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Dieses Buch bietet einen umfassenden und tiefgehenden Einblick in Instrumente und Methoden der Unternehmensführung in Zeiten der Postmoderne. Neben der fundierten Beschreibung gibt es Empfehlungen für die betriebliche Anwendung und die praktische Konstruktion sowie Vor- und Nachteile der einzelnen Instrumente und Methoden (z.B. SWOT, PESTEL, PIMS, Ergebniskennlinie, MCKinsey- und BCG-Portfolio, Wertkettenlandkarte, five forces, Ansoff-Matrix, Ressourcen-Struktur-Matrix, Verdoorn-Kurven (Analyse der Produktivität), Erfahrungskurve, Kostendegression, Target Costing, QFD, SRD, Benchmarking, Conjoint-Analyse, Business Plan, Lebenszyklus, Präferenzmethode, Zielbildung und -vertikalisierung) . Das Buch besticht vor allem auch durch zahlreiche Praxisbeispiele und viel illustrierendes Datenmaterial aus empirischen Studien und Projekten des Autors. Managementstudien, Erfahrungsberichte, Benchmarks und empirisches Studienmaterial sowie zahlreiche Downloads gibt es unter www.schneider-dietram.de. Das Buch erscheint in der Schriftenreihe des KUBE e.V. (Kompetenzzentrum für Unternehmensentwicklung und -beratung)
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Schriftenreihe des Kompetenzzentrums für Unternehmensentwicklung und -beratung
Das Kompetenzzentrum für Unternehmensentwicklung und -beratung (KUBE e.V.) widmet sich der Entwicklung, Pflege, Anwendung und Diffusion betriebswirtschaftlicher Methoden und Instrumente in Theorie und Praxis. Unter www.kube-ev.de und www.schneider-dietram.de gibt es nähere Informationen über KUBE-Projekte, -Studien, -Methoden und -Publikationen.
Bisher erschienene Werke:
Hauke, W.; Opitz, O. (2003): Mathematische Unternehmensplanung, 2. Auflage
Boes, S. (2004): Die Anwendung der Konzepte probabilistischer Bevölkerungsmodelle auf Prognosen für den Hochschulbereich
Pflaumer, P. (2004): Klausurtraining Deskriptive Statistik
Pflaumer, P. (2005): Klausurtraining Finanzmathematik
Schneider, D.; Amann, M. (2005): Benchmarking von Beratungsgesellschaften mit Success Resource Deployment – ein empirischer Vergleich von Accenture über BCG bis McKinsey aus Kundensicht
Hagenloch, T. (2007): Value Based Management und Discounted Cash Flow-Ansätze. Eine verfahrens- und aufgabenorientierte Einführung
Rauch, K. (2007): Steuern in der Sozialwirtschaft – Steuern und Gemeinnützigkeit
Hagenloch, T. (2009): Grundzüge der Entscheidungslehre
Kummer, S. (2009): SWOT-gestützte Analyse des Konzepts der Corporate Social Responsibility – Die soziale und ökologische Verantwortung der Unternehmen
Söhnchen, W. (2010): Operatives Controlling. Grundlagen und Instrumente
Hagenloch, T. (2010): Die Seminar- und Bachelorarbeit im Studium der Wirtschaftswissenschaften – Ein kompakter Ratgeber
Henning, S. (2013): Kosten und Leistungsrechnung, Grundlagen und praxisorientierte Anwendungsbeispiele aus der Betriebs-, Sozial- und Tourismuswirtschaft, Band I: Betriebliches Rechnungswesen und klassische Kosten-/Leistungsrechnung
Hänle, M.; Schneider, D. (2014): Raum- und Immobilienmanagement – Fallstudien und Klausurtraining
Schneider, D. (2016): Klausurtraining Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 3. Auflage
Schneider, D. (2016): Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre – kompaktes Basiswissen, 2. Auflage
Henning, S. (2017): Aufgaben zur Kosten- und Leistungsrechnung
Hagenloch, T.; Söhnchen, W. (2017): Strategisches Controlling und Kostenmanagement
Hagenloch, T. (2018): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. Theoretische Grundlagen, Rechnungswesen und Managementlehre, 2. Auflage
Schneider, D. (2018): Theoretische Grundlagen und Ansätze der Betriebswirtschaftslehre – Von Basiskonzepten über Theorieansätze zum neoklassischen Abgrund
Schneider, D. (2019): Unternehmensführung – Instrumente für das Management in der Postmoderne, Kompakte Studienausgabe, 3. Auflage
Schneider, D. (2019): Fallstudien- und Klausurtraining zur Unternehmensführung – Case Studies und Multiple-Choice-Aufgaben für Manager, Controller und Berater, 3. Auflage
Die Neuauflage der „Unternehmensführung“ hat im Vergleich zur zweiten Auflage um rund 30 Seiten und um insgesamt 22 Abbildungen zugelegt. Einerseits wurde diese dritte Auflage aufgrund mehrerer Veränderungen und Ergänzungen im Detail erforderlich. Andererseits sind völlig neue Inhaltsbereiche aufgenommen worden. Sie erstrecken sich schon zu Beginn des Lehrbuchs auf den bislang sowohl in den vorherigen Auflagen – aber auch in den meisten anderen Büchern zur Unternehmensführung – vernachlässigten Zusammenhang zwischen Unternehmensführung und Macht (Kapitel I). Das Hauptkapitel III, das sich ausführlich den Instrumenten der Unternehmensführung widmet, beinhaltet nun auch die PESTEL-Analyse und aus Aktualitätsgründen die so genannten Verdoorn-Kurven bzw. die Pro-Bench-Reg-Methode. Auf überlegene Weise erlauben es Verdoorn-Kurven, Produktivitätsanalysen und entsprechende Benchmarking-Projekte voranzutreiben. Methodischinstrumentell ist darüber hinaus im Zusammenhang mit der praktischen Konstruktion von BCG-Portfolios die Verwendung der so genannten (einfachen) Präferenzmethode möglich (Kapitel III). Mit ihr sind Kaufwahrscheinlichkeiten, Marktanteile und schließlich relative Marktanteile prognostizierbar.
Die doch etwas umfangreichere Überarbeitung dieses Lehrbuchs hat auch zu einer Neuauflage des dazu passenden Übungs- und Fallstudienbuchs geführt. Es liegt nun in einer aktualisierten dritten Auflage vor und ist ebenfalls in der Schriftenreihe des Kompetenzzentrums für Unternehmensentwicklung und -beratung e.V. (KUBE) erschienen:
Fallstudien- und Klausurtraining zur Unternehmensführung
– Case Studies und Multiple-Choice-Aufgaben für Manager, Controller und Berater Schneider, D., 3. Auflage, Norderstedt, 2019.
Wie bei der zweiten Auflage, so verbinde ich auch mit der dritten Auflage die Hoffnung, dass sich durch die Neuauflage nicht mehr Fehler eingeschlichen haben als durch die Überarbeitung der Zweitauflage ausgemerzt wurden.
im August 2019
Dietram Schneider
Nach fast acht Jahren liegt nun die zweite Auflage der „Unternehmensführung“ vor. Im Vergleich zur ersten Auflage gab es nicht nur Veränderungen im Detail. Die neue Auflage bietet auch einige umfangreichere Ergänzungen und Erweiterungen. Dazu gehört beispielsweise die so genannte „Instrumentenlandkarte“ im Zusammenhang mit der Entwicklung von Businessplänen (Kapitel III). Durch sie soll es der Leserschaft noch einfacher fallen, die Inhalte und die Beziehungen zwischen den Instrumenten zu verstehen. Sie soll daneben als eine ganzheitliche Einordnungsheuristik für die dargebotenen Instrumente der Unternehmensführung fungieren und damit ein tieferes Verständnis für ihre Beziehungen und Interdependenzen ermöglichen. Mit den (kritischen) Ausführungen zum kosmopolitischen Management – als neuer postmoderner Hype um die Diversität und die Hybridität im Managment – ist außerdem ein aktuelles Begriffskonzept aufgenommen worden. Daneben gab es Ergänzungen durch empirische Studienergebnisse, Erweiterungen im Bereich der betrieblichen Zielfestlegung (Eckdatenblätter) und illustrierendes Material sowie ergänzenden Beschreibungen im Grundlagenteil (Kapitel I und II) und im instrumentellen Hauptteil des Buches (Kapitel III).
Die Verwendung der „Postmoderne“ – epochal wie philosophisch und soziologisch – für Zwecke der Unternehmensführung hatte in der ersten Auflage zugegebenermaßen noch einen weitgehend experimentellen Charakter. Inzwischen gab es sowohl aus der Praxis als auch aus der Theorie und der Lehre so viele positive Rückkoppelungen, dass die Nutzung des postmodernen Rahmens als gelungen angesehen werden kann. Und dies gilt nicht nur für die Postmoderne im Sinne eines Referenzrahmens der typischen Umweltanalyse, für die eine epochal-soziologische Gesellschaftsanalyse und -diagnose anhand der Postmoderne sofort ins Auge springt. Vielmehr gilt dies in besonderer Weise auch in dem Sinne, dass die Postmoderne philosophisch eine fruchtbare Metaebene für die Managementtheorie und -praxis und darüber hinaus für die theoretische Durchdringung und praktische Anwendung sowie die inneren Beziehungen der dargestellten Instrumente zu liefern in der Lage ist.
