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Wenn aus Leidenschaft Liebe wird ...
Frederica d'Avillez ist sich sicher: Sie wird niemals einen Ehemann finden! Nach einer katastrophalen Saison in London wurde sie auch noch von ihrem treuen Verehrer sitzen gelassen. Doch wenn es schon nicht mit dem Ehemann klappt, will Frederica wenigstens einmal eine Nacht voll unvergesslicher Leidenschaft erleben. Und wer ist besser dafür geeignet als der umwerfend attraktive Herzensbrecher Bentley Rutledge, um den alle gut erzogenen jungen Damen normalerweise einen großen Bogen machen? Nach einer stürmischen Eskapade erkennt Frederica, dass Bentley hinter seiner Fassade einen weichen Kern hat. Doch er verbirgt dunkle Geheimnisse ...
Dieser historische Liebesroman ist in einer früheren Ausgabe unter dem Titel "Mein rebellischer Verführer" erschienen.
Weitere historische Liebesromane von Liz Carlyle als eBook bei beHEARTBEAT u.a.: "Ein unwiderstehlicher Halunke", "Entflammt von deiner Liebe" und "Stürmisches Spiel der Herzen".
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Seitenzahl: 610
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Weitere Titel der Autorin
Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Epilog
Stürmisches Spiel der Herzen
Die MacLachlan-Saga
Ein unwiderstehlicher Halunke
Ein charmanter Schuft
Ein betörender Earl
Ein geheimnisvoller Gentleman
Neville Family
Entflammt von deiner Liebe
Verloren in deiner Sehnsucht
Bezwungen von deiner Leidenschaft
Rutledge Family
Verbotenes Begehren
Wenn aus Leidenschaft Liebe wird …
Frederica d’Avillez ist sich sicher: Sie wird niemals einen Ehemann finden! Nach einer katastrophalen Saison in London wurde sie auch noch von ihrem treuen Verehrer sitzen gelassen. Doch wenn es schon nicht mit dem Ehemann klappt, will Frederica wenigstens einmal eine Nacht voll unvergesslicher Leidenschaft erleben. Und wer ist besser dafür geeignet als der umwerfend attraktive Herzensbrecher Bentley Rutledge, um den alle gut erzogenen jungen Damen normalerweise einen großen Bogen machen? Nach einer stürmischen Eskapade erkennt Frederica, dass Bentley hinter seiner Fassade einen weichen Kern hat. Doch er verbirgt dunkle Geheimnisse …
Liz Carlyles große Leidenschaft gilt dem England des 19. Jahrhunderts, den rauschenden Bällen und den festlich gewandeten Damen. Auf ihren zahlreichen Reisen nach England hat die Autorin ihr Korsett und ihre Tanzschuhe stets im Gepäck – auf eine Einladung zu einem Ball wartet sie allerdings immer noch. Dafür kennt sie mittlerweile so ziemlich jede dunkle Gasse und jedes zweifelhafte Wirtshaus in London. Liz Carlyle lebt mit ihrem Ehemann und mehreren Katzen in North Carolina, USA.
Liz Carlyle
VERFÜHRERISCHERREBELL
Aus dem amerikanischen Englisch vonNicole Friedrich
beHEARTBEAT
Digitale Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2003 by Susan Woodhouse
Titel der amerikanischen Originalausgabe: »The Devil you know«
Originalverlag: Pocket Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition published by arrangement with the original publisher, Pocket Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York.
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titel der deutschsprachigen Erstausgabe: »Mein rebellischer Verführer«
Covergestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © thinkstock: misha-photography; © shutterstock: matthi; © hotdamnstock
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-5517-8
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
In welchem die Leidensgeschichte ihren Anfang nimmt
Glauben Sie an unumstößliche Wahrheiten? An Warnungen, Glaubenssätze oder Moralgeschichten, die wie zerschlissenes Leinen von Generation zu Generation weitergereicht werden?
Englands bedeutendster Poet ließ einst verlauten, die Welt sei eine Bühne und alle Sterblichen nichts weiter als Schauspieler auf derselben. Sollten Sie ihm beipflichten, so kann das missratene Leben Randolph Bentham Rutledges sowohl im Schein der Komödie als auch der Tragödie betrachtet werden – je nachdem, welchen Standpunkt der Zuschauer einnimmt. In den Augen seiner wüsten Zechbrüder war sein Dasein eher eine Burleske, vorausgesetzt es war genug Bares im Spiel. Für seine Gemahlin, Sprösslinge sowie Gläubiger glich es vielmehr einem Trauerspiel, das sie sich viel zu lange anzusehen gezwungen waren. Der Gentleman selbst (und den Titel sollte man in diesem Fall nun wirklich nicht allzu wörtlich nehmen) bezeichnete einst sein Erdendasein als Die Karriere eines Wüstlings, ein Titel, der ihm aber leider von einem unbedeutenden Künstler vor der Nase weggeschnappt wurde.
Die familiären Wurzeln besagten Gentlemans reichen zurück bis in die graue Vorzeit. Ungefähr acht Dekaden bevor William der Eroberer im Lande einfiel, trug es sich zu, dass ein ehrgeiziger Bauersmann aus dem Marktstädtchen Chipping Campden seine weltliche Habe auf einen alten, quietschenden Ochsenkarren lud und zu einer Reise ins Landesinnere aufbrach. Die Beweggründe für sein Abenteuer sollten der Nachwelt verborgen bleiben, wenngleich sein Vorhaben für die damalige Zeit recht ungewöhnlich anmutete – wurden doch die meisten angelsächsischen Bauern seinerzeit an ein und demselben Fleck geboren wie auch begraben. Überliefert ist lediglich, dass besagter Bauersmann nicht sonderlich weit kam – nur rund zwanzig Meilen Luftlinie gen Süden. Diese geringe Distanz sollte jedoch ausreichen, seine wirtschaftliche Situation von Grund auf zu verbessern.
Der Reisende, vom dem hier die Rede ist, hörte auf den Namen John of Campden. Der Sage nach legte er in einem fruchtbaren Tal am flachen Ufer des Flusses Coln eine Marschpause ein, an eben jener Stelle, wo die saftig grünen Wiesen das Heideland begrüßen. Er schirrte den Ochsen ab, entlud den Karren und setzte zum ersten von unzähligen tiefen Spatenstichen in die ertragreiche Erde an, womit er seinen Aufstieg in die blaublütigen Sphären des Landadels besiegeln sollte.
Wie ein einfacher Angelsachse zu solch einem Prachtstück von Grund und Boden kam – ob durch rechtschaffene Arbeit, gewiefte Betrügerei oder den cleveren Schachzug einer Vermählung –, entzieht sich unserer Kenntnis. Fest steht hingegen, dass seine Nachkommen in den darauf folgenden Jahrhunderten ausgesprochen hart arbeiteten, um solide Cottages, schmucke Dörfer und ansehnliche »Wollkirchen« zu errichten, die deshalb so hießen, weil alles, von den Grundpfeilern bis zu den Kerzenleuchtern, mit der gängigen Währung der Cotswolds bezahlt worden war: mit Schafen.
Sechs Jahrhunderte später – lange nachdem die Campdens aus unerklärlichen Gründen das p in ihrem Namen verloren hatten – erblickte wieder ein ehrsüchtiger John Camden das Licht der Welt. Mit den Erträgen aus dem florierenden Wollhandel ließ er ein vornehmes Herrenhaus unweit jener Stelle errichten, an der sein Vorfahr der Legende nach den ersten schicksalhaften Spatenstich gesetzt haben soll. Es befand sich auf einer Anhöhe und war aus dem honigbraun schimmernden Gestein erbaut, das für jene Zeit in der Region so typisch war. Das Haus bestach vor allem durch seine Ebenmäßigkeit und seine großzügigen Räumlichkeiten, und ohne Widerstand zollten die Dorfbewohner Chalcote Court und seinen Besitzern bedingungslosen Respekt. Der Prachtbau mit seinen vielen Erkerfenstern, Zinnen und steilen Dächern stellte die nach dem Erzengel benannte Dorfkirche St. Michael’s sprichwörtlich in den Schatten. Chalcote Court war die pure Verkörperung des Reichtums, der Macht und des Einflusses, welche sich diese strebsame Familie so hart erarbeitet hatte.
Unglücklicherweise standen jedoch weder die Zeichen der Zeit noch das Rad der Geschichte auf Seiten der Familie. Als rund zwei Jahrhunderte später abermals ein John Camden auf dem Anwesen geboren wurde, läutete er unwissentlich eine Ära größter Unsicherheit ein. Zwar mangelte es den Camdens nicht an Geld, doch die elenden Jahre der Syphilis, der Pest und der Bürgerunruhen führten zur jähen Ausdünnung des Familienstammbaums.Der jüngste Spross nun war ein wahrhaft unglückseliger Kerl, der knapp vier Jahrzehnte lang mit beinahe ebenso vielen Gemahlinnen erfolglos versucht hatte, einen männlichen Erben für seine vom Aussterben bedrohte Dynastie zu zeugen. Just in dem Moment, als er mit letzter Kraft zum finalen Stoß seines leiblichen Schwertes ansetzte, erlitt er einen Herzanfall und erwachte erst wieder zwei Tage später in seinem majestätischen Schlafgemach, das von einem prächtigen Tonnengewölbe gekrönt wurde. Als er die Augen aufschlug, fiel sein Blick in die Gesichter seiner Zwillingstöchter. Alice stand zu seiner Rechten, Agnes zu seiner Linken. Beide hatten sich in Sorge um den Vater derart weit über die Liegestätte gebeugt – von der er wusste, dass es sich um sein Sterbebett handelte –, dass ihre weichen, bauschigen Haarprachten schier miteinander verschmolzen. Geschwächt und ein wenig desorientiert fürchtete er, die haarige Fülle könnte ihn ersticken, weshalb er unvermittelt die Arme in die Höhe riss. Da seine Töchter recht gefügige junge Frauenzimmer waren, erschraken sie gehörig und wichen sogleich zurück. Das Unglück wollte es jedoch, dass Alices Haarspange sich in Agnes’ Lockenpracht verfing, und es dauerte eine geraume Weile, ehe sich die beiden jungen Evastöchter voneinander lösen konnten.
