Trau Dich, Sarah Jane - Gudrun Leyendecker - E-Book

Trau Dich, Sarah Jane E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Sarah Jane ist Restauratorin und soll im Schloss von St. Augustine alte Bilder des berühmten Malers Moro Rossini restaurieren. Sie entdeckt dabei ein gut gehütetes Geheimnis aus der Vergangenheit. Ein Jurist, ein Diätassistent, ein Kriminalpolizist, ein Schriftsteller und ein evangelischer Pfarrer interessieren sich für Sarah Jane, aber sie hat in der Vergangenheit mit einem Partner schlechte Erfahrungen gemacht und möchte allein bleiben. Ändert sie ihre Pläne?

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Sarah Jane ist Restauratorin und soll im Schloss von St. Augustine alte Bilder des berühmten Malers Moro Rossini restaurieren. Sie entdeckt dabei ein gut gehütetes Geheimnis aus der Vergangenheit. Ein Jurist, ein Diätassistent, ein Kriminalpolizist, ein Schriftsteller und ein evangelischer Pfarrer interessieren sich für Sarah Jane, aber sie hat in der Vergangenheit mit einem Partner schlechte Erfahrungen gemacht und möchte allein bleiben. Ändert sie ihre Pläne?

Inhaltsverzeichnis

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

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Kapitel

Kapitel

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Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

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1. Kapitel

Sara Jane durchquerte den langen Korridor und öffnete die kunstvoll geschnitzte Holztür.

In der Schlossküche von Sankt Augustine herrschte Hochbetrieb. Während der italienische Koch Gianni die frischgebackene Pizza aus dem Backofen holte, deckte die Hausangestellte Carla den langen Küchentisch, um den sich die im Schloss wohnenden Kunststudenten versammelt hatten.

Die Schlossherrin Adelaide, die ältere Dame mit leicht angegrautem Haar, schenkte Wein und Wasser in die geschliffenen Karaffen.

Vor nicht allzu langer Zeit hatte sich stets einer der Studenten nach der Herkunft des angebotenen Weines erkundigt, aber seit dem Tod des im vergangenen September verstorbenen Schlossherrn Moro Rossini, dem berühmten italienischen Maler und Bildhauer, wagten die Schlossbewohner nicht mehr, den Namen des Künstlers laut auszusprechen, da sie die Trauer und den Schmerz Adelaides nicht vergrößern wollten.

„Mahlzeit!“ rief die junge Restauratorin in die Runde. „Wenn man die Küche sucht, muss man nur diesem appetitlichen Duft nachgehen. Was habt ihr doch für ein Glück, eine wirklich originale Pizza essen zu können!“

Adelaide führte den neuen Gast zu einem freien Platz. „Es gibt hier keine Platzordnung. Aber hier neben Carla kannst du direkt auch einmal allen Wissensdurst über die Abläufe im Schloss stillen. Sie ist seit längerer Zeit hier im Schloss angestellt und hilft mir in jeder Weise beim Haushalt. Und da ihr beide im gleichen Alter seid, habt ihr euch bestimmt eine Menge zu sagen.“

„Ich könnte ihr bei der Essensausgabe etwas helfen“, schlug Sara Jane vor.

„Du kannst ihr später noch helfen. Beim Abräumen hat sie nichts dagegen. Aber es ist ihr ein großes Anliegen, meine Gäste hier vor und bei dem Essen etwas zu verwöhnen. Daran mussten sich die Studenten hier auch erst gewöhnen, aber mittlerweile haben sie es akzeptiert.“

Sara Jane setzte sich auf den ihr angebotenen Platz und beobachtete Carla, die eifrig zwischen den Gästen herumschwirrte, bis bei jedem ein Stück heiße Pizza auf dem Teller duftete. Mit einem einzigen Handgriff löste sie anschließend die Schürze, legte sie in einen hängenden Wäschesack und setzte sich neben die Restauratorin.

