Unbestreitbare Wahrheit - Mike Tyson - E-Book

Unbestreitbare Wahrheit E-Book

Mike Tyson

4,8

Beschreibung

Mike Tyson ist ein legendärer "Box-Bösewicht" (BILD). Der jüngste Schwergewichts-Weltmeister in der Geschichte des Boxens (WBC, WBA und IBF) schlug seine Gegner oft schon in der ersten Runde K.O. Dann biss er Evander Holyfield das Ohr ab und wurde disqualifiziert. 500 Millionen Dollar hat er verprasst, Drogenprobleme, eine Verurteilung wegen Vergewaltigung und vieles mehr erlebt. Über all diese unglaublichen Ereignisse berichtet er unverblümt. "Ich bin manchmal ein schlechter Mensch und habe viel Schlimmes gemacht. Ich wünsche mir, dass man mir verzeihen kann."

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Aus dem Englischen übersetzt von

Michael Bayer, Karlheinz Dürr,

Antoinette Gittinger und Enrico Heinemann

www.hannibal-verlag.de

Impressum

Die Autoren: Mike Tyson mit Larry Sloman

Deutsche Erstausgabe 2014

Titel der Originalausgabe:

„Undisputed Truth“

©2013 by Tyrannic Literary Company LLC

ISBN 978-0-399-16128-5 (hardback) by Blue Rider Press, an imprint of Penguin Group (USA) LLC, 375 Hudson Street, New York, New York 10014

Coverdesign: www.bw-works.com/www.buchsatz.com

Coverabbildung: Karen Bleier/AFP/picturedesk.com

Layout und Satz: Thomas Auer, www.buchsatz.com

Übersetzung: Michael Bayer, Karlheinz Dürr, Antoinette Gittinger, Enrico Heinemann

Lektorat: Hollow Skai

Korrektorat: Dr. Matthias Auer

© by Hannibal

Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen

www.hannibal-verlag.de

ISBN 978-3-85445-442-7

Auch als Hardcover erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-441-0

Hinweis für den Leser:

Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Es kann jedoch keinerlei Gewähr dafür übernommen werden, dass die Informationen in diesem Buch vollständig, wirksam und zutreffend sind. Der Verlag und der Autor übernehmen weder die Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für Schäden jeglicher Art, die durch den Gebrauch von in diesem Buch enthaltenen Informationen verursacht werden können. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

Inhalt

Widmung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Bildstrecke 1

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Bildstrecke 2

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Epilog

Und noch ein Nachwort

Danksagung

Bildnachweise

Über die Autoren

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Widmung

Ich widme dieses Buch allen von der Gesellschaft Ausgestoßenen, jedem, der jemals ausgegrenzt, an den Rand gedrängt, ruhiggestellt, in den Schmutz getreten und fälschlicherweise angeklagt wurde und niemals Liebe erfahren durfte.

Prolog

Die sechs Wochen zwischen meiner Verurteilung wegen Vergewaltigung und der Verkündung des Strafmaßes verbrachte ich hauptsächlich damit, dass ich herumreiste und mich von meinen diversen Freundinnen sehr romantisch verabschiedete. Und wenn ich nicht mit ihnen zu Gange war, hatte ich alle Hände voll zu tun, all die Frauen abzuwehren, die mich anbaggerten: „Also ich werde bestimmt nicht sagen, dass du mich vergewaltigt hast. Du kannst mit mir kommen und uns filmen.“ Später begriff ich, dass sie mir damit vermitteln wollten: „Wir wissen, dass du es nicht getan hast.“ Aber ich fasste es nicht so auf und wies sie rüde zurück. Sie versuchten mich etwas aufzumuntern, ich wehrte sie jedoch ab, aus Schmerz. Ich war einfach ein ungehobelter, durchgeknallter, verbitterter Kerl, der noch viel an sich arbeiten musste.

Aber mein Ärger war zum Teil verständlich. Ich war ein junger Mann von 25 Jahren, den für ein Verbrechen, das er nicht begangen hatte, 60 Jahre Knast erwarteten. Lassen Sie mich hier wiederholen, was ich vor dem Voruntersuchungsgericht, während des Prozesses, bei meiner Urteilsverkündung, meiner Straferlass-Anhörung und nach der Entlassung aus dem Gefängnis sagte, und was ich weiterhin sagen werde, bis man mich unter die Erde bringt: „Ich habe Desiree Washington nicht vergewaltigt.“ Sie weiß es, Gott weiß es, und sie muss für den Rest ihrer Tage mit den Folgen ihrer Falschaussage leben.

Mein Promoter Don King versicherte mir immer wieder, dass man die Anschuldigungen fallenlassen werde. Er erklärte mir, er arbeite hinter den Kulissen, damit dieser Fall abgeschlossen werde. Außerdem habe er Vince Fuller engagiert, den besten Anwalt, den man zu einem Honorar von einer Million Dollar bekommen könne. Vince war zufällig Dons Steueranwalt. Und Don schuldete ihm wahrscheinlich Geld. Aber ich wusste von Anfang an, dass ich keine Gerechtigkeit erfahren würde. Mein Fall wurde nicht in New York oder Los Angeles verhandelt, sondern in Indianapolis, Indiana, historisch gesehen eine der Hochburgen des Ku-Klux-Klan. Meine Richterin, Patricia Gifford, war eine ehemalige Anklägerin im Bereich Sexualverbrechen und bekannt als „The Hanging Judge“, die Scharfrichterin. Ich war von einer Jury aus „Peers“, nämlich ihresgleichen, für schuldig befunden worden, unter denen sich nur zwei Schwarze befanden. Ein anderes schwarzes Jurymitglied war nach einem Feuerausbruch in dem Hotel, in dem die Jury untergebracht war, von der Richterin freigestellt worden – wegen seiner „mentalen Verfassung“, die darin bestand, dass ihm das Essen, das ihm serviert wurde, nicht schmeckte.

In meiner Welt gab es keine Peers. Ich war der jüngste Schwergewichts-Weltmeister in der Geschichte des Boxens. Ich war ein Titan, die Reinkarnation Alexanders des Großen. Ich war impulsiv, meine Abwehr war unüberwindbar, und ich war unbezähmbar. Es ist erstaunlich, wie ein geringes Selbstbewusstsein und ein riesiges Ego dich zu dem Trugschluss verleiten können, der Größte zu sein. Aber jetzt musste dieser Gott unter den Sterblichen seinen schwarzen Arsch erneut ins Gericht bewegen, um die Verkündung des Strafmaßes anzuhören.

Ich hoffte immer noch auf das Eingreifen der Götter. Calvin, ein guter Freund aus Chicago, erzählte mir von einer Frau, die Voodoo beherrsche und einen Zauber aussprechen könne, um mir damit das Gefängnis zu ersparen.

„Du pisst in einen Krug, legst fünf Hundertdollarscheine hinein, stellst den Krug drei Tage lang unters Bett und bringst ihn ihr dann, und sie wird darüber für dich beten“, erklärte mir Calvin.

„Und die Hellseherin nimmt dann die vollgepissten Hunderter aus dem Krug, spült sie ab und geht damit shoppen. Würde es dir etwas ausmachen, wenn dir jemand einen Hundertdollarschein schenken würde, auf den er gepisst hat?“, fragte ich Calvin. Ich war dafür bekannt, mit Geld um mich zu werfen, aber das ging sogar mir zu weit.

Dann versuchten ein paar Freunde, mich mit einem Voodoo-Priester bekanntzumachen, brachten aber einen Typen mit, der einen Anzug trug. Er sah nicht einmal wie ein Voodoo-Typ aus einem Drugstore aus. Dieser Arsch hätte abgerissen aussehen müssen oder ein Dashiki, ein westafrikanisches Gewand für Männer, tragen sollen. Ich wusste, an der Sache war nichts dran. Der Kerl hatte nicht einmal eine Zeremonie geplant. Er schrieb lediglich irgendeinen Unsinn auf einen Zettel und versuchte, mir irgendeinen Mist zu verkaufen, worauf ich aber nicht reinfiel. Ich sollte in einem seltsamen Öl baden, beten und ein Spezialwasser trinken. Aber ich zog den verdammten Hennessy vor und wollte ihn nicht mit Wasser verdünnen.

Ich war auch bereit, einen Santería-Priester irgendeinen Zaubertrick machen zu lassen. Eines Abends gingen wir mit einer Taube und einem Ei zum Gerichtsgebäude. Als der Vogel freigelassen wurde, ließ ich das Ei fallen und brüllte: „Wir sind frei!“ Ein paar Tage später zog ich meinen grauen Nadelstreifenanzug an und begab mich zum Gericht.