Während der alte Mann so dalag und dem haarigen Gerangel mit stummem Staunen folgte, kam er zu der Überzeugung, Gott müsse ihm ein Zeichen geschickt haben. Mit seiner verbliebenen Kraft schickte er umgehend nach seinem Anwalt in Oxford, den er ein verworrenes Testament aufsetzen ließ, welches seinem gewaltigen Erbe eine klaffende Wunde zufügen sollte. Die Familienbesitztümer, welche seit nunmehr acht Jahrhunderten von der Familie mit Stolz zusammengehalten und an die Nachkommenschaft weitergegeben worden waren, wurden in zwei Teile gespalten. Alice, die eine Viertelstunde älter war als ihre Schwester, fiel das Land zu, auf dem auch das Herrenhaus errichtet worden war. Der entlegene Teil der Ländereien ging an Agnes, die weniger durch Schönheit als durch Besonnenheit bestach. John Camdens letzter Wille präsentierte sich wahrlich befremdlich, denn er wollte, dass die Nachkommen seiner Töchter einmal heiraten und so die Familiengüter wieder vereinen sollten. Aber – und dies war für ihn von allergrößter Bedeutung – das Land müsse unter allen Umständen im Familienbesitz bleiben. Sollte diese Auflage missachtet werden, schwor er, so würde er als Gespenst nach Chalcote Court zurückkehren, um sein Unwesen zu treiben.
Es dauerte nicht lange, bis Alice nach dem Ableben ihres Vaters zur Tat schritt. Schon kurz nach ihrem Debüt in der Londoner Gesellschaft verliebte sie sich unsterblich in den eingangs erwähnten Randolph Rutledge, der seinerzeit als attraktivster, aber zugleich lasterhaftester Bursche Englands verschrien war. Doch die gute Alice war zu reich, naiv und verliebt, um den unzähligen Warnungen, die ihr zugetragen wurden, Gehör zu schenken.
Die Hochzeitsglocken waren kaum verklungen, da hatte Randolph Rutledge bereits erfolgreich damit begonnen, den Ertrag von acht Jahrhunderten harter Arbeit zu verschleudern. Als Jahre später aus jenem schrecklichen Irrtum einer Ehe drei Sprösslinge hervorgegangen waren, war von den einstigen Ländereien nicht mehr viel übrig, das hätte vereint werden können. Glücklicherweise bewahrheitete sich John Camdens Drohung nicht und sein Geist ward nirgends gesehen.
Alices Schwester Agnes hingegen schlug einen solideren Lebensweg ein. Sie vermählte sich mit einem gut situierten Jüngling und ließ sich auf ihrem Teil der Ländereien ein Domizil errichten, das mehr Ähnlichkeit mit einem Schloss als einem Herrenhaus hatte. Da Agnes aber noch immer nicht verwinden konnte, dass Alice das Elternhaus zugefallen war, strafte sie sowohl ihren vermaledeiten Schwager als auch ihre eigene Schwester, die von unsäglichem Kummer und Leid geplagt wurde, mit Verachtung und Desinteresse.
»Wir können diesen verfluchten Kasten also nicht einmal verhökern«, fuhr Randolph eines verregneten Nachmittags seine Gemahlin an, während er mit zusammengekniffenen Augen durch das Fenster des Salons hinaus in den Vorhof von Chalcote Court starrte. »Niemand, der auch nur einen Funken Verstand besitzt, wohnt gern in einem solch trostlosen und feuchten Loch.«
Alice ließ langsam den Kopf gegen die Lehne des Diwans sinken. »Aber wir haben nun einmal Frühling«, entgegnete sie, während sie den Säugling, den sie bis vor wenigen Momenten gestillt hatte, behutsam zudeckte. »Cam meint gar, wir sollten für den Frühlingsregen dankbar sein. Du weißt genau, dass wir Chalcote Court weder verkaufen noch verpachten können, so lautet nun mal Papas letzter Wille. Außerdem wusstest du bereits vor unserer Vermählung, dass Cam eines Tages alles erben würde.«
»Bleib mir bloß mit deinem Eines-Tages-Gefasel vom Leib«, entgegnete Randolph unwirsch und ließ sich in einen ledernen Ohrensessel fallen. »Dein kleiner, ach so perfekter Prinzensohn wird noch früh genug erben, fürchte ich. Ich stehe nämlich kurz vor dem Langeweiletod.«
Alice blickte ihn aus erschöpften Augen an. »Wie wäre es, wenn du ein wenig mehr Zeit mit Cam oder Catherine verbrächtest?«, schlug sie vor und schaute hinüber zu ihren beiden älteren Kindern, die in einer Ecke des Salons an einem Backgammontisch saßen. Cam, ihr Erstgeborener, hatte seine langen Beine samt Stiefeln unter dem Tisch ausgestreckt, während die Beine des Mädchens über den seinen baumelten. Um den Spieltisch herum stand gut ein Dutzend Kupfertöpfe, doch die beiden schien das nervtötende Plöpp-Plöpp-Plöpp der Regentropfen, die durch das undichte Dach über ihren Köpfen hinabfielen, nicht wahrzunehmen, so sehr waren sie in ihre Partie vertieft.
Schnaubend richtete Randolph abermals das Wort an seine Gattin. »Meine Teuerste, ich käme nicht im Traum auf die Idee, mich einzumischen«, knurrte er. »Der langweilige kleine Freisass da ist allein dein Werk, und ich bete zu Gott, dass er der Erlöser ist, für den du ihn hältst, denn diese jämmerliche Bruchbude bedarf wahrlich eines Erretters. Und was die Göre betrifft: Sie ist zwar ein betörendes kleines Ding, aber …«
Sie ist eben nur ein Mädchen.
Die verächtlichen Worte hingen unausgesprochen in der Luft. Alice Rutledge seufzte und schloss die Augen, unfähig, sich gegen die überwältigende Müdigkeit zur Wehr zu setzen, die sie seit der Geburt ihres dritten Kindes regelmäßig befiel. Sie musste eine Weile gedöst haben und erwachte erst wieder durch das Gezappel und Gequengel des Säuglings. Ihre Brüste, so schien es, leerten sich immer viel zu rasch, weshalb das arme Kind nie lange ruhig war.
»Du gieriger kleiner Schlingel«, hörte sie Randolph glucksen. »Bekommst wohl nie genug, mein Kleiner, was? Tja, so sind sie nun mal, die Weiber.«
Alice musste sich zwingen, die Augen zu öffnen. Sie sah, dass ihr Gemahl sich tief über den Diwan gebeugt und seine Hände nach dem Säugling ausgestreckt hatte. Wie so oft fehlte ihr die nötige Kraft, sich ihm zu widersetzen. Sie ließ ihn also wieder einmal gegen ihren ausdrücklichen Willen gewähren. Mit rudernden Armen begab sich der Säugling in die Obhut seines Vaters. Es dauerte nicht lange, da hatte Randolph das Baby besänftigt, indem er es auf den Knien schaukelte und ihm ein unzüchtiges Trinklied vorträllerte.
Kraftlos richtete Alice sich auf, als wollte sie das Kind wieder an sich nehmen. »Hör sofort auf damit, Randolph!«, ersuchte sie ihn. »Was du machst, ist anstößig, und ich lasse nicht zu, dass er bereits jetzt mit deiner widerwärtigen Lebensweise in Berührung kommt.«
Randolph, das freudestrahlende Kind noch immer auf den Knien, warf ihr einen kalten und erbosten Blick zu. »Ach, halt den Mund, Alice«, herrschte er sie an. »Der Kleine gehört mir, hast du verstanden? Den Chorknaben und die Göre hast du bereits versaut, aber der Kleine hier … Ha, sieh dir nur mal seine Augen an! Und sein Lächeln! Bei Gott, dieses Prachtexemplar von Säugling hat sowohl mein Gemüt als auch meinen Appetit geerbt.«
»Ich kann nur beten, dass dem nicht so ist«, erwiderte Alice, woraufhin Randolph den Kopf in den Nacken warf und schallend loslachte. »O törichte kleine Alice, du tätest besser daran, ihn mir kampflos zu überlassen. Du hast dich bei den anderen beiden Blagen durchgesetzt, aber dieser pausbäckige Wonneproppen trägt meinen Namen und schlägt eindeutig nach mir. Ich werde mit ihm machen, wonach mir der Sinn steht, basta.« Mit einem geringschätzigen Blick taxierte er seine Gemahlin von Kopf bis Fuß. »Und außerdem, meine Teuerste«, fügte er übertrieben beschwingt hinzu, »glaube ich kaum, dass du noch über die nötigen Kraftreserven verfügst, um mich aufzuhalten.«
Alice ließ ihre Arme, die ins Leere gegriffen hatten, wieder sinken. Ihr war, als wäre ihr ganzes Leben von eben dieser Leere geprägt. Das einzig Gute, das ihr Erdendasein gebracht hatte, waren ihre drei Kinder Camden, Catherine und der Kleine. Doch Randolph hatte Recht. Zur Hölle mit ihm, aber er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Ihre Tage waren gezählt, das spürte sie mit beängstigender Sicherheit. Was dann, lieber Gott? Was würde werden, wenn sie einmal nicht mehr war? Cam hatte sie zu strenger Selbstdisziplin erzogen, die dafür Sorge tragen würde, dass er immer das Richtige tat, und Catherine würde mit ihrem lieblichen Wesen und ihrer natürlichen Schönheit eines Tages einen guten Ehemann für sich gewinnen können. Einen, der sie aus diesem Schlamassel fortholen würde. Aber ihr Nesthäkchen, ihr süßer, kleiner Bentley, was mochte aus ihm werden? Wie schon so oft wallten unbändige Trauer und Furcht in ihr auf und Alice vergoss einen schier endlosen Schwall heißer Tränen.
