Unsere Suse macht das schon - Rosa Lindberg - E-Book

Unsere Suse macht das schon E-Book

Rosa Lindberg

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Suse dachte angestrengt nach. Das hinderte sie allerdings nicht daran, nach dem dritten Brötchen zu greifen und es doppelt mit gekochtem Schinken zu belegen, ohne vorher an der aufgestrichenen Butter großartig gespart zu haben. »Nun?« fragte Astrid ihre Tochter und füllte Kakao nach. »Moooment! Moooment!« sagte Suse kauend und zog ihre runde Kinderstirn kraus. Tante Josy lachte. »Also – ich weiß nicht! Wenn mich früher jemand gefragt hätte, ob mein Geburtstag groß oder klein gefeiert werden soll, ich hätte sofort die Antwort gewußt!« Suse seufzte, doch es klang sehr wohlig. »Jaaaa, duuuu…«, machte sie gedehnt, und Tante Josy fragte sich lächelnd, ob das als Kompliment oder als das Gegenteil eines Komplimentes zu werten war. Bei Suse wußte man das nie so genau. »Dann möchte ich außerdem noch gern wissen«, sagte Astrid, »was du dir wünschst, wirklich wünschst.« Suse hörte unvermittelt auf zu kauen. Ihre blaugrünen Augen unter dem roten Haar leuchteten auf. »Das weiß ich schon ganz genau!« erklärte sie strahlend.

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Mami – 2064 –

Unsere Suse macht das schon

Unveröffentlichter Roman

Rosa Lindberg

Suse dachte angestrengt nach. Das hinderte sie allerdings nicht daran, nach dem dritten Brötchen zu greifen und es doppelt mit gekochtem Schinken zu belegen, ohne vorher an der aufgestrichenen Butter großartig gespart zu haben.

»Nun?« fragte Astrid ihre Tochter und füllte Kakao nach.

»Moooment! Moooment!« sagte Suse kauend und zog ihre runde Kinderstirn kraus.

Tante Josy lachte. »Also – ich weiß nicht! Wenn mich früher jemand gefragt hätte, ob mein Geburtstag groß oder klein gefeiert werden soll, ich hätte sofort die Antwort gewußt!«

Suse seufzte, doch es klang sehr wohlig.

»Jaaaa, duuuu…«, machte sie gedehnt, und Tante Josy fragte sich lächelnd, ob das als Kompliment oder als das Gegenteil eines Komplimentes zu werten war. Bei Suse wußte man das nie so genau.

»Dann möchte ich außerdem noch gern wissen«, sagte Astrid, »was du dir wünschst, wirklich wünschst.«

Suse hörte unvermittelt auf zu kauen. Ihre blaugrünen Augen unter dem roten Haar leuchteten auf.

»Das weiß ich schon ganz genau!« erklärte sie strahlend.

»Dann wüßten wir doch schon mal eines«, stellte Astrid fest, »was also ist es?«

»Ein Schwesterchen oder ein Brüderchen. Jedenfalls ein Baby!«

Sie blickte von Mami zu Tante Josy und zurück.

Es wunderte sie, daß die beiden auch plötzlich aufhörten zu kauen und sie merkwürdig anstarrten, als hätte sie mal wieder Schei… oder so was gesagt!

»Ein Baby…?« fragte Tante Josy dann endlich, obwohl sie doch so gut hören konnte!

»Ja«, sagte Suse fest und immer noch strahlend, vollkommen sicher, daß ihr Wunsch erfüllt werden würde. Bisher waren fast alle ihre Wünsche erfüllt worden, fast!

Na ja, daß Mami und Tante Josy damals nicht erlaubt hatten, die acht süßen Ferkel von Bauer Janzen mit nach Hause zu nehmen, verstand sie ja inzwischen! Obwohl sie damals sehr, sehr traurig gewesen war! So – jetzt war sie erst einmal satt! Großzügig, wie immer mit vollem Bauch, schob sie den Rest Kochschinken zu Fräulein Tussy unter den Tisch, ohne daß Mami etwas merkte. Und Fräulein Tussy war ja Spitze! Sie kaute leise, ganz leise! Ach was: Unhörbar kaute sie! Keine Setterdame weit und breit konnte Fräulein Tussy das Wasser reichen!

Astrid lachte unsicher auf und fuhr mit rascher, zärtlicher Hand über Suses roten Schopf. Dann stand sie auf, doch glatt so, als ob es Suse nicht ernst gewesen wäre mit ihrem Wunsch! Als hätte sie Witze gemacht! Suse aber hatte keinen Witz gemacht! Es war ihr ernst mit dem Wunsch, vollkommen ernst!

