb dann nur noch ein krampfhaftes Zähneknirschen.

Doch nun sollte er auf Overbeck weitere drei Wochen verzichten. Drei lange Wochen! Overbecks Team-Kollegin, Leni Schiffmann, konnte er nicht alleine zu irgendwelchen Ermittlungen oder Tatortaufnahmen entsenden. Er musste rasch nach einer Lösung suchen.

Leni hatte Kraus, während dieser unruhig im Büro umhergegangen war, wortlos beobachtet. Elegant ist er ja, sagte Leni zu sich selbst, als sie ihn in seiner Unrast beobachtete. Krauss hatte wieder einmal seinen mittelbaren Anzug bevorzugt, darunter ein weißes Hemd und eine dunkelblaue Krawatte. Blau schien seine Lieblingsfarbe zu sein, denn alle seine Kleidungskombinationen unter der Woche hatten immer einen blauen Einschlag.

Auch, als er plötzlich abrupt vor Leni stehenblieb und sie nachdenklich ansah, unterdrückte sie einen Kommentar. Sie wusste genau, was im Kopf von Krauss ablief. Er würde gleich mit der Sprache rausrücken. Sie musste nur warten.

„Wir beide werden zusammenarbeiten. Ja, so werden wir es machen, Frau Schiffmann.“

Die Äußerung ihres Vorgesetzten verschlug Leni kurz den Atem. „Wie meinen Sie das, Chef? Wir beide können doch nicht gemeinsam …“

„Doch, Frau Schiffmann, wir beide werden es tun. Wir werden gemeinsam ermitteln, solange Ihr Kollege außer Gefecht ist. Sagen Sie nicht, das sei Ihnen unangenehm.“

„Aber, Chef, Sie müssen doch hier … das Ganze …“

„Jaja, ich und das Ganze. Frau Schiffmann, dieses besagte Ganze habe ich auch im Griff, wenn ich mit Ihnen unterwegs bin. Wir sind doch nicht aus der Welt. Tut mir übrigens auch mal gut, wieder unter die Leute zu kommen.“ Und mit einem Lächeln fügte er hinzu: „Praxis und Entscheidungen unmittelbar am Tatort, das wird mir auch nach dieser langen Arbeit am Schreibtisch guttun.“

„Aber …“, versuchte Leni einen letzten Versuch, den Krauss sofort abwürgte.

„Kein Aber, Frau Schiffmann. Sie werden sehen, wir beide werden ein gutes Team bilden. Ich erinnere Sie nur an die Angelegenheit Lessing, in der Sie sich nachweislich in Lebensgefahr befunden hatten. Immerhin war ich ein Teil der Truppe, die Sie aus diesem Dilemma befreit hatte. Und …“, fügte er schnell spitzbübisch hinzu, „Sie haben sich dafür bei mir überschwänglich bedankt.“

„Ja, das stimmt, Chef. Ich wollte nicht ungerecht sein. Also packen wir es an. Doch im Moment haben wir ja keinen akuten Fall.“

Leni grinste in sich hinein und, als ob Krauss es mitbekommen hätte, legte er den Kopf schief und sah Leni kurz schweigend an.

„Der kommt noch, Frau Schiffmann, der kommt noch.“ Krauss drehte sich um, um das Büro zu verlassen, blieb dann aber kurz stehen und blickte zu Leni zurück. „Die Reha-Maßnahme Overbecks … wissen Sie, wo die stattfindet.“

„Ja, weiß ich. Hier.“ Leni kramte in ihrer Schreibtischschublade und brachte ein farbiges Prospekt zum Vorschein. „Ein Flyer der Einrichtung. Nicht weit von hier. Hat Overbeck zurückgelassen. Die Hunsrück-Reha-Klinik, direkt hinter der Landesgrenze im benachbarten Saarland. Wenn Sie Overbeck besuchen wollen … es sind nur wenige Kilometer“, grinste Leni ihren Chef frech an.

„Das fehlte noch.“ Krauss verließ unter Lenis Grinsen das Büro und zog die Tür hinter sich zu.

Leni atmete hörbar aus und erhob sich aus ihrem Bürostuhl. Ihre dunkelblaue Jeans lag wie immer eng an ihrem Körper an und der flauschige Mohair-Pullover, ebenfalls in einem dunklen Blau, passte hervorragend dazu.

Leni sah an sich herunter und dann in Richtung der Tür.

„Wir geben ja ein hübsches Pärchen ab“, dachte sie kopfschüttelnd. Das blaue Team, wie schnell hatte man unter Kollegen einen Spitznamen weg. Und das auch noch gemeinsam mit Krauss. Das musste sie verhindern. Morgen würde an ihrem Körper die Farbe Blau komplett fehlen.