„Du bist also neu hier, Sara Jane. Herzlich willkommen! Adelaide hat mir schon gesagt, dass du eine Weile hierbleibst, um im Schloss einiges zu restaurieren.“ Sie lächelte freundlich und schenkte der jungen Frau einen Blick aus klaren, offenen Augen. „Wir werden bestimmt miteinander auskommen.“

„Danke dir! Ich freue mich schon auf die Zeit hier im Schloss. Es hat so eine schöne Atmosphäre. Das hat natürlich auch etwas mit den Bewohnern zu tun.“

„Ja, das Ehepaar Rossini hatte immer eine zauberhaft sonnige Ausstrahlung, die scheint sich überall hier in allen Räumen ausgebreitet zu haben. Und dadurch, dass unsere Schlossherrin hier lebt und überall noch seine Bilder hängen und seine Skulpturen aufzufinden sind, scheint auch sein guter Geist hier umzugehen.“

Sara Jane hob die Augenbrauen. „Aber doch nicht als Schlossgespenst?“

Carla lachte. „Nein. Adelaide trägt ihn immer in ihrem Herzen. Er war und ist ihre große Liebe. Aber davon werde ich dir später einmal erzählen. Jetzt iss erstmal, damit die Pizza nicht kalt wird!“

Sara Jane folgte ihrem Rat.

„Die schmeckt wirklich köstlich. Gianni ist großartig“, lobte sie den Koch. „Ich habe mir schon viele Zimmer im Schloss angeschaut, natürlich auch schon meine Koffer ausgepackt. Aber eins möchte ich doch gerne noch wissen: Wer war der kleine Jonas, in dessen Zimmer ich jetzt wohne?“

„Ehrlich gesagt, inzwischen ist er gar nicht mehr klein“, wusste Carla. „Er hat ein paar Jahre hier im Schloss gewohnt, als sich die Schlossherrin Adelaide noch im Rosenturm versteckte und dieses Traum-Liebespaar noch nicht verheiratet war. Jonas ist als zwölfjähriger Junge hier bei Rossini eingezogen und auch bei ihm großgeworden. Warum fragst du das? Hast du schon etwas von ihm entdeckt?“

„Ja, ich hatte in einer Schublade ein paar Zeichnungen von ihm gefunden, die mir sehr gefallen haben und eigentlich auf einen älteren Jungen hindeuteten. Dann muss er sehr begabt sein. Hat er das Zeichnen bei Rossini gelernt?“

„Das Zeichnen war nur eines seiner Hobbys. Aber er war ein kleiner Entdecker und ein kleiner Gelehrter. Moro hat ihn sehr geliebt. Aber wenn du mehr von ihm wissen willst, dann musst du nur in die kleine Bibliothek gehen, die sich neben Adelaides gelbem Salon befindet. Dort gibt es einige Heftchen und Tagebücher in denen recht interessante Dinge stehen.“

„Hast du das alles schon gelesen?“ erkundigte sich Sara Jane.

„Nein. Ich hab es nicht so mit dem Lesen. Und einiges von ihm ist mir auch zu philosophisch. Er glaubt an das Schicksal und denkt, dass die meisten Dinge im Leben schon vorbestimmt sind. Aber meine Meinung ist, dass man selbst auch sehr viel daran drehen kann. Und deswegen denke ich, dass er einfach nur ein jugendlicher Schwärmer war.“ „Aber das klingt doch sehr interessant. Hat denn überhaupt jemand diese Schriften schon ganz gelesen? Oder ist das nicht so viel?“

„Doch, das ist schon eine ganze Menge, denn er hat jedes Jahr ein neues Tagebuch geschrieben. Aber ich glaube, der einzige, der es gelesen hat, war Rossini selbst. Mir erscheint der kleine Schlingel ganz raffiniert. Er hat nämlich gesagt, wer alle meine Bücher gelesen hat, der findet am Ende einen Schatz. Wir glauben nicht, dass er damit eine reale Sache meint. Wir denken, er will uns einfach nur belehren, damit wir am Ende klüger sein sollen.“

