Volksmärchen aus Dänemark - Klaus-Peter Asmussen - E-Book

Volksmärchen aus Dänemark E-Book

Klaus-Peter Asmussen

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Beschreibung

Wer an dänische Märchen denkt, dem kommt zu allererst Hans Christian Andersen in den Sinn, dem wir solche Geschichten verdanken wie "Des Kaisers neue Kleider", "Die Prinzessin auf der Erbse" oder "Das hässliche Entlein". Dabei handelt es sich allerdings um Kunstmärchen, denn Andersen war ein Dichter, der neue Märchen schuf, wobei er jedoch durchaus auch traditionelle Märchenstoffe verarbeitete. Sucht man dagegen nach mündlich überlieferten Volksmärchen, so stößt man unweigerlich auf den Namen Svend Grundtvig. Sein 1854-1863 erschienenes dreibändiges Werk Gamle danske Minder i Folkemunde (Alte dänische Volksüberlieferungen) enthält neben vielen Sagen und Liedern 76 von ihm als Märchen eingestufte Geschichten. 75 dieser Texte bilden die hier vorgelegte Sammlung. Ein Drittel davon liegt bereits seit 100 Jahren im Rahmen der Reihe Märchen der Weltliteratur in einer Übersetzung von Klara Stroebe vor. Der Rest jedoch scheint weitgehend noch nicht auf Deutsch zu existieren. Diese Lücke soll mit dieser völlig neuen Übersetzung geschlossen werden. Lediglich eine Geschichte wurde aufgrund mangelnder sprachlicher Kompatibilität ausgelassen.

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Inhalt

Vorwort

Der Weg ins Himmelreich

Der arme Mann und seine Helfer

Der starke Hans

Die arme Leiche

Zucht ist gut, wenn sie beizeiten kommt

Der kleine weiße Hund

Die drei Mark

Ein Augenblick im Himmelreich

Die Mühle, die Salz am Meeresgrund mahlt

Der König und der Müller

Der blöde Junge

Bissefalius

Der reiche Peer Möller

Ripen-Krämer

König Lindwurm

Tremelong

„Zum Teufel mit dem Geld, ich weiß, was ich gelernt habe“

Ederland Hühnermagd

Der schwarze Hengst

Des Teufels Meister

Meister und Lehrling

Wulle Bauernjunge

Der kleine Gaul

Der mutige Bursche

Der Baum der Gesundheit

Goldwürfel

Meister Flick-Flicker

Die kleine rote Kuh

Weißbär Königssohn

Hans bei der Hexe und das graue Fohlen

Der Hinketeufel

Des Teufels Güte

Die Geschenke

Der treue Diener

Die Prinzessin auf der Insel

Trillewipp

Die geduldige Frau

Hans mit dem Goldhaar

Der Zwergenhügel

Das Schloss südlich der Sonne

Der Schlangerich

Des Drachen Herzblut

Der Schlitten

Der Fiddelomging

Der Dämel

Der Mann im Haus

Der Pfarrer in der Tonne

Der geizige Mann

Der Wolf

Das kluge Mädchen

Der faule Bursche

Graudonner

Die Prinzessin mit den zwölf Paar goldener Schuhe

Die Schlange und das kleine Mädchen

Die Pfarrersfrau

Die Fallstricke des Bösen

Das Schwein

Die drei guten Ratschläge

Hans und Maren

Pilleripap

Der Hirschprinz

Der Kröterich

Hans Meisterdieb

Es ist, wie man es nimmt

Der junge Bursche und der Mönch

Der Kater

Der Topf

Die kleine Ente

Der blinde Hans

Das gute Schwert

Der goldene Apfel

Die guten und die bösen Zeiten

Der Pfarrer und der Küster, die versteigert wurden

Die beiden Schützen

Ein schlauer Einfall

Anzahl der Märchen aus den einzelnen Regionen

Die Originaltitel

Vorwort

Wer an dänische Märchen denkt, dem kommt zu allererst Hans Christian Andersen in den Sinn, dem wir solche Geschichten verdanken wie „Des Kaisers neue Kleider“, „Die Prinzessin auf der Erbse“ oder „Das hässliche Entlein“. Dabei handelt es sich allerdings um Kunstmärchen, denn Andersen war ein Dichter, der neue Märchen schuf, wobei er jedoch durchaus auch traditionelle Märchenstoffe verarbeitete. Sucht man dagegen nach mündlich überlieferten Volksmärchen, so stößt man unweigerlich auf den Namen Svend Grundtvig.

Svend Hersleb Grundtvig (1824–1883) gilt als Begründer der dänischen Volkskunde. Ausgehend von einem Interesse für die alten dänischen Volkslieder, entwickelte er sich zum bedeutendsten wissenschaftlichen Sammler und Herausgeber der dänischen Volksweisen, Sagen und Märchen. Er wurde darin bestärkt von seinem Vater, dem berühmten Theologen und Dichter von Kirchenliedern N. F. S. Grundtvig. Aus seinen Sammlungen erschienen zwischen 1876 und 1884 drei Hefte Danske Folkeæventyr (Dänische Volksmärchen), wovon die Märchen der ersten beiden Hefte bereits 1878 und 1879 in deutschen Übersetzungen von Willibald Leo (d. i. Willibald Leo von Lütgendorff-Leinburg, 1856–1937) und Adolf Strodtmann (1829–1879) herausgegeben wurden. Aber bereits lange vorher, nämlich in den Jahren 1854, 1857 und 1861, waren von Grundtvig unter dem Titel Gamle danske Minder i Folkemunde drei Bände mit alten dänischen Volksüberlieferungen erschienen, die u. a. 76 Texte enthielten, welche von ihm als Märchen bezeichnet wurden1, wenngleich nicht alle diese Texte der strengen Definition von Märchen entsprechen. Aber das gilt ja auch für viele andere Märchensammlungen, einschließlich der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen. 75 dieser „Märchen“ bilden den Inhalt der hiermit vorgelegten Sammlung. Eine Geschichte wurde ausgelassen, da sie aus sprachlichen Gründen nur schwer adäquat zu übersetzen ist: Das dänische kennt nur zwei grammatische Geschlechter, ein gemeinsames Geschlecht (fælleskøn, genus commune) und Neutrum. Der im Titel genannte Schlüsselbegriff „den store Nød“ (die große Not) wird aber im Text auf eine männliche Person bezogen.

Das Prinzip Grundtvigs beim Sammeln von Volksüberlieferungen war, wie wir z. B. von seiner schwedischen Schülerin Eva Wigström erfahren haben, die mündlich erhaltenen Texte möglichst originalgetreu, also ohne weitere Bearbeitung, festzuhalten2, was ihn allerdings nicht hinderte, beispielsweise zwei teilweise unvollständige Versionen einer und derselben Erzählung, zu einem vollständigen Ganzen zu verbinden. Durch diesen richtigen Grundsatz der Originaltreue erscheinen nicht selten Regionalismen in den Texten, die allerdings häufig sogleich durch eine reichsdänische Entsprechung erklärt werden. In der Übersetzung müssen solche Unterschiede natürlich notgedrungen verlorengehen. Hier kann der Grundsatz der Übersetzer „So genau wie möglich, so frei wie nötig“ nicht greifen. Ein größeres Problem für die Beachtung dieses Prinzips stellt aber die Grammatik der Erzählsprache dar: In einer großen Anzahl der hier übersetzten Märchen springen die Erzähler munter zwischen den Tempusformen hin und her. Zwar mag der Wechsel von der Vergangenheitsform zur Gegenwartsform als Stilmittel zur Lebendigkeit einer Erzählung beitragen, aber hier geschieht dies durchweg sogar innerhalb eines und desselben Satzgefüges, also etwa Hauptsatz im Präsens – Nebensatz im Präteritum oder umgekehrt. Bei einer Übernahme solcher Zeitsprünge ins Deutsche liest sich das Resultat eher wie eine schlechte Parodie, aber nicht wie ein vernünftiger Text. Deshalb wurden die Märchen der vorliegenden Sammlung generell komplett in die Vergangenheitsform übersetzt, wie es im Deutschen für Erzählungen weitgehend üblich ist.