Leni überlegte kurz, ob sie Overbeck anrufen sollte, entschied ich aber dagegen. Das erste, was ihr Overbeck mitgeteilt hatte, war die äußerst schlechte Mobil-Verbindung in die Klinik. Offensichtlich ein Problem, das genau in dieser Region auftrat und ganz einfach einem Funkloch zu verdanken war.

Ich müsste das Anwesen verlassen und mich auf eine Anhöhe nach draußen begeben, hatte Overbeck ihr per Mail mitgeteilt. Du kannst mich über WhatsApp erreichen, hatte er geschrieben. Aber verrate es bitte nicht weiter.

„Gott sei Dank fehlten Krauss diese Online-Kenntnisse “, sagte sich Leni und, obwohl Kraus die Mobil-Nummer von Overbeck hatte, konnte er in dieser Richtung, was die Social Medien anging, nichts ausrichten.

Leni sah auf ihre kleine goldene Armbanduhr und entschied sich gegen einen Anruf. Es war gerade mal 11.30 Uhr. Dass er sich in einer Anwendung befand, war sehr wahrscheinlich. Sie verschob ihr Ansinnen auf den Nachmittag.

Dass auf Overbeck turbulente Tage in der Reha warteten, das konnte Leni zu diesem Zeitpunkt nichts ahnen.

Kapitel 2

Dienstag, 06.15 Uhr

Das Leben in der Hunsrück-Reha-Klinik erwachte auf einen Schlag. Die hauseigenen Reinigungskräfte schoben ihre vollbeladenen Putzwagen in die einzelnen Etagen und von dort aus in die Flure, für die sie jeweils eingeteilt waren und begannen mit ihren Arbeiten.

Dass auch bereits viele der Patienten, die aufgrund der verschiedensten Ursachen, wie Schmerzen oder Schlaflosigkeit, mit Gehhilfen oder Rollatoren ihre Wege kreuzten, stimmte sie nicht unbedingt freundlich. Ihre größte Sorge bestand nämlich darin, dass einer der Frühaufsteher auf dem gerade gereinigten Fußboden zu Fall käme und die Vorwürfe an ihnen hängenbleiben würden, obwohl sie die Nahenden schon von Weitem lautstark auf die Gefahr hinwiesen.

So waren bereits am frühen Morgen, gegen fünf Uhr, die Flure und die Ruhebereiche mit ihren schweren, nicht unbedingt gemütlichen Sesseln zum Teil besetzt. Hier wartete man auf das Öffnen der Speisesäle, um endlich das ersehnte Frühstück einnehmen zu können.

Auch in der untersten Etage der Einrichtung, des eigentlichen Therapie-Zentrums, hatte die Reinigungskolonne ihre Arbeiten in den langen Gängen begonnen und säuberte, langsam, aber stetig, die Bodenreiniger vor sich herschiebend, Flure und Räume, bevor diese von den Therapeuten wieder in Gebrauch genommen wurden.

Doch die morgendliche Idylle fand ein jähes Ende.

Ein spitzer Schrei durchbrach das doch eher ruhige Arbeitstreiben. Er kam aus Richtung des medizinischen Kraftraumes, dessen Beleuchtung von der dort arbeitenden Reinemachefrau inzwischen eingeschaltet worden war. Im Vordergrund des grellen Lichtes sah man nun auch die weibliche, in einen roten Arbeitskittel gekleidete rundliche Person, die Hände über dem Kopf schwenkend, den Kraftraum in aller Eile verlassend.

„Was ist los, Smile?“, rief ihr eine korpulente Kollegin entgegen, offensichtlicher polnischer Abstammung wie die Angesprochene. „Hast du gesehen Teufel?“ Sie setzte zu einem Lacher an, doch irgendwie blieb ihr der sogleich im Hals stecken, als Smile weiter mit den Armen ruderte und hinter sich in den Raum wies.

„Blut!“, schrie Smile. „Viele Blut, Milena. Ist was passiert!“

„Hast du jemanden gesehen? Toter Mann oder so?“, rief Milena zurück. Es sollte wie ein Scherz klingen. Die Aussage, dass es Blut in dem Raum gebe, brachte sie nicht allzu sehr aus der Fassung. Vielleicht hatte sich jemand am Vorabend verletzt und man hatte es wieder einmal ihnen überlassen, die Sauerei am heutigen Morgen zu beseitigen.

„Nein, nein!“, rief Smile zurück. „Viel Blut! Ich viel Angst!“

„Ach Smile, du Angstkatze. Warte, ich komme. Wir werden zusammen sehen, was ist los.“

Milena schob den Reinigungswagen zur Seite, denn inzwischen kämpften sich die ersten Patienten mit ihren Gehhilfen durch die Gänge, um sich die Zeit bis zum Frühstück oder der ersten Behandlung an diesem Tag zu vertreiben.

Sie stieg die wenigen Stufen bis zur unteren Ebene des Traktes hinunter und betrat den Kraftraum, dicht gefolgt von Smile, die sich dicht in ihrem Windschatten hielt und leise vor sich hin jammerte.