„Und wo ist Jonas jetzt?“

„Das weiß ich nicht. Er hat dann irgendwo studiert. Aber wenn du das wissen willst, können wir einmal Adelaide fragen. Dir scheinen die Zeichnungen ja mächtig gefallen zu haben!“

„Das stimmt. Sie sind sehr ausdrucksvoll und sensibel, alle Feinheiten mit Liebe gemalt. Ich würde ihn gern einmal kennenlernen.“

Carla hustete. „Oh, em, ich dachte …, ich habe von dir gehört, du hättest bereits fünf Verehrer, die auch alle schon bei Adelaide nach dir gefragt haben. Ist da etwas Wahres dran?“

Sara Jane lachte. „Ich kenne sie alle schon eine ganze Weile. Und ich weiß wirklich nicht, was sie an mir finden, denn ich ermutige sie keinesfalls. Sie sind alle nett, alle fünf. Aber ich möchte sie wirklich nur als gute Freunde haben. Das reicht mir völlig.“

„Ich bin hier auch mittlerweile mit Bernhard, dem Gärtner verheiratet. Er spielt in der Musikband mit. Er ist ein wunderbarer Klarinettist und gibt auch manchmal Konzerte, das wirst du bestimmt noch erleben. Aber von den fünf Männern ist keiner dabei, der dein Herz anspricht?“

„Ich war schon einmal verliebt“, gestand Sara Jane. „Aber das war ein riesiger Reinfall. Da gehe ich jetzt lieber auf Distanz. Aber eine Bereicherung für das Leben, das sind diese fünf Herren natürlich. Der eine, Mathias Reger, das ist einfach ein großartiger Mensch. Er ist Seelsorger mit Herzblut und versorgt mich immer mit guten Sprüchen und hat auch sonst so manchen Rat für mich.

Einen solchen Freund kann man gebrauchen.“

Carla nickte zustimmend. „Das kann ich verstehen. Aber hier gibt es keine evangelische Kirche im Ort. Kommt er immer von so weit her, um dich zu besuchen?“

„Nein, er wohnt hier und arbeitet im Moment in einer Internatsschule, nur wenige Kilometer von hier weg.“

„Und die anderen Herren? Jetzt hast du mich neugierig gemacht.“

„Da gibt es einen Juristen, der arbeitet im Moment als Mediator, sein Name ist Patrick Wollenweber. Das verrate ich dir, weil er mit Sicherheit hier einmal auftauchen wird. Sein höchstes Anliegen ist die Gerechtigkeit, dafür lebt er mit ganzem Herzen. Und wenn du einmal Probleme hast, kann ich ihn dir nur empfehlen.“

„Zum Glück ist bei mir momentan alles in Ordnung. Aber man kann ja nie wissen. Wie schnell kommt man in eine Lage, in der man einen Rechtsbeistand braucht.“

„Ganz genau. Und wenn du etwas für deine Figur tun willst, dann musst du unbedingt meinen Freund Jan Fels kennenlernen. Der ist nämlich Diätassistent und kann dich in allen Ernährungsfragen beraten.“

Carla lachte. „Prima! Das können wir alle gut gebrauchen. Wir sind hier nämlich alle Feinschmecker und neigen dazu, auch Gewicht zuzulegen. Aber seit hier der neue Koch Gianni in der Küche waltet und wirkt, leben wir von der italienischen Küche, und bei der wird man ja bekanntlich nicht dick. Im Gegenteil, sie soll für Herzkranke sehr empfehlenswert sein.“

„Der vierte Freund von mir heißt Frederik Jansen …“

„… Den kenne ich!“ unterbrach sie Carla. „Das ist der neue Kollege unseres hiesigen Kriminalkommissars, dem Niklas Meyer, welcher immer alle Kriminalfälle im Schloss geklärt hat, oft gemeinsam mit der Journalistin Abigail Mühlberg, die mit ihrem italienischen Mann Ermanno ganz oben im Dachstübchen wohnt.“