Im Übrigen ist in dieser Übersetzung das Genauigkeitsprinzip nicht auf die exakte Wiedergabe des Wortlauts bezogen, sondern – was eigentlich selbstverständlich sein sollte – auf den Wortsinn. Vor allem idiomatische Wendungen wurden daher durch ungefähr gleichbedeutende deutsche Ausdrücke wiedergegeben, was manchmal zu bedeutenden Abweichungen vom Originaltext führen kann. Eine weitere Abweichung von der Grundtvigschen Vorlage betrifft die Interpunktion. Die Vorlage enthält zum Teil unnötig lange Sätze, deren Teile durch Semikolons gegeneinander abgetrennt werden. Hier wurden vielfach Punkte gesetzt, um die Sätze übersichtlicher zu machen. Im Großen und Ganzen aber hält die Übersetzung sich so eng wie möglich an die dänischsprachige Originalvorlage. Ein Hinweis auf den Fundort in dieser findet sich jeweils am Ende der einzelnen Texte in eckigen Klammern. Dabei bezeichnet die römische Zahl den Band, die arabische die Nummer des Textes. Die Reihenfolge der Märchen wurde unverändert von Grundtvig übernommen. Im Anschluss an den jeweiligen Titel ist die Region Dänemarks angeführt, in der die Erzählung aufgezeichnet wurde, und zwar auf Deutsch und auf Dänisch, wenn die Namen sich unterscheiden. Auf genauere Angaben, etwa des Ortes oder des Namens der Erzählperson, die bei Grundtvig häufig verzeichnet sind, wurde als heute irrelevant verzichtet. Leser, die mit der dänischen Topographie nicht so vertraut sind, finden am Ende des Buches eine kleine Karte, die auch die Zahl der in der jeweiligen Region aufgezeichneten Erzählungen angibt. Ebenfalls befindet sich dort eine Liste mit den dänischen Originaltiteln in der originalen Orthographie des 19. Jahrhunderts.

Handewitt 2022

Klaus-Peter Asmussen

1 25 dieser Geschichten wurden 1922 von Klara Stroebe im 1. Teil ihrer „Nordischen Volksmärchen“ auf Deutsch abgedruckt; die hier vorgelegte Sammlung ist aber davon unabhängig.

2 Vgl. z. B. Märchen und Geschichten aus Schonen (Schweden), aufgezeichnet durch Eva Wigström, deutsch von Klaus-Peter Asmussen, Norderstedt 2021, „Vorwort (1883)“.

1. Der Weg ins Himmelreich

(Ostjütland/Østjylland)

Es lebten einmal zwei Männer, die waren sehr gute Freunde. Sie hatten einander versprochen, dass sie Heiligabend zusammenkommen wollten, ob sie nun lebendig wären oder tot. Indes starb der eine von ihnen, und als es auf Weihnachten zuging, da dachte der andere dann jeden Tag daran, wie es wohl gehen würde, wenn der Tote an Heiligabend käme. Schließlich beschloss er, zum Pfarrer zu gehen, um von ihm einen guten Rat zu erhalten, wie er sich verhalten sollte. Er tat das, und da sagte der Pfarrer ihm, dass er Heiligabend alle seine Türen schließen solle. Aber in sein Tor solle er ein Loch bohren, so groß, dass er hindurchsehen könne, wenn der Tote komme, und wenn dieser dann in Schwarz gekleidet sei, solle er nicht aufmachen, sei er aber in Weiß gekleidet, könne er ihn gerne hereinlassen.

Als nun Heiligabend kam und es sieben Uhr war, da hörte der Mann es an seinem Tor klopfen. Er ging hin und blickte durch das Loch und sah da, dass es sein verstorbener Freund war, der gekommen war, wie er es versprochen hatte, und dass er in Weiß gekleidet war. Da machte er auf, und der Tote sagte: „Guten Tag, Bruder. Siehst du, ich komme, wie ich es versprochen hatte.“ Dann gingen sie gemeinsam hinein und setzten sich gemeinsam zu Tisch. Aber obgleich es aussah, als ob der Tote äße, wurde das Essen doch nicht weniger. Als die Mitternachtsstunde gekommen war, sagte der Tote:

„Nun kräht der schwarze Hahn,

des Himmels Tore werden aufgetan.

Nun kräht der Hahn, der rote,

nun schlafen alle Toten.“

Und er sagte weiter, nun müsse er los, da er nicht länger fortbleiben dürfe, und da bat er den Freund, ihn ein Stück zu begleiten.

Als sie ans Grab kamen, öffnete dieses sich, der Tote ging hinein, und der Lebende folgte ihm. Sie kamen gleich darauf an zwei Wege, der eine war schmal und grün, der andere breit und sandig. Der Tote fragte da den Lebenden, welchen Weg er gehen würde, und erhielt zur Antwort: den breiten. Aber der Tote sagte, das sei eine völlig falsche Rede, denn der breite Weg, der führe geradewegs zur Hölle. Er solle lieber mit ihm den schmalen, grünen Pfad gehen. Da gingen sie zusammen den Pfad entlang, und bald kamen sie an ein großes Wasser, und dort sah der lebende Mann, dass so viele weiße Vögel darüber hinflogen. Da fragte der Tote ihn, was er glaube, was das wohl sei. Der Mann meinte, das seien wohl wilde Vögel. Aber der Tote sagte, das sei ein großer Irrtum, denn das seien die Kinder, die zu Lebzeiten nicht die Taufe und das Christentum empfangen hätten, deshalb müssten sie hier nun so über dem Wasser fliegen. Sie gingen dann weiter voran und kamen zu zwei Kühen, die sehr mager waren, obschon sie mitten im herrlichsten Gras standen. Da fragte der Tote seinen Freund, was er glaube, wie das sein könne, dass sie so viel gutes Gras hätten und doch so elend und mager anzusehen seien. Der Lebende meinte, das komme wohl daher, dass sie von schlechter Natur seien. „Nein“, sagte der Tote, „das ist wieder ein großer Irrtum. Denn das sind ein Paar Eheleute, die, während sie auf der Welt lebten, sehr wohlhabend waren, aber nur schlecht zusammenlebten, und darum stehen sie nun so da.“ Etwas weiter hin kamen sie zu zwei anderen Kühen, die sahen sehr fett und gesund aus, obschon sie nur auf sehr schlechtem Gras standen. Da fragte der Tote seinen Begleiter, was er glaube, wie das sein könne: dass sie nur so schlechtes Gras hätten und doch so fett seien. Da meinte der Lebende, das müsse wohl daher kommen, dass sie von guter Natur seien. „Nein“, sagte der Tote, „das ist wieder ein großer Irrtum. Denn das sind ein Paar Eheleute, die auf der Welt in großer Armut gelebt haben, aber in großer Liebe und Eintracht, und darum geht es ihnen nun so.“ Als sie noch ein Stück Wegs gegangen waren, kamen sie an das Himmelstor. Da sagte der Tote, nun könne er den Freund nicht mehr weiter mitnehmen, bat ihn aber, nur ein wenig auf ihn zu warten, dann werde er bald wieder bei ihm sein. Der Lebende wartete also, und die Zeit verging ihm rasch. Er dachte, er könnte wohl zwei Stunden gewartet haben, als sein verstorbener Freund wieder herauskam und ihn fragte, wie lange er wohl meine, auf ihn gewartet zu haben. Der Lebende meinte, das seien wohl ein paar Stunden gewesen. „Nein“, sagte der Tote, „seit zweihundert Jahren bist du nun schon hier, da kannst du dir wohl denken, dass es dort wunderschön sein muss, sich aufzuhalten. Aber dort kannst du nicht hineinkommen, bevor du in den Ort zurückgekehrt bist, von dem du gekommen bist, und vom Pfarrer das Sakrament empfangen hast. Da eilte der Mann zurück, empfing das Sakrament und folgte demselben Weg ins Himmelreich.