Nach der Urteilsverkündung verfassten meine Verteidiger ein Vorverurteilungs-Memorandum. Es war ein beeindruckendes Dokument. Dr. Jerome Miller, der Leiter des Augustus Institute in Virginia und einer der führenden Experten des Landes für erwachsene Sexualtäter, hatte mich untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass ich „ein sensibler und bedächtiger junger Mann sei, dessen Probleme nicht pathologischer Art seien, sondern eher das Ergebnis von Entwicklungsdefiziten.“ Er war davon überzeugt, dass meine Langzeitprognose bei regelmäßiger Psychotherapie recht gut sein würde. Und er kam zu dem Schluss: „Eine Freiheitsstrafe wird den Prozess nur weiter hinausschieben, ihn vermutlich behindern. Ich würde dringend empfehlen, dass weitere Optionen, die eine abschreckende Wirkung haben, aber zugleich auch eine Therapie ins Auge fassen, in Erwägung gezogen werden.“ Natürlich nahmen die Bewährungshelfer diesen letzten Absatz nicht mit in ihre Unterlagen auf. Dafür waren sie eifrig darauf bedacht, die Meinung des Staatsanwalts zu notieren: „Eine Beurteilung dieses Vergehens und des Straftäters lässt den Chefermittler dieses Falls, einen erfahrenen Kriminalbeamten für Sexualverbrechen, folgern, dass der Angeklagte wohl auch in Zukunft ein ähnliches Verbrechen begehen könnte.“

Meine Anwälte bereiteten einen Anhang vor, der 48 Zeugenaussagen über meinen Charakter enthielt, und zwar von so unterschiedlichen Leuten wie dem Rektor meiner Highschool, meinem Sozialarbeiter in Upstate New York, Sugar Ray Robinsons Witwe, meiner Adoptivmutter Camille, meinem Box-Hypnotherapeuten und sechs meiner Freundinnen (und ihrer Mütter), die alle rührende Berichte schrieben, in denen sie schilderten, dass ich mich ihnen gegenüber als perfekter Gentleman verhalten hätte. Eine meiner ersten Freundinnen aus Catskill schrieb dem Richter sogar: „Ich wartete drei Jahre, bevor ich Sex mit Mr. Tyson hatte. Kein einziges Mal hat er mich zu etwas gezwungen. Deshalb liebe ich ihn, denn er liebt und respektiert die Frauen.“

Aber natürlich wäre Don nicht Don gewesen, wenn er nicht wieder einmal alles übertrieben hätte. King veranlasste Reverend William F. Crockett, den Imperial First Ceremonial Master of the Ancient Egyptian Arabic Order Nobles Mystic Shrine of North and South America, einen Brief für mich zu verfassen. Der Reverend schrieb: „Ich flehe Sie an, ihm das Gefängnis zu ersparen. Auch wenn ich seit dem Prozess nicht mehr mit Mike gesprochen habe, weiß ich aus sicherer Quelle, dass er keine Obszönitäten mehr von sich gibt, täglich die Bibel liest, betet und trainiert.“ Natürlich war das alles Schwachsinn. Er kannte mich nicht einmal.

Don schrieb dem Richter einen persönlichen herzzerreißenden Brief. Man hätte denken können, dass ich eine Krebsbehandlung hinter mir, einen Friedensplan für den Mittleren Osten entworfen und sechs Kätzchen gesund gepflegt hatte. Er erwähnte meine Arbeit bei der Make-A-Wish-Foundation, wo ich kranke Kinder besucht hatte. Er informierte Richterin Gifford, dass wir jedes Mal an Thanksgiving 40.000 Truthähne an Arme verschenkten. Er schilderte zudem unsere Treffen mit Simon Wiesenthal, die solch tiefen Eindruck bei mir hinterlassen hätten, dass ich eine große Summe Geld gespendet habe, um seiner Organisation zu helfen, Nazi-Kriegsverbrecher zu jagen. Vermutlich hatte Don vergessen, dass der Klan die Juden genauso hasste wie die Schwarzen.

Don erging sich auf acht Seiten mit beredten Lobhudeleien über mich. „Es ist für einen Menschen seines Alters höchst ungewöhnlich, sich Gedanken um seine Mitmenschen zu machen, so viel Engagement und Hingabe zu zeigen. Das sind gottähnliche Eigenschaften, edle Qualitäten der Liebe, des Gebens und der Selbstlosigkeit. Er ist ein Kind Gottes, einer der liebenswürdigsten, sensibelsten, fürsorglichsten, liebevollsten und verständnisvollsten Menschen, die ich in meiner 20-jährigen Erfahrung mit Boxern je kennengelernt habe.“ Mist, Don hätte anstelle meines Anwalts das Schlussplädoyer halten sollen. Aber John Solberg, Dons PR-Mann, brachte die Sache auf den Punkt, als er Richterin Gifford schrieb: „Mike Tyson ist kein Mistkerl.“

Vielleicht war ich kein Mistkerl, aber auf alle Fälle ein arrogantes Arschloch. Während des Prozesses führte ich mich im Gerichtssaal so arrogant auf, dass man mir nie und nimmer eine Chance geben würde. Selbst im Augenblick meiner tiefsten Niederlage war ich kein demütiger Mensch. All das, was man über mich in dem Bericht geschrieben hatte, dass ich Geld und Truthähne verschenke, mich um Menschen kümmere, mich um die Schwachen und Kranken sorge, tat ich, weil ich ein demütiger Mensch sein wollte, aber nicht, weil ich es war. Ich wünschte mir so verzweifelt, demütig zu sein, aber ich besaß keinen Funken Demut.

Ausgerüstet mit all den Aussagen über meinen Charakter, erschienen wir am 26. März 1992 im Gerichtssaal vor Richterin Patricia Gifford zur Verkündung des Strafmaßes. Zeugen waren erlaubt, und Vince Fuller eröffnete den Prozess, indem er Lloyd Bridges, den geschäftsführenden Direktor des Riverside Residential Center in Indianapolis in den Zeugenstand rief. Meine Anwälte argumentierten, dass ich nicht ins Gefängnis wandern, sondern meine Strafe ausgesetzt werden sollte, und ich während meiner Bewährung in einem Rehabilitationszentrum untergebracht werden solle, wo ich meine Therapie mit gemeinnütziger Arbeit verbinden könne. Bridges, ein Geistlicher, leitete gerade ein solches Programm und bezeugte, dass ich sicherlich ein erstklassiger Kandidat für seine Einrichtung sei.

Aber die stellvertretende Staatsanwältin brachte Bridges dazu, einzugestehen, dass vor Kurzem vier Fluchtversuche aus seiner Einrichtung stattgefunden hatten. Und als er auch noch zugab, dass er mich in meinem Haus in Ohio interviewt habe und wir sein Flugticket bezahlt hätten, war die Sache gegessen. Es ging jetzt nur noch darum, wie viele Jahre mir die Scharfrichterin aufbrummen würde.

Fuller trat in den Zeugenstand. Es wurde Zeit, dass er seine Million-Dollar-Magie ins Spiel brachte. Stattdessen verzapfte er seinen üblichen Mist. „Man hat Tyson jede Menge angedichtet. Die Presse hat ihn verleumdet. Es vergeht kein Tag, an dem sie nicht auf seinen Schwächen herumhackt. Das ist nicht der Tyson, den ich kenne. Der Tyson, den ich kenne, ist ein empfindsamer, bedächtiger und verantwortungsbewusster Mann. Vielleicht wirkt er im Ring Angst einflößend, aber das ist sofort vorbei, wenn er ihn verlässt.“ Nun, das reichte bei Weitem nicht an Don Kings Übertreibungen heran, aber es war nicht übel. Fuller hatte mich während des gesamten Prozesses als wildes Tier und unausstehlichen Menschen geschildert, der nur auf sexuelle Befriedigung aus sei.

Dann wechselte Fuller das Thema, kam auf meine von Armut geprägte Kindheit und meine Adoption durch den legendären Boxtrainer Cus D’Amato zu sprechen.

„Aber das Ganze entbehrt nicht einer gewissen Tragik“, intonierte er. „D’Amato hatte nichts anderes als das Boxen im Sinn. Tyson, der Mensch, war für Cus D’Amato zweitrangig, weil er in erster Linie seine Boxqualitäten nutzen wollte.“ Camille, Cus’ langjährige Gefährtin, war außer sich. Es war, als beflecke Fuller Cus’ Andenken und pisse auf das Grab meines Mentors. Doch Fuller war nicht zu bremsen, redete immer weiter, redete an diesem Tag genauso zusammenhanglos wie während der gesamten Verhandlung.

Nun war ich an der Reihe, mich an das Gericht zu wenden. Ich erhob mich und trat hinter das Podium. Ich war wirklich nicht gut vorbereitet, hatte nicht einmal irgendwelche Notizen dabei. Aber ich hielt das Papier des verdammten Voodoo-Typen in der Hand. Und ich wusste auf jeden Fall eins: Ich würde mich für das, was sich in jener Nacht in meinem Hotelzimmer abgespielt hatte, nicht entschuldigen. Ich entschuldigte mich bei der Presse, dem Gericht und den anderen Kandidatinnen des Schönheitswettbewerbs Miss Black America, bei dem ich Desiree kennengelernt hatte, aber nicht für mein Handeln in meinem Hotelzimmer.

„Mein Verhalten war unmöglich, das will ich nicht abstreiten, aber ich habe niemanden vergewaltigt. Ich habe nicht einmal versucht, jemanden zu vergewaltigen. Tut mir leid.“ Dann konzentrierte ich mich wieder auf Greg Garrison, den Ankläger oder in meinem Fall Verfolger.