Sara Jane lachte. „Oh, prima! Dann kennst du Frederik schon, dann muss ich ihn dir ja nicht mehr näher vorstellen. Als Kriminalkommissar ist er genial. Und er war auch schon bei ziemlich gefährlichen Einsätzen dabei.“

„Du hast wirklich interessante Freunde“, bemerkte Carla anerkennend. „Jetzt fehlt nur noch der fünfte. Wer ist das? Das ist ja unheimlich spannend.“

„Der fünfte, das ist ein Schriftsteller. Er ist lange in der Welt herumgereist, um Erfahrungen zu sammeln. Und jetzt schreibt er gerade sein erstes Buch. Vorher hat er immer mal für Zeitungen geschrieben oder auch mal als Journalist gejobbt. Sein Name ist Theo Welping.“

„Ist das ein normaler Name oder ein Pseudonym? Das klingt etwas merkwürdig.“

„Es ist sein ganz normaler Name, und er hat sich auf der ganzen Reise überlegt, ob er unter einem Pseudonym schreiben soll. Aber ihm ist bis jetzt noch keins eingefallen. Er hat mich auch schon danach gefragt, und ich habe meine ganze Fantasie angestrengt, aber keinen passenden Namen für ihn gefunden.“

Carla staunte. „Warum denn nicht? Ist er so ein seltsamer Kauz?“

Sara Jane schüttelte den Kopf. „Überhaupt nicht. Ich finde ihn sehr klug und glaube, dass Reisen wirklich bildet. Nicht nur durch Wissen, sondern auch durch die Erfahrungen, die man überall auf der Welt macht.“

„Das klingt doch wirklich ganz apart. Und in einen solchen Mann kannst du dich nicht verlieben?“

„Sie haben alle fünf etwas sehr Liebenswertes. Aber ich möchte hier bei euch im Schloss während meiner Restaurationsarbeiten erst einmal ein bisschen zur Ruhe kommen. Und auch mich fasziniert im Moment neues Wissen, wie diesen kleinen Kerl, den Jonas. Weißt du, wo genau ich seine Literatur finden kann?“

„Das kann ich dir gleich zeigen, wenn du Lust hast. Ich habe nämlich jetzt erst einmal Mittagspause, weil sich die Studenten darum reißen, jetzt in der Küche ein bisschen aufzuräumen. Sie mögen es, ihr Geschirr selbst in die Spülmaschine einzuräumen, was natürlich nicht besonders schnell geht, weil sie überhaupt kein Konzept haben und alle hintereinander an der Maschine stehen. Diesen Anblick erspare ich mir immer ganz gern und freue mich auf einen kleinen Schlossspaziergang mit dir. Hast du mit deiner Arbeit im Schloss schon angefangen?“

„Nein. Ich bin eben erst mit dem Einräumen meiner Klamotten fertig geworden und fand dann dabei diese schönen Zeichnungen. Vom Schloss habe ich schon ein bisschen gesehen, aber noch nichts vom Garten, weil es, als ich ankam, ganz fürchterlich geregnet hat.“

„Macht nichts! Das holen wir alles noch nach. Hast du hier ein Zeitlimit, oder wie lange kannst du hierbleiben?“

„Nein, ein Zeitlimit habe ich nicht. Man kann das nicht so gut einschätzen, bevor man hier die einzelnen Bilder und Skulpturen noch nicht genau untersucht hat. Ein paar Wochen werde ich schon hier im Schloss wohnen und, ehrlich gesagt, ich freue mich schon darauf.“

Carla grinste. „Ich glaube, ich weiß warum. Du willst dich hier ein bisschen verkriechen.“

„Genauso ist es. Und in der Kunst kann man das.“

„Ja, das sagt mir Bernhard auch immer. Wenn er irgendwo in einer Ecke des Gartens Klarinette spielt, dann ist er für niemanden erreichbar. Dann flüchtet er in die Welt der Musik. Dann wünsche ich dir hier eine schöne Zeit bei uns im Schloss§ Ich werde dafür sorgen, dass du wenig gestört wirst.“

2. Kapitel

In der kleinen Bibliothek gab es einige handgeschriebene Bücher.