[I, 1]

2. Der arme Mann und seine Helfer

(Seeland/Sjælland)

Es war einmal ein armer Mann, der wohnte nahe an einem Wald. Er hatte eine Frau und viele Kinder, für die er für Nahrung und Kleidung sorgen musste. Aber wie sehr er sich auch mühte und abrackerte, war er doch oftmals nicht imstande, das Nötige zu verdienen. Dann eines Tages hatte er lange gearbeitet und war sehr müde geworden – erschöpft und verzagt war er ohnehin schon –, und da ging er in den Wald und weinte bitterlich. Als er ein Stück in den Wald hineingekommen war, begegnete er einer alten Frau, die sprach ihn an und fragte: „Warum weinst du? Sag es mir nur, denn vielleicht könnte ich dir helfen.“ Ja, da erzählte der Mann ihr all seine Sorgen und seinen Kummer, von all den Vielen, die er zu Hause habe und für die er Nahrung und Kleidung beschaffen müsse, aber so sehr er sich auch mühe und abrackere, sei es ihm doch nicht möglich, das Notwendige anzuschaffen, so dass sie oft Hunger und Not litten, Frost und Kälte. „Ich will dir helfen“, sagte die Frau, „aber nur, wenn du dich so gut verstecken kannst, dass ich dich nicht finden kann. Dreimal darfst du es versuchen, aber finde ich dich auch das dritte Mal, bekommst du keine Hilfe.“ Der Mann ging nun in den Wald und dachte darüber nach, wo er sich verkriechen sollte, damit die alte Frau ihn nicht finden könnte. Als er nun ging und darüber grübelte, kam ein alter Mann gegangen mit einer Axt auf der Schulter, und der sagte: „Komm du nur mit mir, ich werde dich schon verbergen.“ Dann nahm der Alte seine Axt und hieb einen Span von einem Baum, steckte den Mann dort hinein und setzte den Span wieder ein. Kurz darauf begegnete der Alte der Frau, auch mit einer Axt. „Wo willst du hin?“, fragte er. „Ach, ich will hin und einen Baum fällen“, sagte sie. Und dann ging sie geradewegs hin zu dem Baum, in dem der arme Mann verborgen war, hieb ihn um und holte den Mann heraus. „Ein andermal musst du dich besser verstecken“, sagte sie, „denn diesmal warst du leicht zu finden.“ Der arme Mann ging dann traurig umher, denn er wusste nun nicht besser als vorher, wo er sich nur vor ihr verstecken sollte. Da kam der Alte wieder zu ihm und hieß ihn nur mit ihm kommen, dann werde er schon einen Platz finden, ihn zu verstecken. Sie gingen dann zum See hinunter, und der Alte nahm ein Schilfrohr, brach es durch, steckte den Mann dort hinein und setzte das Rohr dann wieder zusammen. Kurz darauf kam die Alte an, und nun hatte sie ein großes Messer in der Hand. „Wo willst du hin?“, fragte der Alte. „Ach, ich will hinunter zum See und mir etwas Schilf schneiden“, sagte sie. Und dann ging sie hinunter zum See und schnitt allerhand Schilf ab, und dazwischen war auch das Rohr, in dem der Mann saß, und da hatte sie ihn zum zweiten Mal gefunden. „Ja, nun hast du nur noch einmal übrig, dich zu verstecken“, sagte die Frau, „und du musst dich gut verbergen, wenn ich dich nicht finden soll.“ Ja, der arme Mann ging wieder hinauf in den Wald, er sah sich um nach rechts und nach links, nach oben und nach unten, aber er wusste sich um alles in der Welt keinen Rat, wo er sich vor dieser Frau verstecken sollte. Da kam der Alte wieder zu ihm und sagte: „Komm du nur mit mir, diesmal werde ich dich wohl so verbergen, dass sie es sein lassen soll, dich zu finden.“ Da gingen sie wieder zum See hinunter, und der Alte fing einen Fisch. Den brach er auf, steckte den armen Mann hinein, setzte ihn wieder zusammen und ließ ihn in den See hinausschwimmen. Sobald der alte Mann sich wieder dem Wald näherte, begegnete ihm die Alte, die trug einen Backtrog auf der Schulter, und da fragte er sie wieder: „Wo willst du hin mit deinem Backtrog?“, sagte er. „Ach, ich will runter zum See und fischen“, sagte sie. Und dann ging sie hinunter zum See und ließ den Trog zu Wasser, und dann setzte sie sich hinein und stieß vom Land ab und warf dann ihre Netze ins Wasser. Aber da brach ein furchtbares Unwetter los. Der Sturm heulte, und der See rollte und schlug hohe Wellen, so dass der Frau im Backtrog angst und bange wurde und sie zu Gott betete, dass er ihr Leben verschonen möge. Der Alte aber stand am Strand und sagte: „Nein, hast du nie zuvor zu Gott gebetet, so wird es dir diesmal auch nicht helfen.“ Und das Wetter nahm zu, der Sturm pfiff, und die Wellen erhoben sich und schlugen an die Küste, dass der Schaum bis in die Baumwipfel hinaufspritzte, und der Backtrog kenterte, so dass die Alte auf den Grund sank und nie mehr hochkam. Dann wurde es wieder ruhig, der Wind flaute ab, und der Seegang legte sich, und dann ging der Alte hinunter und fing den Fisch und holte den armen Mann daraus hervor. Und dann gab er ihm all den Reichtum, den die alte Hexe besessen hatte, und der Mann wurde für sein ganzes Leben ein wohlhabender Mann.

[I, 2]

3. Der starke Hans

(Seeland/Sjælland)

Es war einmal ein Mann, dessen Frau gebar ihm einen Sohn, und da er gehört hatte, dass Kinder, die richtig lange gesäugt würden, so richtig stark würden, ließ er seinen Sohn volle zehn Jahre saugen. Als die zehn Jahre vergangen waren, nahm er den Jungen mit hinaus in den Wald um auszuprobieren, wie stark er geworden war. Er ließ ihn einen Baum anpacken und sagte: „Probiere einmal, Hans, ob du den wegnehmen kannst.“ Der Junge gab dem Baum einen tüchtigen Ruck, dass er von oben bis unten zitterte, aber ausreißen konnte er ihn doch nicht. Da nahm der Vater ihn wieder mit nach Hause und ließ ihn noch einmal zehn Jahre saugen, und als die vergangen waren, brachte er ihn wieder hinaus in den Wald, und nun konnte Hans den Baum heben wie nichts. Da meinte der Mann dann, dass sein Sohn stark genug sei, und nun sollte Hans seinem Vater bei dessen Arbeit helfen. Aber es gab keine Leute, die auf dem Hof bleiben wollten, als sie zu sehen bekamen, wie Hans war. Denn wenn er Korn mähte, dann warf er es so weit weg, dass man es oft gar nicht wiederfinden konnte, und so war er bei all seiner Arbeit. Da sagte der Vater dann eines Tages zu Hans: „Nein, halt! So geht es nicht, ich kann dich nicht zu Hause behalten. Du musst hinaus in die Welt und zusehen, dass du dir einen Dienst verschaffst, wo mehr Platz ist und wo sie ganz anders zulangen, als wir es hier tun.“