Nach wie vor gibt es zu diesem (Lehr-) Buch ein Übungs- und Fallstudienbuch, für die nun auch eine aktualisierte zweite Auflage vorliegt. Es ist ebenfalls in der Schriftenreihe des Kompetenzzentrums für Unternehmensentwicklung und -beratung e.V. (KUBE) erschienen und eignet sich sowohl zur Vorbereitung auf Prüfungen und Klausuren als auch zum Training anhand von Fallstudien:
Fallstudien- und Klausurtraining zur Unternehmensführung
– Case Studies und Multiple-Choice-Aufgaben für Manager, Controller und Berater Schneider, D., 2. Auflage, Norderstedt, 2015.
Meine Hoffnung ist schließlich, dass sich durch die Neuauflage nicht mehr Fehler eingeschlichen haben als durch die Überarbeitung der Erstauflage ausgemerzt wurden.
im September 2015
Dietram Schneider
Nur sehr oberflächlich betrachtet charakterisiert die Postmoderne eine Epoche, die sich seit den 70er Jahren herausschält. Vielmehr handelt es sich um eine (philosophische) Denkhaltung und eine Diagnose der Gegenwartsgesellschaft und ihrer Entwicklungslinien. Ihre Anhänger stehen den so genannten Meta-Erzählungen (Aufklärung und Rationalität, Liberalismus und Marxismus, Emanzipation des Menschen und Erschließung von Sinn des Lebens, Einheit und Sicherheit usw.) sehr skeptisch gegenüber. Oder sie halten sie sogar für Irrlichter, die sowohl der Beschwichtigung und Beruhigung als auch der Ausmerzung von Pluralität und der Unterdrückung von Menschen dienen. Sie plädieren daher für eine radikale Pluralisierung von Kultur und sozialem Leben und für einen spielerischen Umgang mit der Unsicherheit. Wahrheit und Vernunft akzeptieren sie allenfalls in kontingenter und pluraler Form – je nach Perspektive des Betrachters. Die gegenwärtig zu beobachtenden Phänomene auf der Ebene der Alltagsrealität – in der Privat-, Berufs- und Geschäftswelt – erscheinen als empirische Belege des philosophischen Überbaus: Kurzfristigkeit und Oberflächlichkeit der sozialen Beziehungen (in den Partnerschafts- bis zu den Arbeitsverhältnissen), Auflösung der zunächst auf Einheit bedachten Institutionen (z.B. vom Nationalstaat bis zur Familie) und Pluralisierung der Gesellschaft (z.B. Parallelgesellschaften, differenziert-plurale Konsum- und Lifestylemuster). Und dem einen wissenschaftlichen Gutachten wird das Gutachten der nächsten Forschergruppe entgegengehalten, so dass auch wissenschaftliche Erkenntnisse drohen, zu „individuellen, partikulären Meinungen“ zu degenerieren. Was als rational erscheint, wirkt im nächsten Augenblick schon irrational; was als Wahrheit verkündet wird, erscheint bei genauerer Betrachtung als schön gefärbte Lüge; was im gegenseitigen Commitment vereinbart wurde, steht bereits am nächsten Tag zur Disposition – so der Befund der postmodernen Gesellschaftsdiagnose, dem sich auch der kritische Zeitgenosse kaum erwehren kann.
Vor diesem Hintergrund brauchen postmodernes Management und Management in der Postmoderne für eine erfolgversprechende Unternehmensführung methodisch-instrumentelle Unterstützung. Diese Überzeugung bildet die Leitlinie dieses Buches. Wenn es nur noch eine kontingente bzw. transversale Wahrheit gibt, und Rationalität und Irrationalität der Selbstreferenz unterliegen, drohen Wahrheit und Lüge sowie Rationalität und Irrationalität ununterscheidbar zu werden, und sie sind dann nur noch plural und selbstreferenziell denkbar. Managementinstrumente sind aus dieser Perspektive einerseits als „Spaltwerkzeuge“ interpretierbar. Sie helfen, Rationalität von Irrationalität und Wahrheit von Lüge zu trennen. Sie schärfen den Blick für die Realität, und sie können dazu beitragen, den freundlich präsentierten Schein der abwegigen Simulation von der Realität abzuspalten – auch wenn sich diese letztlich immer nur partiell erschließen lässt. Dadurch helfen sie andererseits, den eigenen Standpunkt – instrumentell gestützt – zu verdeutlichen und gegen Widerstände zu verteidigen. Das subjektive „Hohle-Bauch-Gefühl“ konkurriert dann mit der instrumentell unterfütterten und in der Regel mit Daten gefütterten Analyse. Das Management ist in der Praxis häufig gefordert, enorme Ressourcen einzusetzen, um beispielsweise Geschäfte aufzubauen, Unternehmen zu übernehmen und/oder Kapazitäten neu zu disponieren. Ein (postmoderner) philosophischer Rückzug, der anderen und unter Umständen suboptimalen Vorgehensweisen und Alternativen aus Toleranz und aus Gründen der Erhaltung von Pluralität (oder gar Indifferenz) Ressourcen zubilligt, kommt im betrieblichen Alltag schon alleine aufgrund von begrenzten Mitteln meist nicht in Frage. Gerade im Bewusstsein postmoderner Überlegungen und ihrer sicherlich stichhaltigen Gesellschafts- und Entwicklungsdiagnosen widmet sich daher das vorliegende Buch vor allem der methodisch-instrumentellen Stärkung der Unternehmensführung.
Neben der Darstellung traditioneller Methoden und Instrumente (z.B. Erfahrungskurve, Portfolios) bietet es moderne und relativ neue Methoden und Instrumente (z.B. Conjoint Measurement, Success Resource Deployment). Dabei geht es nicht nur um ihre unreflektierte Beschreibung, sondern vor allem auch – ganz im Sinne des Plädoyers für die Erhaltung und Ausweitung der Pluralität – um das Aufzeigen der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Instrumente in der Praxis. Es geht aber auch darum, ihre Mängel und praktischen Einsatzprobleme zu verdeutlichen. Dies ist einerseits erforderlich, um die Instrumente „richtig“ anzuwenden. Andererseits ist dies erforderlich, weil es instrumentenspezifische Freiheitsgrade für subjektive und manipulative Eingriffe gibt. Sie können dazu beitragen, Sachverhalte interessengesteuert zu schildern und/oder zu verdrehen und somit „kleine Meta-Erzählungen“ zu produzieren. In der Unternehmenspraxis gibt es – trotz aller Einheitsbeschwörungen („wir sitzen alle im gleichen Boot“, usw.) – stets Vertreter unterschiedlichster Interessenlagen, die versuchen, vor allem ihre eigenen Ziele zu realisieren. Ist man daher in der Instrumentenverwendung versiert, so können diese Interessenlagen und ihre Protagonisten samt ihren Meta-Erzählungen entlarvt (dekonstruiert) und mit konträren Standpunkten konfrontiert werden. Andererseits ist es möglich, seine instrumentellen Kenntnisse dazu einzusetzen, eine Geschichte zu erzählen, die den eigenen Zielen dient: beim so genannten BCG-Portfolio entscheiden beispielsweise die Berechnungszeiträume für den relativen Marktanteil und das Marktwachstum sowie die Marktabgrenzungen ganz erheblich darüber, ob Geschäftsfelder in der Position von Fragezeichen, Stars, Melkkühen oder Sorgenkindern erscheinen und welche Normstrategien zu wählen sind.