»Eine Puppe also«, sagte Mami von der Spüle her, in die sie jetzt das Geschirr stapelte.

»Nein«, stellte Suse richtig, »keine Puppe, Puppen sind doof, meine nicht, aber neue! Und ich hab ja auch genug davon. Jetzt, jetzt wünsch ich mir ein richtiges Baby!«

Tante Josy schaltete sich ein, indem sie erst einmal Suses Hand tätschelte und dann vorschlug: »Am besten ist, du schreibst alle Wünsche auf einen Zettel. Du weißt ja: Wünschen kann man sich viel, aber ob…«

»Ich hab doch bloß einen einzigen Wunsch diesmal! Soll ich den extra aufschreiben?«

»Ja«, sagte Tante Josy, »außerdem ist immer noch nicht geklärt, ob du den Geburtstag groß oder klein feiern willst.«

»Außerdem wird es höchste Zeit«, rief Mami, »daß du dich auf den Weg machst!«

»Au Backe!«

Suse sprang auf. Sie hatte die Schule ganz vergessen! »Komm, Tussy!« schrie sie, denn Fräulein Tussy, die im Hunderegister als Thusnelda von der Wehrburg zu finden war, begleitete Suse jeden Morgen bis zum Schultor.

»Tschüs Mami, tschüs Tante Josy.« Mami half ihr beim Ranzenaufsetzen.

»Keinen Kuß heute?« fragte sie dabei.

»Aber ganz schnell!«

Suse absolvierte die Abschiedszeremonie mit der Schnelligkeit einer Windboe, rief im Laufen noch irgend etwas zurück, was nicht zu verstehen war. Dann war es still.

Sehr still.

»Haste gemerkt«, fragte Suse unterdessen trabend neben der ebenfalls trabenden Tussy auf dem Schulweg, »daß die ganz baff waren?«

Fräulein Tussy machte: »Wuff!«

»Bist ja auch ein kluger Hund, Fräulein Tussy! Nu bin ich bloß gespannt, ob sie auch… guck mal, da kommt die Petra! Huhu! Peeeetra!«

Die Schulkameradin Petra, ebenfalls trabend, blickte sich um, winkte, wartete, bis Suse neben ihr war, und dann trabten sie zu dritt weiter.

»Was macht euer Baby?« erkundigte Suse sich, denn es interessierte sie brennend. Petra nämlich hatte sich auch zum Geburtstag von ihren Eltern ein Baby gewünscht und hatte es bekommen! Sogar drei Wochen vor ihrem Geburtstag! Und was bei den Schneiders möglich war, sollte bei den Sunderns nicht möglich sein? Ha! Das wär doch gelacht!

»Es schreit ziemlich viel«, erklärte Petra.

»Och, das macht doch nix!«

»Aber auch nachts, du, da kannste manchmal nicht schlafen!«

»Das würde mir nichts ausmachen!«

Petra sah im Trab die Freundin von der Seite an, sagte aber nichts mehr, denn sie hatten das Schultor erreicht, gerade als es schellte.

»Tschüs, Fräulein Tussy«, sagten die Mädchen, und Fräulein Tussy hockte sich erst einmal hin. Trab am Morgen war nicht so sehr nach ihrem Geschmack. Aber was tut man nicht alles aus Liebe!

Sie verschnaufte, bis die Schultür sich hinter den lärmenden Kindern geschlossen hatte, und machte sich dann gemächlich auf den Heimweg.

Tante Josy betrachtete das stille Profil ihrer Nichte.

»Es wird Zeit«, sagte sie endlich leise.

Astrid nickte und drehte langsam den Kopf. »Ja – es wird Zeit…«

»… daß wir den Laden öffnen«, vollendete Tante Josy, wohlwissend, daß Astrid etwas ganz anderes gemeint hatte.

Josy Kersting hatte hier draußen in dem kleinen Ort vor Hamburg vor mehr als fünfundzwanzig Jahren ihren Traum verwirklichen können. Eigentlich waren es zwei Träume, der erste, nicht mehr in der Großstadt leben zu müssen, der zweite, eine Buchhandlung zu haben. Beides hatte sie erreicht. Sie war eine eingefleischte Junggesellin, was jedoch ihr Verständnis für Frauenprobleme keineswegs ausschloß. Als ihre Nichte Astrid vor ungefähr acht Jahren zu ihr gekommen war und ihr eröffnet hatte, daß sie ein Kind von einem Mann erwarte, der nach Venezuela oder Timbuktu gegangen war, hatte sie sie kurzerhand bei sich aufgenommen.