Da ging Hans also in die Welt hinaus, sich einen Dienst zu suchen, und da kam er in ein Dorf, wo er hörte, dass der Großknecht des Pfarrers just jener Tage abgegangen war, so dass sie meinten, dort könne er einen Dienst bekommen. Aber der Pfarrer sei furchtbar geizig, sagten sie. Ja, das war Hans egal, er ging zum Pfarrer und fragte, ob er nicht bei ihm Großknecht werden könne, er verlange keinen anderen Lohn, als nur, wenn das Jahr um sei, dem Pfarrer drei Schläge auf sein Hinterteil geben zu dürfen. Als der Pfarrer hörte, dass er nichts von seinem Geld herausrücken sollte, schlug er sofort ein. Am ersten Tag, den Hans im Dienst war, sollte er Wasser und Brennholz in die Küche tragen, aber die Eimer, fand er, waren zu klein, mit denen verschlug es ja nichts. Und da nahm er zwei große Braukessel und trug darin das Wasser hinauf, und vom Brennholz nahm er einen ganzen Faden3 auf einmal. Als die Magd das sah, war sie ganz erschrocken, lief hinein zum Pfarrer und sagte, es sei sicher nicht richtig mit dem Knecht, den sie bekommen hätten, und dann erzählte sie ihm, wie er heranging. Ja, der Pfarrer bekam auch heiße Ohren, denn er dachte an den Lohn, den der Knecht haben sollte, und dann sagte er: „Ja, warte nur ein bisschen, ich werde ihn in den Wald voller Teufel schicken, dort wird er wohl bleiben dürfen, dann sind wir ihn los.“ Und dann ging er hinaus zu Hans und sagte: „Morgen sollst du in den Wald fahren und Brennholz holen.“ – „Ja, gewiss, Herr!“, sagte Hans, und früh am nächsten Morgen spannte er den Wagen an und fuhr in den Wald. Als er hinauskam, fällte er zunächst einen Baum, hieb ihn in Stücke und lud ihn auf den Wagen. Aber als er gerade mitten dabei war, strömten von allen Seiten Teufel hervor und drangen auf ihn ein. Hans war jedoch nicht ratlos: Er nahm einen großen Baum, der neben ihm stand und der eine schöne große Krone hatte, riss ihn aus samt der Wurzel, drehte ihn um und benutzte ihn als Besen, um alle Teufel wegzufegen. Und als er mit diesem Stück Arbeit fertig war, lud er diesen Baum auch noch auf den Wagen. Aber da die Ladung nun so schwer geworden war, dass die Pferde sie nicht ziehen konnten, spannte er sie aus, legte sie oben auf das Fuder und zog es selbst nach Hause. War der Pfarrer vorher nicht erschrocken gewesen, so war er es jetzt, als er Hans nach Hause kommen sah, und das auf diese Weise. Er musste sich also etwas anderes einfallen lassen, und da sagte er zu Hans, er habe einen Kontrakt mit dem Teufel, und den solle Hans ihm aus der Hölle holen. Tue er das, wolle er ihm einen Wagen voll Geld geben. Denn er dachte so: „Kommt er nur erst in die Hölle, so darf er sicher gleich dableiben.“ Hans tat, wie ihm geheißen war, er ging zur Hölle und verlangte, dass der Teufel ihm den Kontrakt des Pfarrers aushändigte. Aber da kam der Teufel mit einem großen Eisenring angeschleppt und sagte zu Hans: „Nun wollen wir einmal sehen, wer von uns beiden diesen Eisenring höher werfen kann: Falls du ihn höher wirfst, sollst du den Kontrakt haben; aber wenn ich das tue, dann behalte ich ihn, und dann musst du gleich hierbleiben.“ Dann warf zuerst der Teufel den Ring in die Höhe, und er blieb eine ganze Weile fort, aber schließlich kam er doch wieder herunter. Dann sollte Hans werfen, aber er konnte wohl merken, dass es über seine Kräfte ging, sich hierin mit dem Teufel zu messen. Doch er ließ sich nichts anmerken, nahm den Ring in beide Hände und spreizte die Beine, als bereite er sich richtig darauf vor, ihn emporzuschleudern, blieb jedoch stehen und drehte ihn, als ob er über etwas nachdächte. „Was überlegst du?“, sagte der Teufel. – „Ach“, sagte Hans, „ich dachte nur, wenn ich ihn richtig emporschleudere, dann könnte er hinauffliegen bis zum Alten, der ja da oben sitzt, wie du weißt. Aber dann siehst du deinen Ring ja niemals wieder.“ – „Nein, halt! das darfst du nicht“, sagte der Teufel, „dann gebe ich dir lieber den Kontrakt.“ Und da erhielt Hans den Kontrakt und ging damit zurück zum geizigen Pfarrer, der sich sehr entsetzte, als er Hans wiedersah. Aber so ungern er das auch wollte, so musste er ihm nun einen Wagen voll Geld geben, und dann fuhr Hans fort damit.

Unterwegs kam Hans an eine Schmiede, dort hielt er an, ging hinein und fragte den Schmied, ob er ihm einen Spazierstock machen wolle. „Nein“, sagte der Schmied, „solche Arbeit bin ich nicht gewohnt, ich bin ja kein Schlosser.“ – „Ja, das tut auch nicht nötig“, sagte Hans, „denn der Stock, den ich haben will, soll 18 Liespfund4 Eisen im Stock enthalten und 4 Liespfund im Knauf.“ – „So viel Eisen hab’ ich all mein Lebtag noch nicht gehabt“, sagte der Schmied. „Ja, ja“, sagte Hans, und dann nahm er eine Handvoll Geld vom Wagen und gab sie dem Schmied, „dann hast du hier Geld um Eisen zu kaufen. In acht Tagen komme ich wieder und hole den Stock ab.“ Dann fuhr Hans nach Hause zu seinem Vater, der sehr froh war, ihn zu sehen, und nicht gerade traurig, als er all das viele Geld sah. Das gab Hans alles ihm, denn er machte sich nur wenig daraus. Nun wollte der Vater gerne, dass er bei ihm zu Hause bleiben und es sich gut gehen lassen sollte. Aber dazu hatte Hans keine Lust. Als die acht Tage um waren, sagte er seinem Vater Lebewohl, holte dann beim Schmied seinen Stock ab und begab sich wieder auf Wanderschaft in die weite Welt.

Als er einige Zeit gegangen war, kam er an eine Brücke, wo ein Mann stand und Steine spaltete, und mit jedem Schlag, den er tat, spaltete er einen so groß wie ein Mühlstein. „Der ist gar nicht so schlecht“, dachte Hans, und dann ging er hin zu ihm und sagte: „Warum stehst du hier und spaltest Steine?“ – „Ach“, sagte der Mann, „mit irgendetwas muss man ja sein Brot verdienen.“ – „Aber das ist doch ein schlechtes Vergnügen“, sagte Hans, „komm du lieber mit mir, dann sollst du es viel besser haben.“ Ja, dagegen hatte der Steinhauer nichts, Frau und Kinder hatte er nicht, und so ging er also mit Hans mit. Als sie dann einige Zeit gegangen waren, kamen sie an einen Wald. Dort stand ein Mann und spaltete Brennholz, und mit jedem Schlag, den er tat, spaltete er einen ordentlichen Stamm. „Der ist gar nicht so verkehrt“, dachte Hans, und da ging er hin zu ihm und fragte, warum er dort stehen und sich mit dem Brennholz abschinden wolle. „Ach, mit irgendetwas muss man sich doch beschäftigen“, sagte der Holzhacker. „Ja, aber das ist doch eine schlechte Arbeit“, sagte Hans, „komm du lieber mit mir, dann bekommst du etwas Besseres“, und dann ging der also auch mit. Als sie dann eine gute Weile zusammen gewandert waren, gerieten sie in einen großen, dichten Wald, und mitten im Wald kamen sie an ein herrliches Schloss. „Das gefällt mir gut“, sagte Hans, „lasst uns hineingehen.“ Da gingen sie hinein und kamen in ein schönes Zimmer nach dem anderen, aber da waren überhaupt keine Menschen. Da kamen sie dann auch in eine Stube, die hing voll mit den herrlichsten Büchsen und anderen Waffen. „Lasst uns nun jeder eine Büchse nehmen“, sagte Hans, „und dann hinausgehen und etwas Wild schießen, das wir essen können, denn für die Bewirtung müssen wir wohl selbst sorgen.“ Da nahmen sie jeder eine Büchse und gingen hinaus, und als sie ein schönes Stück Wild erlegt hatten, einigten sie sich, dass der Holzhacker zu Hause bleiben und es zurechtmachen sollte, während die beiden anderen hinausgingen, um noch mehr fürs Haus zu beschaffen.

Da blieb der Holzhacker also zu Hause, er kochte Suppe und er briet Braten und machte alles zurecht für dann, wenn die anderen nach Hause kämen. Aber plötzlich kam ein altes Weib in die Tür, und als sie das Essen sah, sagte sie zum Holzhauer: „Ach, gib mir auch ein wenig zu essen!“ – „Ja, das kannst du gerne haben“, sagte der Holzhacker, und er füllte ihr Suppe auf, und er schnitt ihr Braten ab, und sie aß. Aber als sie gegessen hatte, holte sie einen Knüppel hervor und begann, auf den Holzhacker einzudreschen. Zuerst schlug er zurück, aber sie war stärker und prügelte so lange auf ihn ein, bis er am Boden lag und sich nicht rippen und rühren konnte. Dann machte sie eine Klappe auf, die sich im Fußboden befand, warf ihn hinunter und schlug die Klappe wieder zu. Als nun die beiden anderen nach Hause kamen, sahen sie, dass das Essen fertig war, aber der Holzhacker war nirgends zu finden. Da glaubten sie, dass er es satt bekommen habe und fortgelaufen sei. Sie aßen die Mahlzeit, und dann legten sie sich schlafen. Am nächsten Tag sollte dann der Steinhauer zu Hause bleiben und Essen machen, während Hans sich draußen umsah. Und um es kurz zu machen, ihm ging es ebenso wie dem anderen, so dass das Essen fertig war, als Hans nach Hause kam, und davon gegessen war, aber kein Steinhauer da war.