„Ich habe kein Privatleben mehr. Man hat mir wehgetan. Es war alles ein einziger großer Traum. Ich stehe nicht hier, um Sie um Gnade anzuflehen, Ma’am. Ich rechne mit dem Schlimmsten. Ich bin gekreuzigt worden. Ich bin weltweit gedemütigt worden, wurde gesellschaftlich diffamiert. Aber ich bin dankbar für jegliche Unterstützung, die mir zuteilwurde. Ich bin bereit für alles, was Sie mir auferlegen.“

Ich lehnte mich hinter dem Anwaltstisch in meinem Stuhl zurück, und die Richterin stellte mir ein paar Fragen dazu, ob ich mich als Vorbild für Kinder sehe. „Man hat mir nie beigebracht, wie ich mit meiner Popularität umgehen soll, ich erkläre den Kids nicht, dass es gut ist, Mike Tyson zu sein. Die Eltern geben bessere Vorbilder ab.“

Jetzt war die Staatsanwaltschaft an der Reihe. Statt des Rednecks Greg Garrison, der während der Verhandlung gegen mich gewettert hatte, trat jetzt sein Vorgesetzter Jeffrey Modisett, der Ankläger von Marion County, auf. Zehn Minuten lang erging er sich darin, dass Männer mit Geld und Ruhm keine Sonderprivilegien genießen sollten. Dann las er aus einem Brief von Desiree Washington vor: „In den frühen Morgenstunden des 19. Juli 1991 erfolgte ein Übergriff auf meinen Körper und meinen Geist. Ich war körperlich so geschwächt, dass mein Innerstes in Stücke brach. Das, was mich 18 Jahre lang ausmachte, ist jetzt kalt und leer. Ich weiß nicht, wie meine Zukunft aussehen wird. Ich weiß nur eins: Jeder Tag seit meiner Vergewaltigung war ein Kampf, wieder Vertrauen zu gewinnen, mein Lächeln wiederzufinden und die Desiree Lynn Washington zu finden, die mir und den Menschen, die mich lieben, am 19. Juli 1991 genommen wurde. Wenn ich mich über die Schmerzen ärgerte, die mein Angreifer mir verursacht hatte, verlieh Gott mir die Weisheit, zu erkennen, dass er psychisch krank ist. Obwohl mir oft die Tränen kommen, wenn ich im Spiegel den Schmerz in meinen Augen sehe, bin ich dennoch in der Lage, Mitleid mit meinem Vergewaltiger zu haben. Es war und ist nach wie vor mein Wunsch, dass er geheilt wird.“

Modisett legte den Brief beiseite. „Vom Tag seiner Verurteilung bis heute hat Tyson es immer noch nicht kapiert. Die Welt verfolgt jetzt, ob es Gerechtigkeit gibt. Es liegt in seiner Verantwortung, sein Problem einzugestehen. Dieser kranke Mann benötigt Heilung. Mike Tyson, der Vergewaltiger, darf nicht mehr frei herumlaufen.“ Und dann empfahl er mir zu meiner Heilung eine acht- bis zehnjährige Gefängnisstrafe.

Dann wurde Jim Voyles das Wort erteilt, um für mich zu sprechen. Voyles war der Anwalt, den Fuller als zusätzlichen Verteidiger engagiert hatte. Er war ein großartiger Kerl, mitfühlend, klug und amüsant. Er war der einzige meiner Anwälte, zu dem ich eine Beziehung herstellte. Außerdem war er ein Freund von Richterin Gifford und ein bodenständiger Kerl, der Verbindungen zur Jury von Indianapolis hatte. „Engagieren wir ihn“, erklärte ich Don zu Beginn meines Prozesses. Voyles hätte bestimmt einiges für mich herausgeholt. Aber Don und Fuller hielten ihn zum Narren. Sie ließen ihm keinerlei Handlungsfreiheit, machten ihn mundtot. Auch Jim war enttäuscht. Einem Freund gegenüber beschrieb er seine Rolle so: „Ich bin einer der weltweit bestbezahlten Bleistiftträger.“ Doch jetzt konnte er endlich sein Plädoyer vor Gericht halten. Er plädierte leidenschaftlich für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft statt einer Gefängnisstrafe, stieß aber auf taube Ohren. Richterin Gifford war bereit, ihr Urteil zu fällen.

Sie machte mir zunächst Komplimente für meine gemeinnützige Arbeit, meinen Umgang mit Kindern und meine Bereitschaft, mein „Vermögen“ zu „teilen“. Doch dann erging sie sich in einer Tirade über „Vergewaltigung während eines Dates“ und betonte, dass sie diesen Begriff hasste: „So wie er gebraucht wird, scheint er zu implizieren, dass es in Ordnung ist zu tun, was man will, wenn man eine Frau kennt oder sich mit ihr trifft. Allerdings definiert das Gesetz klar, was eine Vergewaltigung ist. Es erwähnt nie etwas darüber, ob der Angeklagte oder das Opfer in Beziehung zueinander stehen. Auch wenn die Vergewaltigung während eines Dates stattfindet, ändert dies nichts an der Tatsache, dass es sich um eine Vergewaltigung handelt.“

Meine Gedanken schweiften ab. Das hatte wirklich nichts mit mir zu tun. Wir hatten kein Date gehabt, sondern uns zu einem One-Night-Stand mit Hindernissen getroffen, wie der Comedian Bill Bellamy sagen würde. Das war’s. Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder der Richterin zu.

„Aufgrund seiner Einstellung besteht die Gefahr, dass er es wieder tut“, sagte die Richterin klar und deutlich und starrte mich an. „Sie haben keine Vorstrafen und sind mit vielen Talenten ausgestattet. Aber Sie sind gestrauchelt.“ Dann schwieg sie.

„In Anklagepunkt 1 verurteile ich Sie zu zehn Jahren“, sagte sie. „Verdammte Hexe“, murmelte ich vor mich hin und fühlte mich wie benommen. Das war der Vergewaltigungspunkt. Verdammt, vielleicht hätte ich das spezielle Voodoo-Wasser trinken sollen, dachte ich.

„In Anklagepunkt 2 verurteile ich Sie zu zehn Jahren.“ Don King und meine Freunde im Gerichtssaal rangen lautstark um Luft. Dieser Anklagepunkt war für die Benutzung meiner Finger. Fünf Jahre für jeden Finger.

„In Anklagepunkt 3 verurteile ich Sie zu zehn Jahren.“ Das war für den Einsatz meiner Zunge. Zwanzig Minuten lang. Vermutlich war das ein Weltrekord im Rahmen einer Vergewaltigung.

„Die Strafen können gleichzeitig verbüßt werden“, fuhr sie fort. „Außerdem belege ich Sie mit der Höchststrafe von 30.000 Dollar. Ich erlasse vier von diesen Jahren und setze vier Jahre auf Bewährung aus. In dieser Zeit unterziehen Sie sich einer psychoanalytischen Behandlung bei Dr. Jerome Miller und verrichten 100 Stunden gemeinnützige Arbeit im Bereich Jugendkriminalität.“

Fuller sprang jetzt hoch und plädierte dafür, dass ich gegen Kaution frei gelassen werde, während Alan Dershowitz, der berühmte Verteidiger, meine Berufung vorbereitete. Dershowitz befand sich im Gerichtssaal und verfolgte die Verkündung des Strafmaßes. Nachdem Fuller sein Plädoyer beendet hatte, trat Garrison, der ungehobelte Cowboy, auf den Plan. Viele behaupteten später, ich sei das Opfer von Rassismus gewesen. Aber ich glaube, Typen wie Modisett und Garrison taten eher so zum Schein. Letztlich kümmerte sie das Ergebnis der Verhandlung wenig; sie waren einfach scharf darauf, ihre Namen in den Schlagzeilen wiederzufinden. Garrison spielte sich auf und behauptete, ich sei ein „schuldiger, brutaler Vergewaltiger, der vermutlich zum Wiederholungstäter werden wird. Wenn man den Angeklagten nicht hinter Gitter bringt, spielt man die Schwere des Verbrechens herunter, wertet die Vollstreckung von Gesetzen ab, gefährdet andere Unschuldige und ermöglicht es einem Schuldigen, seinen Lebensstil fortzusetzen.“

Die Richterin pflichtete ihm bei. Keine Kaution. Was bedeutete, dass ich auf direktem Weg ins Gefängnis wandern würde. Sie wollte gerade den Hammer nehmen, um die Sitzung zu beenden, als plötzlich Unruhe im Saal entstand. Dershowitz war aufgesprungen, hatte sich seinen Aktenkoffer geschnappt und war aus dem Gerichtssaal geeilt, wobei er murmelte: „Ich werde dafür sorgen, dass Gerechtigkeit geschieht.“ Einen Moment lang herrschte Verwirrung, aber dann ließ die Richterin den Hammer auf den Tisch fallen. Die Verhandlung war vorbei. Der County Sheriff kam auf mich zu, um mich in Gewahrsam zu nehmen. Ich erhob mich, nahm meine Armbanduhr ab, löste meinen Gürtel und reichte alles, zusammen mit meiner Aktentasche, Fuller. Zwei Freundinnen von mir, die in der ersten Zuschauerreihe saßen, weinten hemmungslos. „Mike, wir lieben dich“, schluchzten sie. Camille stand auf und kam auf mich zu. Wir umarmten uns zum Abschied. Dann führte der Sheriff Jim Voyles und mich durch die Hintertür aus dem Gerichtssaal.

Man brachte mich nach unten, durchsuchte mich und nahm meine Fingerabdrücke. Vor dem Gerichtssaal wartete ein Mob von Reportern und umringte das Auto, das mich zum Gefängnis bringen sollte.