Sie hatte es nie bereut.

Für einen kleinen Ort wie Olsrode, wo jeder jeden kannte, war es gut, daß dieser Dr. Thomas Sundern Astrid angeboten hatte, sie pro forma zu heiraten, damit, wie es so schön heißt, das Kind einen Namen hatte.

Ja, das war gut gewesen! Erst später hatte Tante Josy das erkannt. Sie selbst hatte wohl allzu große Toleranzvorstellungen von den Bewohnern kleiner Städte gehabt!

Und wenn sie sich heute vorstellte, daß irgend jemand, und sei es auch nur im Scherz, ihrer Suse gegenüber eine Bemerkung – mein Gott!

Für seine Tat liebte sie diesen Dr. Thomas Sundern im fernen, wenn auch nicht allzu weiten Hamburg, der in regelmäßigen Abständen nach Olsrode kam, um sich als Vater von Suse auch zu zeigen. Im Ort wußte niemand, wie die Geschichte wirklich war. Und das war gut so. Suse hielt Thomas Sundern für ihren Vater.

Jetzt blickte Tante Josy ihrer Nichte nach, wie sie mit diesen hübschen langen Schritten zum Laden ging.

»Sie war…«, sagte Tante Josy laut zu sich selbst, »einfach zu hübsch!«

Und damit wandte sie sich den ersten Tätigkeiten des Alltags zu, indem sie das Frühstücksgeschirr in den Spülautomaten packte.

*

Astrid betrat den dämmrigen Laden und zog, sie tat das jeden Morgen, den Bücherduft ein. Sie liebte diesen Duft, so wie sie durch Tante Josy gelernt hatte, Bücher zu lieben.

Sie zog die Jalousien an den beiden Schaufenstern hoch, dann die an der Tür. Danach drehte sie den Schlüssel und öffnete die Tür. Es war schon sonderbar, daß sie dieses allmorgendliche Ritual mit einer gewissen fröhlichen Feierlichkeit tat, wenn es auch heute mit ihrer Fröhlichkeit nicht ganz so weit her war wie sonst. Aber irgendwann, sie hatte es immer gewußt, würde der Zeitpunkt kommen, an dem sie nachdenken mußte, nachdenken darüber, wie ihr Leben weitergehen sollte. Auch hatte sie immer gewußt, daß Suse eines Tages alles erfahren mußte.

Astrid trat einen Schritt vor die Tür und sah Fräulein Tussy von der Schule zurückkommen. »Na du…«, sagte sie, als Tussy schwanzwedelnd neben ihr stand, »alles gut gelaufen?«

Tussy blickte vorwurfsvoll hoch. Natürlich war alles gut gelaufen!

Die Straße war noch morgendlich still. Nur der Briefträger radelte vorbei, ein Auto fuhr langsam vorüber, ein winkender Arm kam aus dem Fahrerfenster, und Astrid bückte sich ein wenig.

»Hallo!« rief sie und winkte zurück. Es war Herr Struck, einer ihrer Stammkunden und – wie jeder in der Stadt wußte – ein heimlicher Verehrer Astrids. Gegenüber aus dem Bäckerladen von Frau Ahlemann und Sohn kam, Brötchentüte im Arm, Monika. Als sie Astrid vor der Tür entdeckte, kam sie über die Straße gelaufen.

»Morgen, morgen!« sagte sie munter. »Wie wär’s mit ofenfrischen Brötchen?«

»Guten Morgen, Monika«, Astrid lächelte. Monika und sie waren seit der Zeit, die sie bei Tante Josy war, befreundet. Es war eine gute Freundschaft, und manchmal hatte Astrid direkt ein schlechtes Gewissen, daß sie auch einer so guten Freundin wie Monika das Ehespiel vorspielte. Sie war mehr als einmal drauf und dran gewesen, der Freundin alles zu beichten, zu erzählen, auf Monikas Verschwiegenheit konnte man Häuser bauen, doch dann hatte sie immer wieder gezögert.

Irgendwann würde sie es ihr erzählen. Irgendwann.