In welchem Mrs. Weydens Warnungen auf taube Ohren stoßen
Tout vient à celui qui sait attendre«, murmelte Frederica d’Avillez wieder und wieder vor sich hin. So wie sie es sagte, klang es jedoch vielmehr nach einem Fluch als nach einem Sprichwort. Sie vermutete, dass diese Worte, die unablässig in ihrem Kopf widerhallten und die sie beinahe um den Verstand brachten, aus einer längst vergessenen Französischstunde stammten. Der Geduldige bekommt am Ende alles. Welch ein schwachsinniger Spruch! Und eine unverschämte Lüge obendrein!
Von der Stalltüre aus blickte Frederica einen Moment lang verdrossen in die Nacht, ehe sie die Schultern zurücknahm und auf die terrassenförmig angelegte Gartenanlage zumarschierte. Während sie lief, drosch sie unablässig mit der Reitgerte auf ihre Oberschenkel. Der dumpfe körperliche Schmerz half ihr, die Tränen in Schach zu halten – ähnlich, wie dieses dumme Sprichwort ihr über die letzten Wochen ihrer desaströsen Debütsaison in London hinweggeholfen hatte. Die Worte hatten ihr Hoffnung und Halt gegeben und ihr selbst hier im heimischen Essex Kraft verliehen, während sie sehnsüchtig Johnnys Rückkehr entgegengefiebert hatte.
Doch was hatte ihr die Geduld letzten Endes gebracht? Nichts! Sie hätte besser daran getan, mit Zoë und den Kleinen nach Schottland zu reisen. Stattdessen saß sie hier mit Tante Winnie und dem Mannsvolk fest – und zu allem Überdruss war es mit ihr und Johnny nun unwiderruflich vorbei.
Mit einer unwirschen Geste schob sie den Zweig einer Hemlocktanne beiseite und setzte ihren Weg im hellen Mondlicht fort. Ihre Reitstiefel gruben sich tief in den Kies des Weges. Hier an der untersten Gartenterrasse durfte sich die Natur verhältnismäßig frei entfalten, was zu recht dichtem Bewuchs geführt hatte. Frederica sah, dass auf dem höchsten Plateau, unmittelbar am Haus, jemand eine flackernde Öllampe neben der Hintertüre hatte hängen lassen. Unter normalen Umständen hätte Frederica diese Geste als einladend empfunden – nicht so heute.
Die Nacht war kühl, wenn auch nicht feucht, und in der Luft lag der schwere Duft nach umgegrabener Erde. Frederica atmete einige Male tief durch, um sich zu beruhigen, doch ehe sie sich versah, kam das Gefühl der Verzweiflung wieder in ihr hoch, bemächtigte sich ihrer Lungen und wollte ihr ein Schluchzen entlocken. Doch Frederica schluckte die Regung tapfer hinunter und setzte unbeirrt ihren Weg fort. Wut war das einzig angemessene Gefühl für ihre gegenwärtige Situation. Und sie war wütend. Über die Maße wütend.
Sie war vergebens aus London abgereist, war einem gewaltigen Irrtum aufgesessen, wie sie schmerzhaft hatte erkennen müssen. Ungeachtet seiner zahllosen, flehenden Bitten und glühenden Blicke hatte Johnny Ellows sie verstoßen. Er hatte nie wirklich vorgehabt, sie zur Gemahlin zu nehmen.
Unvermittelt blieb Frederica stehen. Kaum nahm sie die Stufen wahr, die im Mondlicht vor ihr aufragten. Wie konnte sie sich nur so geirrt haben? Wie hatte sie nur so hirnlos sein können?
Weil sie nichts weiter als ein kleines dummes Mädchen war, darum!
Die Wahrheit schmerzte, nicht wahr? Zu Hause war es letztlich nicht anders als in der Stadt – mit dem winzigen Unterschied, dass sie alles und jeden hier kannte. Selbst der Landadel fand immerzu Gründe, um auf sie herabzublicken. Frederica überkam das Gefühl, hier im bodenständigen Essex ebenso fehl am Platze zu sein wie in der großen Stadt.
Etwas in ihrem Inneren schnappte ein, und abermals erwachte ihre Reitgerte zum Leben. Sie holte zu einem kräftigen Schlag aus, der den nächstbesten Zweig eines immergrünen Baums traf. Unzählige Nadeln wurden weit in die Nacht hinausgeschleudert. Frederica genoss es, ihrer Wut freien Lauf zu lassen. Sie war es satt, sich immer nett und höflich und so verdammt … beherrscht zu geben.
Wieder und wieder drosch sie auf die Vegetation rechts und links des Weges ein, während sie strammen Schrittes weiterging.
»Er liebt mich nicht!«, zischte sie und schlug auf einen Wacholder ein. »Nicht! Nicht! Und noch mal nicht!« Eine Reihe kahler Forsythien fiel ihrer Reitgerte zum Opfer. Trockene Äste barsten, Splitter wirbelten umher. Sie machte auch vor den Eibenästen nicht Halt und schickte sie weit in die Nacht hinaus. Der Geruch nach gebrochenen Zweigen verfolgte Frederica auf dem Weg nach oben. Sie war vollkommen außer sich, prügelte auf alles ein, was vom Mondlicht beschienen wurde und in Reichweite wuchs. Heiße Tränen brannten ihr in den Augen. O Johnny! Sie hatte gedacht … er hatte gesagt …
Nichts als unverfrorene Lügen.
Im Wonnemonat Mai würde er seine Cousine vor den Altar führen. Auf Anordnung seines werten Herrn Papa, wie er ihr hatte weismachen wollen, und ihr im selben Atemzug gestanden, sein Herz hätte immer nur für sie geschlagen, doch dass er sich es schlichtweg nicht leisten konnte, enterbt zu werden, weil er die Ländereien und das schmucke Herrenhaus nicht verlieren wollte.
Zwar hatte Frederica es nicht versäumt, ihn augenblicklich an ihre stattliche Mitgift zu erinnern, doch vergebens. War seine Cousine trotzdem die bessere Partie? Nur der Kloß in ihrem Hals hatte sie davon abgehalten, ihn zu fragen. Ehe Frederica sich versah, hatte er ihre Hand ein allerletztes Mal an seine Lippen geführt, bevor er für immer aus ihrem Leben entschwunden war.
Frederica war aber auch all das Ungesagte nicht entgangen: dass ihr Blut nicht blau oder englisch genug war, dass sie ungeachtet der Titel, Reichtümer und des Einflusses ihrer Verwandtschaft nur ein Bastard war – ein verwaister fremdländischer Bastard; das Schlimmste, was ein Mensch in England sein konnte. So zumindest erschien es Frederica in dieser Nacht.
Sie war beinahe auf der obersten Terrasse angekommen, welche von Buchsbäumen und einer Steinmauer eingefasst wurde. Die Lampe am Hintereingang schaukelte bedächtig an ihrem Haken und ergoss ihr fahles gelbes Licht über die ebenmäßigen Steinplatten. Frederica holte ein weiteres Mal aus und hieb auf einen Buchsbaum ein.
»Herrgott im Himmel!«, ertönte plötzlich eine raue Männerstimme.
Frederica machte vor Schreck einen Satz zurück und presste sich die Hand vor den Mund.
Eine breite dunkle Gestalt, die hektisch am Verschluss ihrer Hose nestelte, trat hinter einem der Buchsbäume hervor. »Zur Hölle noch mal, Freddie!«, nuschelte der Fremde ungehalten an dem glimmenden Zigarrenstummel vorbei, den er zwischen den Lippen eingeklemmt hielt. »Du hast es echt raus, einem Mann ’nen Infarkt zu bescheren!«
Frederica klopfte das Herz bis zum Hals, als sie sich vorsichtig nach vorne beugte, um in den Halbschatten zu spähen. Während der Unbekannte noch immer mit den Beinkleidern kämpfte, blitzte sein goldener Siegelring im Mondschein auf. Jetzt wusste Frederica, wen sie vor sich hatte. »Gütiger Gott!«, stieß sie erleichtert aus. »Bentley Rutledge! Was in Gottes Namen machst du denn hier?«
Bentley lachte lauthals auf, während er den Sieg über den letzten Hosenknopf davontrug. »Wonach sieht es denn aus, liebste Freddie?« Er nahm den glimmenden Stumpen aus dem Mund und lehnte sich lässig mit der Hüfte gegen die Mauer. »Wär echt nett, wenn du mich das nächste Mal vorwarnen könntest.«
»Herrje, Bentley! Hat Tess dir denn keinen Nachttopf unters Bett gestellt?« Nachdem Frederica den ersten Schreck überwunden hatte, empfand sie die Situation in keinster Weise mehr als unangenehm. Schließlich kannten Bentley und sie sich seit einer halben Ewigkeit. Er war der beste Gefährte ihres Cousins Gus und ein gern gesehener Gast auf dem Chatham-Anwesen, das oft Besucher beherbergte. Wenngleich Tante Winnie nicht müde wurde, ihn einen unverbesserlichen Windhund zu schimpfen, tat sie dies doch nie ohne ein Augenzwinkern.