Carla wusste genau, in welchem Regal Jonas' Werke versteckt standen und reichte Sara Jane ein in Blumenpapier gewickeltes Heft. „Dies hier ist sein erstes Buch, und da habe ich mich schon sehr über die Gedanken des kleinen Kerlchens gewundert. Ein paar Seiten habe ich davon gelesen, aber dann habe ich es wieder zurückgelegt, weil seine Gedanken meine Welt so wenig berühren.“

Die junge Restauratorin schlug die erste beschriebene Seite auf und fand dort die Überschrift: „Wie sich Menschen gegenseitig weh tun!“

„Das hört sich aber auch wirklich ziemlich kriminell an“, fand Sara Jane.

„Was mag der Junge denn alles erlebt haben? Sicherlich hat er eine schlimme Kindheit.“

„Ich weiß es nicht. Ich habe einmal kurz mit Adelaide darüber gesprochen. Sie meinte nur, dass es ihm jetzt gut ginge. Und da habe ich dann nicht mehr nachgehakt. Aber wenn du ein bisschen weiter liest, wirst du merken, dass er gar nicht so wahnsinnig spektakuläre Sachen erlebt hat. Er war wohl nur sehr sensibel und hat alles aus seiner eigenen sehr empfindsamen Sicht gesehen.“

„Ja, so etwas gibt es natürlich auch. Solch ein Empfinden ist wohl immer subjektiv. Trotzdem macht es mich neugierig, ich werde seine Bücher bestimmt lesen.“

„Wir dürfen hier alles lesen, was wir in den Bibliotheken finden. Das haben uns die Rossinis schon immer erlaubt. Und du wirst auch noch einige wichtige Bücher drüben im kleinen Museum finden, das die Journalistin Abigail Mühlberg nebenan ins Leben gerufen hat.“

„Davon habe ich etwas in eurem Kulturführer der Stadt gelesen. Sie hat wohl vergessene Künstler wieder ins rechte Licht gerückt und ihre verschollenen Werke der Allgemeinheit wieder zugänglich gemacht, nicht wahr?“

„Genau, das waren die Künstler, die man im sogenannten Dritten Reich verfolgt und ermordet hat. Abigail hat ihre Biografien herausgesucht und mithilfe der Bevölkerung ihre Kunstwerke hier Museum zusammengetragen.“

„Das freut mich, dass sie dabei so vielen Menschen etwas vermitteln kann. Kann ich mir dieses Museum auch einmal anschauen?“

„Natürlich. Es ist zu ganz bestimmten Zeiten geöffnet und die Schlossherrin verwahrt den Schlüssel. Am Anfang hatten wir es immer offenstehen, aber nachdem im Schloss schon einmal einige Dinge entwendet wurden, sind wir vorsichtiger geworden. Für diesen Besuch können wir uns einen besinnlichen Tag aussuchen, denn es nimmt einen oft mit, wenn man in die schlimme Vergangenheit zurückgeführt wird.“

„Und dessen sollten wir uns auch nicht schämen“, fand Sara Jane. „Mitgefühl ist das wenigste, dass wir im Moment dabei leisten können. Meinte Jonas vielleicht auch die schlimmen Verbrechen dieser Vergangenheit, als er von den Verletzungen sprach?“

„Nein, in dem Alter, als er diese ersten Zeilen schrieb, hat er nichts davon gewusst. Er schrieb einfach über zwischenmenschliche Beziehungen und hat da eine ganz merkwürdige These.“