»Vielen Dank, aber wir haben schon gefrühstückt. Nicht jeder kann es sich leisten, so spät…«

Monika durchfuhr mit ihrer schmalen Hand die Luft. Ihre Brauen hoben sich, und ihre Augen blitzten. »Ich habe heute morgen bereits eine Maschine Wäsche gewaschen, sie aufgehängt und die Blumen versorgt, meine Liebe!«

Monika Krüssner betrieb den einzigen Modesalon von Olsrode, beschäftigte drei Mitarbeiterinnen und zwei Lehrlinge, hatte gut zu tun und beklagte sich in regelmäßigen Abständen bei Astrid: »Immer nur Weiber – immer nur Weiber! Ich bin stets und ständig nur von Weibern umgeben! Kannst du mir mal sagen, warum ich nicht in die Herren-Branche gegangen bin?«

Natürlich konnte Astrid ihr das nicht sagen. Trotz der ständigen Weiberumgebung war Monika Krüssner aber immer in irgend jemanden verliebt. Nur für die Liebe hatte es, zu ihrem Leidwesen, nie gereicht und somit auch nicht für eine Ehe. Ach, und dabei wäre Monika so gern verheiratet gewesen, hätte so gerne ein Trüppchen Kinder gehabt!

»Fleißig, fleißig!« lobte Astrid sie jetzt lachend.

»Von nichts kommt nichts«, sagte Monika, entnahm der Tüte ein Brötchen und biß hinein, »du kannst übrigens heute nachmittag zur Anprobe kommen.«

»Fein! Wie sieht’s denn aus?«

Astrid hatte sich bei Monika ein Kostüm bestellt, für den Herbst schon, und dabei hatte Monika sie zu der Farbe Haselnußbraun überredet, von der Astrid stets gemeint hatte, sie passe nicht zu ihr. Sie war echt gespannt!

»Todschick!« prahlte Monika ohne falsche Bescheidenheit. »Wie alles, was aus meinem Atelier kommt.«

»Ich laß mich überraschen!«

»Tu das. – Wie geht’s den drei anderen Damen?«

Fräulein Tussy wurde immer und überall mit einbezogen, weil man sich sonst den Zorn von Suse zugezogen hätte, was niemand gern wollte.

»Alles gesund und munter. Kommst du auf einen Sprung mit hinein?«

Monika wollte zu einer Antwort ansetzen, sah aber Astrid plötzlich kritisch an und meinte: »Du wirkst ein bißchen bläßlich heute morgen. Wirklich alles okay?«

Das bißchen bläßlich ging kurz und rasch in ein ziemlich feuriges Rot über, weil Astrid niemals lernen würde, mit Überzeugung zu lügen.

»Doch, – ja …«

»Na, na!«

»Nun gut – ganz so gut ist mir im Moment nicht.«

Das war irgendwo sogar die Wahrheit. Nach Suses Wunschäußerung war ihr wirklich nicht so richtig gut. Wenn man jahrelang in der Geborgenheit einer Lüge gelebt hat, ist es schwer, sich den Realitäten zu stellen. Auch wenn es sich bei dieser Lüge um eine Lüge aus Liebe handelt. Sie, Astrid, hatte der Ehe mit Thomas zu gestimmt, weil sie an das Kind dachte, das sie erwartete und das sie schon geliebt hatte, noch bevor es geboren wurde. Und Thomas war ein Freund von Peter gewesen, bevor dieser fortging. Jetzt war er auch ihr Freund geworden.

Monika hatte das Gesicht der Freundin beobachtet. Plötzlich lachte sie.

»Kriegst du etwa ein Kind?«

Astrid hatte einen trockenen Mund und starrte Monika an.

»Natürlich nicht! Wie kommst du denn darauf?«

Monika tätschelte beruhigend Astrids Schulter.

»Also, sooo unnatürlich wäre das ja nun auch wieder nicht! Ehrlich, ich habe mich schon mal gewundert, wieso ihr nur das eine Kind habt. Wenn ich – also, ich hätte mindestens schon vier!«

Welch ein Morgen!

Zum Glück hielt in diesem Augenblick das Post-Paket-Auto vor der Tür. Der Fahrer sprang heraus, strahlte Astrid und Monika an. »Das wird ein Tag werden!« rief er, schwungvoll die Schiebetür öffnend. »Als erste Begegnung zwei der schönsten Damen des Ortes! Wenn das kein guter Start ist!«

Er hievte drei schwere Pakete mit Büchern aus dem Wagen und schleppte sie ächzend in den Laden.

»Macht elffuffzig, Frau Sundern, bitte.«

Er schrieb eine Quittung, kassierte und war dann, nach einer Reihe launiger Bemerkungen, abgebraust.

»Endlich sind sie da«, sagte Astrid eilig, »ich muß sie gleich auspacken. Kommst du noch mit rein, oder…«

Monika hatte das unbeschreibliche und ungewohnte Gefühl, abgeschoben zu werden.