Während Frederica ihn von Kopf bis Fuß musterte, fielen ihr unwillkürlich noch weitere Dinge ein, die Winnie über ihn gesagt hatte und die eigentlich nicht für die Ohren einer Jungfrau bestimmt waren. Doch der Zufall hatte es gewollt, dass Frederica sich in Hörweite befunden hatte. Nicht eine Sekunde hatte sie an Winnies Ausführungen über Bentleys Fähigkeiten gezweifelt.
Bentley Rutledge war ein hoch gewachsener und blendend aussehender Teufelskerl mit entwaffnend braunen Augen, einem verführerischen Grinsen und dichtem dunklem Haar, das er stets eine Nuance zu lang trug. In Fredericas Augen wurde er mit jedem Jahr attraktiver. Und stattlicher. Und maskuliner.
Plötzlich war ihr wieder die Szene gegenwärtig, die sich letztes Jahr, am zweiten Weihnachtstag, abgespielt hatte: Frederica stand gerade unter dem Mistelzweig, als Rutledge sie sich schnappte. Seine großen, kräftigen Hände umfassten ihre Taille, und mühelos hob er sie empor und gab ihr einen Kuss – mitten auf den Mund. Was im Grunde nicht viel zu bedeuten hatte, denn ein jedes Jahr zu den Feiertagen schnappte Rutledge sich die Damen des Hauses und küsste sie – egal, ob Tante Winnie, Cousine Evie oder Zoë, die zu küssen sich sonst niemand traute, weil sie – obgleich unehelich – die Tochter des einflussreichen Lord Rannoch war. Doch im vergangenen Jahr hatte Bentley Frederica in einem Moment aufgelauert, als niemand außer ihnen zugegen war. Zuerst verabreichte er ihr den üblichen Freundschaftskuss, doch danach trug sich etwas höchst Seltsames zu. Bentley hielt kurz inne, und dann wurde sein Kuss sanfter. Frederica meinte gar, dass sich sein Mund leicht öffnete, ehe er sie, ohne den Blick von ihr abzuwenden, wieder zu Boden ließ. Ausgesprochen dicht glitt sie an seinem stählernen Körper hinunter, und als Frederica wieder auf eigenen Füßen stand, war ihr heiß und kalt zugleich. Noch im selben Moment aber wandte Bentley sich ab. Danach küsste er keine der Damen mehr unter dem Mistelzweig.
Wie eigenartig, dass sie ausgerechnet jetzt an jene Begegnung zurückdenken musste, wo sie doch mitten in den Wirrungen einer Tragödie steckte. Wie aufs Stichwort meldete sich ihre Trauer über Johnny zurück. »Tut mir Leid, wenn ich dich erschreckt habe, Rutledge«, entschuldigte sie sich und spielte verlegen mit der Reitgerte. »Es ist bereits weit nach Mitternacht … Solltest du nicht längst in den Federn liegen?«
»Ich?« Im hellen Mondlicht konnte sie seine großen und strahlend weißen Zähne erkennen, die stets zum Vorschein kamen, wenn er lächelte – was er im Übrigen immer tat, wenn sie einander begegneten. »Wie steht es mit dir, meine Holde? Wieso schleichst du zu solch später Stunde noch von den Stallungen herauf? Wer ist denn der Glückliche, wenn ich fragen darf?«
Frederica stockte der Atem. »Das geht dich einen feuchten Kehricht an!«, zischte sie.
Bentley stieß sich von der Mauer ab und kam leicht schwankend zum Stehen. »Aber Freddie!«, raunte er und zertrat den Zigarrenstummel mit dem Stiefelabsatz. »Es geht um den jungen Ellows, hab ich Recht? Diese Cambridge-Schnösel haben aber auch immer Glück!«
Schnell und tief, wie ein Dolch, bohrten sich seine Worte in Fredericas Herz. Um nicht die Balance zu verlieren, stützte sie sich mit der Hand auf dem steinernen Treppenpfosten ab. »Wieso musst du mich eigentlich ständig ärgern, Rudledge?«, ging sie in die Offensive, wobei sie Mühe hatte, gegen ihre aufsteigenden Tränen anzukämpfen. »Verrat mir lieber, warum du immer ausgerechnet dann bei uns auftauchst, wenn dir ein neuerlicher Skandal ins Haus steht und du wieder einmal vor einem geprellten Ehemann flüchtest? Und dann hätte ich gerne gewusst, warum du um diese Zeit noch durch den Garten streunst?«
Rutledge hob eine Augenbraue und schritt lässig auf sie zu. »Ich wollte einfach nur in Ruhe eine Zigarre rauchen, Freddie«, erklärte er ihr freundlich. »Deine werten Cousins und ich sind erst spät vom Wrotham Arms zurückgekehrt, wo wir ein paar gehoben haben, das ist alles. Gus schlug vor, noch eine kleine Verschnaufpause an der frischen Luft einzulegen, weil es für Michael das Beste wäre. Während wir hier plaudern, verfrachten Theo und er ihn gerade ins Bett. Der arme Kerl wird morgen schwer für seine Sünden büßen müssen, darauf kannst du wetten.«
Mit raschelnden Röcken ging Frederica an ihm vorbei. »Seine Sünden?«, wiederholte sie, während sie Rücken an Rücken standen. »Ihr anderen habt natürlich eine Seele, die so rein wie frisch gefallener Schnee ist, nehme ich an?«
»Ruhig Blut, liebste Freddie!« Mit einem Lachen vollführte Bentley eine halbe Drehung und legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie zu sich zu drehen. »Was zum Teufel ist eigentlich los mit dir?«
Doch ein Blick in ihre Augen genügte, und das freche Glitzern in Bentleys Augen war restlos verschwunden. »Freddie, so sag doch etwas. Was ist mit dir?«, wiederholte er. Seine Hand wog schwer auf ihrer Schulter, während er mit der anderen ihr Kinn umfasste und mit der Daumenkuppe eine Träne fortwischte. »Du weinst ja. Aber warum nur? Wer hat dir etwas angetan? Verrat mir seinen Namen, Freddie, und ich schwöre beim Herrn, dass der Bursche noch vor Sonnenaufgang mausetot sein wird.«
Frederica gab einen Laut von sich, der irgendwo zwischen Lachen und Seufzen angesiedelt war. Wenn sie ihn ernsthaft darum bäte, würde er Johnny für sie beseitigen – oder ihn zumindest windelweich prügeln, daran zweifelte sie nicht. Sogleich fing sie bitterlich an zu weinen.
Mit einem tiefen Seufzer ergriff Rutledge ihre Hand und zog sie etwas zu ungestüm zu sich heran, sodass ihr Hut zu Boden segelte. »Alles wird gut, Freddie, so beruhige dich doch«, flüsterte er sanft und legte ihr seinen muskulösen Arm um die schlanke Taille. »Bitte weine nicht, Kleines. Bitte nicht. Es tut mir schrecklich Leid, dass ich dich eben auf die Schippe genommen habe, das war nicht rechtens von mir. Aber bitte, bitte weine nicht mehr.«
Doch Bentley Rutledges Einfühlungsvermögen machte die Situation nur noch schlimmer. Oder besser? Frederica war jetzt vollkommen verwirrt, und ehe sie darüber nachdenken konnte, was sie tat, hatte sie ihm laut schluchzend die Arme um den Hals geschlungen. Zur Beruhigung legte er ihr seine Hand auf den Rücken, die sich seltsam schwer und kräftig anfühlte, und streichelte sie sanft. Ja, ein wenig körperliche Zuwendung war genau das, was sie dringend nötig hatte. Es war ihr einerlei, dass sie ausgerechnet in den Armen des schlimmsten Filous weit und breit Trost suchte. Diesen Lebemann musste man einfach gern haben. Solange Frederica sich entsinnen konnte, hatte sie sich in seiner Gegenwart immer ausgesprochen wohl gefühlt. Er war nie arrogant oder unterkühlt und gab sich nicht so furchtbar steif. Er war einfach … Bentley.