„Das waren ja zwei tolle Kameraden, auf die man sich verlassen konnte“, sagte Hans. Und am nächsten Tag musste er dann selbst Essen beschaffen und zubereiten. Als er damit fertig war, kam das alte Weib und bat um etwas zu essen. Ja, dem stand nichts im Wege, sie setzten sich gemeinsam zu Tisch, und als sie damit fertig waren, da holte das Weib ihren Knüppel hervor und begann, auf Hans einzuprügeln. Er, nicht faul, packte seinen Spazierstock und prügelte wiederum tüchtig auf sie ein. Aber bald merkte er, dass er mit jedem Schlag, den sie tat, eine Wunde empfing, aber jedes Mal, wenn er zuschlug, erhielt sie wohl auch eine Wunde, aber dann hatte sie einen Topf mit Salbe unter ihrer Schürze verborgen, und sobald sie die auf die Wunde strich, war diese wieder geheilt. Da verstand er wohl, wenn es so weiterginge, würde er den Kürzeren ziehen. Darum fuhr er auf sie los und entriss ihr den Topf, und als sie nun ein paar tüchtige Hiebe mit dem Spazierstock erhalten hatte, war sie am Ende und musste um gut Wetter bitten. Aber da sagte Hans, er höre nicht auf, sie zu verprügeln, bevor sie ihm gesagt habe, wo seine beiden Kameraden seien. Da musste sie also heraus mit der Sprache und ihm die Klappe zeigen. Die machte er auf und holte sie beide hervor. Am Leben waren sie, aber jämmerlich zerschlagen. Doch dann nahm er die Salbe und rieb sie damit ein, und sogleich waren sie wieder gesund. Indessen war die Hexe außer Sicht. Als die Kameraden dann nach dem Schrecken etwas in den Leib bekommen hatten, sagte Hans: „Lasst uns nun im Schloss uns genauer umsehen, denn hier muss mehr sein, als wir bisher gewusst haben.“ Sie gingen also umher von einem Zimmer ins andere, bis sie schließlich irgendwo hineinkamen, wo ein tiefes Loch durch den Fußboden hinunterging wie ein Abgrund. „Das müssen wir untersuchen“, sagte Hans, und da nahmen sie ein langes Seil und banden einen Heukorb daran, und dann wurde bestimmt, dass zuerst der Holzhacker und dann der Steinhauer hinabgelassen werden sollten, und dann sollten sie zurückkommen und Hans erzählen, was da unten war. Als sie nun hinuntergekommen und ein wenig umhergegangen waren, da fanden sie eine Tür, die machten sie auf und kamen hinein, wo zwei schöne Prinzessinnen saßen. Doch als sie die Fremden sahen, riefen sie ihnen zu, sie sollten sich in Acht nehmen: Die Hexe sei nun fort, aber wenn sie zurückkäme, gehe es ihnen schlecht. Da bekamen sie es mit der Angst, liefen zurück zum Heukorb und gaben Hans das Zeichen, dass er ihn wieder heraufziehen solle. Als sie heraufkamen, erzählten sie Hans, was sie gesehen hatten. „Dann muss ich runter“, sagte Hans, und dann ließ er sich abseilen, ging zur Tür und stieß sie auf. Nun war die Hexe nach Hause gekommen, aber darum scherte Hans sich nur wenig: Er prügelte sie so lange, bis sie ihm erlauben musste, die beiden Prinzessinnen mitzunehmen. Da gingen sie also hin zum Heukorb, und erst wurde die eine Prinzessin hochgehievt und dann die andere. Aber als die heraufgekommen waren, wurden der Steinhauer und der Holzhacker sich einig, dass sie Hans dort unten lassen wollten, denn käme er herauf, dann würde er wohl eine der Prinzessinnen haben wollen, und dann hätte einer von ihnen das Nachsehen. Sie ließen daher den Heukorb wieder hinab, als sie ihn aber halbwegs heraufgezogen hatten und merkten, dass er schwer war, weshalb sie glaubten, dass Hans darin wäre, da schnitten sie das Seil durch und ließen ihn hinunterplumpsen. Aber sie hatten sich doch geirrt, denn Hans hatte nur seinen Spazierstock in den Korb gelegt, und der fiel nun neben ihm zu Boden. Als Hans da merkte, wie die Sache stand und dass er dort nicht hinaufkommen konnte, da ging er zurück und sah sich dort unten richtig um, ob es nicht noch mehr zu entdecken gäbe. Da gelangte er schließlich an ein großes Eisengitter, und dahinter saß eine dritte Prinzessin und lauste einen Troll, der hatte sieben Köpfe. Der Troll schlief, aber Hans schlug so heftig mit seinem Stock an das Gittertor, dass es aufflog und der Troll erwachte. Hans aber, nicht faul, flog hinzu und hieb dem Troll mit einem Schlag alle sieben Köpfe ab. Dann nahm er die Prinzessin bei der Hand und hieß sie mit ihm kommen, und das tat sie gerne. Sie kamen dann zur Hexe zurück, und Hans prügelte wieder auf sie ein, bis sie versprechen musste, sie beide wieder auf die Erde hinaufzuschaffen. Die Prinzessin verlangte nun, nach Hause zu ihren Eltern gebracht zu werden, und auch das musste die Hexe bewerkstelligen, aber Hans wollte nicht mitkommen. Bevor sie sich trennten, gab die Prinzessin ihm zwei Goldstücke, das eine wie eine halbe Sonne, das andere wie ein halber Mond.

So wanderte Hans denn wieder hinaus in die weite Welt. und als er einige Zeit gewandert war, kam er in eine Stadt, wo er hörte, dass der König eine große Belohnung ausgesetzt hatte für den Goldschmied, der ihm eine halbe Sonne und einen halben Mond anfertigen könnte. Da ging Hans hin zu einem alten Goldschmied, gab sich für einen Goldschmiedegesellen aus und sagte, eine solche halbe Sonne und einen solchen halben Mond könne er schon machen. Er hieß darum den Goldschmied nur zum König gehen und sagen, dass er die Arbeit übernehmen wolle, in drei Tagen wäre sie fertig. Das tat der alte Goldschmied auch, und nun sollte Hans an die Arbeit gehen. Aber davon wollte er nichts wissen, er ging den ganzen Tag spazieren und amüsierte sich, und abends kam er singend nach Hause. Der alte Goldschmied sprach davon mit seiner Frau und war sehr bekümmert darüber: Er glaube ganz sicher, das sei ein Schelm, der ihn zum Besten haben wolle. Aber am nächsten Morgen hörte er jemanden in der Werkstatt klopfen und donnern, dass es sich ganz gefährlich anhörte. „Nun glaube ich doch endlich, dass er anfängt zu arbeiten“, sagte der Goldschmied, „ich muss hinauf und sehen, wie es geht.“ Als er nun in die Werkstatt kam, stand Hans da und donnerte mit seinem Stock auf den Fußboden, dass die Funken stoben, als stünde die ganze Werkstatt in hellen Flammen. „Was machst du da eigentlich?“, fragte der Goldschmied ganz erschrocken. „Ja, nun bin ich fertig“, sagte Hans. „Wollt Ihr nun hinaufgehen aufs Schloss mit der halben Sonne und dem halben Mond?“ – „Nein, besten Dank“, sagte der Goldschmied, „ich habe genug Angst ausgestanden, was das angeht. Am besten gehst du selbst.“ – „Ja, gewiss, das kann ich auch“, sagte Hans, und dann ging er hinauf aufs Schloss, und als er sagte, da sei er mit der halben Sonne und dem halben Mond, da wurde er sogleich hineingeführt zum König, der saß zu Tisch mit der Königin und seinen drei Prinzessinnen, denselben, die im Trollschloss gewesen waren. Aber das erste, was Hans ins Auge fiel, als er hereinkam, das waren seine lieben Freunde, der Steinhauer und der Holzhacker, die auch mit zu Tisch saßen, denn die waren jetzt große Herren geworden und mit den beiden Prinzessinnen verheiratet. Hans zeigte nun die beiden Goldstücke, die die Prinzessin ihm gegeben hatte, und als die dritte Prinzessin, die die allerschönste von ihnen war, die sah, erkannte sie sogleich ihren Befreier wieder, erzählte dem König und der Königin die ganze Geschichte und sagte, sie wolle keinen anderen Mann haben als ihn. So bekam Hans dann die Prinzessin, und es gab eine große Hochzeit und Lustigkeit am Königshof. Hans und die Prinzessin zogen aufs Schloss, und da wohnen sie vielleicht noch heute.