»Nein, nein, bis später! Ich muß jetzt erst einmal frühstücken!«

Monika war sehr nachdenklich, als sie mit der Brötchentüte im Arm ihrem Salon zuschlenderte? Ob mit Astrid wirklich alles in Ordnung war? Man war schließlich nicht von gestern! Und irgendwann kommen bei der Lebensweise von Astrid und Thomas der besten und wohlwollendsten Freundin manchmal kleine Bedenken. So wie die beiden, so sollte man keine Ehe führen. Dies war ja nicht einmal eine Wochenendehe, denn regelmäßig kam – konnte angeblich nicht – Thomas nicht. Aber andererseits, Monika griff ganz in Gedanken zu dem nächsten Brötchen, andererseits sah man Thomas, wenn er da war, an, daß er sich freute, da zu sein. Die drei sahen rundherum aus wie eine glückliche Familie.

Ob Ärzte – die Brötchen waren heute besonders gut! – ob Ärzte wirklich so sehr an ihrer Karriere arbeiten müssen, daß die Familie dadurch…?

Also nein, dann käme für sie ein Arzt als Ehemann schon nicht in Frage!

Monika seufzte bei dem Wort Ehemann, schob alle Gedanken über Ärzte, Ärzteehen und Arztehemänner beiseite und betrat ihren Salon, in dem Kätchen, ihre langjährige und beste Schneiderin, schon Kaffee aufgebrüht hatte. Kätchen war zu einer Kaffeemaschine nicht zu überreden. Sie schwor darauf, daß gebrühter Kaffee dreimal so gut schmecke wie der aus dem Automaten.

Monika überließ sich dem Frühstücksgenuß und stieg, trotz der morgendlichen Überlegung, gutgelaunt in den Arbeitstag ein.

*

Astrid hatte schweigend und hintereinander die Bücherpakete ausgepackt und freundlich die ersten wenigen Kunden bedient. Sie hatte danach die Regale umsortiert, eine Reihe Dinge im Laden geordnet, die längst fällig gewesen waren, und endlich, gegen elf, ihren Entschluß gefaßt.

Tante Josy saß in ihrem kleinen Büroverschlag, Brille auf der Nase, Zahlen im Kopf.

»Na?«

Sie verscheuchte die Zahlen und nahm die Brille ab.

»Ich glaube«, sagte Astrid und hockte sich auf die Kante des alten Schreibtisches, »ich werde bald einmal nach Hamburg fahren, um in aller Ruhe alles mit Thomas zu besprechen. Es wird wirklich Zeit!«

Tante Josys Vermutung war die, daß es wirklich Zeit würde. Wie will man zum Beispiel Suse erklären, daß ihr geliebter Vater plötzlich nicht mehr kommen wird?

Tante Josy mußte richtig trocken schlucken. Ruhe ade…

Auch sie würde, sie war ganz ehrlich, diesen Dr. Thomas Sundern vermissen. Nicht nur, weil er charakterlich die Noblesse besessen hatte, ein Mädchen mit einem Kind von einem anderen zum Schein zu heiraten, damit dieses Mädchen und dieses Kind unbeschadet leben konnten, nein, er war ihr einfach und schlicht sympathisch!

Wäre ihr, der überzeugten Junggesellin, in jungen Jahren ein solcher Mann begegnet… vielleicht hätte sie ihre Überzeugung dann doch über Bord geworfen.

Sie seufzte.

»Es muß wohl sein…«

Astrid hockte nicht sehr glücklich aussehend auf der Schreibtischkante, malte imaginäre Figuren und Kreise auf den Schreibtisch und starrte Löcher in die Luft.

»Ja. Ich meine ja. Und ich meine noch etwas: Ich meine, wir haben schon ein bißchen zu lange gewartet.«

Tante Josy hatte plötzlich eine gewagte, geradezu verwegene Vorstellung.

»Warum eigentlich?« fragte sie schnell.

Doch Astrid hob nur ihre Schultern und ließ sie wieder sinken.

»Ich weiß es nicht.«

Gemeinsam schwiegen sie dann eine ziemliche Weile.

»Es wird«, begann Tante Josy dann, »für Suse nicht leicht zu verstehen sein.«

»Ich weiß.«

»Wir – wir müssen es ihr ganz behutsam beibringen.«

»Ja«, sagte Astrid und hatte das Gefühl, ihr Herz brenne lodernd. Suse hing, auch wenn sie ihn noch so selten sah, so sehr an Thomas – so sehr.

Das Brennen im Herzen ließ langsam nach. Astrid stand auf, sah Tante Josy an und sagte leise: »Aber es muß sein, oder?«