Zu diesem (Lehr-) Buch gibt es als wichtige Ergänzung ein Übungs- und Fallstudienbuch, das ebenfalls in der Schriftenreihe des Kompetenzzentrums für Unternehmensentwicklung und -beratung e.V. (KUBE) erschienen ist. Es eignet sich sowohl zur Vorbereitung auf Prüfungen und Klausuren als auch zum Training anhand von Fallstudien:
Fallstudien- und Klausurtraining zur Unternehmensführung
– Case Studies und Multiple-Choice-Aufgaben für Manager, Controller und Berater Schneider, D., Norderstedt 2007
Meinen geschätzten Vorstandskollegen im KUBE, Herrn Prof. Dr. Peter Pflaumer und Herrn Prof. Dr. Wolfgang Hauke, sei an dieser Stelle für die Aufnahme dieses Buches in die KUBE-Schriftenreihe ganz herzlich gedankt. Den Mitgliedern und Beiräten im KUBE danke ich für manche wichtige Anregung und das vielfältige empirische Material, das ich im Zuge zahlreicher KUBE-Studien und -Projekte sammeln und an verschiedenen Stellen dieses Buches einflechten durfte. Mein Dank gilt schließlich dem Verlag für die gute Zusammenarbeit. Für Fehler jeglicher Art, die mir die LeserInnen verzeihen mögen, bin ich selbstverständlich allein veranwortlich.
im Februar 2007
Dietram Schneider
Führung, Macht, Postmoderne und Instrumente
Unternehmens- Personal- und Menschenführung
Unternehmensführung und Macht
Unternehmensführung und Postmoderne
3.1 Postmoderne als philosophische Denkrichtung
3.2 Postmoderne als gesellschaftliche Entwicklungsdiagnose
3.3 Unternehmensführung im Würgegriff postmoderner Widersprüche
3.4 Kosmopolitisches Management als postmoderner (Un-) Heilsbringer
3.5 Postmoderne Arbeitswelt: Darwiportunismus
Planung und Regelkreis der Unternehmensführung
Unternehmensführung, Planung und Flexibilität
Unternehmensführung, Instrumente und Intuition
Unternehmensführung und Kundenorientierung
Grundlagen zielorientierter Unternehmensführung
Zielbildung
1.1 Zielbildungsprozess
1.2 Zielformulierungsprobleme und -konstruktionen
1.3 Zieldimensionen und Zielvertikalisierung
1.4 Zieldimensionen in praktischen Ziel- und Eckdatenblättern
1.5 Zielformulierungspräferenzen
1.6 Zielbeziehungen
Planung
2.1 Planungsprozess
2.2 Planungselemente
2.3 Planungsebenen
2.4 Planungsansätze
Bildung strategischer Geschäftseinheiten
Instrumente für die Unternehmensführung
Überblick
Instrumentenlandkarte und Businesspläne
SWOT-Analyse
3.1 Überblick
3.2 Umweltanalyse
3.3 Unternehmensanalyse
3.4 Anwendungs- und Transferbeispiele
3.5 Ansoff- und Ressourcen-Struktur-Matrix
Verdoorn-Kurven – Pro-Bench-Reg-Methode
4.1 Überblick
4.2 Vorgehensweise und Konstruktion
4.3 Anwendungsbeispiele
4.4 Exkurs: Niedergang der Produktivitätsentwicklung in Deutschland
PIMS
5.1 Überblick
5.2 Aussagen und Beispiele
Erfahrungskurvenkonzept
6.1 Überblick
6.2 Empirische Beispiele
6.3 Erfahrungskurve und strategisches Preisverhalten
6.4 Erfahrungskurve und Beschaffungsmanagement
6.5 Erfahrungskurvenstrategie am Beispiel von Ford
Produkt-Lebenszyklus-Modell
7.1 Überblick
7.2 Empirische Beispiele
7.3 Markt- und Entwicklungszyklus
7.4 Lebenszyklus, Produkt- und Umsatzstruktur-Mix
7.5 Lebenszyklus und Wertschöpfungsstrukturen
Portfolio-Methode
8.1 Überblick
8.2 Marktwachstums-Marktanteils-Portfolio
8.3 Präferenzmethode zur Antizipation von Marktanteil und RMA
8.4 Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolio
8.5 Beispiele für Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Portfolios
8.6 ADL-Portfolio-Matrix
8.7 Technologie- und Forschungs- und Entwicklungs-Portfolios
8.8 Beschaffungs-Portfolios
8.9 Human-Resource-Portfolios
Programm- und Sortimentsanalyse
9.1 Überblick
9.2 Produktpositionierung
9.3 Alters-, Umsatz-, Kunden- und Erfolgsstrukturanalyse
Wertkettenlandkarte
10.1 Überblick
10.2 Wertkettenstrategien
10.3 Verkettungsanalysen
Wertschöpfungsstrukturanalyse
11.1 Überblick
11.2 Beispiele für Wertschöpfungsstrukturveränderungen
Ergebniskennlinie
12.1 Überblick
12.2 Normstrategien und Varianten
12.3 Anwendungsbeispiele
Conjoint-Analyse
13.1 Überblick
13.2 Vorgehensweise
13.3 Anwendungsbeispiele
13.4 Conjoint, preispolitische Spielräume und Power Pricing
Target-Costing
14.1 Überblick
14.2 Vorgehensweise und Anwendungsbeispiel
Quality Function Deployment
15.1 Überblick
15.2 Vorgehensweise
15.3 Beispielhafte Analyseergebnisse
Success Resource Deployment
16.1 Überblick
16.2 Vorgehensweise
16.3 Beispielhafte Analyseergebnisse
16.4 Empirische Studien und praktische Anwendungen – Übersicht
16.5 „SRD-Bench-Consult“ – Studienbeispiel
16.6 SRD als überlegenes Managementinstrument
Benchmarking
17.1 Überblick
17.2 Vorgehensweise
17.3 Benchmarking-Beispiele
Balanced Scorecard
18.1 Überblick
18.2 BSC-Perspektiven, Ursache-Wirkungsketten und BSC-Beispiel
Rekurs
DV-Tools auf Excel-Basis
Kompetenzzentrum für Unternehmensentwicklung und -beratung (KUBE e.V.)
Literaturverzeichneis
Stichwortverzeichnis
Die Unternehmensführung erstreckt sich auf die zielgerichtete und planvolle Gestaltung der Strukturen und Prozesse von Unternehmen (interner Focus). Hierdurch soll sie die Wettbewerbsfähigkeit am Markt sowie gegenüber Konkurrenten sichern und ausbauen helfen (externer Focus). Die Unternehmensführung konzentriert sich damit vor allem auf Willensbildungs- bzw. Zielbildungs- und Planungsprozesse, die das Gesamtunternehmen und seine Stellung im Wettbewerb betreffen. Willensbildungsprozesse sind die Vorstufe von Willlensdurchsetzungsprozessen, d. h. den Handlungen und Aktivitäten, die mit der Realisierung der im Zuge der Willensbildung entwickelten Ziele und Pläne verbunden sind.
Menschenführung setzt dagegen an personenbezogenen Handlungen und Beeinflussungen an. Hier geht es darum, dass bestimmte Personen (Führende) auf andere Personen (Geführte) einwirken, um diese zu einem zielentsprechenden Handeln zu bewegen (Heinen (a)). Dies gilt für Menschen- und Personalführung gleichermaßen. Trotz fließender Grenzen (z. B. Sportverein) geht die Menschenführung (Privatbereich) in Personalführung über, wenn die Führung in einem formalen institutionell-organisatorischen Rahmen abläuft (z. B. Unternehmen). Ungeachtet dessen und ungeachtet des Unterschieds zwischen Mensch und Person ist der Führungsbegriff zunächst unabhängig von bestimmten hierarchischen Stellungen der einzelnen Personen in einem Unternehmen. Daher schließt er nicht nur Führung von oben nach unten (top down), sondern auch von unten nach oben (bottom up) sowie auf der gleichen Ebene (horizontal) mit ein.
Unternehmens-, Personal- und Menschenführung sind in der Praxis eng miteinander verzahnt. Die Führung eines Unternehmens ist ohne Personalführung nicht möglich. Und schon die in der Kindes- und Reifephase des Jugendalters (Adoleszenz) empfangene und ausgeübte Menschenführung übt einen ganz wesentlichen Einfluss auf die spätere Personalführung – als Geführter und als Führender – im Berufsalltag aus. Zu denken ist an die Herausbildung des Habitus und der Macht sowie an die Gewinnung von symbolischem Kapital und die soziale Schichtung (im Überblick Münch; zum symbolischen Kapital und Habitus v. a. Bourdieu sowie Abschnitt 2 in diesem Kapitel).
Die personelle und hierarchische Teilung zwischen Willensbildung und -durchsetzung ist die zentrale Ursache der Entstehung des Phänomens der Menschenführung. In Unternehmen und für die Personalführung gilt dies in besonderer Weise, weil u. a. mit zunehmender Größe von Unternehmen die Prozesse der Willensbildung und -durchsetzung immer stärker personell und hierarchisch getrennt sind. Wo diese Trennung nicht vorliegt (z. B. Einpersonen-Firma), ist zwar weiterhin Führung im Sinne von Unternehmensführung, aber nicht Führung im Sinne von Personalführung erforderlich. Im externen Verhältnis, d. h. zwischen diesem Einpersonen-Unternehmer und den Lieferanten und Kunden, wird jedoch auch weiterhin von personalen Einflussprozessen (z. B. Überzeugung von der Qualität der Produkte, Motivation zum Kauf) Gebrauch gemacht. Im zwischenbetrieblichen Verhältnis existiert daher auch in diesem Fall Führung im Sinne von Menschenführung – jedoch nicht im hierarchischen Gebilde eines Unternehmens, sondern im Zuge eines marktlichen Koordinationsmechanismus. Abstrahiert man von diesem „Sonderfall“, so erfolgt in der Praxis Willensbildung vor allem auf den oberen und Willensdurchsetzung auf den unteren Ebenen der Managementhierarchie (Bild 1).