Sara Jane blätterte in dem Heft. „Was denn für eine?“

„Er glaubt, dass ein Mensch durch sein falsches Verhalten den anderen auf Dauer krank machen kann, so krank, dass er sogar stirbt.“

„Führt er auch ein Beispiel an?“

„Ja, eine Partnerschaft zwischen einem Mann und einer Frau, in der der Mann ein ziemlicher Despot ist und seine Frau immer unterdrückt. Sie scheint sich daran zu gewöhnen, aber nur nach außen hin. Ihre Seele ist unzufrieden und wird langsam krank, und eines Tages stirbt sie an dieser Krankheit.“

„Was für Gedanken dieses Kind doch hat! Hat er das in seiner Kindheit vielleicht bei seinen Eltern erlebt?“

„Nein, die müssen sich gut verstanden haben, sind aber früh gestorben. Entweder konnte Jonas mit sehr viel Fantasie solche Dinge konstruieren, oder er hat dieses Beispiel irgendwo anders erlebt. Wenn er schreibt, meint man manchmal, da schreibt kein Kind, sondern ein alter Mann.“

Sara Jane überlegte. „Es gibt manchmal Menschen, die schon in ihrer Kindheit fast weise erscheinen. Die Esoteriker würden sagen, er wurde wiedergeboren und hat eine alte Seele.“

„Damit hatte Jonas nichts zu tun, viele seiner Weisheiten hat er aus der Bibel gezogen. Und wenn du dieses erste Heftchen durchliest, wirst du entdecken, dass er da alles zusammengetragen hat, was mit der Zahl „Sieben“ zusammenhängt.“

„Davon habe ich auch schon einmal gehört. Die Sieben ist eine heilige Zahl und wird besonders in der Bibel sehr stark hervorgehoben.“

„Dann glaube ich, werden dich die Schriften von Jonas sehr interessieren, und ich hoffe, dass du dir trotz dieser Renovierungsarbeiten genügend Zeit nimmst, in der Lektüre zu lesen. Ansonsten gibt es hier im Schloss noch viele andere Unterhaltungsmöglichkeiten. Die Musiker geben kleine Konzerte, und auch die anderen Künstler erbauen uns oft mit ihren Werken, zum Beispiel bei Ausstellungen. Ab und zu gibt es auch einen Tanzabend, den Abigail ins Leben gerufen hat. Hier im Schloss wird es uns nie langweilig.“

„Mir bestimmt nicht. Wenn ich schon hier all die Gemälde und Skulpturen sehe, die könnte ich mir tagelang betrachten und zu Gemüte führen. Rossini soll auch ein Fotozimmer haben, denn auch da hat er wohl ein künstlerisches Auge gehabt.“

„Tatsächlich war Moro auch ein ausgezeichneter Fotograf“, stimmte ihr Carla zu. „Bei den Künstlern haben wir da gerade Zuwachs bekommen. Erst gestern ist hier Edgar eingezogen, ein Kunststudent, der sich auf das Fotografieren spezialisiert hat. Aber ich habe noch keine Fotos von ihm gesehen, da kann ich mir also noch keine Meinung bilden.“

„Jedenfalls klingt das alles sehr interessant“, fand Sara Jane. „Die Wochen im Schloss werden sicher sehr erlebnisreich.“

3. Kapitel

Als Sara Jane im Garten die Rosenkulturen betrachtete, kündete sich Besuch an.