[I, 34]

3 Altes Maß für Brennholz, entspricht 1,7442 Kubikmeter.

4. Die arme Leiche

(Seeland/Sjælland)

Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne. Der jüngste von ihnen bekam große Lust, hinauszuziehen und sich in der Welt umzusehen, und bat daher seinen Vater, ihm sein Erbe als Reisegeld auszuzahlen. Da gab der Vater ihm drei Mark, mehr konnte das Erbe nicht werden, denn alles, was er besaß, war nur neun Mark wert. Aber als der Sohn abreiste, gab er ihm den guten Rat, dass er Gott mitnehmen solle, dann sei er reich mitten in seiner Armut: „Und“, sagte er, „wann immer du an einer Kirche vorbeikommst, musst du niederknien und ein Gebet zum lieben Gott sprechen, dann hilft er dir schon.“ Damit ging der Sohn in die Welt hinaus, und er vergaß auch nicht den guten Rat seines Vaters. Eines Morgens, als er wieder guten Mutes seine Wanderung begann, kam er wieder an eine Kirche, er fiel also auf die Knie und sprach ein gutes Gebet zum lieben Gott. Vor dem Kirchhof aber stand ein Sarg mit einer Leiche, die nicht begraben worden war. Als er noch so stand und darüber nachdachte, wie das sein könne, kam ein Mann gegangen, den fragte er, warum diese Leiche oberirdisch stehen bleiben müsse. Da sagte der Mann ihm, das käme daher, dass es eine arme Leiche sei, und niemand dem Pfarrer die drei Mark zahlen wolle, die ihm zustünden dafür, dass er Erde darauf würfe. „Ja, hier habe ich drei Mark“, sagte er, „das ist mein ganzes Erbe, und will der Pfarrer die Leiche nicht umsonst beerdigen, dann will ich meine drei Mark dafür geben, dass sie in christliche Erde kommt.“ Dann ging er zum Pfarrer und gab ihm seine drei Mark, und da kam die Leiche ordentlich unter die Erde. Und als das getan war und er noch ein Gebet für die Seele des amen Mannes gesprochen hatte, begab er sich wieder auf die Wanderschaft.

Als er nun ein Stück Wegs gegangen war, kam ein junger Bursche hinter ihm hergelaufen und fragte, ob sie nicht beide zusammen gehen sollten. Aber er sagte: „Das bringt nichts, ich kann nicht so laufen wie du. Ich bin schon einen weiten Weg gegangen, und meine Beine tun mir weh. Geh du nur voraus, du brauchst nicht auf mich zu warten, ich schleiche meinen Weg so langsam voran.“ Aber der junge Bursche sagte: „Ich kann auch langsam gehen, lass uns nur gemeinsam gehen.“ Da gingen sie eine Weile zusammen, bis sie einem Gutsherrn begegneten, der auf einem schönen Pferd ritt. Mit ihm begann der Bursche ein Gespräch und fragte, ob er sein Pferd verkaufen wolle. Der Gutsherr lachte darüber und sagte: „Ja, du siehst mir auch gerade danach aus, dass du mein Pferd kaufen kannst! Aber das ist egal: Willst du mir 200 Taler dafür geben, dann sollst du es haben.“ – „Ja“, sagte der Bursche, „dann bekomme ich doch wohl Sattel und Zaumzeug mit dazu?“ Und als der Gutsherr dazu Ja sagte, da bezahlte der Bursche ihm die 200 Taler und sagte dann zu seinem Begleiter: „Setz dich jetzt aufs Pferd, du bist müde, und wir haben noch einen weiten Weg vor uns, bis wir ans Ziel kommen.“ Da freute er sich sehr, reiten zu können und seine müden Beine auszuruhen, also sagte er nicht Nein dazu, und kurz darauf begegneten sie einem Mann mit einem kleinen Pferd. Das kaufte der Bursche für sich selbst, und dann ritten sie zusammen durch viele Reiche und Länder.

Eines Abends kamen sie in die Nähe einer großen Stadt und gingen in ein kleines Gasthaus, das am Wege außerhalb der Stadt lag. Hier sagte der Bursche zu ihm: „Nun gehe ich in die Stadt und kaufe eine Prinzenuniform für dich und eine Läuferuniform für mich, denn du sollst ein Prinz sein und ich dein Läufer. Dann rufe ich auf den Straßen aus, dass morgen ein großer Prinz durch die Stadt kommt.“ Es half nicht, dass sein Reisekamerad Einwendungen machte und sagte, das ließe sich keinesfalls machen. Der Bursche ritt in die Stadt und tat, wie er gesagt hatte. Und am Morgen musste er die Prinzenuniform anziehen, und der Bursche wurde sein Läufer. Dann reisten sie ab aus dem Gasthaus, der Bursche bezahlte mit seinem kleinen Pferd für die Zeit, die sie sich dort aufgehalten hatten, und damit war der Wirt gut zufrieden. Der Bursche lief nun vor dem Pferd des Prinzen her, und so zogen sie durch die Straßen ein, und alle Leute blieben stehen, um den fremden Prinzen zu grüßen, der einen Läufer vor seinem Pferd hatte. Der Läufer aber lief geradewegs hinauf aufs Schloss, und der Prinz musste hinterher. Als der alte König sie kommen sah, ging er selbst hinaus, um sie zu empfangen, denn es müsse doch ein richtig vornehmer Prinz sein, meinte er, der so angeritten käme mit einem Läufer vorweg. Und der Prinz musste absteigen und mit dem König hinaufgehen auf das schöne Schloss, wo der König ihm seine ganze Herrlichkeit zeigte und ihn einlud, so lange bei ihm zu bleiben, wie er Lust hätte. Hier lebte er herrlich und in Freuden, und jeden Tag fuhr der König mit ihm im Land umher, und da sah er all die Länder, über die der König herrschte. Hier gefiel es ihm gut, und er blieb lange bei dem alten König, beständig aber war sein Läufer in seiner Nähe und gab ihm gute Ratschläge, wenn er ihrer bedurfte. Der neue Prinz fand, was ja auch stimmte, dass er noch nie so viel Herrlichkeit gesehen hätte, am allerbesten aber gefiel ihm die schöne Tochter des Königs. Und da er ihr auch sehr gut gefiel, da verlobte er sich mit ihr, und der alte König freute sich sehr darüber, und es herrschte Lustigkeit und Freude im ganzen Land. Eines Tages aber sagte der alte König zu ihm: „Nun hast du all meine Herrlichkeiten gesehen, lass mich nun auch einmal die Länder sehen, über die du herrschst. Ich möchte zu gerne wissen, wo meine Tochter hinkommt, wenn sie dich heiratet.“ Nun war guter Rat teuer, der Prinz freute sich ganz und gar nicht, sondern lief geradewegs zu seinem Läufer und erzählte ihm, was der König gesagt hatte. „Nun sitzen wir im Unglück“, sagte er, „denn wenn der König erfährt, wie das zusammenhängt mit meinem Königreich, dann gibt er mir bestimmt nie und nimmer seine schöne Tochter.“ Der Läufer aber hatte überhaupt keine Angst, er hieß ihn nur guten Mutes sein und sagte: „Reise du nur los mit dem König; ich laufe voraus und bereite den Weg.“

Dann eines Tages, es war herrliches Sonnenscheinwetter, fuhr der alte König mit ihm los, und der Läufer lief voraus. Als sie durch alle Länder des alten Königs und weit, weit darüber hinaus gekommen waren, lief der Läufer hin zu einigen Bettlern am Weg und gab ihnen ein gutes Almosen, damit sie, wenn der Wagen vorbeikäme, riefen: „All dies Land, so weit das Auge reicht, ist Eigentum des Prinzen.“ Als sie dann angefahren kamen, wo die Bettler sich aufhielten, da blieben diese stehen mit dem Hut in der Hand, und da fragte der alte König, was das für ein Land sei, in dem sie sich nun befänden. Und da sagten sie, was der Läufer sie gelehrt hatte. Da wusste der alte König, dass er nun auf dem Boden war, der seinem Schwiegersohn gehörte. Er sah sich um und freute sich über das große, schöne Land, das der Prinz besaß. Dann reisten sie wieder eine weite, weite Strecke, und der Läufer gelangte an ein Zauntor. Dort stand ein Hirte und öffnete das Tor. Ihm gab der Läufer eine Handvoll Geld und sagte: „Wenn der Wagen mit dem König und dem Prinzen durch das Tor kommt, musst du aus Leibeskräften rufen: All dies Land, so weit das Auge reicht, ist Eigentum des Prinzen.“ Gleich darauf kamen der König und der Prinz durch das Tor gefahren, und der Hirte rief mit aller Kraft: „All dies Land, so weit das Auge reicht, ist Eigentum des Prinzen.“ Und der alte König freute sich noch mehr, weil die Länder des Prinzen so groß und weit ausgedehnt waren. Aber nun konnte er es nicht mehr aushalten, noch weiter zu fahren, denn er war ja schon ein alter Mann, und er hatte ja auch so viel vom Land des Prinzen gesehen, dass er wusste, dass seine Tochter keinen armen Mann bekäme. Und da fuhr er wieder nach Hause und richtete die Hochzeit seiner Tochter aus mit großer Freude und Lustigkeit. Aber nach der Hochzeit kam der Läufer zum Prinzen und sagte: „Nun muss ich dich verlassen. Du hast mir geholfen, darum habe ich dir wieder geholfen. Wir scheiden nun voneinander, möge es dir all deine Tage gut ergehen.“

[I, 81]

5. Zucht ist gut, wenn sie beizeiten kommt

(Vendsyssel)

Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die hatten drei Töchter; diese hießen Karen, Maren und Mette. Sie waren hübsch genug anzusehen, aber böse und zänkisch waren sie, obwohl Mette noch die Allerschlimmste war. Schließlich kamen aber doch Freier für Karen und Maren, und sie heirateten. Es dauerte aber furchtbar lange, bis jemand sich traute, um Mettes Hand anzuhalten. Endlich kam aber doch ein Freier zu ihr. Der kam aber auch von sehr weit weg. Sie sollten dreimal aufgeboten werden, sagte er, und am dritten Tag, nach dem dritten Aufgebot, zu der Uhrzeit, die er festsetzte, sollten sie sich bei der Kirche treffen, um getraut zu werden. Und damit ging er seiner Wege.