Bild 1: Managementhierarchie, Willensbildung und Willensdurchsetzung
Willensbildung konzentriert sich vor allem auf die Zielbildung, Planung, Entscheidung und die Kontrolle. Aus der Kontrolle ergeben sich für nachfolgende Zielbildungsprozesse wichtige Eingangsinformationen. Außerdem erfolgen im Rahmen der Willensbildung ständig Kontrollaktivitäten (z. B. Zielkontrolle). Die Kontrolle ist neben der Ausführung (Realisierung) gleichzeitig eine wichtige Komponente der Willensdurchsetzung.
Geht man davon aus, dass sich in der Praxis die Willensbildungszentren eher im oberen und die Willensdurchsetzungszentren eher im unteren Management befinden, dann stellt die Personalführung bei einer personellen und hierarchischen Aufgabenteilung eine wichtige Voraussetzung für die Unternehmensführung dar. Wollen die Träger der Willensbildung ihre Ziele und Pläne in der Praxis realisieren bzw. durchsetzen, müssen sie Führung im Sinne von Personalführung betreiben. Den autorisierten und institutionalisierten Willensbildungszentren des Unternehmens (z. B. Vorstand, Geschäftsführung) muss es gelingen, vor allem auch die Belegschaft von den gefassten Zielen und Plänen (z. B. Herstellung von Panzern) zu überzeugen und zu entsprechenden Handlungen zu veranlassen. Diese Überzeugungsarbeit wird um so relevanter, je „aufgeklärter“, „kritischer“ und „selbstbewusster“ die Belegschaft ist. Gelingt sie nicht, kann die Unternehmensführung an der Personalführung scheitern. Versagt das Management bei der Personalführung, will es aber unter diesen Bedingungen weiterhin an der Realisierung der Ziele und Pläne festhalten, muss es selbst – durch den Einsatz der eigenen operativen und ausführenden Arbeitskraft – für die Willensdurchsetzung sorgen (z. B. Montage der Panzerketten). In diesem Fall wird das Management sehr schnell an eigene Kapazitätsgrenzen stoßen.
Dieses – sicher überspitzte – Beispiel weist die Personalführung (und letztlich die Menschenführung) in Verbindung mit der individuellen Begrenzung der menschlichen Arbeitskapazität als Engpass für die Realisierung von (Unternehmens-) Zielen und Plänen aus. Insofern sind Visions- und Überzeugungskraft, Begeisterungsfähigkeit, Glaubwürdigkeit, Wahrhaftigkeit, Leadership, Charisma, soziales Kapital, Habitus usw. und letztlich die pure Macht (vgl. Abschnitt 2) wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Menschen-, Personal- und Unternehmensführung.
Die entlang der typischen Managementhierarchie dargestellte Trennung zwischen Willensbildung und -durchsetzung wurde in der Vergangenheit durch verschiedene Entwicklungen beeinflusst, die auch heute noch wirken (vgl. Pfeile in Bild 1). Durch Lean Management, Re-Engineering-Aktivitäten und die Delegation von Planung, Organisation und Disposition im Zuge von Gruppen- und Teamarbeit sowie durch ständige Arbeitsintegrationsprozesse und die bessere Ausstattung mit modernen Informations- und Kommunikationsmedien stiegen (und steigen) im unteren Bereich der Hierarchie die Anteile der Willensbildung. Gleichzeitig ergab (ergibt) sich eine (relative) Zunahme des Anteils der Willensdurchsetzung im oberen Bereich (Reichwald, Schneider (c)). Die Anteilsunterschiede zwischen Willensbildung und -durchsetzung entlang der Managementhierarchie wurden (werden) dadurch immer geringer. Daher überrascht es nicht, wenn von der bereits vor mehreren Jahren in Gang gesetzten Abflachung der Hierarchieebenen vor allem das mittlere Management betroffen war (und ist). Dass mit der Reduzierung der Hierarchieebenen eine Ausweitung der Leitungs-, Kontroll- bzw. Führungsspanne verbunden ist, wurde lange unterschätzt. Allerdings kann dies zu zusätzlichen Problemen für die Personalführung führen. Zu denken ist z. B. an die intensivierte Konkurrenz um den Aufstieg, an höheren Betreuungsaufwand und an den Zwang zur eher ergebnisorientierten Führung durch Linienmanager. Bild 2 zeigt hierzu auf der Basis eines von McKinsey vorgestellten Unternehmens ein Beispiel aus der mittelständischen Industrie (Kluge u. a.):
Bild 2: Hierarchieabflachung – empirische Beispiele (1)
Bild 3 fasst für den Zeitraum mit den vermutlich intensivsten Prozessen der Hierarchieabflachung (ca. 1991 – 1994) unterschiedliche Hinweise und Trendmeldungen aus verschiedenen Quellen zusammen (v. a. Manager Magazin 1994).
Beispiele:
Hypobank:400 > 220 DirektorenHP:1994: 700 Führungspositionen > 30-40 pro Jahr streichen (schrittweise Ausweitung der Führungsspanne)Lufthansa:.30 % der Führungspositionen gestrichenDaimler Benz AG:20 % weniger leitende AngestellteMercedes:25 % weniger ManagementpositionenVolkswagen:3 Führungskreise ersetzen 8 Hierarchiestufen(Reduktion von 1000 auf 800 Führungspositionen (1992-1994))Wacker Chemie:170 > 145 Abteilungsleiter/ProkuristenTrends: (aus Sicht von 1994)
Consultative:60-80 % der „Mittelmanager“ werden zukünftig obsoletIBM:1/3 der Manager wird abgebaut/erhält Fachpositionen (durchschn. Kontrollspanne 1991: 8,6; 1994: 12,1)Montani (GDI Zürich):„noch ist Herzstück nicht getroffen, also weiter abflachen“Problem:USA-Studie: 60 % der Mittelmanager sind „Zyniker“ geworden, kein Glaube an und keine Loyalität gegenüber Unternehmen („Vertrauenskrise im Management")Bild 3: Hierarchieabflachung – empirische Beispiele (2)
Nicht überall, wo Menschen geführt werden, liegt gleichzeitig Unternehmensführung vor (z. B. private Bereiche). Jedoch zeigen die bisherigen Ausführungen, dass die Personalführung ein wichtiger Teilaspekt der Unternehmensführung ist. Sorgsam aufeinander abgestimmte Zielbildungs- und Planungsprozesse sind daher nicht nur Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung, sondern können auch latente sowie konkret auftretende (Überzeugungs- und Verhaltens-) Konflikte im Zuge der Personalführung reduzieren helfen.
Ferner muss ein Bewusstsein für die Tatsache geschaffen werden, wonach die Unternehmensführung heute vor allem auch von Kunden- und Marktzwängen beeinflusst wird – sieht man von Extremfällen ab, dann gibt es ohne Kunden keine Unternehmen. Auf einer abstrakten Ebene kann man das Management als vernunftgesteuerten „Handlanger“ und „Transmissionsriemen“ zwischen unternehmerischer Willlensbildung und -durchsetzung einerseits und den Kunden und Märkten andererseits interpretieren. Daher ist es von enormer praktischer Bedeutung, für die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Unternehmensführung, Vernunft (und damit verbunden Wahrheit), Zielbildung, Unternehmensplanung und Kundenorientierung eine hohe Sensibilität zu entwickeln (vgl. dazu die folgenden Abschnitte). Wie sich insbesondere in Abschnitt 3 zeigt, ergeben sich dabei vor allem aus Sicht der Postmoderne zusätzliche Anforderungen an die Führung.
Sowohl die personale Trennung zwischen Willensbildung und Willensdurchsetzung als auch die Beschreibung der Führung als zielorientierte Verhaltensbeeinflussung provozieren die Gefahr, Machtaspekte aus der Betrachtung auszuklammern. In Standardwerken zur Unternehmensführung (wie zur Betriebswirtschaftslehre allgemein) sucht man sehr häufig vergeblich nach einer Einbeziehung von Machtfragen, obgleich Führung – egal ob Menschen-, Personal- oder vor allem Unternehmensführung – stets einer Machtbasis bedarf. In den vielfältigen Bezügen (Unternehmen, Familie, Verbände, Politik, Hochschule und Universitäten sowie sonstige Institutionen) zeigt die Praxis täglich, dass sich ohne Macht – zunächst unabhängig worauf sie beruht – weder der gebildete Willen im Sinne von Zielen und/oder Strategien durchsetzen lässt, noch eine zielorientierte Verhaltensbeeinflussung von Erfolg gekrönt ist.
Um Machtfragen zu beleuchten, kann auf verschiedenen Konzepten aufgebaut werden. Bild 4 gibt einen Überblick über drei Machtkonzepte:
Bild 4: Machtkonzepte und Machtgrundlagen
Der Soziologe Max Weber versteht unter Macht „… jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwohl worauf diese Chance beruht“ (Weber (b), S. 28). Dazu formuliert Weber drei Grundlagen: Danach sind „moderne“ Organisationen und Bürokratien durch die so genannte legale Herrschaft charakterisierbar, die auf Organisationsprinzipien, Satzungen, hierarchische Strukturen usw. beruht. Ihr stellt er die traditionale (gestützt auf geltende Traditionen) und die charismatische Ausprägung (fußt auf persönliche Ausstrahlung) gegenüber (Weber (a)). Sicherlich haben diese drei Machtgrundlagen auch heute nach wie vor eine herausragende Bedeutung.