„Wenn wir aufbrechen, achte darauf, dass dein Mantel deine Handschellen bedeckt“, riet mir Voyles. Meinte er das wirklich ernst? Langsam wich die Benommenheit, und Wut wallte in mir auf. Sollte ich mich schämen, mit Handschellen gesehen zu werden? Die sind mein Ehrenabzeichen. Wenn ich die Handschellen verberge, bin ich ein Schwächling. Jim glaubte, wenn ich meine Handschellen verbarg, würde ich keine Scham empfinden, aber genau das hätte mich mit Scham erfüllt. Man musste mich damit sehen. Scheiß drauf, es sollte ruhig jeder sehen, dass ich welche umhatte. Ich würde jetzt auf eine Schule für Krieger gehen.

Wir verließen das Gerichtsgebäude und bahnten uns den Weg zum Polizeiauto. Stolz hielt ich meine Handschellen hoch. Und ich grinste, als wollte ich sagen: „Glaubt ihr diesen Scheiß wirklich?“ Dieses Bild von mir war dann überall auf der Welt auf den Titelseiten zu sehen. Ich stieg in das Polizeiauto, und Jim quetschte sich neben mich auf den Rücksitz.

„Nun, mein Junge, jetzt sind nur noch wir beide übrig“, scherzte ich.

Man fuhr mich in das „Diagnostic Center“, wo festgelegt wurde, in welche Art von Gefängnis ich gesteckt würde. Ich musste mich nackt ausziehen, vorbeugen und einer Leibesvisitation unterziehen. Dann gab man mir einen pyjamaähnlichen Anzug und ein paar Slipper und chauffierte mich zum Indiana Youth Center in Plainfield, einem Gefängnis für Straftäter der Stufe zwei und drei. Als ich am Ziel angelangt war, kochte ich vor Wut. Ich würde diesen Mistkerlen zeigen, wie man sich im Gefängnis verhielt. Auf meine Art. Es ist seltsam, aber ich erkannte erst spät, dass diese kleine weiße Richterin, die mich ins Gefängnis steckte, mir vielleicht das Leben gerettet hat.

Wir lagen mit den Puma Boys im Clinch. Ich lebte in Brownsville, Brooklyn, und diese Jungs stammten aus meiner Nachbarschaft. Damals hatte ich mich jedoch einer Gang der Rutland Road angeschlossen, den Cats aus dem nahe gelegenen Crown Heights, einer Bande von Typen aus der Karibik. Wir waren eine Bande von Einbrechern. Einige unserer Gangsterfreunde hatten einen heftigen Streit mit den Puma Boys, also begaben wir uns zum Park, um sie zu unterstützen. Gewöhnlich hatten wir mit Waffen nichts im Sinn, aber es ging um unsere Freunde, also stahlen wir ein paar, einen .357 Magnum Revolver und ein langes Gewehr mit Bajonett aus dem Ersten Weltkrieg. Wenn man einen Bruch machte, wusste man nie, was man vorfand.

Wir marschierten also ungeniert mit unseren Gewehren durch die Straßen, doch niemand hielt uns auf, kein einziger Bulle war unterwegs. Wir hatten nicht einmal einen Beutel, um das große Gewehr zu verstauen, also wechselten wir uns alle paar Blocks einfach mit dem Tragen ab.

„Da drüben rennt er ja“, rief mein Freund Haitian Ron. „Der Kerl mit den roten Pumas und dem roten Halseinsatz.“ Ron hatte den Typen, hinter dem wir her waren, erspäht. Als wir losrannten, teilte sich die riesige Menschenmenge im Park wie das Rote Meer vor Moses. Das war sehr vernünftig, weil einer meiner Freunde das Feuer eröffnete. Als die Schüsse fielen, kam es zu einem Gedränge.

Als wir weitergingen, sah ich, dass einer der Puma Boys zwischen den auf der Straße geparkten Autos in Deckung gegangen war. Ich hatte das M1-Gewehr, schnellte herum und sah, wie der lange Kerl die Pistole direkt auf mich gerichtet hielt.

„Was zum Teufel machst du da?“, raunzte er mich an. Es war mein älterer Bruder Rodney. „Verpiss dich!“

Ich lief dann einfach aus dem Park und nach Hause. Ich war damals zehn Jahre alt.

Ich sage oft, ich sei das schwarze Schaf der Familie gewesen, aber wenn ich darüber nachdenke, war ich den größten Teil meiner Kindheit über sehr sanftmütig. Ich kam am 30. Juni 1966 im Cumberland Hospital im Fort Greene-Bezirk von Brooklyn, New York, zur Welt. Meine frühesten Erinnerungen drehen sich um Aufenthalte in der Klinik – ich hatte ständig Lungenprobleme. Einmal tauchte ich den Daumen in irgendeinen Rohrreiniger und steckte ihn dann in den Mund. Man brachte mich im Eiltempo in die Klinik. Weiter erinnere ich mich noch, wie mir meine Patentante ein Spielzeuggewehr schenkte, das ich aber sofort demolierte.

Über meine Familie weiß ich nicht sehr viel. Meine Mutter Lorna Mae war New Yorkerin, wurde aber in Virginia geboren. Mein Bruder ist mal dorthin gefahren, um sich die Gegend anzugucken, in der meine Mutter aufgewachsen ist, aber da gab es nichts außer Wohnwagensiedlungen. Ich bin also ein echter Trailer-Park-Nigga. Meine Großmutter Bertha und meine Großtante arbeiteten in den Dreißigern für eine Weiße, zu einer Zeit, in der die meisten Weißen keine Schwarzen mehr für sich arbeiten ließen. Bertha und ihre Schwester waren so dankbar, dass sie beide ihre Töchter Lorna tauften – nach der weißen Lady. Mit dem Geld, das Bertha bei ihr verdiente, schickte sie ihre Kinder aufs College.

Das K.o.-Gen habe ich vermutlich von meiner Großmutter geerbt. Die Cousine meiner Mutter erzählte mir mal, dass der Mann in der Familie, für die sie arbeitete, seine Frau schlug, was Berta gar nicht gefallen habe. Und sie war eine kräftige Frau.

„Lassen Sie sie in Ruhe“, warnte sie ihn.

Er fasste es als Scherz auf, doch sie versetzte ihm einen Kinnhaken und beförderte ihn zu Boden. Als er Bertha am nächsten Tag sah, fragte er: „Wie geht es Ihnen, Miss Price?“ Und ab da vergriff er sich nie wieder an seiner Frau und wurde ein anderer Mensch.

Meine Mom war allgemein beliebt. Als ich geboren wurde, arbeitete sie als Gefängnisaufseherin im Women’s House of Detention in Manhattan, bereitete sich aber nebenher auf den Lehrerberuf vor. Sie war drei Jahre lang aufs College gegangen, bevor sie meinen Vater kennenlernte. Als er krank wurde, musste sie aber abgehen, um ihn pflegen zu können. Trotz ihrer guten Ausbildung besaß sie jedoch keinen guten Geschmack, was Männer betraf.

Über die Familie meines Vaters weiß ich sehr wenig. Im Grunde kannte ich ihn eigentlich gar nicht, das heißt den Mann, den man als meinen Vater ausgab. Auf meiner Geburtsurkunde stand, mein Vater sei Percel Tyson. Nur haben mein Bruder, meine Schwester und ich diesen Kerl nie gesehen. Uns allen wurde erklärt, unser biologischer Vater sei Jimmy „Curlee“ Kirkpatrick Jr. Doch er trat kaum in Erscheinung. Später hörte ich Gerüchte, Curlee sei ein Zuhälter und erpresse Frauen. Doch dann bezeichnete er sich plötzlich als Diakon der Kirche. Deswegen sage ich jedes Mal, wenn ich höre, dass sich jemand als Reverend bezeichnet, „Reverend Zuhälter“. Wenn man genau darüber nachdenkt, stellt man fest, dass diese religiösen Typen das Charisma eines Zuhälters haben. Sie könnten jeden in die Kirche locken und dazu bringen zu tun, was immer sie von ihm verlangen. Für mich sind sie also immer „Bischof Zuhälter“ oder „Reverend Ike, Zuhälter“.

Curlee besuchte uns immer dort, wo wir gerade wohnten. Er und meine Mutter sprachen nie miteinander, er drückte lediglich auf die Hupe, und wir gingen hinunter zu seinem Auto, stiegen in seinen Cadillac und dachten, wir machen einen Ausflug nach Coney Island oder zum Brighton Beach, doch er fuhr einfach ein paar Minuten mit uns durch die Gegend und brachte uns dann nach Hause zurück, steckte uns etwas Geld zu, verpasste meiner Schwester einen Kuss und schüttelte meinem Bruder und mir die Hand – und das war’s. Vielleicht würde ich ihn ein anderes Mal wiedersehen.

Meine erste Wohngegend war Bedford-Stuyvesant in Brooklyn, damals ein anständiges Wohnviertel der Arbeiterklasse. Jeder kannte jeden. Es lief alles recht normal. Aber Ruhe gab es keine. Jeden Freitag und Samstag herrschte im Haus ein Tumult wie in Las Vegas. Meine Mom lud all ihre Freundinnen, von denen viele im horizontalen Gewerbe arbeiteten, zum Kartenspielen ein. Sie schickte dann ihren Freund Eddie los, Schnaps zu besorgen, und sie kippten den Alkohol nur so hinunter. Den Gewinn jedes vierten Spiels musste die Gewinnerin in den Topf werfen, und der gehörte Mom. Dann bereitete meine Mutter Hähnchenflügel zu. Mein Bruder erinnert sich, dass in unserem Haus außer den Nutten auch Gangster, Detektive, ja, die unterschiedlichsten Menschen verkehrten.