„Setz dich zu mir Mathias“, bat sie den jungen Pfarrer, der sie verliebt anblickte. „Hier am Venusbrunnen kann man wunderbar entspannen. Wie war dein Tag heute mit den Kids?“

„Wir hatten heute wieder einmal eine Diskussion über die Existenz Gottes“, verriet er ihr, „und wir haben uns am Ende der Stunde geeinigt, dass die Atheisten seine Nichtexistenz nicht beweisen können. Dabei hatte ich ein paar Schüler, die meinten, ein Beweis Gottes sei in unserer Existenz und in der Existenz der Natur und des gesamten Weltalls zu finden. Diese Gedanken haben mir sehr viel Hoffnung gemacht. Und wie war dein Tag? Konntest du schon etwas restaurieren?“

„Die Schlossherrin meinte, ich solle mir heute lieber noch einmal erst das Schloss und den ganzen Park ansehen, damit ich mich so richtig heimisch fühlen kann. Sie sind alle hier wirklich wahnsinnig nett zu mir.“

„Das hört sich gut an, fand er. „Wenn das Arbeitsklima stimmt, wird die die ganze Arbeit noch mehr Freude machen. Hier im Schloss gibt es wirklich Kultur pur, das spüre ich auch. Selbst im Garten ist man hier umgeben von Sinnesfreuden. Auch dieser Venusbrunnen ist künstlerisch sehr ansprechend.“

„Er hat auch schon eine kleine Historie“, wusste Sara Jane. „Das habe ich im Schlossführer gelesen. Und hier hat sich auch schon ein Paar kennengelernt, das für immer zusammenblieb.“

„Wie schön!“ fand Mathias und grinste. „Vielleicht ist das ja ein gutes Omen, dass wir beide hier auch gerade sitzen.“

Sara Jane versuchte, mit einem Lachen den Ernst der Situation zu schmälern. „Hier findest du an jeder Ecke irgendetwas, das mit Verliebten zu tun hat. Und wenn du die Liebesgeschichte von Moro und Adelaide Rossini kennst, dann weißt du auch, dass es hier der Ort ist, an dem sich die schönste Liebesgeschichte aller Zeiten abgespielt hat.“

„Wirklich? Ist sie so einzigartig?“

„Natürlich. Die beiden haben sich kennengelernt, als sie noch ganz jung waren. Und verliebt haben sie sich in einer Sternstunde, als sie sich in die Augen blickten, aus einer Entfernung von wenigen Metern. Da hat es dann gefunkt bei den beiden. Sie verlobten sich und führten eine Fernbeziehung, die daran scheiterte, dass der neun Jahre ältere Moro mit einem Seitensprung der Beziehung einen Schnitt versetzte. Zwar tat es Rossini kurz danach schon wieder leid, und er begann erneut, um Adelaides Gunst zu werben, was sie auch erst nur allzu gern geschehen ließ, aber als sie dann später merkte, dass sie ihm nicht mehr richtig vertrauen konnte, gab sie ihm bei seinem Heiratsantrag einen Korb. Erst nach vielen Jahren wurde den beiden das Glück vergönnt, ihre Beziehung wieder aufnehmen und am Ende auch gemeinsam leben zu können. Und diese Liebe ist unsterblich geworden, auch jetzt nachdem der Maler im September des vergangenen Jahres gestorben ist.“

„Das ist wirklich eine große Liebe“, stimmte ihr Mathias zu, „auch ein richtiges Gottesgeschenk.“

Sara Jane betrachtete das herabfallende Wasser des Brunnens. „Mir sind hier die Zeichnungen eines Jungens in die Hände gefallen, der hat wohl eine Weile hier bei Moro Rossini im Schloss gelebt. Nun hat sich herausgestellt, dass er hier auch sehr viel geschrieben hat und erstaunliche Gedanken hatte. Er heißt Jonas und scheint so ganz anders gewesen zu sein, als die normalen Jungen in seinem Alter.“

Mathias sah die Freundin erwartungsvoll an „Was meinst du damit? Worüber hat er sich Gedanken gemacht?“

„Das erste, das ich von ihm gelesen habe, galt den Beziehungen zwischen Mann und Frau. Er glaubte, dass man sich gegenseitig krank machen kann, bis hin zum Tod. Also, als ich das zu Ende gelesen habe, stellte er am Schluss so eine Hypothese auf, dass eine schlechte Behandlung eines Partners quasi auch zu einem