Eine jüngere Operationalisierung von Machtgrundlagen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive eröffnen Dietel und Müller-Bader (ähnlich Weiche). Im Zusammenhang mit (betriebswirtschaftlichen) Führungsfragen verweisen sie auf Belohnungs- und Bestrafungsmacht sowie legitimierte Macht (ähnlich wie bei Weber). Darüber hinaus ist an Identifikationsmacht zu denken. Sie liegt vor, wenn Führende eine Leit- und Vorbildfunktion ausüben und Geführte dadurch Überzeugungen und Verhaltensweisen der Führenden übernehmen. Schon Sigmund Freud (z. B. 1960) hat auf die zentrale Bedeutung der Identifikation bzw. Identifizierung für die Beantwortung der Frage hingewiesen, warum Individuen (und schließlich Menschengruppen und -massen) sich an Führende gebunden fühlen und diesen „verfallen“. Daneben behandeln Dietel und Müller-Bader als weitere Machtgrundlagen die Verfügungsmacht (über Ressourcen), die Expertenmacht (durch Informationsvorteile entstehend) und die Informationsmacht (durch Steuerung und Manipulation von Informationen und Informationsflüssen bedingt).
Eine inzwischen weit verbreitete Systematisierung liegt von dem französischen Soziologen Bourdieu vor. Nach ihm findet in den Feldern Wirtschaft, Soziales und Kultur ständig ein Kampf um die Verteilung von knappen Gütern unter Personen, Gruppen, Klassen und Gesellschaften statt. Mit diesen Feldern korrespondieren das ökonomische Kapital (Gelderwerb durch Lohn, Gewinn, Finanzmittel), das soziale Kapital (Anzahl, Wert und Häufigkeit sozialer Beziehungen) und das kulturelle Kapital (Bildung, Lebensstil, Geschmack). Alle drei Kapitalarten sind unter den Oberbegriff „symbolisches Kapital“ subsumierbar. Symbolisches Kapital bringt den Ruf zum Ausdruck, den jemand aufgrund der angehäuften Menge an ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapitalien durch die Bewertung anderer genießt. Aus allen drei Kapitalien bzw. dem symbolischen Kapital ziehen Akteure ihre Macht. Bourdieu beschreibt schließlich die ständigen Machtkämpfe zwischen den Akteuren in allen drei Feldern, um ihre Macht auszuweiten und eine Machtakkumulation zur weiteren Mehrung der Kapitalien und damit ihrer Macht zu betreiben.
Die drei Konzepte sind nicht überschneidungsfrei; außerdem weisen sie Interdependenzen auf. So kann Charisma beispielsweise der Identifikationsmacht dienen. Soziales (aber auch kulturelles und ökonomisches) Kapital kann eingesetzt werden, um Beziehungen („Vitamin B“) zu anderen Akteuren aufzubauen und zu nutzen, die gegen Widersacher, Gegenspieler und Rivalen im Kampf über die Verfügung von Ressourcen oder die Manipulation von Informationsflüssen in Stellung gebracht werden können.
Andererseits erscheint die heuristische Kraft des Konzepts von Bourdieu sehr aktuell und für die Beschreibung der Alltagspraxis sehr weitreichend. Symbolisches Kapital bietet eine komfortable Ausgangsbasis für politisches Lobbying in und zwischen Unternehmen sowie gegenüber externen Stakeholdern (Regierungen, Europäische Institutionen, Behörden usw.), was für Zwecke der Unternehmensführung eine hohe Relevanz darstellt. Gleiches gilt für die Gewinnung von Aufträgen, für die Beeinflussung von Gesetzgebungsverfahren und/oder die Abwendung von Handels- und sonstigen Geschäftsbeschränkungen (z. B. Verweigerung von Medikamentenzulassungen in der Pharmaindustrie). Für die Optimierung der eigenen Karriere, um bis zur Unternehmensführung bzw. in das Top-Management aufzusteigen, was mitunter die Ausschaltung von Konkurrenten um den Aufstieg erfordert, bildet symbolisches Kapital daneben eine unverzichtbare Basis für jedes Individuum.
Unternehmen sind offene sozio-technische Systeme (Heinen (b)). Die Unternehmensführung muss daher für gesellschaftliche Veränderungen eine hohe Wahrnehmungsfähigkeit aufweisen und ist gezwungen, sich den daraus ergebenden (neuen bzw. veränderten) Anforderungen zu stellen. Andererseits sind Unternehmen und ihre Manager selbst wichtige Treiber gesellschaftlicher Veränderungen. Damit ist für eine erfolgreiche Führung von Unternehmen eine Diagnose der gesellschaftlichen Verhältnisse und Strömungen unerlässlich.
Für die Zustandsbeschreibung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse und ihre aktuellen Entwicklungslinien hat sich vielfach der Begriff „Postmoderne“ etabliert. Neben der Diagnose der Gegenwartsgesellschaft und ihren Wandlungen bezeichnet „Postmoderne“ eine auf den so genannten Poststrukturalismus basierende philosophische Denkrichtung. Postmoderne als Charakterisierung und Entwicklung der Gegenwartsgesellschaft und Postmoderne als philosophische Denkrichtung sind dabei eng miteinander verknüpft und haben für die Unternehmensführung durchschlagende Auswirkungen. Um diese (annähernd) zu durchschauen, ist der schillernde Begriff „Postmoderne“ hinsichtlich der zwei Bedeutungsbereiche näher zu kennzeichnen (vgl. zur Postmoderne ausführlich z. B. Behrens. Engelmann, Jain (a), Welsch, Zima, sowie die „Klassiker“ wie Baudrillard, Baumann, Derrida, Foucault, Lyotard).
„Postmoderne“ beschreibt zunächst eine insbesondere von französischen Philosophen (des Postrukturalismus) ausgearbeitete Konzeption, die sich allerdings aufgrund ihrer oft kritisierten Uneinheitlichkeit und Unschärfe einer genauen Charakterisierung – wie es sich der Betriebswirt in aller Regel wünscht – entzieht. Sogar eifrigste Verfechter der Postmoderne vermeiden genaue Definitionen. So bemerkt zum Beispiel Behrens: „Seit den achtziger Jahren ist der Begriff Postmoderne aus dem universitären, aber auch dem alltäglichen Sprachgebrauch nicht mehr wegzudenken. Aber mit einer genauen Definition tun sich selbst die postmodernen Theoretiker schwer“ (S. 6). Trotzdem sei an dieser Stelle aus pragmatischen Gründen der Versuch einer robusten und vereinfachten Charakterisierung gewagt. Ein wichtiger Wesenskern der postmodernen Philosophie liegt in der Skepsis gegenüber so genannten (metaphysischen) Meta-Erzählungen, die lediglich beschwichtigen, Sinn und Einheitsvorstellungen vorgaukeln, Pluralität gefährden und damit Totalitarismen – welcher Art auch immer – Vorschub leisten (können). „In äußerster Vereinfachung kann man sagen: `Postmoderne´ bedeutet, daß man den Meta-Erzählungen keinen Glauben mehr schenkt“ (Lyotard, S. 14).
Diese für die Epoche der Moderne typischen Meta-Erzählungen (z. B. Marxismus; Vernunft des menschlichen Geistes; Einheit der Vernunft; Einheit der Wahrheit; Einheit des Staates; tieferer Sinn und hermeneutisches Erschließen von Sinn) haben nach Ansicht der Anhänger der Postmoderne ihre Legitimationskraft und ihren Geltungsanspruch verloren. Sie glauben weder an die mit der Aufklärung verbundene Emanzipation der Menschheit noch an die mit ihr einhergehende Besinnung auf die menschliche Rationalität. Damit stellt die Postmoderne zentrale Ansprüche der Moderne in Frage. Danach gibt es nicht die eine Rationalität, sondern lediglich eine so genannte transversale Rationalität – eine Vielheit bzw. Pluralität an Rationalitäten und an Rationalitätsformen (z. B. praktische und theoretische). Somit halten postmoderne Philosophen ein Plädoyer für eine Rationalität jenseits des Einheitsstrebens des Aufklärungs-Rationalismus. Alles unterliegt der Kontingenz. Dies gilt neben der Rationalität, die in postmoderner Lesart häufig in Irrationalität mündet und von dieser oft kaum unterschieden werden kann, vor allem auch für die Wahrheit, die es letztlich nicht gibt. Was wahr und rational ist (oder im Sinne der Postmoderne besser ausgedrückt als wahr und rational „erscheint“), unterliegt daher vielfältigen Einflüssen: z. B. dem Zeitgeist, der gesellschaftlichen Mehrheitsfähigkeit, den mobilisierbaren Ressourcen für die Inszenierung von Wahrheitsritualen und die Wahrheitsverkündigung, der Macht, der sozialen Geltung, der Deutungshoheit, dem Diskurs, der Kommunikationsfähigkeit der Wahrheitspropheten. Wo es nur noch kontingente und plurale Wahrheiten und Rationalitäten gibt und ein verbindlicher Wahrheits- und Rationalitätsbegriff fehlt, liegen Rationalität und Irrationalität, Wahrheit und Lüge, Moral und Unmoral nicht nur auf engem Terrain zusammen, sondern sie sind kaum noch unterscheidbar. So entsteht die Gefahr, dass sich „Lüge und Irrationalität zur Weltordnung“ aufspielen (können) und sich überdies unter dem Deckmantel von Wahrheit und Rationalität ausbreiten (so könnte man die kritischen Hinweise von Zima in Anspielung auf die Postmoderne deuten).