Als der Hochzeitstag kam, gingen die Leute mit ihrer Tochter zur Kirche. Sie mussten aber lange auf den Bräutigam warten. Endlich kam er dann doch. Er ritt auf einem alten grauen Klepper, hatte eine Büchse an seiner Seite und ein Paar Fausthandschuhe an den Händen, und ein großer Hund begleitete ihn. Sobald die Trauung vorüber war, sagte er zu seiner Frau: „Setz dich vor mir aufs Pferd und lass uns nach Hause reiten.“ Sie tat, wie ihr geheißen, obgleich ihr Vater sehr dagegen war. Er wollte, dass sie erst hereinkämen und etwas zu essen bekämen. Der Bräutigam aber bestand darauf, und sie ritten. Als sie eine gute Strecke zurückgelegt hatten, verlor er seinen Handschuh. „Heb ihn auf!“, sagte er zum Hund, aber der Hund hob ihn nicht auf. „Heb ihn sofort auf!“, sagte er noch einmal, aber der Hund ließ ihn dennoch liegen. Als er dem Hund zum dritten Mal vergebens das Gleiche befohlen hatte, nahm er seine Büchse und erschoss ihn, dass er tot liegen blieb. Sie ritten weiter und kamen an einen Wald. Hier wollte der Mann rasten, und sie stiegen ab und ließen das Pferd frei laufen. Als der Mann fand, sie hätten sich genug ausgeruht, sagte er dreimal zum Pferd, es solle herkommen. Aber das kümmerte sich nicht darum und graste weiter. Da nahm er seine Büchse und erschoss es. Der Frau wurde dabei ganz seltsam zumute, und sie beschloss sofort, dass sie ihrem Mann niemals widersprechen wolle. Der Mann nahm nun eine grüne Weidenrute, bog deren beide Enden zusammen und gab sie seiner Frau mit den Worten: „Heb die auf, bis ich sie von dir verlange.“ Dann wanderten sie den Rest des Weges zu seinem Hof.

Hier lebten sie mehrere Jahre glücklich, denn Mette vergaß nie, was sie sich im Wald vorgenommen hatte: dass sie ihrem Mann niemals widersprechen wollte. Sie war immer so brav und fügsam, dass niemand gesagt haben würde, das sei „die zänkische Mette“. Eines Tages sagte der Mann zu seiner Frau: „Findest du nicht, wir sollten hinfahren und deine Eltern besuchen?“ Ja, die Frau wollte nichts lieber als das. Der Mann ließ den Knecht sogleich anspannen, und dann fuhren sie. Unterwegs begegneten sie einem großen Schwarm Störche. „Das sind ein paar schöne Raben“, sagte der Mann. „Das sind doch keine Raben, das sind Störche“, sagte die Frau. „Kehr um und fahr wieder nach Hause“, sagte der Mann zum Knecht, und dann fuhren sie wieder nach Hause, woher sie gekommen waren. Als einige Zeit vergangen war, fragte der Mann sie wieder, ob sie nicht hinfahren und ihre Eltern besuchen sollten, und das wollte sie ja gerne. Unterwegs kamen sie zu einer großen Herde von Schafen und Lämmern. „Das ist mal ein großer Haufen Wölfe“, sagte der Mann. „Das sind doch Schafe und Lämmer“, sagte die Frau. „Kehr wieder um“, sagte der Mann zum Knecht, und so kamen sie auch diesmal nicht weiter. Ein drittes Mal fragte der Mann seine Frau, ob sie nicht finde, dass sie zu ihren Eltern nach Hause fahren sollten, und dazu sagte sie sogleich Ja. Da ließ er anspannen, und dann fuhren sie. Als sie gut unterwegs waren, kamen sie zu einer Menge Hühner. „Das ist aber eine gewaltige Schar Krähen“, sagte der Mann. „Ja, das ist wahr“, sagte die Frau. Da fuhren sie also weiter, und als sie zu Mettes Eltern kamen, herrschte große Freude. Karen und Maren waren auch da, zusammen mit ihren Männern. Die Mutter nahm alle drei Töchter mit in die Schlafstube, denn sie musste doch richtig hören, wie zufrieden Mette war. Unterdessen füllte der Vater einen Krug mit Silbergeld und Goldstücken. Den stellte er vor den drei Männern auf den Tisch und sagte, den solle der von ihnen haben, der die fügsamste Frau habe. Da rief dann der erste Mann: „Karen, liebe Karen, komm mal eben raus!“ Aber was er auch rief und was er auch bat, da kam keine Karen. Nicht einmal als er hineinging und sie sachte am Ärmel zupfte, konnte er sie mit herausbekommen. Dem zweiten Mann erging es um kein Haar besser mit seiner Maren. Dann kam die Reihe an den dritten. Der ging nur an die Tür, klopfte sachte an und sagte: „Mette, komm raus.“ Da kam sie gleich angesprungen und fragte, was er wolle. Da sagte er: „Reich mir mal die Weidenrute, die ich dir im Wald gab.“ Die hatte sie auch sogleich zur Hand und kam damit zu ihm, und die zeigte er dann den beiden anderen Männern mit den Worten: „Seht ihr wohl: Die Weidenrute habe ich gebogen, als sie grün war. Das Gleiche hättet ihr auch tun sollen.“

[I, 101]

6. Der kleine weiße Hund

(Seeland/Sjælland)

Es war einmal ein Bauer, der sollte in die Stadt mit einem Fuder Torf, und als er abfuhr, bat seine Tochter ihn, einige rote Seidenbänder zu kaufen und ihr mitzubringen. Das versprach der Bauer, aber als er in die Stadt kam und den Torf verkauft hatte, da vertrank er das Geld, und erst als er nach Hause sollte, dachte er wieder daran, was er der Tochter versprochen hatte, aber da hatte er kein Geld mehr. Mit schwerem Herzen und schwerem Kopf fuhr der Bauer dann aus der Stadt. Er hatte seine Tochter sehr lieb und schämte sich dafür, wie es ihm ergangen war, und dafür, dass er der Tochter nun nicht einmal die armseligen Bänder mitbringen konnte, die er ihr so fest versprochen hatte. Er war noch nicht weit aus der Stadt herausgekommen, da kam ein kleiner weißer Hund angelaufen. Der konnte ihm ansehen, dass er betrübt war, und da fragte er ihn ganz freundlich, was die Ursache sei. Als er nun die ganze Geschichte erzählte, da sagte der kleine weiße Hund zu ihm: „Weiter nichts? Die roten Seidenbänder, die will wahrhaftig ich dir geben, guck, da hast du sie. Und du sollst mir dafür weiter nichts geben als das Erste, was dir begegnet, wenn du nach Hause kommst.“ – „Ja, das kannst du gerne haben“, sagte der Bauer, denn er dachte folgendermaßen: „Unser kleiner schwarzer Hund ist immer der erste, der mir draußen vor dem Hof entgegenkommt, wenn ich nach Hause komme. Den will er haben, und den kann ich ihm wohl gönnen.“ Damit trennten sie sich, und der Bauer fuhr weiter. Aber als er nach Hause auf den Hof kam, da wartete seine Tochter so sehnsüchtig auf ihre roten Seidenbänder, dass sie ihm draußen auf der Straße entgegengelaufen kam, weit vor ihrem kleinen schwarzen Hund. Der Vater war ganz beklommen, als er sie dort sah, aber er gab ihr die Seidenbänder, schwieg und ließ sich nichts anmerken.