Wenn meine Mutter Geld hatte, verprasste sie es. Sie liebte Gesellschaft und lud immer ein paar Freundinnen und auch diverse Männer zu sich ein. Und alle ließen sich volllaufen bis zum Abwinken. Sie selbst rauchte kein Marihuana, aber alle ihre Freunde, die sie mit dem Stoff versorgte, taten es. Sie selbst rauchte lediglich Zigaretten. Die Freundinnen meiner Mutter waren Prostituierte oder zumindest Frauen, die für Geld mit Männern schliefen. Sie lieferten ihre Kids bei uns ab, wenn sie sich mit Männern trafen. Wenn sie ihre Kinder dann bei uns abholten, kam es vor, dass sie Blut auf der Kleidung hatten. Meine Mom half ihnen, sich zu säubern. Als ich eines Tages nach Hause kam, fand ich ein weißes Baby vor. „Was soll denn dieser Scheiß?“, dachte ich. Aber so war mein Leben.

Mein Bruder Rodney war fünf Jahre älter als ich, sodass wir wenig gemeinsam hatten. Er ist ein seltsamer Kerl! Wir sind Schwarze aus dem Ghetto, und er war wie ein Wissenschaftler, hatte jede Menge Teströhrchen und experimentierte ständig herum. Er besaß sogar eine Münzsammlung, nach dem Motto: „Wenn es die Weißen haben, steht es mir auch zu.“

Einmal ging er ins Chemielabor im Pratt Institute, einem College der Umgebung, und holte sich ein paar Chemikalien zum Experimentieren. Als er ein paar Tage später außer Haus war, schlich ich in sein Zimmer und füllte seine Teströhrchen mit Wasser. Das gesamte Fenster zum Hinterhof flog in die Luft. Daraufhin musste er ein Schloss an seiner Tür anbringen lassen.

Ich hatte viel Streit mit ihm, aber es war die typische Geschichte zwischen einem älteren und einem jüngeren Bruder. Doch eines Tages verwundete ich ihn mit einem Rasiermesser. Er hatte mich wegen irgendwas verprügelt und war dann schlafen gegangen. Zusammen mit meiner Schwester Denise sah ich mir im Fernsehen immer eine dieser Arztserien an. Gerade wurde eine Operation gezeigt. „Das könnten wir nachmachen, und Rodney könnte der Patient sein. Ich bin der Arzt und du die Krankenschwester“, erklärte ich meiner Schwester. Also rollten wir seinen linken Ärmel hoch und los ging’s. „Skalpell“, befahl ich, und meine Schwester reichte mir ein Rasiermesser. Ich machte einen kleinen Schnitt, und er fing an zu bluten. „Schwester, wir brauchen Alkohol“, sagte ich. Sie reichte ihn mir, und ich träufelte ihn auf seine Wunde. Er wachte brüllend auf und jagte uns durchs Haus. Ich versteckte mich hinter meiner Mutter. Noch heute hat er Narben von meinen Schnitten.

Aber wir verlebten auch gute Zeiten miteinander. Einmal ging ich mit meinem Bruder die Atlantic Avenue hinunter, und er sagte: „Komm, lass uns zur Donuts-Fabrik gehen.“ Ein paar Tage zuvor hatte er dort ein paar Donuts gestohlen, und ich glaube, er wollte mir zeigen, dass er es erneut tun konnte. Also schlenderten wir dorthin; das Tor stand offen. Er ging hinein und schnappte sich ein paar Donuts-Schachteln, aber plötzlich schloss sich das Tor. Er konnte nicht mehr raus, und die Wachmänner setzten sich in Bewegung. Also gab er mir die Donuts, und ich rannte damit heim. Meine Schwester und ich setzten uns auf die Veranda und stopften die Donuts in uns hinein; unsere Gesichter waren weiß vom Puderzucker. Unsere Mom stand daneben und unterhielt sich mit der Nachbarin.

„Mein Sohn Rodney hat den Test für die Brooklyn Tech mit Bravour bestanden“, prahlte sie. „Er ist der beste Schüler seiner Klasse, wirklich ein Überflieger.“

Just in diesem Moment fuhr ein Polizeiauto vor, mit Rodney auf dem Rücksitz. Die Polizei wollte ihn rauslassen, aber er hörte, wie unsere Mutter von ihrem guten Sohn schwärmte und bat die Polizisten, weiterzufahren. Man brachte ihn direkt nach Spofford, in ein Jugendgefängnis. Meine Schwester und ich verputzten fröhlich sämtliche Donuts.

Den Großteil meiner Zeit verbrachte ich mit meiner Schwester Denise. Sie war zwei Jahre älter als ich und in der Nachbarschaft sehr beliebt. War sie dein Freund, dann war sie dein bester Freund. Aber war sie dein Feind, dann war es besser, sich aus dem Staub zu machen. Wir machten Lehmkuchen, schauten uns im Fernsehen Wrestling und Karatefilme an und begleiteten unsere Mutter zum Einkaufen. Es war ein behagliches Leben, aber dann wurde plötzlich von heute auf morgen alles anders. Ich war gerade sieben Jahre alt.

Die Wirtschaft brach ein, meine Mom verlor ihren Job, und wir wurden aus unserer hübschen Wohnung in Bed-Stuy geworfen. Ein paar Männer kreuzten auf und stellten einfach unsere Möbel und den sonstigen Kram auf den Gehsteig. Wir drei Kinder mussten uns auf die Möbel setzen und darauf achten, dass niemand sie wegnahm, während meine Mutter sich auf die Suche nach einer Bleibe für uns begab. Als ich so dasaß, kamen ein paar Nachbarkinder und fragten: „Mike, weshalb stehen eure Möbel hier draußen?“ Wir erklärten ihnen einfach, dass wir umzögen. Daraufhin brachten uns ein paar freundliche Nachbarn etwas zu essen.

Schließlich landeten wir in Brownsville. Was für ein Unterschied zu unserer vorherigen Wohngegend! Hier waren die Menschen viel lauter, viel aggressiver. Es war eine grauenhafte, brutale Umgebung. Meine Mutter war diese Art von aggressiven Schwarzen nicht gewohnt und daher eingeschüchtert, ebenso mein Bruder und meine Schwester. Hier war alles feindselig, es gab überhaupt keine ruhigen Momente. Ständig fuhren Polizeiautos mit ihren Sirenen vorbei, pausenlos waren Krankenwagen unterwegs, um jemanden abzuholen, und immer wieder hörte man Schüsse, oder jemand wurde erstochen oder Fenster zersplitterten. Eines Tages wurden mein Bruder und ich sogar direkt vor unserem Haus ausgeraubt. Wir beobachteten diese Jungs, die einfach wild herumschossen. Es war wie in einem alten Film mit Edward G. Robinson. Wir wollten uns das Ganze ansehen und sagten: „Wow, das ist also das wahre Leben.“

Die gesamte Umgebung war auch eine Brutstätte sexueller Ausschweifung. Alle waren völlig schamlos. Sogar auf der Straße hörte man: „Blas mir einen“ oder „Leck meine Muschi“. Hier herrschte eine völlig andere Lebensweise als in meinem alten Viertel. Eines Tages zerrte mich ein Junge von der Straße, schob mich in ein verlassenes Gebäude und versuchte, sich an mir zu schaffen zu machen. Auf den Straßen fühlte ich mich nie richtig sicher. Ja, wir waren nicht einmal mehr in unserer Wohnung sicher. In Brownsville gab es keine Partys mehr. Meine Mutter schloss wohl ein paar Freundschaften, aber es war nicht mehr so wie in Bed Stuy. Sie fing an zu trinken, trank immer mehr und bekam auch keinen neuen Job mehr. Also stand ich stundenlang mit ihr im Sozialamt an. Es waren endlose Warteschlangen. Als wir nach Stunden endlich vor dem Schalter standen, war es fünf Uhr, und wir lasen: „Geschlossen“. Es war wie in einem Film.

Auch in Brownsville wurden wir rausgeschmissen, und nicht nur einmal. Ab und zu hatten wir eine anständige Wohnung in einer ordentlichen Wohngegend, wenn uns Freunde meiner Mutter oder einer ihrer Liebhaber aufnahmen. Doch im Allgemeinen wurden die Verhältnisse bei jedem Umzug schlechter. Erst waren wir arm, dann sehr arm und schließlich bettelarm. Am Ende lebten wir in Abbruchhäusern, ohne Heizung, Wasser oder Strom. Im Winter schliefen wir alle im selben Bett, um uns gegenseitig zu wärmen. Dort blieben wir, bis irgendein Kerl uns rauswarf. Meine Mutter ging dann los, um eine andere Bleibe für uns zu suchen, was oft bedeutete, dass sie mit jemandem schlief, aus dem sie sich nicht viel machte. So liefen die Dinge damals.