Er tätschelte ihre Schulter. »Alles wird gut, meine Kleine.«
»O Bentley, mir ist hundeelend zumute«, wimmerte sie und gestattete sich, das Gesicht im Revers seines Gehrocks zu vergraben, ehe sie aufs Neue herzzerreißend aufschluchzte. Sie hatte sich so eng an ihn geschmiegt, dass ihr sein Geruch, eine Mischung aus Pferd, Zigarre und eindeutig zu viel Brandy, in die Nase stieg. Wie stark und männlich er sich anfühlte! Aber war ihr Platz nicht eigentlich in Johnnys Armen? Sogleich bohrte sich die Trauer über ihre verlorene Liebe noch tiefer in ihr Herz. Frederica holte tief Luft, ehe ein weiterer Schluchzer ihren zierlichen Körper erschütterte. Behutsam legte Bentley ihr sein Kinn auf den Kopf und umschloss sie fester. »Jetzt aber raus mit der Sprache, was ist eigentlich passiert, Freddie?«, wisperte er und hauchte ihr einen Kuss aufs dunkle Haar. »Hat dir jemand wehgetan? Wer war es? Dem guten alten Bentley kannst du alles sagen.«
Frederica wusste, dass sie ihm bedingungslos vertrauen konnte, und glaubte den Grund dafür in der Tatsache zu erkennen, dass auch er hinlänglich den üblen Launen des Lebens ausgesetzt gewesen war. Er konnte schweigen wie ein Grab, das wusste sie. »Es … es geht … wirklich um Johnny Ellows«, presste sie schluchzend hervor. »Er … er wi-will mich nun do-doch n-nicht hei-hei-heiraten.«
Frederica konnte deutlich spüren, wie sich seine Hand in ihren Rücken grub. »Zum Teufel!«, fluchte er leise. »Dieser falsche Hund! Seitdem du mehr Frau als Kind bist, ist er nicht mehr von deiner Seite wegzudenken.«
»Ich weiß«, weinte sie leise in seinen Gehrock. »Doch sein Vater hat befohlen, dass er seine Cousine hei-heiratet!«
»Von wegen befohlen. Sein Vater ist nichts weiter als ein aufgeblasener Tugendbold!« Blanker Hohn rumorte in Rutledges breiter Brust. »Ellows verdient dich nicht! Kein bisschen. Der Meinung waren Gus und ich schon immer. Jetzt wissen wir obendrein, dass er ein feiger Schlappschwanz ist.«
»Was genau meinst du damit?«, fragte sie, noch immer schniefend.
»Ach Freddie! Nur ein Narr würde nicht um eine holde Maid wie dich kämpfen«, erklärte er ihr und strich ihr zärtlich über den Kopf. »Ich an seiner Stelle würde bis zum letzten Blutstropfen um dich … Aber egal. Wenn Johnny Ellows lieber den Schwanz einzieht, statt … verdammt! Entschuldige bitte, Freddie. Was ich eigentlich sagen wollte: Wenn er ein solcher Feigling ist, hat er dich beim besten Willen nicht verdient!«
Frederica schüttelte ungestüm den Kopf. »Mich will doch ohnehin keiner«, flüsterte sie mit dünner Stimme. »Niemand wird mich jemals haben wollen. Davon bin ich mehr als überzeugt. Ich habe die komplette Saison in London verbracht, aber nicht einen einzigen Heiratsantrag erhalten. Sämtliche Junggesellen scheinen sich gegen mich verschworen zu haben, denken, ich wäre ihrer nicht wert, weil ich nicht ehelich geboren bin. Deshalb bin ja jetzt auch wieder hier. Weil ich eigentlich mit J-J-Johnny vor d-d-den Altar treten wollte. Aber selbst er zeigt mir nun die kalte Schulter! Das Schicksal will, dass ich als alte verschrumpelte Jungfer sterbe.«
Frederica spürte, wie Rutledge den Kopf schüttelte. »Jetzt ist aber Schluss, Freddie.« Das war unmissverständlich ein Befehl. »Dein Cousin Gus spricht noch heute davon, dass du das hübscheste aller Mädchen in London warst. Vielleicht ahnten diese Stadttölpel ja, dass du bereits vergeben warst. Oder haben sich von deinem Vormund Lord Rannoch einschüchtern lassen.«
»Lass Elliot aus dem Spiel, er hat damit nichts zu tun!«, schluchzte Frederica. »Es liegt einzig an mei-meiner Mutter. Keine Frau kann derart durch ihren äußerlichen Liebreiz bestechen, als dass die Männerwelt über den Makel ihrer Geburt hinwegsehen könnte.«
»Ausgemachter Humbug!« Rutledges Stimme klang eigenartig erstickt. »Du bist von bezaubernder Schönheit, die mühelos jegliches noch so große Hindernis schrumpfen lässt. Und glaube mir, Kleines, ich bin so anspruchsvoll, wie ein Mann nur sein kann.«
Frederica warf den Kopf in den Nacken und blickte zu ihm empor. Doch noch im selben Augenblick bereute sie es, denn was sie sah, verschlug ihr den Atem. Sein Grinsen war wie weggewischt, und seine haselnussbraunen Augen hatten samtweiche Züge angenommen – just wie damals unter dem Mistelzweig.
Ein nicht enden wollender Moment verstrich. Später war Frederica sich nicht mehr sicher, warum sie es tat, aber sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihre Brüste fest an seinen Oberkörper. Während sie das machte, wanderten ihre Gedanken zu Johnny, oder besser gesagt zu der Tatsache, dass sie sich regelrecht an ihn verschwendet hatte. Sie zählte fast neunzehn Lenze und war mehr als bereit, sich dem Leben zu stellen – mit sämtlichen Facetten, Höhen und Tiefen, die es zu bieten hatte.
Vielleicht lag Bentley gar nicht so falsch, wenn er sagte, Johnny hätte sie nicht verdient. Ein kleiner, niederträchtiger Teil in ihr wollte sogar, dass er für das, was er ihr angetan hatte, büßte, und sie spielte noch einmal mit dem Gedanken, Bentley darum zu bitten, ihm die Beine zu brechen. Doch schon im nächsten Augenblick wurde dieser Wunsch verdrängt von der Erinnerung daran, wie sich Bentleys Hände und Mund an Weihnachten angefühlt hatten.
»Bentley?« Ihre Stimme klang plötzlich seltsam heiser. »Erinnerst du dich noch an vergangene Weihnachten?«
Bentley hüllte sich einen Augenblick lang in Schweigen. »Schon möglich. Warum?«
»Ich meine, als du mich … geküsst hast. Am zweiten Weihnachtsfeiertag.«
Er atmete tief und langsam ein. »Dunkel, ja.«
»Wie soll ich sagen … das war sehr schön«, gestand sie ihm. »Und ich frage mich, ob du … ob du es nicht noch einmal tun möchtest.«
Eine lange, lähmende Stille trat ein. »Keine so gute Idee, Freddie«, murmelte er schließlich.
Bentleys Widerstand stachelte Frederica nur noch mehr an. »Warum denn nicht? Ich dachte … nun, ich hatte den Eindruck, dass es dir auch ein klitzekleines bisschen gefallen hat.«
»Oh, das hat es.«
»Dann tu es noch einmal, Bentley! Bitte!«
»Herrgott, Freddie!«, rief er mit erstickter Stimme aus, ehe er sich mit einem sanften, kehligen Laut zu ihr herabbeugte und sein Mund dicht über dem ihren schwebte.
In Zukunft überlegst du dir genau, wo du pinkeln gehst, ermahnte er sich noch. Und das war wohl sein vorerst letzter klarer Gedanke, ehe sich ihre Lippen zu einem Kuss vereinten. Trotz seines merklich benebelten Verstandes war Bentley geistesgegenwärtig genug, sie so zärtlich wie möglich zu küssen. Nur zu deutlich spürte er ihren tiefen Schmerz und ihre bodenlose Verwirrung, als sie sich ihm mit einem atemlosen Keuchen hingab. Freddie küsste, wie nur willige Jungfrauen es taten – unsicher, aber hinreißend. Ausgesprochen hinreißend sogar. Alles, was er tun musste, so sagte er sich, war, ihr das Gefühl zu geben, sie wäre begehrenswert.
Aber genau da lag verdammt noch mal das größte Problem. Er musste ihr erst gar nicht vorgaukeln, sie wäre begehrenswert, denn sie war es allemal. Und mit ihrem honigfarbenen Teint und dem schweren pechschwarzen Haar betörend hübsch dazu, was ihm schon vor geraumer Zeit aufgefallen war und ihm seither viele unkeusche Gedanken beschert hatte. Zum Schutz seiner Selbst war er eines Tages dazu übergegangen, sie wie eine kleine Schwester zu behandeln – geschwisterliche Fopperei inbegriffen. Aber das war wohl kaum seine Schwester, die er da in den Armen hielt, oder?
Bentley wusste, dass es das Beste wäre, die Sache auf der Stelle zu beenden. Doch wie immer, wenn er unmittelbar davor stand, sich zu versündigen, entglitt ihm die Kontrolle. Hinzu kam, dass das, was er gerade erlebte, viel zu betörend war, als dass er es beenden wollte. Es war, als wären seine jahrelangen Fantasien endlich zum Leben erweckt worden. Wieder legte er ihr eine Hand auf den Rücken, um sie ganz eng an sich zu drücken, während seine Zunge abermals zwischen ihre samtenen Lippen glitt.
Freddie keuchte auf, und die kühle Luft, die dabei in seinen Mund drang, ernüchterte ihn so weit, dass ihm bewusst wurde, wie neu und ungewohnt diese Situation für sie sein musste. Doch nun schlang sie ihre Arme um seinen Hals und presste ihren hinreißenden Körper in ganz unmissverständlicher Weise an seinen – einer Einladung solcher Natur hatte er noch nie widerstehen können. Und es kam noch schlimmer. Heißblütig erwiderte sie seine Liebkosungen und ließ ihre Zunge um die seine streichen, wobei ein unbeschreiblich verführerisches Geräusch den Tiefen ihrer Kehle entstieg. Wäre sie doch nur still gewesen! Bentley sah die Chancen, dass sein keusches Stoßgebet erhört werden würde, dahinschwinden. Ohne diese koketten, gurrenden Töne hätte er vielleicht die Kraft aufgebracht, sich von ihr loszureißen und das Weite zu suchen, wie es der Anstand von ihm verlangte. Er sollte die Flucht ergreifen. Und ins Bett gehen. Alleine.