Schon an dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass man sich in dieser Lesart des Eindrucks kaum erwehren kann, wonach zahlreiche aktuelle Erscheinungen in den Beobachtungsfeldern Politik und Wirtschaft zu den empirschen und realen Zeugen der Postmoderne mutieren – die Liste der praktischen Beispiele reicht hier von fake news bis zu Betrugs- und Korruptionsskandalen.
Eine herausgehobene Rolle im Poststrukturalismus spielt das Konzept der so genannten Dekonstruktion. Im Hinblick auf ihre Definition als zentraler Teilaspekt der postmodernen Philosophie teilt sie ein ähnliches Schicksal wie die Postmoderne insgesamt. Auf der anderen Seite ist die Zurückhaltung gegenüber Definitionen in der Postmoderne nun durchaus nachvollziehbar, weil sie notwendigerweise totalitäre Ansprüche bergen, gegen die sich postmoderne Philosophen stets vehement zur Wehr setzen. Lässt man sich trotzdem auf eine Begriffsbestimmung ein, so kann man die Dekonstruktion aufgrund ihrer zunächst auf die Literaturwissenschaften konzentrierten Anwendung als ein Verfahren auffassen, Texte in ihre Einzelteile zu zerlegen, Aussagen und Folgerungen umzukehren, ihre Logik zu verschieben und der Frage nachzugehen, was in Texten weggelassen oder gerade nicht betont wird. Insofern ist zu verstehen, wenn Vertreter der Postmoderne in Anlehnung an Derrida, einen der wohl exponiertesten Denker der Dekonstruktion, formulieren, dass derartiges „Differenzdenken“ das Ausgegrenzte und Abgeschobene wieder an das Licht bringt und zur Geltung verhilft. Dadurch lassen sich (Sinn-, Rationalitäts- und Wahrheits-) Pluralität und Vielfalt stärken und totalisierenden Bedrohungen wirksame Hebel entgegensetzen. Überspitzt ließe sich vor diesem Hintergrund formulieren, dass die Dekonstruktion die totalisierende Gefahr eines verfassten bzw. konstruierten Textes hemmt und die Suche nach einem (einzigen) tieferen Sinn ins Leere läuft, indem sie Text und Sinn dekonstruiert.
Da das Verfahren der Dekonstruktion auch auf jeden beliebigen anderen Inhaltsbereich (z. B. Soziologie, Politik, Kunst, Architektur, aber auch Betriebswirtschaftslehre und Management) übertragbar ist, zeigen schon diese einfachen Hinweise die radikal relativierende und desillusionierende (manche Kritiker sagen auch zerstörerische) Wirkung postmoderner Philosophie. Andererseits entfaltet sie im gleichen Atemzug einen kritisch-realistischen Blick und ein enormes Potenzial für eine gleichermaßen radikale Kritik der Gesellschaft und der darin agierenden Akteure (z. B. Politiker, Manager, Unternehmen, Kirche und sonstige Institutionen) sowie für sämtliche wissenschaftliche Disziplinen und letztlich den gesamten Wissenschaftsbetrieb (z. B. Institutionen der Lehre und Forschung, Lehrende und Wissenschaftler, Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Publikationen). Selbstverständlich sind darin auch die Betriebswirtschafts- und Managementlehre und die in diesen Disziplinen agierenden Lehrenden sowie die von ihnen betriebenen Inhalte, - aber auch das vorliegende Buch und die darin vorgestellten Methoden und Instrumente – eingeschlossen. Sie alle stellen letztlich „lediglich“ (jederzeit) dekonstruierbare Meta-Erzählungen dar.
Auf dieser Grundlage lässt sich die Dekonstruktion auf einer noch operativeren und direkt mit dem Management verbundenen Ebene nicht nur für „Texte“ in der Form von textbasierten Unternehmensverlautbarungen (z. B. Presseerklärungen, Unternehmensleitbilder und -visionen, Zielbeschreibungen, Strategien, PR-Slogans, Compliance-Regeln und Werbespots) heranziehen. Vor der Dekonstruktion ist vielmehr nichts mehr sicher. Auch die typischen Unternehmensportfolios (wie sie in Kapitel III beschrieben werden) und ihre Präsentatoren erzählen „konstruierte Geschichten“ (z. B. über die strategische Position eines Unternehmens und seiner Geschäftsbereiche), die sich als Meta-Erzählungen interpretieren lassen. Eine sehr bekannte amerikanische Unternehmensberatungsgesellschaft (Boston Consulting Group) nutzt (freilich etwas plakativ und ohne Rekurs auf die postmoderne Philosophie) auf ihrer Internetseite den Begriff der Dekonstruktion in Verbindung mit der Auflösung von inner- und zwischenbetrieblichen Wertschöpfungsketten und deren Re-Design. Auch das in diesem Buch enthaltene Conjoint Measurement kann als so genanntes dekompositionelles (dekonstruktives) Verfahren beliebige Produktgesamtheiten in ihre Einzelteile zergliedern und darauf aufbauend zu neuen Re-Kombinationen von Produkten führen – obgleich sowohl das Re-Design als auch die Re-Kombination und die damit intendierte Verbindung der Einzelteile zu einer neuen Einheit aufgrund der Kritik an (totalisierenden) Einheitspostulaten der postmodernen Philosophie eher zuwider läuft.
„Postmoderne“ als Diagnose für die Positionierung und Entwicklung der Gegenwartsgesellschaft(en) fasst aktuelle Phänomene der realen Lebenswelt zusammen. Dies wurde bereits im vorherigen Abschnitt durch mehrere Hinweise deutlich (z. B. fake news). So wie die postmodernen Anhänger das Einheitsdenken auf der philosophischen Ebene kritisieren, so sehen sie auch die eindeutigen und klar vorgezeichneten Lebenswege von Menschen immer mehr verfallen. Daher leidet der Mensch aus postmoderner Sicht in zunehmendem Maße an Desorientierung, Unsicherheit und Selbstzweifeln – obwohl und gerade dann, wenn nach außen das Gegenteil signalisiert wird. Den Ausweg aus diesem Dilemma in einer sinnstiftenden menschlichen Identität, Authentizität und/oder in tiefgehenden sozialen Beziehungen oder Engagements zu suchen, verweisen postmoderne Soziologen wiederum in das „Märchenland der Meta-Erzählungen“ – auch wenn sich die menschlichen Sehnsüchte nach Identität, Authentizität und Beziehung womöglich wiederum immer mehr steigern. Denn diese werden nach Einschätzung von Vertretern der Postmoderne wieder nur durch dekonstruierbare Meta-Erzählungen und in Anlehnung an den Postmoderne-Theoretiker Baudrillard durch die Konstruktion von künstlichen und beschwichtigenden Hyperrealitäten bzw. Simulationen befriedigt bzw. ruhiggestellt. In der postmodernen Gesellschaft gibt es bestenfalls kurzfristig aufgebaute und jederzeit veränderbare Patchwork-Identitäten bzw. Identitäts- und Authentizitätssubstitute. Und soziale Beziehungen werden immer oberflächlicher, zeitlich begrenzter und von ökonomischen Flexibilitätserfordernissen geleitet und damit niedergerissen. Sie entpuppen sich dadurch sowohl als Antreiber als auch als Folge der anhaltenden Individualisierungsprozesse in der Gesellschaft.