Sie wollte uns das Obdachlosenheim ersparen, also bezogen wir das nächste abbruchreife Haus. Es war traumatisch, aber was konnten wir tun? Was ich von meiner Mutter gelernt habe, hasse ich an mir: Ich schreckte vor nichts zurück, um zu überleben.

Ich erinnere mich noch genau, wie Sozialarbeiter in unsere Wohnung kamen und nach Männern unter dem Bett suchten. Im Sommer bekamen wir kostenloses Frühstück und Essen. Ich erklärte, dass wir zehn Kinder seien, sodass man uns größere Portionen gab. Ich fühlte mich dabei, als wäre ich gerade in den Krieg gezogen und hätte eine Prämie erhalten. Man ist so stolz, dass man was zu essen im Haus hat. Können Sie sich diesen Schwachsinn vorstellen? Sie öffnen den Kühlschrank und sehen das verdammte Fleischwurst-Sandwich, die Orange und die kleine Milchpackung. 20 davon. Ich lud ein paar Leute ein und fragte: „Bruder, brauchst du was zu essen? Hast du Hunger? Wir haben Essen.“ Wir taten so, als hätten wir hart verdientes Geld dafür bezahlt. Dabei war alles umsonst.

Als ich klein war, war ich ein Mamakind, schlief immer bei meiner Mutter im Bett. Meine Schwester und mein Bruder hatten ihr eigenes Zimmer, aber ich schlief bei meiner Mutter, bis ich 15 war. Einmal schlief meine Mutter mit einem Mann, während ich danebenlag. Sie dachte wohl, dass ich schlafen würde. Ich bin mir sicher, dass dies nicht ohne Wirkung auf mich blieb, aber die Dinge waren eben so, wie sie waren. Als ihr Freund Eddie Kelvison auf der Bildfläche erschien, wurde ich auf die Couch verfrachtet. Die Liebesbeziehung zu ihm tat meiner Mutter nicht gut. Vermutlich waren deshalb meine eigenen Beziehungen so seltsam. Sie ließen sich volllaufen, stritten und vögelten miteinander, zerstritten sich, begannen wieder zu trinken, zu streiten und zu vögeln. Sie liebten sich wirklich, auch wenn es eine echt kranke Liebe war.

Eddie war ein kleiner, gedrungener Typ aus South Carolina, der als Vorarbeiter in einer Waschmaschinenfabrik arbeitete. Er war in der Schule nicht sehr weit gekommen, und als mein Bruder und meine Schwester in die 4. Klasse kamen, konnte er ihnen bei den Hausaufgaben nicht mehr helfen. Eddie war ein sehr dominanter Typ und meine Mutter eine sehr dominante Frau, sodass ständig die Hölle los war. Immer war irgendein Streit im Gange, und die Bullen tauchten auf und rieten: „He, Kumpel, geh doch einfach mal um den Block.“ Manchmal wurden wir alle in den Streit mit hineingezogen. Eines Tages hatten meine Mutter und Eddie einen heftigen Streit, der sogar in eine Schlägerei ausartete. Ich versuchte, Eddie zurückzuhalten, doch er versetzte mir einen Schlag in den Magen, und ich ging in die Knie und dachte: „Oh Gott, das kann doch nicht wahr sein!“ Ich war doch noch ein Kind. Das ist der Grund, weshalb ich später nie die Hand gegen meine eigenen Kids erhob. Ich wollte nicht, dass sie mich als Monster in Erinnerung behielten. Doch damals fand man nichts dabei, ein Kind zu schlagen, das kümmerte niemanden. Heutzutage gilt es hingegen als Verbrechen, und man wandert ins Gefängnis.

Eddie und meine Mutter stritten sich über alles – andere Männer oder Frauen, Geld, die Kontrolle. Eddie war kein Engel. Wenn meine Mutter Freundinnen bei sich hatte und alle betrunken waren und Mom umkippte, vögelte er ihre Freundinnen. Und dann ging der Streit erst richtig los. Es ging brutal zu, und die beiden gingen mit allen möglichen Gegenständen aufeinander los und fluchten: „Fick dich doch ins Knie, du Hurensohn“ und „Du schwarze Schlampe, besorg’s mir endlich …“ Und wir schrien: „Mommy, hör auf, nein!“ Als ich 17 war, lagen sie mal wieder im Streit, und Eddie schlug ihr ihren Goldzahn aus. Meine Mutter setzte einen großen Topf Wasser auf und befahl meinem Bruder und meiner Schwester, unter die Decke zu kriechen. Aber ich war so gebannt von dem Wrestling-Programm im Fernsehen, dass ich nicht hörte, was sie sagte. Meine Mutter war so raffiniert, dass sie an uns vorbeiging, ohne dass etwas passierte. Als sie dann wieder ins Zimmer kam, hatten meine Geschwister sich bereits unter der Decke verkrochen. Eddie saß direkt neben mir. Dann machte es wumm, und der Topf mit dem siedend heißen Wasser landete an Eddies Kopf. Etwas von dem Wasser spritzte zu mir rüber. Es fühlte sich an wie ein Riesengewicht.

„Ahhhhhhhh!“ Eddie rannte schreiend zur Tür hinaus, in die Diele, ich direkt hinter ihm her. Er drehte sich um und fasste nach mir: „Oh Gott, mein Junge, hat dich diese Hexe auch getroffen?“

„Verdammt, die alte Hexe hat mich getroffen, ah, sie hat mich getroffen!“ Wir brachten ihn ins Zimmer zurück und zogen ihm das Hemd aus. Sein Hals, sein Rücken und eine Gesichtshälfte waren übersät mit großen Blasen. Er sah aus wie ein Reptil. Wir legten ihn auf den Boden, vor die kleine Klimaanlage vor dem Fenster. Meine Schwester setzte sich neben ihn, nahm ein Streichholz, sterilisierte eine Nadel und öffnete die Blasen eine nach der anderen. Meine Schwester und ich weinten beide, und ich gab ihm etwas Alkohol, um seine Schmerzen zu lindern.

Aber in der Erinnerung sehe ich Mom meistens als Opfer. Schließlich hat Eddie sie ja auch verprügelt. Die Frauenbewegung würde ihre Reaktion bestimmt großartig finden, aber ich dachte: „Wie kann man einem Partner, mit dem man zusammenlebt, so etwas antun?“ Ich erkannte, dass meine Mom keineswegs eine Mutter Teresa war. Das war eine ernste Geschichte, und doch blieb er bei ihr. Nachdem sie ihm das angetan hatte, ging er sogar los, um ihr etwas Alkohol zu besorgen, er hat sie gewissermaßen dafür belohnt. Das ist wohl auch der Grund, warum ich sexuell so fehlgesteuert bin.

Das war also mein Umfeld, in dem ich aufwuchs. Menschen, die sich liebten, schlugen sich den Schädel ein und bluteten wie die Schweine. Sie liebten sich zwar, stachen aber aufeinander ein. Verdammte Scheiße, ich hatte in dem Haus eine Höllenangst vor meiner Familie, denn ich wuchs mit taffen Frauen auf, Frauen, die mit Männern kämpften. Also dachte ich, dass es kein Tabu ist, mit einer Frau zu kämpfen, da die Frauen, die ich kannte, keine Skrupel hatten, einen zu töten. Man musste gegen sie kämpfen, denn andernfalls würden sie einen aufschlitzen oder erschießen. Oder sie würden ein paar Männer anschleppen, die dich ebenfalls verprügelten, weil sie dich für wertlos hielten.

Ich hatte Angst im Haus, aber ich hatte auch Angst, aus dem Haus zu gehen. Ich ging jetzt in die öffentliche Schule, und das war ein Albtraum. Ich war ein dickliches Kind, sehr schüchtern, fast wie ein Mädchen, und beim Sprechen lispelte ich, sodass die Kids mich „Little Fairy Boy“ nannten, da ich immer mit meiner Schwester rumhing. Doch meine Mutter hatte mir geraten, mich an Denise zu halten, da sie älter war als ich und sie mich im Auge behalten sollte. Man nannte mich auch „Dirty Ike“ oder „Schmutziger Wichser“, da ich zum damaligen Zeitpunkt noch keine Beziehung zur Hygiene hatte. Wir hatten kein fließend warmes Wasser zum Duschen. Und wenn das Gas abgestellt war, konnten wir auch kein Wasser warm machen. Meine Mutter versuchte, mich für Hygiene empfänglich zu machen, aber es war vergebliche Liebesmüh. Sie pflegte einen Eimer mit heißem Wasser zu füllen, nahm ein Stück Seife und wusch mich. Aber als kleiner Junge machst du dir den Teufel aus Hygiene. Schließlich lernte ich sie auf der Straße, von den anderen Kids. Sie erzählten mir von Brut und Paco Rabanne und Pierre Cardin.

Meine Schule war nur ein paar Schritte von unserer Wohnung entfernt. Manchmal konnte meine Mutter mich nicht zur Schule begleiten, da sie am Abend zuvor zu viel getrunken hatte. Wenn ich allein war, traktierten mich die Kids mit Schlägen und Fußtritten. Damit wollten sie mir wohl zu verstehen geben: „Verpiss dich, du widerlicher Wichser!“ Ich wurde permanent beschimpft. Man schlug mir ins Gesicht, und ich rannte davon. In der Schule wurden wir von Kids schikaniert, zu Hause von anderen mit Waffen bedroht und ausgeraubt, bis auf den letzten Cent. Es war brutal, dass diese Kids nicht einmal vor unserem eigenen Apartment Halt machten.