Doch Selbstdisziplin hatte noch nie zu Bentley Rutledges Stärken gezählt. Als Frederica mehr und mehr auf seinen Kuss einging, zog er ihr ungestüm den Kopf in den Nacken und bedeckte ihren Hals mit einem Meer von Küssen, ehe seine Lippen ihre Wangen und Augenbrauen liebkosten. Fredericas Keuchen wurde stärker, was Bentley zum Anlass nahm, auch den Rest ihres Körpers zu ergründen. Seine Finger glitten über ihren Rücken und ihre Taille hinunter zu den üppigen Rundungen ihres Hinterteils.
Bentley küsste sie, bis ihm der Kopf schwirrte und er in einem dunklen, betörenden Nebel zu versinken drohte. Freddie besaß eine kuriose Macht über ihn und seinen Körper, rief verborgene Sehnsüchte in ihm wach. Sehnsüchte, die ihm nicht geheuer waren und die er stets mittels seines exzessiven Lebensstils zu bekämpfen versuchte. Diese Macht musste von dem brodelnden Verlangen einer unberührten Frau herrühren, entschied er.
Doch als Bentley seine Hand unter ihr verführerisches Gesäß schob, als er sie an sich presste und sich ihr Atem weiter beschleunigte, sodass ihre zarten Nasenflügel vor Erregung erbebten, beschlich ihn die vage Ahnung, dass es viel schlimmer um ihn stand. Immerhin hatte er schon lange ein Auge auf sie geworfen.
O Gott! Gütiger Herr! Ersollte sich schämen; was er tat, war unfair. Frederica gegenüber, wie auch Gus. Er mochte bereits so manche schwer wiegende Sünde begangen haben, aber er war beiden stets ein guter und loyaler Freund gewesen.
Plötzlich löste Frederica sich aus dem Kuss. Bentley wusste nicht, wie ihm geschah.
»Bentley«, raunte sie, »findest du mich eigentlich anziehend? Begehrst du mich?«
Entgeistert blickte er sie an. »Mein Gott, Freddie! Du bist so anziehend, dass nicht viel fehlt und Rannoch muss mich im Morgengrauen für mein Benehmen zur Rechenschaft ziehen.«
Unsicher fuhr Frederica sich mit der Zunge über die Lippen. »Komm mit«, raunte sie dann voller Ungeduld. »Hier können wir unmöglich bleiben. Jemand könnte uns entdecken.«
Folgsam wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, nahm Bentley ihre ausgestreckte Hand und ließ sich die Stufen hinab in den Schatten der darunter gelegenen Gartenterrasse ziehen. O Gott, er hasste sich selbst! Was war es nur, das er so an ihr liebte und das seine Lenden lichterloh brennen ließ? Lag es an ihrem exotischen Gesicht? Oder an ihren bezaubernden Augenbrauen? Ja, das war es, es waren diese ebenmäßigen und sanft geschwungenen Brauen, die ihn schon immer betört hatten. Bentley spürte, wie ihm mehr und mehr die Kontrolle entglitt.
Er versuchte sich weiszumachen, dass Freddies freizügiges Verhalten lediglich auf ihren gegenwärtigen Liebeskummer zurückzuführen war. Junge gekränkte Frauenzimmer benahmen sich nun einmal so, weshalb er für gewöhnlich auch einen weiten Bogen um Küken wie Frederica machte. Er bevorzugte erfahrene Damen, die wussten, dass der nächste Liebhaber, der sich gebührend um die Wunden ihres verletzten Stolzes kümmern würde, nicht lange auf sich warten ließe. Doch Freddie ahnte von alldem nichts, und es war seine Aufgabe, sie darüber aufzuklären.
Sie blieb stehen und schmiegte sich erneut an ihn. Obgleich seine Hände zitterten, legte Bentley sie fest auf ihre Schultern und schüttelte sie sacht, aber nachdrücklich. »Bitte nicht, Kleines. Bitte hör auf. Du darfst niemals mit einem Burschen wie mir in die dunkle Nacht entschwinden.«
Frederica blickte zu ihm auf, voller Unschuld und gleichzeitig so verführerisch. »Begehrst du mich etwa doch nicht?«
»Doch, und wie!« Mit Müh und Not hauchte er ihr einen brüderlichen Kuss auf die Nasenspitze. »Du hast ja keine Vorstellung davon, wie sehr ich mich nach dir verzehre. Aber ich flehe dich inständig an, gib mir einen Korb, Freddie. Geh. Ab mit dir ins Bett. Allein.«
Wortlos verflocht sie ihre Finger mit seinen und zerrte ihn mit einem kecken Lächeln auf eine schmiedeeiserne Bank. Die feucht glänzenden Lippen und der erwartungsvollte Blick verrieten, dass sie darauf brannte, erneut geküsst zu werden. Verdammt, sie war so unglaublich attraktiv. Immer wenn Bentley sie eine Weile nicht gesehen hatte, gelang es ihm, ihr liebreizendes Äußeres zu vergessen. Doch nun saß er neben ihr …
»Nein«, flüsterte er.
»Doch«, raunte sie. »Jetzt. Bitte.«
Und so gehorchte Bentley. Mochte man ihn auch einen Schuft und Schwerenöter nennen, aber sein Verlangen hatte längst die Oberhand gewonnen. Er küsste sie abermals, doch dieses Mal ließ er keine Zärtlichkeit erkennen. Er ging zur Sache, als wollte er sie durch sein schroffes Verhalten zur Vernunft bringen. Unsanft zwang er ihren Kopf in den Nacken und drängte sich ihr rücksichtslos entgegen. Zusätzlich verlagerte er sein Gewicht so, dass er sie zwischen sich und der Bank gefangen hielt, damit sie die Härte seiner erigierten Männlichkeit zu spüren bekam. Keuchend stieß er ihr die Zunge tief in den Mund, wieder und wieder, in einem Rhythmus, der nur zu deutlich verriet, was er eigentlich wollte. Wonach er mit aller Macht verlangte.
Als er sehr zu seinem Erstaunen merkte, dass Frederica sich ihm nicht widersetzte, löste er sich. »Stopp, Freddie!«, rief er mit rauer Stimme aus. »Was wir tun, hat nichts mehr mit einem weihnachtlichen Kuss zu tun. Nicht das Geringste. Wir müssen aufhören, ehe es zu spät ist.«
Statt einer Antwort schenkte sie ihm einen Blick, der unmissverständlich verriet, dass sie genau wusste, was sie wollte. Das kleine Mädchen von einst war spurlos verschwunden.
Mit einem Seufzen kostete er ein weiteres Mal die zarte Haut ihres Halses, bevor er ein Stück tiefer glitt. »Freddie, wenn du mich nur noch einmal berührst, so schwöre ich, bin ich nicht mehr Herr meiner Sinne. Dann werfe ich dich ins Gras und werde dich f-« Blitzschnell kniff er die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. »Und werde dir und deinem Körper etwas antun, das wirklich, wirklich falsch wäre.«
Frederica legte ihm ihre Lippen ans Ohr. »Und ich, Bentley, ich bin es satt, immerzu ein wirklich, wirklich braves Mädchen zu sein«, raunte sie heiser. »Oder willst du etwa schuld daran sein, dass ich als vertrocknete alte Jungfer ende?«
»Gütiger Herr im Himmel«, keuchte er, und es war das erste Mal in seinem Leben, dass ihm diese Worte mit voller Inbrunst über die Lippen kamen.
Freddie hatte sich als Erste ihres Umhangs entledigt, und als Bentley es ihr gleichtat, schien er auch seinen letzten Funken Selbstbeherrschung abgelegt zu haben. Erregt presste er seinen Mund erneut auf den ihren und machte sich mit Handbewegungen, die ihm in all den Jahren in Fleisch und Blut übergegangen waren, hektisch an den Knöpfen ihrer Bluse zu schaffen. Doch ausgerechnet heute zitterten ihm die Hände und er brauchte bedeutend länger als sonst.
Freddie war sich im Klaren darüber, worauf Bentley hinauswollte, als sie seine fordernden Finger spürte, die an ihren Kleidern zerrten. Ich kann nicht so tun, als wüsste ich nicht, was gleich geschehen wird, sprach sie zu sich selbst. Das kann ich einfach nicht. Genauso wenig, wie ich ihm die Schuld daran geben kann.
Auch wenn sie ahnte, was sie im Begriff war aufzugeben – es war ihr einerlei. Schließlich hatte Johnny sie nie geküsst wie Bentley Rutledge. Frederica kamen ernste Zweifel, ob Johnny auch nur ahnte, wie eine Frau richtig geküsst werden wollte. Sie war überzeugt davon, dass es nur eine Hand voll Männer gab, die diese schwierige Kunst überhaupt beherrschten.
Bentley war als Filou auf die Welt gekommen und würde es sein Lebtag bleiben. Aber er wollte sie. Und Frederica war es satt, sich für eine Hochzeitsnacht aufzusparen, die niemals kommen würde. Oft brachten brennende Sehnsüchte ihr Blut in Wallung, Gefühle, für die sie keine plausible Erklärung hatte. Es war ein Feuer, das außer Bentley womöglich niemand zu verstehen imstande war.