„Lieber Gott, wenn doch Toter? Will nicht sehen.“ Während dieser Bemerkung versuchte sie krampfhaft, an Milenas linkem Arm vorbeizuschauen, um hoffentlich das zu sehen, was sie eigentlich nicht sehen wollte.

„Jeschus!“ Es war das Einzige, was Milena artikulieren konnte, als sie die von Smile beschriebene Blutlache erreichte. Denn was Smile in ihrer Hektik nicht erkannt hatte, sah Milena sofort.

Sie standen vor einer Kraftmaschine, deren Funktion darin bestand, dass der Patient mit der Kraft der gebeugten Beine einen Schlitten waagerecht vor- und zurückbewegte, während er wie auf einem Stuhl auf diesem Schlitten Platz genommen hatte. Neben der Maschine stand, gegen die Wand gelehnt, eine metallene Hantelstange.

Doch diese Dinge nahmen die beiden Frauen nur am Rande wahr. Der Anblick, der sich ihnen hinter der Kraftmaschine bot, entlockte Smile erneut einen spitzen Schrei, in den Milena reflexartig einstimmte.

„Komm, Smile, weg hier, Polizei muss kommen. Schnell, raus hier!“

Die beiden Frauen liefen, ohne sich noch einmal umzudrehen, zur Eingangstür, wo sie schwer atmend und unbeachtet von den vorüberhinkenden Patienten innehielten und, sich gegenseitig an den Händen haltend, auf einer Wartebank niederließen.

„Was ist denn hier los?“

Die Stimme gehörte einer schlanken Mittvierzigerin mit kurzem Haarschnitt und einer überdimensionalen runden Brille in dem schlanken Gesicht. Sie trug eine modische Sportbekleidung, bestehend aus einer grauen Sporthose und einem grauen, pinkfarben abgesetzten Oberteil, das optisch zu den ebenfalls pinkfarbenen Sportschuhen passte.

Die Frau war offensichtlich ein Mitglied der Therapeutencrew, den das Namensschild über ihrer rechten Brust gab Ausschluss darüber. Steffi Jacobs, Sporttherapeutin, war dort zu lesen und so begründete sich auch die Zielstrebigkeit, mit der sie auf die beiden Reinemachen-Frauen und den therapeutischen Trainingsraum zustrebte.

„Frau Jacobs, dem Herrn sei Dank, dass Sie daherkommen. Da drin …“, Milena zeigte in Richtung des Trainingsraume, „da ist was Schreckliches passiert.“ Als sie den ungläubigen Blick von Steffi Jacobs sah, schob sie leise nach: „alles voll Blut.“

Steffi schüttelte den Kopf zur Bestätigung, dass sie überhaupt nichts verstanden hatte und steuerte, ohne weitere Fragen zu stellen, zielstrebig auf die Tür zum Kraftraum zu. Immerhin war sie selbst unter anderem für das, was tagsüber in diesem Raum geschah, zuständig. Gemeinsam mit weiteren Kolleginnen und Kollegen führte sie die Aufsicht während der Therapiestunden, stand Rede und Antwort, wenn Patienten sie ansprachen und erklärte die Mechanismen der zahlreichen Kraftmaschinen.

Als sie sah, dass die beiden Frauen ihr mit gebeugtem Körper folgen wollten, winkte sie energisch ab. „Niemand außer mir betritt diesen Raum, bis feststeht, was es da drinnen so Ungewöhnliches zu sehen gibt.“

Langsam, in alle Richtungen witternd, durchschritt Steffi Jacobs die Halle und stand schließlich vor der von den Frauen beschriebenen Blutlache. Doch sofort bei ihrem ersten Hinsehen erkannte sie das, was die beiden polnischen Reinigungskräfte ihr nicht mitgeteilt hatten.

Es hatte den Anschein, als hätte jemand seine Perücke verloren. Unter der untersten von etwa zehn aufeinandergestapelten Gewichtsplatten des Gerätes, auf welchem im Sitzen horizontal Kniebeugen durchgeführt wurden, lugte ein blutdurchtränkter Haarschopf hervor.

Steffi spürte, wie ihre Knie weich wurden und sie tastete in ihrer Hosentasche nach ihrem Handy. Mit zitternden Händen wählte sie die Nummer des Rettungsdienstes, obwohl der Anblick ihr zuverlässig sagte, dass jede Hilfe zu spät kommen würde. Kurz erklärte sie dem Gegenüber in der Leitung, womit sie soeben konfrontiert worden war und beendete das Gespräch.

Die Polizei! Sie wählte die 110. „Kommen Sie bitte zu den Hunsrück-Reha-Kliniken. Im Kraftraum der Therapie-Abteilung, im Untergeschoss, ist ein Verbrechen geschehen.“ Sie erklärte kurz, was sie vorgefunden hatte und legte auf.

Dann hörte sie ein leises Geräusch.