Ein Wendepunkt in meinem Leben war das Tragen einer Brille. Meine Mutter brachte mich zum Augenarzt, und es stellte sich heraus, dass ich kurzsichtig war, also ließ sie mir eine Brille anfertigen. Das war richtig übel. Eines Tages kam ich zur Mittagszeit aus der Schule. Ich holte mir in der Cafeteria ein paar Fleischbällchen, die zum Warmhalten in Alufolie verpackt waren. Da sprach mich ein Kerl an: „He, hast du ein paar Cents für mich?“ Ich erwiderte: „Nein.“ Er fing an, meine Taschen zu durchsuchen, fand aber nichts. Also versuchte er, mir die verdammten Fleischbällchen wegzunehmen. Ich wehrte mich und schrie: „Nein, nein, nein.“ Ich ließ zwar zu, dass die Dreckskerle mein Geld raubten, aber nicht mein Essen. Ich verteidigte meine Fleischbällchen, als wäre ich ein menschliches Schutzschild. Er schlug mir gegen den Kopf, dann riss er mir die Brille herunter und warf sie in den Tank eines Lastwagens. Ich rannte wie der Blitz nach Hause und war froh, dass er wenigstens meine Fleischbällchen nicht bekommen hatte. Ich hätte diese Kerle fertigmachen sollen, aber ich war so ängstlich, weil sie so dreist und frech waren, dass ich glaubte, sie wüssten etwas, das ich nicht wusste. „Schlag mich nicht, lass mich los, hör auf.“ Ich fühle mich auch heute noch als Feigling. Es ist ein unglaubliches Gefühl, sich so hilflos zu fühlen. Das vergisst man sein Leben lang nie. An dem Tag, als mir der Kerl die Brille wegnahm und in den Tank warf, ging ich zum letzten Mal zur Schule. Anschließend ging ich nur noch zur Schule, um zu frühstücken, und verließ sie dann wieder. Ich spazierte ein paar Stunden um den Block herum. Zum Lunch tauchte ich wieder in der Schule auf und haute dann wieder ab. Nach Schulende ging ich nach Hause. Im Frühling 1974 kamen auf der Straße drei Kerle auf mich zu und fingen dann an, an meinen Taschen herumzufummeln. „Haste etwas Geld?“ Ich erklärte ihnen, dass ich kein Geld habe. Sie erwiderten: „Wenn wir aber welches finden, behalten wir es.“ Also untersuchten sie systematisch meine Taschen, fanden aber nichts. Dann sagten sie: „Wohin gehst du? Willst du bei uns mitmachen?“

„Wobei?“

Wir gingen zur Schule, und sie ließen mich den Zaun hochklettern. Ich sollte ihnen ein paar Milchkästen aus Plastik zuwerfen. Dann gingen wir ein paar Blocks weiter, und sie zwangen mich, in ein leerstehendes Haus zu gehen.

„Hm, ich weiß nicht“, zögerte ich. Ich war ein mickriger kleiner Kerl, und sie waren zu dritt. Nun, wir gingen hinein, und dann sagten sie: „Kleiner, geh hoch aufs Dach.“ Ich wusste nicht, ob sie vorhatten, mich zu töten. Also kletterten wir aufs Dach hoch, und ich sah eine kleine Kiste mit Tauben.

Diese Kerle bauten einen Taubenstall. Ich wurde ihr kleiner Laufbursche. Schon bald fand ich heraus, dass die Tauben oft auf irgendwelchen anderen Dächern landeten, wenn sie sich in einem schlechten Zustand befanden. Ich musste dann gucken, auf welchem Dach sie gelandet waren, einen Weg auskundschaften, um in das Gebäude zu gelangen und die Vögel auf dem Dach aufzuscheuchen. Ich jagte den ganzen Tag den Tauben hinterher, fand das aber recht lustig. Ich war gern mit den Vögeln zusammen und kaufte ihnen sogar in einer Tierhandlung Futter. Diese Jungs waren jedenfalls taff und machten mich zu ihrem Laufburschen. Mein ganzes Leben lang war ich ein Außenseiter gewesen, aber auf dem Dach fühlte ich mich wie zu Hause.

Am nächsten Morgen kehrte ich zu dem Haus zurück. Sie standen auf dem Dach, sahen mich kommen und warfen Ziegelsteine nach mir. „Du Dreckskerl, was tust du hier? Versuchst du, unsere verdammten Vögel zu stehlen?“, rief einer der Jungs. Und ich hatte gedacht, das sei mein neues Zuhause.

„Nein, nein, nein“, versicherte ich ihnen. „Ich wollte nur wissen, ob ich etwas für euch besorgen oder euren Tauben hinterherjagen soll.“

„Meinst du das wirklich ernst?“, sagte er. „Komm rauf, Kleiner.“ Und sie schickten mich Zigaretten kaufen. Sie waren eine Bande skrupelloser Dreckskerle, aber es machte mir nichts aus, ihnen zu helfen, da die Tauben mich begeisterten. Es war wirklich toll zu beobachten, wie etwa 100 Tauben ihre Kreise am Himmel zogen und dann auf einem Dach landeten.

Tauben fliegen zu lassen, war damals in Brooklyn eine Lieblingsbeschäftigung. Jeder, vom Mafiaboss bis zu den kleinen Ghettokids, tat es. Es ist nicht zu beschreiben und geht einem einfach unter die Haut. Ich lernte, mit ihnen umzugehen, erfuhr immer mehr über sie, wurde ein echter Taubenmeister und war stolz, dass ich so gut darin war. Alle ließen ihre Tauben im selben Augenblick fliegen, und der Sinn des Spiels bestand darin, die Tauben einzufangen. Es war wie beim Pferderennen. Hat man erst mal Feuer gefangen, kommt man nicht mehr los davon. Wo auch immer ich künftig wohnte, jedes Mal baute ich mir einen Taubenstall.

Als wir eines Tages mal wieder auf dem Dach waren und uns um die Tauben kümmerten, kam ein älterer Junge zu uns herauf. Er hieß Barkim und war der Bruder eines der Jungen. Als er feststellte, dass sein Freund nicht da war, trug er uns auf, ihm auszurichten, dass er ihn am Abend in unserem Mietsblock beim Sportcenter zu einem Jam treffen solle. Jams waren wie Teenager-Tanzpartys, aber nicht so ein Scheiß wie die Zeichentrickserie Archie mit ihren lauen Teenager-Witzen. Das Sportcenter wurde dann sogar umbenannt in The Sagittarius. Alle Spieler und Gauner würden dorthin gehen, die Jungs, die Brüche machten, die Taschendiebe und Kreditkartenbetrüger. Es war ein bunt zusammengewürfelter Haufen.

An jenem Abend ging also auch ich dorthin. Ich war sieben Jahre alt und hatte keine Ahnung von einer Kleiderordnung. Ich wusste nicht, dass man nach Hause gehen sollte, um zu duschen, die Kleider zu wechseln und den Club zu besuchen. So wie es alle Jungs taten, die mit Tauben zu tun hatten. Also ging ich direkt aus dem Taubenstall zum Sportplatz und trug immer noch meine schmutzige Kleidung voller Taubendreck. Ich dachte, die Jungs wären da und akzeptierten mich als einen der ihren, da ich für sie den verdammten Tauben hinterherjagte.

Als ich hineinging, sagten sie: „Was ist denn das für ein Gestank? Schaut euch den dreckigen, stinkenden Dreckskerl an.“ Alle fingen an zu lachen und mich zu verspotten. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, es war ein traumatisches Erlebnis, da alle auf mir herumhackten. Ich weinte und lachte gleichzeitig. Da alle lachten und ich dazugehören wollte, lachte ich also über mich selbst. Ich glaube, Barkim bemerkte, wie ich gekleidet war, und bekam Mitleid mit mir. Er ging auf mich zu und sagte: „He, Kleiner, mach dich vom Acker. Wir treffen uns morgen früh um acht Uhr auf dem Dach.“

Am nächsten Morgen war ich pünktlich dort. Barkim kletterte hoch und hielt mir einen Vortrag: „Du kannst nicht irgendwohin gehen und wie ein verdreckter Penner aussehen. Was zum Teufel soll das, Mann?“ Er redete sehr schnell, und ich versuchte, jedes Wort zu verstehen. „Junge, wir wollen damit Geld verdienen. Bist du bereit?“ Ich begleitete ihn, und wir brachen in Häuser ein. Er forderte mich auf, durch Fenster zu schlüpfen, die zu eng für ihn waren, und ich öffnete ihm dann von innen die Tür. Als wir im Haus waren, durchwühlte er die Schubladen, brach den Safe auf, räumte aus, was er finden konnte. Wir stahlen Stereoanlagen, Tonbänder, Schmuck, Waffen, Geld. Nach den Raubzügen ging er mit mir in die Stadt, in die Delancey Street, und kaufte mir etwas Hübsches zum Anziehen, Sneakers und einen Lammfellmantel. Am Abend nahm er mich mit zu einem Jam. Viele der Leute, die mich vor Kurzem noch ausgelacht hatten, waren ebenfalls anwesend. Ich trug meinen neuen Mantel und meine Hose aus Leder. Niemand erkannte mich, es war, als wäre ich ein anderer Mensch. Es war unglaublich.