Unterdessen wurde es Abend, und wie sie nun beim Abendbrot saßen, klopfte es ans Tor. „Ach, springe du mal hinaus und sieh nach, wer da klopft“, sagte der Bauer zu seinem Jungen. Der Junge ging hin und machte auf, aber im gleichen Augenblick, wie das Tor aufging, da kam ein Wirbelwind und packte den Jungen und warf ihn geradewegs hinunter in die Mistkuhle. Der Junge kroch wieder heraus, lief hinein und erzählte, wie es ihm ergangen war. „Dann muss ich wohl selbst“, sagte der Bauer, und als er hinauskam und das Tor öffnete, stand da der kleine weiße Hund und sagte: „Bekomme ich nun deine Tochter? Wenn nicht, wirst du dein Leben verlieren!“ Der Bauer ging nun hinein und erzählte der Tochter das Ganze, wie es war: dass entweder sie mit dem kleinen weißen Hund mitgehen, oder aber er sein Leben verlieren müsse. Da sagte die Tochter, sie wolle mit dem Hund mitgehen. Als sie herauskam zu dem kleinen weißen Hund, sagte dieser: „Setz dich auf meinen Schwanz und sieh dich nicht um!“ Sie tat, was der Hund sagte, der sauste mit ihr los und brachte sie in einen großen, dunklen Wald. Und dann mit einem Mal sanken sie geradewegs in die Erde hinab, und dann standen sie in einem herrlichen Schloss, und der Hund sagte zu ihr: „Hier werden wir wohnen. Bei Tage bin ich fort, doch jede Nacht komme ich und bleibe bei dir, aber du darfst niemals Licht machen.“

Hier lebte sie nun lange in dem schönen Schloss unter der Erde. Tagsüber ging sie alleine umher, aber sie genoss die vorzüglichste Lebensart in Hülle und Fülle und besaß so viel Reichtum und Herrlichkeit, wie sie sich niemals hatte träumen lassen. Jeden Abend kam der kleine weiße Hund nach Hause und blieb bis zum nächsten Morgen. Dann war er kein Hund, aber niemals hatte sie seine wahre Gestalt gesehen, denn es gab ja niemals Licht in dem Schloss. So vergingen drei Jahre, und sie gebar drei kleine Söhne. Dann begann sie, sich nach ihrem Vater zu sehnen, und da bat sie den Hund, nach Hause und ihren Vater besuchen zu dürfen. Der Hund sagte: „Setz dich auf meinen Schwanz, dann werde ich dich nach Hause bringen. Aber denke daran, was ich gesagt habe: Hier in unserer Behausung darf kein Licht angemacht werden.“ Sie kam nun nach Hause und fand ihren Vater gesund und munter. Der war inzwischen ein reicher Mann geworden. Er freute sich natürlich sehr, seine Tochter zu sehen, und sie erzählte ihm, wie gut der Hund zu ihr sei und dass sie mit ihm herrlich und in Freuden lebe. „Du kannst glauben, das ist ein Prinz“, sagte der Vater, „nimm eine Kerze mit und zünde sie an, wenn du nach Hause kommst, dann erfährst du die Wahrheit.“ Die Tochter ließ sich überreden, sie steckte Feuerzeug und Kerze in die Tasche, und als sie aus dem Hof ihres Vaters kam, stand der Hund da. Sie setzte sich auf seinen Schwanz, und im Augenblick war sie wieder im Schloss. Als es nun Nacht wurde, stand sie sachte auf, schlug Feuer und zündete Licht an, ging dann mit der Kerze in der Hand in die Schlafkammer, und dort sah sie den herrlichsten jungen Prinzen im Bett liegen. Aber indem sie sich über ihn beugte, um ihn recht zu betrachten, rannen drei Tropfen der Kerze herunter und fielen ihm auf die Brust. Da erwachte er und sagte: „Nun müssen wir uns für lange Zeit trennen. Du musst fort von hier, und die Kinder bekommst du nicht mit. Du wirst sie wohl besuchen dürfen, aber du darfst nicht mit ihnen spielen.“ Wie er das gesagt hatte, stand sie plötzlich alleine oben im finsteren Wald. Die Kinder wohnten in drei kleinen Häusern im Wald. Sie kam zum ältesten Sohn und sah ihn spielen, ebenso zum zweiten. Als sie aber zu ihrem kleinsten Söhnchen kam, kullerte der mit einem goldenen Apfel und kullerte ihn geradewegs hin zu ihr. Da konnte sie nicht widerstehen: Sie nahm den Goldapfel und kullerte ihn wieder zu ihm zurück. Da stand sogleich der kleine weiße Hund da und sagte: „Nun kannst du hier nicht mehr bleiben. Nun siehst du sie nie mehr. Nun musst du hin und bei der alten Hexe in Dienst gehen, die hier am Rande des Waldes wohnt.“

Da musste die Bauerntochter tun, was der kleine weiße Hund gesagt hatte: Sie ging in Dienst bei der alten Hexe. Eines Tages sagte die Hexe zu ihr: „Nun will ich Hochzeit machen, und nun musst du in die Hölle, zu meiner Schwester, und Spielleute holen. Den Weg musst du selbst finden, aber hier hast du eine Schachtel, die Spielleute hineinzutun.“ Ganz betrübt stand sie alleine im Wald, denn sie wusste weder Weg noch Steg. „Wenn nur der Hund mich sehen könnte“, dachte sie, „dann würde der mir doch gewiss helfen in meiner Not.“ Da stand der Hund plötzlich bei ihr und sagte: „Geh du nur geradeaus, dann kommst du an eine Brücke, da liegt ein Brett lose, das musst du richtig hinlegen. Und geh dann nur weiter über die Brücke, dann kommst du an eine Pforte, die hängt in einer Angel, die musst du richtig einhängen. Dann gehst du durch die Pforte und geradeaus, bis du zur Hölle kommst. Im Hof steht ein Hund und bellt ein umgekehrtes Butterfässchen an, da musst du hingehen und das Fässchen umdrehen. Wenn du dann in die Hölle hineinkommst, wird die Hexe dir Kuchen und Wein geben, aber nichts davon darfst du verzehren.“ Das Mädchen tat, wie ihr gesagt war: Als sie an die Brücke kam, legte sie das Brett zurecht, die Pforte hängte sie in beide Angeln, und als sie hinkam, wo der Hund das Butterfässchen anbellte, drehte sie es um für den Hund, und dann ging sie hinein. Dort traf sie dann die Hexe, die Schwester ihrer Herrin, und die sah furchtbar eklig aus: Zwei große Zähne hatte sie, die ihr weit aus dem Mund standen. „Was willst du?“, sagte die Hexe. Das Mädchen gab ihr die Schachtel und bat sie, ihr Spielleute für die Hochzeit der Schwester zu geben. „Hier hast du Kuchen und Wein, iss und trink!“, sagte die Hexe, und dann ging sie hinaus, die Spielleute holen. „Iss mich nicht!“, sagte der Kuchen. „Trink mich nicht!“, sagte der Wein. Das Mädchen steckte sich den Kuchen auf den Bauch und goss den Wein an sich herunter. Dann kam die Hexe wieder herein und sagte: „Kuchen, wo bist du?“ – „Auf dem Bauch des Mädchens“, sagte der Kuchen. Dann fragte die Hexe: „Wein, wo bist du?“ – „Am Mädchen hinabgegossen“, sagte der Wein. Die Hexe aber, die verstand, der Kuchen sei im Bauch des Mädchens und der Wein sei ins Mädchen hinabgegossen, sah sie ganz verwundert an, gab ihr dann die Schachtel mit den Spielleuten und sagte: „Verwahre sie gut und mach sie nicht auf!“ Als sie dann in den Hof hinauskam, sagte die Hexe zum Hund: „Beiß sie!“ – „Nein“, sagte der Hund, „nun habe ich hundert Jahre gestanden und das Butterfässchen angebellt, und niemand vor ihr hat es umgedreht für mich.“ Da sagte die Hexe zur Pforte: „Klemm sie ein!“ – „Nein“, sagte die Pforte, „nun habe ich hundert Jahre in einer Angel gehangen, und niemand vor diesem Mädchen hat mir geholfen.“ Da sagte die Hexe zum Brett: „Lass sie untergehen!“ – „Nein“, sagte das Brett, „nun habe ich hundert Jahre lose gelegen, aber das Mädchen hat mir geholfen.“