Der Übergang zur postindustriellen Gesellschaft in Richtung Dienstleistungs-, Informations- und Wissensgesellschaft mit den global vernetzten Kommunikations- und Finanzströmen heizt die Dekonstruktion der (Einheits-) Gesellschaft, des (National-) Staates, der sozialen Errungenschaften (z. B. Arbeitnehmerschutzgesetze, soziale Sicherheit) sowie von gesellschaftlichen Institutionen (z. B. Ehe, Familie) zusätzlich an. Die sozialen Formationen sind von Kurzfristigkeit und „Flüchtigkeit“, Risiko und Unsicherheit, Flexibilität und Oberflächlichkeit, Legitimations- und Glaubwürdigkeitskrisen sowie Instabilität und anhaltender Unordnung gekennzeichnet (so z. B. bei Baumann, Beck, Sennet). Von Menschen wird zwar kurzfristig und flexibel gehandelt, aber ähnlich wie bei den Ansprüchen an die Rationalität und die Wahrheit schimmern auch hier Doppeldeutigkeiten, (Selbst-) Zweifel und Widersprüchlichkeiten durch. Ob nämlich menschliches Handeln – egal, ob im Privat- oder im Geschäftsleben – unter solchen postmodernen Bedingungen richtig oder falsch, konstruktiv oder destruktiv, moralisch oder unmoralisch, rational oder irrational ist, kann – wenn überhaupt – nur noch kontingent und relativierend entschieden werden. Fast genüsslich erinnert Zima an Musils Protagonistin Diotima: „Jedesmal, wenn Diotima sich beinahe schon ... entschieden hätte, mußte sie bemerken, daß es auch etwas Großes wäre, das Gegenteil davon zu verwirklichen.“ Die hier zum Ausdruck gebrachte Wertgleichheit von Entscheidungsalternativen sowie die Unentschiedenheit und die Unentscheidbarkeit können aus der Sicht der betriebswirtschaftlichen Entscheidungstheorie schnell zur kognitiven Dissonanz mit allen ihren Folgeproblemen führen (vgl. hierzu z. B. Schneider (o, q)). Und sie können ebenso rasant in Indifferenz und Gleichgültigkeit umschlagen (z. B. gegenüber Standpunkten, Werten, Menschen, Parteien, Institutionen, Gesellschaftsformen, Ideologien; aber ebenso gegenüber Arbeitgebern, Vorgesetzten und „Unternehmensführern“).
Selbst Autoren, die sich kritisch mit der Philosophie der Postmoderne befassen (z. B. Zima), konstatieren, dass die postmoderne Präsentation der gesellschaftlichen Verhältnisse und ihrer Veränderungen eine stichhaltige Situations- und Entwicklungsbeschreibung bietet. Empirische Untersuchungen und Tagespresse liefern dafür in einer inzwischen kaum noch überschaubaren Flut zahlreiches untermauerndes Material. Es erstreckt sich beispielsweise auf
das zunehmende Unsicherheitsempfinden in der Gesellschaft,
die steigende Unsicherheit im Hinblick auf die soziale Sicherung,
die Entstehung von Parallelgesellschaften,
die kürzeren Verweildauern auf Arbeitsplätzen bzw. die kürzeren Verweildauern von Top-Managern in den Geschäftsführungen und Vorständen von Unternehmen,
das Erfordernis zunehmender Flexibilität und Mobilität,
die Kurzfristigkeit und Oberflächlichkeit der (sozialen) Beziehungen,
das verstärkt zu beobachtende Basteln an Patchwork-Identitäten,
den Vertrauensverlust gegenüber gesellschaftlichen Vorbildern (z. B. im Management aufgrund von Korruption und Bestechung oder z. B. in der Politik aufgrund von überzogenem Lobbyismus und Vorteilsnahme in Verbindung mit dem damit induzierten Verlust an Geltungs- und Legitimationsansprüchen von „jederzeit dekonstruierbaren Meta-Erzählungen und gleichermaßen dekonstruierbaren Vorbildern“),
auf alternative Fakten und fake news.
Es ist an dieser Stelle weitgehend unerheblich, ob und gegebenenfalls inwieweit man den philsophischen Überbau der Postmoderne bzw. des Postrukturalismus akzeptiert. Fest steht, dass die weithin als zutreffend qualifizierte Diagnose der postmodernen Lebens- und Gesellschaftsverhältnisse die Führung als zielorientierte Verhaltensbeeinflussung an der Nahtstelle zwischen Willensbildung und Willensdurchsetzung mit enormen Schwierigkeiten und Problemen belastet. Dies gilt für die Unternehmensführung im funktionalen betriebswirtschaftlichen Sinne als Willensbildungszentrum, Geschäftsführung und Betriebsleitung und gleichermaßen für das Management im Sinne von leitendem Personal (Geschäftsführung, Vorstand, Führungskräfte und Linienmanager). Sie geraten in derart beschreibbaren Zeiten immer mehr in den „Würgegriff der postmodernen Widersprüchlichkeiten“.
Willensbildung und Willensdurchsetzung und die dafür jeweils Verantwortlichen werden angesichts einer solchen Situation und Entwicklung verstärkt herausgefordert und stehen vor neuen Anforderungen und Erschwernissen. Zugespitzt könnte man bei der Postmoderne von einem „Spaltpilz“ zwischen Willensbildung und Willensdurchsetzung sprechen. Er bedroht die Kohäsion der Managementebenen und die Funktionstüchtigkeit des Transmissionsriemens zwischen Willensbildung und Willensdurchsetzung und ist fähig, die klaren Konturen, wie sie im Bild 1 (oben) noch zum Ausdruck kamen, gewaltig zu erschüttern (vgl. dazu Bild 5):
Bild 5: Postmoderne als neue Herausforderung und „Spaltpilz“
Es liegt auf der Hand, dass die in den Abschnitten 1 und 2 in diesem Kapitel als wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Menschen- und Unternehmensführung interpretierten Merkmale (Charisma, Visions- und Überzeugungskraft, Leadership sowie Glaubwürdigkeit, Begeisterungsfähigkeit und Macht usw.) allesamt negativ tangiert und entzaubert werden – und gleichzeitig doch als immer dringlicher erscheinen. Das gleiche Urteil trifft für typische Einheitsbeschwörungen und Identitätsappelle zu, die das Management nicht selten an die Beschäftigten von Unternehmen richtet („wir sitzen alle in einem Boot“, „wir müssen zusammenhalten“, „nur gemeinsam können wir erfolgreich sein und im globalen Wettbewerb bestehen“). Manager mobilisieren sie meist dann, wenn sie sich selbst und/ oder wenn sich die ihnen anvertrauten Unternehmen in besonders prekärer Lage befinden. Allerdings sehen sie sich stets der Gefahr ausgesetzt, dass sich ihre Einheitsappelle nicht selten als Meta-Erzählungen entlarven, schon bald der Dekonstruktion zum Opfer fallen und statt Identifikation und Engagement nur Indifferenz, Ungläubigkeit oder sogar Abneigung ernten, weil die verdeckten Widersprüche in den Aussagen und Texten immer wieder hervorspringen:
Im Herbst 2006 wandte sich der Vorsitzende des Aufsichtsrats der
Siemens AG
, Heinrich von Pierer, nach mehreren PR-Pannen (BenQ-Siemens-Insolvenz, gleichzeitige Erhöhung der Vorstandsgehälter) und staatsanwaltlich untersuchten Betrugs- und Korruptionsvorwürfen gegenüber hochrangigen Konzernvertreter in der Mitarbeiterzeitschrift „SiemensWelt“ mit dem Appell an die Belegschaft, „jetzt geht es darum zusammenzustehen“ und man dürfe es nicht zulassen, dass ein „Keil in das Unternehmen“ (bzw. zwischen Management und Belegschaft) getrieben würde. Diese auf Einheit bedachte Botschaft von Heinrich von Pierer erntete von Mitarbeitern von Siemens auf Demonstrationen und in Internet-Chats sofort Widerspurch. Zudem wurde in sich anschließenden Verlautbarungen der Industriegewerkschaft IG-Metall überhaupt nicht mehr in Zweifel gezogen, dass ein solcher Keil existiert, sondern nur noch die Frage gestellt, „wer ihn hineingetrieben hat“ (Reimer). Ohne großen Zynismus könnte man diesen Vorgang als Paradebeispiel der Dekonstruktion einer Meta-Erzählung auf dem Gebiet des Managements von Unternehmen zitieren.
Im Zuge des
Dieselskandals
, in den alle deutschen Automobilhersteller mehr oder minder verwickelt waren (und offensichtlich immer noch sind), kam es zu ähnlichen Dekonstruktionen. Sie betrafen nicht nur exponierte Top-Manager der Automobilindustrie (z. B. Martin Winterkorn, ehemals Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, Rücktritt 2015; Rupert Stadler, ehemals Vorstandsvorsitzender der Audi AG, Rücktritt 2018). Indirekt wurden dadurch auch die Compliance-Regeln der Unternehmen diskreditiert bzw. dekonstruiert. Außerdem ergab sich – signifikant für die Lesart der Postmoderne – eine Dekonstruktion und Umkehrung des bekannten Audi-Slogans: „Vorsprung durch Technik“ verwandelte sich von reichlicher Häme, viel Spott und verständlicher Abneigung getragen in „Vorsprung durch Betrug“ (Krull).