»Freddie«, keuchte Bentley, während ihr ein kühler Hauch unter Bluse und Leibchen strömte und sanft ihre Brüste umspielte. »Um Himmels willen, Freddie, so sag doch etwas, setzt dich zu Wehr. Ich bin deiner doch gar nicht würdig. Sag einfach Nein. Halte mich auf.«
Wieder verweigerte Frederica ihm eine Antwort und rieb sich stattdessen an seinen Bartstoppeln, die sich stachlig und sanft zugleich anfühlten. Bentley roch, wie ein wahrhaftiger Mann riechen musste – nach Zigarrenrauch, Seife und Schweiß.
»Verdammt«, fluchte er mit leiser Stimme, ehe er ihr die Bluse über die Schultern zerrte und sie achtlos ins Gras beförderte. Dann tauchte er ab, um ihre Brust zu küssen und zu liebkosen. Frederica konnte seinen sengenden Atem durch den dünnen Stoff des Leibchens spüren. Wieder und wieder knabberte er sanft an ihrer Knospe, und ein jedes Mal schoss ein sinnlicher Schmerz durch ihren Körper. Es dauerte nicht lange, bis Frederica dachte, sie könne diese wundersamen Qualen keine Sekunde länger ertragen. Mit einem Wimmern entwand sie sich ihm, doch Bentley brummte nur, ehe er sich der anderen Brustwarze zuwandte, bis auch diese sich steil aufrichtete und sichtbar unter dem Stoff hervortrat.
Frederica kam alles so erregend, berauschend und beängstigend zugleich vor. Seine Hände in ihrem Rücken hielten sie ganz fest, und seine Berührungen und der Duft seines Haars weckten in ihr den Wunsch, ihn ebenso zu erregen wie er sie. Es beschämte sie jedoch, dass sie nicht genau wusste, wie sie es am besten anstellen sollte.
Während Bentleys Mund noch immer ihre Brüste liebkoste, glitten seine Hände an ihrer Taille hinunter, wo sich seine Fäuste in ihrem dicken Wollrock vergruben. Frederica erbebte. Mühelos schob er ihren Rock hoch und legte seine Hand zwischen ihre Schenkel. Sein Mund löste sich von ihren Lippen.
»Freddie.« Es klang wie eine verzweifelte Bitte. »Ist das ein Ja? Ist dir eigentlich klar, um was es hier geht? Wenn dem so ist, so antworte mir mit einem deutlichen Ja. Oder Nein. Aber bitte sprich endlich mit mir.«
Frederica blickte ihm tief in die Augen, während ihre Hand seine stählerne Brust hinaufglitt. Die Muskeln unter seiner weichen Haut erzitterten, verrieten so sein unbändiges Verlangen. »Ja«, antwortete sie sanft, aber bestimmt.
»Gütiger Gott, Freddie, was wir machen, kommt dem Freitod gleich«, entfuhr es ihm verzweifelt, doch bereits in der nächsten Sekunde ließ er sich in das harte Gras fallen – und zog sie mit sich.
Frederica landete auf seiner Brust und streckte sich genüsslich der Länge nach aus, wobei sich ihr Becken gegen seine harte und pulsierende Manneskraft presste. Sie wusste, was mit ihm los war, schließlich war sie auf dem Lande groß geworden – mit drei Cousins, die nur so vor Männlichkeit strotzten. Frederica stützte sich mit gespreizten Fingern auf seinem Oberkörper ab und blickte ihn durch wirr herabhängende Strähnen an. Behutsam strich er ihr die Haare aus dem Gesicht und zögerte kurz. Dann küsste er sie lang und innig. Mit einer gekonnten Drehung rollte er sie auf den Rücken und zog ihr mit flinken Bewegungen Stiefel, Strümpfe und Schlüpfer aus. Kühle Nachtluft umfing ihren halb entblößten Körper. Bentley stützte sich auf seine muskulösen Unterarme und beugte sich zu ihr herab. Obgleich der Mond schien, konnte Frederica sein Gesicht im Schatten der Buchsbäume nur schemenhaft ausmachen. Seine Augen! Wie sehr wünschte sie sich, seine Augen zu sehen. Wie eigenartig, dass ihr nicht schon viel eher aufgefallen war, wie weich und warm sein Blick war. »Ja«, bekräftigte sie noch einmal, und Bentley begann, sich an den Knöpfen seiner Hose zu schaffen zu machen. Frederica konnte in der Dunkelheit wenig sehen, entschied aber, dass das vielleicht auch besser war. Nach wenigen Augenblicken spürte sie abermals seine Hand zwischen ihren Beinen. Begleitet von einem lustvollen Stöhnen, spreizte er ihr mit dem Knie die Schenkel.
»O Gott, Freddie.« Bentleys Flüstern klang betrübt. »Ich bete, dass ich alles richtig mache.«
Und dann, ohne jegliche Vorwarnung, spürte sie seine Erektion, die sich ihr eisern entgegendrängte. Einen Augenblick lang wurde Frederica von bodenloser Panik übermannt und versteifte sich. Behutsam legte Bentley ihr seine Lippen ans Ohr. »Wenn du sagst, ich soll aufhören, werde ich es tun. Versprochen.« Doch es klang eher, als versuchte er sich selbst ein wenig Mut zuzusprechen.
Frederica schüttelte den Kopf. Ihr Haar verfing sich im Gras. »Nein, nein«, keuchte sie und streckte suchend die Hände nach ihm aus. »Nimm mich, Bentley. Mach mich hier und jetzt zur Frau. Mit ist egal, was mit mir geschieht.« Sie hatte voller Inbrunst gesprochen, hatte Bentley einen flüchtigen Einblick in den Zustand ihrer Seele gewährt. Ja, sie ersehnte und fürchtete zugleich das, was nun unweigerlich kommen würde. Aber sie war schlichtweg nicht mehr gewillt, auch noch einen Tag länger zu warten. Nicht nur sein Blut war in Wallung geraten, auch das ihre pulsierte durch ihren Körper, der jene fleischlichen Freuden einforderte, die sein Körper versprach. Mit seinem Gewicht hielt er sie zwischen sich und dem harten Boden gefangen, während er ihre Beine noch ein wenig weiter spreizte.
Bentley wurde sich bewusst, dass er viel zu schnell vorging, als er Frederica nach Luft schnappen hörte. Streng rief er sich zur Ordnung, verlagerte sein Gewicht ein wenig und schob erst einen, dann zwei Finger in das lockige Haar zwischen ihren Schenkeln. Vor und zurück, ganz langsam, auch wenn sein Verlangen nach schnellen und ungestümen Bewegungen schrie. Nahezu als schmerzhaft empfand er seine Lust für sie, diese wunderbare Frau, die eigentlich für ihn tabu sein sollte. Doch sein Verlangen war überwältigend. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis er sich in der lieblichen Jungfräulichkeit ihres Körpers verlor. Mit jeder Bewegung glitt er ein wenig tiefer in sie, und als seine Fingerspitzen wieder und wieder über ihre empfindlichste Stelle strichen, begann Freddie zu keuchen, dann zu stöhnen. Jäh wurde er in die Realität zurückgeholt.
Jetzt ist es so weit, alter Junge, ermahnte er sich. Du stehst am Abgrund. Noch einen Schritt weiter, und du bist so gut wie verheiratet. Zappelst wie ein Fisch im Netz. Gehst dem Pfarrer in die Falle.
Oder vielleicht auch nicht.
Freddies Familie war … war … ein wenig unkonventionell. Die Chancen, dass Freddie ihm nach diesem Abenteuer einen Korb gab, standen also gar nicht so schlecht. Es war gleichermaßen realistisch, dass ihre Familie ihm nach dem Leben trachten würde. Gus würde es auf jeden Fall versuchen, während Rannochs Bemühungen zweifelsohne mit Erfolg gekrönt sein dürften. Bestürzt wurde ihm jedoch bewusst, dass er dieses Risiko tatsächlich einzugehen bereit war.
Die Geräusche der Nacht und der Duft nach feuchtem Laub schärften seine Sinne für die zierliche Frau unter ihm. Gütiger Gott, wie feucht sie vor Erregung war. Ein unbeschreibliches Gefühl der Macht brandete in ihm auf. Er wollte spüren, wie sie sich unter ihm wand, wollte ihr verzweifeltes Stöhnen dicht bei seinem Ohr hören. Der Liebesakt mit ihr würde anders sein als alles, was er je erlebt hatte. Sinnlicher, zärtlicher. Wieder wurde er von einer Welle der Verunsicherung ergriffen. Würde er ihr wehtun? Würde sie weinen? Doch schon im nächsten Augenblick waren diese Fragen vergessen und er ließ seine Finger nun ganz in ihrer feuchten Höhle verschwinden, was von Freddie mit einem erleichterten Seufzer belohnt wurde. Behutsam und nicht minder gezielt zog er sie wieder aus ihr heraus, jedoch nur, um gleich wieder in ihr abzutauchen. Langsam arbeiteten sich seine Finger vor, bis sie auf jenes zarte und unversehrte Häutchen stießen, das Mutter Natur ihr mit auf den Weg gegeben hatte. Es kostete ihn alle Kraft, sich gegen den Impuls zu wehren, es auf der Stelle zu durchbrechen.