Barkim stellte mich jetzt den Leuten auf der Straße als seinen „Sohn“ vor. Er war lediglich ein paar Jahre älter als ich, aber in der Sprache der Straße wurden die anderen dadurch aufgefordert, mich mit Respekt zu behandeln. Es bedeutete: „Auf der Straße ist das mein Sohn, wir sind eine Familie, wir rauben und stehlen. Er ist mein kleiner Geldmacher, legt euch nicht mit diesem Nigga an.“ Er brachte mir das Rauben und Stehlen bei, erklärte mir, welche Personen ich dafür aussuchen sollte und welchen ich nicht trauen konnte, weil sie mir sofort wieder alles abnehmen würden. Mein Leben erinnerte mich an das von Oliver Twist, der von einem älteren Jungen namens Fagin unterwiesen wurde. Barkim kaufte mir ’ne Menge Klamotten, aber er gab mir nie viel Geld. Wenn er bei einem Raub ein paar Tausender ergatterte, gab er mir 200. Aber für einen Achtjährigen sind 200 Dollar viel Kohle.

Mit der Rutland Road Crew erreichte meine Kriminalität eine andere Stufe. Meistens handelte es sich bei ihnen um Jungs aus der Karibik, aus Crown Heights. Barkim kannte die älteren, The Cats. Ich fing an, mit der RRC rumzuhängen, ihrer Nachwuchsabteilung, und machte bei ihren kleinen Raubzügen mit. Wir gingen gewöhnlich zuerst zur Schule, frühstückten, nahmen dann den Bus oder Zug und waren während der Unterrichtsstunden mit unseren Raubzügen beschäftigt. So wurde ich also einer von ihnen. Wir waren alle gleich, solange wir die Einnahmen unserer Beutezüge teilten.

Wer dies liest, wird mich als erwachsenen Menschen dafür verurteilen und mich als kriminell bezeichnen, aber all dies spielte sich vor mehr als 35 Jahren ab. Ich war ein kleiner Junge und wollte geliebt und akzeptiert werden, und das wurde ich auf der Straße. Dies war meine einzige Erziehung, und diese Jungs waren meine Lehrer. Die älteren Gangster sagten mir zwar, „du solltest das nicht tun, du solltest lieber zur Schule gehen“, aber wir wollten nicht auf sie hören, auch wenn sie auf der Straße das Sagen hatten. Sie sagten uns, wir sollten in der Schule bleiben, wenn sie irgendwo einbrachen. Aber alle Jungs respektierten mich jetzt, da ich ein kleiner Geldmacher war. Einigen meiner Freunde, die ein bisschen Geld brauchten, griff ich unter die Arme. Ich besorgte uns allen Alkohol und etwas zu essen und fing an, Tauben zu kaufen. Wenn man gute Vögel hatte, wurde man respektiert. Es lief immer gleich ab: schnell auf Raubzug gehen und dann Klamotten kaufen. Ich merkte, wie ich jetzt von allen behandelt wurde, und ich war mit meinem Lammfellmantel und meinen Pumas gut angezogen. Ich besaß einen geilen Skianzug mit einer gelben Schneebrille, hatte aber noch nie in meinem Leben auf einer Skipiste gestanden. Ich konnte den Markennamen Adidas nicht einmal buchstabieren, aber ich wusste, welches Gefühl er mir verlieh.

Einer der Rutland-Jungs brachte mir bei, wie man Schlösser knackte. Hat man einen Schlüssel, der in die Öffnung passt, dreht man ihn hin und her, sodass er den Zylinder runterdrückt und die Tür geöffnet werden kann. Ich war wie im Rausch. O Mann, wenn wir die Türen aufgebrochen hatten, stießen wir auf Silber, Schmuck, Gewehre und Geldbündel. Wir weinten und lachten vor Glück, konnten aber nicht alles mitschleppen. Man kann ja mit all dem Kram nicht einfach durch die Straßen laufen. Also stopften wir es in unsere Schultaschen.

Eines Tages brachen mein Freund Curtis und ich in ein Haus ein. Die Besitzer stammten, genau wie Curtis, aus der Karibik. Plötzlich hörte ich: „Wer ist da? Bist du’s, Liebling?“ Ich dachte, es sei Curtis, also erwiderte ich: „Ich versuche, eine Waffe und das Geld zu finden. Kümmerst du dich um den Safe?“ Dann erkannte ich, dass es nicht Curtis’ Stimme war. Es war der Kerl, der hier wohnte und auf der Couch lag. Ich eilte zur Tür. „Curtis, diese Scheiße hier klappt nicht. Lass uns verduften, jemand ist im Haus“, sagte ich. Aber Curtis war ein Perfektionist. Er wollte lieber ganze Arbeit leisten und nicht einfach davonrennen. Ich rannte aus dem Haus, so schnell mich meine Füße trugen. Aber Curtis blieb zurück und versuchte, das Sicherheitsschloss zu knacken. Der Besitzer öffnete die Tür, knallte sie ihm gegen den Kopf und schlug ihn eiskalt nieder. Ich dachte lange, er wäre tot. Erst ein Jahr später sah ich ihn wieder. Er lebte, aber sein Gesicht war zerstört, so hart war der Aufprall der Tür gewesen.

Wenn wir Silber gestohlen hatten, brachten wir es zu Sal’s, einem Laden an der Utica und Sterling. Ich war noch klein, aber sie kannten mich, da ich immer mit den älteren Jungs kam. Die Jungs in dem Laden wussten, dass ich gestohlenes Zeug brachte, aber sie konnten mich nicht übers Ohr hauen, denn ich wusste, was der Kram kostete. Auch wenn ich den genauen Preis nicht kannte, wusste ich, was das Zeug wert war. Und ich wusste, was ich wollte.

Manchmal gingen wir, wenn wir unterwegs waren, zur Mittagszeit in eine Schule, in die Cafeteria, schnappten uns ein Tablett, stellten uns an und ließen uns dann das Essen schmecken. Wir hielten Ausschau nach jemandem, den wir beklauen könnten, und entdeckten Jungs, die einen edlen Schulring um den Hals trugen. Wir beendeten unseren Lunch, stellten die Tabletts zurück, schnappten uns den Ring und stürmten hinaus.

Auf der Straße wollten wir immer ordentlich aussehen, denn ein kleines schwarzes Kind auf der Straße, das ungepflegt und schmutzig aussieht, wird schikaniert. Also sahen wir gepflegt und harmlos aus. Wir hatten das gesamte Outfit, Schulranzen und nette kleine Brillen und den typischen Look einer katholischen Schule, eine ordentliche Hose und weiße Hemden.

Nach etwa einem Jahr unternahm ich die Brüche auf eigene Faust. Es war recht lukrativ, aber auf der Straße herumzuhängen und Ausschau nach Opfern zu halten, war viel aufregender als das Ausrauben von Häusern. Man erleichterte ein paar Ladys um ihren Schmuck, und die Bullen jagten einem hinterher. Wir nannten sie Helden, die kamen und den Tag retteten. Höheres Risiko für weniger Geld.

Manchmal stellte man fest, dass man Konkurrenz hatte. Man stieg in einen Bus, in dem bereits jemand auf der Lauer lag. Vielleicht war man selbst auffällig. So was nannte man „Aufsehen erregen“. Bevor man einstieg, war im Bus alles ruhig, aber dann machte der Busfahrer eine Durchsage.

„Meine Damen und Herren, soeben sind ein paar junge Männer eingestiegen. Passen Sie auf Ihre Handtaschen auf, man wird versuchen, Sie auszurauben.“ Dann stieg man bei der nächsten Haltestelle aus, aber der andere, der unauffällige Dieb, stieg ebenfalls aus und folgte einem.

„Du Arschgesicht, du hast den ganzen Bus in Aufruhr gebracht“, schrie er. Und wenn er älter war als man selbst, versohlte er einem den Arsch und nahm einem das ab, was man bis dahin gestohlen hatte – das Geld und den Schmuck.

Ich fand schwer einen Partner, der mit mir gemeinsam auf Taschendiebstahl gehen wollte, da ich weder so geduldig noch so gut wie die anderen darin war. Ich war nie so glatt, dass ich gesagt hätte: „Ich werde jetzt den Nigga da verarschen, mich langsam von rechts ranschieben und ganz nah dranbleiben.“ Ich war viel besser darin, jemanden zu überrumpeln.

Jeder starke Kerl kann andere überrumpeln. Aber der Kick bestand darin, gerissen zu sein und den anderen auszutricksen. Die meisten Leute würden denken: „Man verfolgt mich, ich werde mich schnell verziehen.“ Aber nicht mit uns. Auch wenn eine Lady den ganzen Tag krampfhaft ihre Geldbörse umklammerte, ließen wir sie nicht aus den Augen, auch wenn sie keine Sekunde die Geldbörse losließ. Wir folgten ihr, zogen uns dann aber zurück. Eins der kleinen Kinder, die immer bei uns waren, beobachtete sie jedoch weiterhin. Ein paar Sekunden lang ließ sie sich ablenken, und der Kleine schnappte sich den Geldbeutel und machte sich aus dem Staub. Und bevor wir wieder auftauchten, hörten wir einen herzzerreißenden Schrei: „Um Himmels willen, mein Geld ist weg!“

Es war verrückt.