In der Managementpraxis gibt es – allerdings oft weit weniger öffentlichkeitsträchtig – täglich Beispiele dieser Art. Sie lassen zumindest Zweifel daran aufkommen und stets wieder auf ein Neues die Frage entstehen, ob und inwieweit es sich bei der Rede von mitarbeiterzentrierter und partizipativer Unternehmensführung, diskursivem und differenziellem Personalmanagement, institutionalisierten Verfahren und Gremien der interpersonellen und intraorganisatorischen Konflikthandhabung, humaner und ethisch fundierter Unternehmenskultur und ausgeprägter Unternehmensidentität usw. tatsächlich um seriöse und widersprechende Interessen ausgleichende Komplementaritäten für die Unternehmensführung oder lediglich um beschwichtigende Einheitsbekundungen und ärmliche Umarmungsbemühungen mit enormen Dekonstruktionspotenzial handelt. Diese Frage muss sich selbstverständlich nicht nur die Managementpraxis stellen lassen. Sondern vor dieser Frage stehen auch Texte und Aussagen in Theorie, Lehre und Managementliteratur, die häufig unkritisch und euphemistisch konnotiert sind. Postmoderne Philosophen würden sich vermutlich nicht auf die eine oder die andere Seite schlagen, sondern unverhohlen darauf hinweisen, dass beide Seiten gleichzeitig möglich und untrennbar miteinander verwoben sind. Die delikate Frage ist dann, ob derartige Meta-Erzählungen geschickt genug formuliert werden und ob sie letztlich nicht doch einfach nur Instrumente darstellen, die der Machterhaltung und Beschwichtigung im Zusammenhang mit der Führung von Unternehmen – aber auch im wissenschaftlichen Diskurs – dienen (sollen).
Hierzu beschreibt Foucault als einer der wichtigsten Vertreter der postmodernen Philosophie vor dem Hintergrund politischer Führungssysteme und seiner Analysen der Zentren von Machtausübung und -erhaltung (insbesondere in Frankreich) eindrucksvoll, wie und warum durch (scheinbar) partizipative und diskursive Formen der Einbindung von Interessengruppen und (potenziellen) Kritikern soziale Kontrolle auf eine subtilere Ebene gehoben wird. Dazu gehört beispielsweise die Kanalisierung des Diskurses und der Kritik in (wohlwollende) Gremien und Diskursarenen, die Besetzung dieser Gremien und Arenen mit „geeigneten“ Experten und Gutachtern, die Vorgabe der Diskursarten und -regeln sowie die Kontrolle über die Ressourcen für die Einrichtung und Aufrechterhaltung des gesamten Diskursbetriebs. Dadurch entsteht eine zivilisierte und rationalisierte sowie zugleich eine subtile, weil auf gesellschaftliche Diskursverfahren aufbauende, Machtorganisation. Sie übernimmt das (antizipative) Management von (potenziellen) Konflikten zwischen „unten“ und „oben“ und trägt damit letztlich zur Stabilisierung und zur Reproduktion der existierenden Machtverhältnisse bei. Es ist klar, dass zwischen diesen von Foucault herausgearbeiteten gesellschaftlichen Diskursverfahren und den in der betrieblichen Praxis eingerichteten Diskursverfahren deutliche Analogien bestehen.
Aus postmoderner Perspektive erhöhen die Kontingenz von Rationalität und Wahrheit sowie die auf Einheitsappelle oft geerntete Indifferenz (oder gar Abwendung) und das Dekonstruktionspotenzial von Meta-Erzählungen im Zusammenspiel mit der Entlarvung machtkonservierender Diskursverfahren das kritische Potenzial auf der Ebene der Geführten. Dieses Potenzial im Verbund mit ihrer dekonstruktiven Entlarvungswirkung – insbesondere „unten“ an der Basis der Willensdurchsetzung – droht damit, sich gegenüber der Menschen-, Personal- und Unternehmensführung aufzubäumen und die Handlungs- bzw. Willensdurchsetzungsfähigkeit des Managements im Unternehmen zu torpedieren (vgl. den Charakter der Postmoderne als „Spaltpilz“ in Bild 5, oben).
Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass die Herausforderungen für die Unternehmensführung vor allem angesichts postmoderner Überlegungen ständig steigen. Die Managementlehre hat dieser Tatsache auf eine durchaus nachvollziehbare – aber auch sehr ambivalente – Weise Rechnung getragen. Ausgehend von der etymologischen Einordnung des Begriffs „Manager“ hat sie bis heute eine beeindruckende und mehrstufige Managementbegriffskaskade entwickelt. Sie orientiert sich am sich laufend räumlich erweiternden Aktionsradius des Managements (Bild 6). Über das internationale und globale Management reicht sie heute bis zum kosmopolitischen Management.
Bild 6: Managementbegriffskaskade – Produktion von Greatness
Die Promotoren des kosmopolitischen Managements (insbesondere Kanter u. Zachary; kritisch dazu Schneider u. Jain) ordnen den vorbehaltlos als „kosmopolitische Weltklasse“ titulierten Managern u. a. drei Schlüsselkompetenzen zu. Im Vergleich zu den vorgelagerten Begriffsstufen wird damit eine noch höhere „Greatness“ produziert. Danach weisen kosmopolitische Manager folgende drei „Cs“ auf:
Concepts
: Danach verfügen die kosmopolitischen Manager über die besten und aktuellsten Ideen und Know-how-Potenziale im Sinne einer Vorstellung, die sich am „world-best-practice“ orientiert.
Competence
: Sie erstreckt sich auf die Fähigkeit, auf höchstem Niveau an jedem beliebigen Ort der Erde – und damit letztlich völlig ortsungebunden – erfolgreich zu agieren.
Connections
: Die kosmopolitischen Manager verfügen demnach über die besten Beziehungen und den Zugang zu Ressourcen, anderen Personen und Organisationen über den gesamten Erdball (weltumspannendes Netzwerk).
Durch die Verinnerlichung der drei Cs ist der kosmopolitische Manager nicht nur in der Lage, in seinem Unternehmen und Netzwerk auf höchstem Niveau agieren zu können. Vielmehr ist es ihm auch dort möglich, wo multinationale Organisationen und (National-) Staaten versagen, politische und soziale Verantwortung zu übernehmen. Dabei zeichnet er sich nach Kanter durch ein Höchstmaß an Toleranz, Sensibilität, Solidarität und durch die Praktizierung eines partizipativen Führungsstils aus.
Zachary geht bei der Zuweisung von Kompetenzen an kosmopolitische Manager noch einen entscheidenden Schritt weiter. Er vertritt die Devise „Es lebe der Bastard“. Dabei handelt es sich um einen kosmopolitschen Hybriden. Hybridität und Diversität durch gemischte Managementteams ist danach lediglich die zweitbeste Wahl. Denn der interpersonellen Vielfalt stellt er somit die intrapersonelle Vermischung entgegen: Im kosmopolitischen Manager soll sich die Hybridität in der einzelnen Person, im „Bastard“ oder „Mischling“, verwirklichen. An dieser Stelle fällt es schwer, sich der Einschätzung zu entziehen, dass er damit eine Art Rassentheorie postuliert. So bemerkt Zachery wörtlich: „Der Hybride … der Unreine, der Befleckte … der Dunkelblaue: diesen Menschen gehört das Erbe der Erde. Vermischung ist die neue Form … Dies ist keine vorübergehende Modeerscheinung, sondern ein tief greifender Wandel. Nehmen wir Abschied von Reinrassigen, Unvermischten, Sauberen … Die Apostel der Reinheit sind dem Untergang geweiht … Das Kapital folgt dem Mischling.“
Der von Kein Nghi Ha so bezeichnete „Hype um Hybridität“ in Zeiten der Postmoderne scheint im kosmopolitischen Manager einen neuen Gipfel erreicht zu haben.
Ob das kosmopolitische Management als omnipotent stilisierte Elite tatsächlich die hochgeschraubten Erfordernisse erfüllen kann, um den Würgegriff der Postmoderne für die Führung von Unternehmen zu lockern und die auftretenden Widersprüche zu überwinden, darf mehr als bezweifelt werden. Es genügt dabei darauf hinzuweisen, dass das Potenzial für die Dekonstruktion in aller Regel um so größer ausfällt, je glitzernder die Fassade aufpoliert wurde. Dabei stecken die Schriften von Kanter und Zachary selbst voller Widersprüche, wodurch sie eine Art Selbstdekonstruktion provozieren. So verwendet beispielsweise Zachary die Begriffe Bastard und Kosmopolit synonym. Er benutzt aber nach eigenem Bekunden lieber den Begriff Bastard, weil dieser nicht die solidarische Vorstellung vermitteln würde, die ganze Menschheit sitze im selben Boot. Und was ist von der bei Kanter im Zusammenhang mit dem kosmopolitischen Management gepriesenen Akzeptanz, Sensibilität und Toleranz zu halten, wenn sie gleichzeitig regional gebundene Menschen (so genannte „locals“) verhöhnt? Überdies sind am Horizont schon die Konturen der nächsten Stufe der Managementkaskade erkennbar: der transzendentale Manager. Die Managementelite wird hier den Göttern gleich – nach der Dekonstruktion des kosmopolitischen Managements für Managementgurus und für von sich völlig überzeugte Manager sicherlich eine sehr attraktive Vorstellung.