Sie würde ihm gehören. Wie ein Blitz schlug dieser Gedanke in seinem Kopf ein. Nur ihm. Sie war noch von keinem anderen Mann zuvor berührt worden, und der Wunsch, sie für sich zu beanspruchen, die Barriere in ihrem Innern zu sprengen, sie sich hemmungslos zu Eigen zu machen, raste wie ein Feuerball durch seine Glieder.
Der Moment war gekommen, er konnte nicht mehr länger an sich halten. Mit einer Hand stützte er sich dicht bei ihren Schultern ab, während die andere seine Erektion vorsichtig in das seidig weiche Fleisch ihrer Weiblichkeit schob. Er war sprachlos, als sich ihm ihr Becken entgegendrängte.
»Entspann dich, Kleines, ganz ruhig«, flüsterte er. »O nein, Freddie. Lass mich machen, Liebes. Lass mich nur machen.«
Obgleich es so gut wie kein Zurück mehr gab, hielt er für den Bruchteil einer Sekunde inne. Fredericas Fingernägel hatten sich tief in seine Schultern gebohrt, als er ihre Hüften unsanft auf den harten Rasen zurückbeförderte. Mit einem verzweifelten Stöhnen wollte sie sich aufbäumen, woraufhin er noch ein wenig tiefer in sie drang. Freddies Kopf flog von einer Seite zur anderen, und ein Flüstern erstarb auf ihren Lippen. War es eine Bitte gewesen? Ein Betteln? Herr im Himmel, sie war so voller Liebreiz, dass er fürchtete, jeden Moment zu explodieren. Mit einem leisen triumphierenden Ausruf testete er die Grenzen ihres Körpers aus. An das, was dann folgte, konnte er sich später nur vage erinnern – was eigentlich sehr untypisch für ihn war. Für gewöhnlich beging er den fleischlichen Akt nämlich mit einer gewissen Distanz, die sowohl ihn selbst betraf als auch seine Bettgespielin. Während des Beischlafs war es, als sähe er sich aus der Ferne und bar jeglicher Emotionen dabei zu.
Doch dieses Mal war alles anders, war er erfüllt von gleißenden Lichtblitzen der Leidenschaft. Bentley schloss die Augen und grub seine Finger tiefer ins Gras. Ihr zartes jungfräuliches Fleisch zog ihn mehr und mehr in die Tiefe, sog ihn förmlich auf. Wieder und wieder stieß er zu. Er wollte – nein, er musste alles zu ihrer Zufriedenheit machen. Es ging um ihr erstes Mal. Die Angst, er könnte es zu früh zu Ende bringen, lastete schwer auf ihm. Sekunden verstrichen – oder waren es Minuten? –, bis wie aus weiter Ferne ein lieblicher Laut an seine Ohren drang und er spürte, wie Frederica ihre Beine fester um ihn schlang, um ihn so tief wie möglich in sich aufzunehmen. Bentley war dem Zittern, das ihn von Kopf bis Fuß durchlief, wehrlos ausgesetzt.
Frederica bäumte sich abermals auf und winselte, ihre Lippen formten sich zu dem stummen Schrei perfekter Ekstase. La petite mort. Der kleine Tod. Noch im selben Augenblick brach komplettes Chaos über ihn herein. Er pumpte schneller und kräftiger. Der Gedanke, sich aus ihr herauszuziehen, bevor es zu spät war, kam ihm erst gar nicht. Kraftvoll prallte sein Becken gegen das ihre. Wieder und wieder. Bis jenes helle Licht, das ihn die ganze Zeit über geleitet hatte, in einem Flammenmeer aufging. Bis sich sein brennender Samenstrom in sie ergoss. Bis sie vollends ihm gehörte.
Das mysteriöse Verschwinden eines Hausgastes
Er hatte Erde unter den Fingernägeln. Bentley hob den Kopf. Selbst das dämmerige Licht reichte aus, um den Schmutz deutlich zu erkennen. Gütiger Gott, das war selbst für seine Maßstäbe nicht mehr akzeptabel. Er reckte sich, bis er vollends wach war, und entdeckte dabei Grasflecke auf seinen Handknöcheln. Sogleich machte sein Herz einen Satz und sein Magen zog sich krampfhaft zusammen. Ächzend rollte er sich auf die Seite und blickte auf Freddie, die sich wie ein schläfriges Kätzchen eingerollt hatte und ruhig vor sich hin schlummerte, den Kopf friedlich auf ihr Kissen gebettet.
Ihr Kissen. Ihr Gemach.
Aus Besorgnis wurde Panik. Bentley sprang splitterfasernackt vom Bett, wobei er etwas an den Knöcheln spürte. Vermaledeit, seine Unterhosen. Hektisch schüttelte er sie ab und stierte auf den verräterischen Haufen Kleider, der sich auf seiner Seite des Bettes türmte. Wie bei Menschen, die dem Tod ins Angesicht blickten, zog binnen Sekunden sein Leben an ihm vorbei – zumindest die letzten sechs Stunden desselben. Jedes noch so kleine Detail lastete bleiern auf seiner Seele.
Niedergeschlagen entzündete er eine Kerze, nahm in einem ausladenden Sessel Platz und verbarg den Kopf in den Händen.
Gütiger Gott. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er gemeinsam mit den Weyden-Brüdern und dem jungen Lord Trent im Schlepptau zum Wrotham Arms aufgebrochen war. Auch konnte er sich vage entsinnen, ein wenig zu tief ins Glas geschaut zu haben, was Trent ermutigt hatte, es ihm gleichzutun. Und dann war da noch dieses dralle Frauenzimmer mit der feuerroten Mähne gewesen, das sich eingehend um Trents Wohlbefinden kümmern sollte. Doch der hatte ihr eine gehörige Abfuhr erteilt. »Die ist doch alt genug, um meine Mutter zu sein«, hatte er mit hochrotem Kopf gemurrt.
Um die Ehre des Mädchens zu retten, hatte Bentley sie ins obere Geschoss des Wirtshauses geführt und ihr das Doppelte gezahlt – um sie höchstpersönlich zu vernaschen. In den Grenzen dessen, was der Grad seiner Trunkenheit zugelassen hatte, war er gerade zur Höchstform aufgelaufen, als Trent ein Missgeschick in der Schankstube passiert war: Er hatte sich in hohem Bogen übergeben, woraufhin ein Tumult ausgebrochen war. Bentley, der glücklicherweise die Beinkleider noch anhatte, war auf schnellstem Wege nach unten gerast.
Wenn man bedachte, dass die kleine Hure genau der Typ Frau war, mit dem Bentley für gewöhnlich verkehrte, konnte er von Glück reden, wenn er Freddie nicht mit Syphilis angesteckt hatte.
Freddie. O Freddie.
Auch an das, was danach passiert war, erinnerte er sich mit erschreckender Klarheit. Nach dem, was zwischen Frederica und ihm auf dem Rasen geschehen war, hatte er sie nicht alleine zurücklassen wollen – nein können. Das wäre nicht sonderlich gentleman-like gewesen. Das zumindest hatte er sich glauben machen wollen. Ganz so, als gehöre es zum guten Ton, ein Mädchen ohne den Segen der Kirche zu entjungfern. Das war auch der Grund, warum er sie in die Sicherheit ihres Gemachs gebracht hatte. Ihm war klar, dass sie jeglichen Beweis dessen, was geschehen war, mittels eines Bades würde wegwaschen wollen. Das wäre der perfekte Zeitpunkt gewesen, sich zu empfehlen, sein Gästegemach aufzusuchen und sich – getrieben von beißenden Schuldgefühlen – den Rest der Nacht hin- und herzuwälzen. Aber er war der Versuchung ein weiteres Mal erlegen.
Es war höchst eigenartig, aber tief in seinem Innern hatte er sich danach gesehnt, sie gänzlich zu entblößen – um es dieses Mal richtig anzugehen. Um sie zu bewundern, seine wagemutige und wunderschöne Trophäe. Er war überrascht, wie verschüchtert Frederica sich auf einmal gegeben hatte. Der lange und innige Kuss, der sie beruhigen und ihr die Angst nehmen sollte, hatte ihm einen würdevollen Rückzug vermasselt. Sie war förmlich dahingeschmolzen, und er hatte sie abermals geliebt – mit den Händen und dem Mund –, bis ihr sanftes, wohliges Stöhnen in die Nacht hinausgetragen worden und sie in seinen Armen eingeschlafen war. Doch selbst jetzt brachte er es nicht übers Herz, sie zurückzulassen. Da jedoch in absehbarer Zeit die Sonne aufgehen würde, musste er sich einen Plan zurechtlegen. Er musste etwas tun. Aber was? Oder besser gesagt: wie?
Bentley rieb sich das Gesicht und ließ den Blick durch Freddies Gemach streifen. Sie bewohnte eins jener begehrten Turmzimmer im ältesten Teil des Anwesens, dessen Decke von massiven Balken gestützt wurde, die im Laufe der Jahrhunderte schwarz geworden waren. Jetzt im frühen Morgengrau waren sie kaum sichtbar. Ein altertümliches Flügelfenster, das seitlich zum Garten hinausging, wartete bereits darauf, den Tag willkommen zu heißen.
Es war einzig seinem Ehrgefühl zuzuschreiben, dass er sie noch immer nicht verließ. Je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass es das Beste für ihn wäre, eine Weile unterzutauchen; zumindest so lange, bis sich die Wogen der Aufregung geglättet hätten. Aber er wollte einen solchen Schritt nicht vollziehen, ohne vorher noch einmal mit Frederica gesprochen zu haben.