Waldmeister - Cassandra Leuenroth - E-Book

Waldmeister E-Book

Cassandra Leuenroth

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Beschreibung

Die Weiselhain-Tanten kommen zu Besuch, und Mellia hat Sorge, dass sie ihr das Stipendium streichen, wenn die Würfelwinkel-WG nicht vor ihrem strengen Urteil bestehen kann. Außerdem hat sich Rosie für ein Treffen am Gignomaiplatz angekündigt, was Mellia und Viola einmal mehr vor die Frage stellt, wie man denn nun eigentlich eine Pforte macht. »Waldmeister« ist die dritte Folge der Würfelwinkel-WG. Die Serie erzählt in 26 Teilen von der Feenstudentin Mellia Weiselhain, ihrer märchenhaften Wohngemeinschaft und — ganz nebenbei — auch noch die Vorgeschichte zu »Prinzessin Beribetscha«. Märchenreich, 1961. In der Reichsstadt Demiawiburg gibt es drei Hochschulen, jede Menge Studenten, Exilanten aus den benachbarten Königreichen und der Grauen Welt — und ein Haus im Würfelwinkel Nummer 17, dessen zusammengewürfelte Bewohner sich erst zusammenraufen müssen, um die alltäglichen Herausforderungen in einer märchenhaften Reichsstadt zu bestehen: Hexen, Zwerge, verzauberte Frösche, ein verwunschener Fernsehmoderator, drei Prinzen, die um die Thronfolge wetteifern, und das Problem, wenn man nicht rechtzeitig vor Toreschluss in die Stadt zurückkommt. Zum Glück hält nicht nur Frau Holle ihre schützende Hand über die bunte Schar. Dennoch erfahren Mellias Ambitionen, eine gute Fee zu werden, manche ungeahnte Kehrtwende. Wird sie nach drei Jahren die Abschlussprüfung bestehen?

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Cassandra Leuenroth

Die Würfelwinkel-WG

Folge 3: Waldmeister

Mai 1961

© CEGL, 2021

Lorichsstraße 28a

22307 Hamburg

 

Umschlagentwurf: TheaDelphia

Lektorat & Korrektorat: Albert Lossat

 

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf deshalb der vorherigen schriftlichen Einwilligung der Rechteinhaber.

Kapitel 1

Lange konnte es doch jetzt nicht mehr dauern. Schon seit Stunden liefen wir zwischen Feldern und Wiesen hindurch, und noch immer waren keine Häuser zu sehen. Irgendwo hier musste doch jetzt der Gutshof sein?

Ich hatte den Weg diesmal extra in meinem neuen Stadtplan nachgeschlagen und gefunden. Wirklich war der Gutshof dort vermerkt, mitten im Waldwiesenwohin, und sogar die Namen standen dabei: Brigittchen Wacholder und ihre Eltern Wilhelm und Gertrud. Nur lag das Waldwiesenwohin auf der anderen Seite der Stadt, nämlich hinter dem Altamaristor. Vielleicht dauerte es deswegen länger, weil die Tore vertauscht worden waren und wir einen Umweg machen mussten. Auch hier hatten hinter dem Stadttor die Galgen gestanden, aber dann waren sie mit uns mitgegangen, und mir kam das auch ganz in Ordnung vor, denn man wusste ja nicht. Wenigstens war ich nicht allein: Viola und Jürgen waren mitgekommen, und gemeinsam liefen wir den endlosen Feldweg entlang. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wann oder dass wir überhaupt losgegangen waren.

Hier sah es jetzt schon aus wie in Erichshof, und ich überlegte, ob ich nicht kurz bei meinen Eltern um eine Limonade einkehren sollte. Von irgendwo her duftete es nach Waldmeister, und ich war plötzlich so durstig, dass ich an gar nichts anderes mehr denken konnte als an diese Limonade. Also ging ich in das erstbeste Haus hinein, wo auch die Tanten schon mit der Kanne warteten, und weil Jürgen auch Limonade wollte, ließen wir Viola allein weitergehen. Dann fand ich, dass wir die ganze Zeit in der falschen Richtung unterwegs gewesen waren, und wollte noch einmal von vorn anfangen. Aber das funktionierte nicht, denn das Waldwiesenwohin stand gar nicht mehr im Stadtplan, und Brigittchen war jetzt im Würfelwinkel eingezeichnet.

»Viola?«

Es roch ja wirklich nach Waldmeister. Eine Mondsichel stand vor meinem Fenster, zu schwach, um Violas Seite des Zimmers zu erleuchten. Ich hatte immer noch Durst, und ich überlegte, wo ich meine Uhr hingelegt hatte. Eine Weile lag ich unschlüssig im Dunkeln, stand dann aber doch auf, um mir ein Glas Wasser zu holen.

In der Küche fand ich Viola, die mit einer Tasse Tee am Tisch saß.

»Kannst auch nicht schlafen?« fragte sie.

»Eigentlich habe ich geschlafen. Aber dummes Zeug geträumt, vom Waldwiesenwohin.«

»Ach, dein Brigittchen wieder. Hast du mal mit Frau Birnenschein darüber gesprochen?«

»Man kommt nicht dazu«, sagte ich. »Was hast du da?«

»Waldmeistertee.«

»Ach, deswegen.«

»Willst auch einen? Steht in dem kostbaren Notizbüchel von meinem Vater: Wenn du in einer lauen Maiennacht nicht schlafen kannst, dann mach dir einen Waldmeistertee. Altes Hausrezept meiner Mutter.«

»Ja, mal her damit. Auch wenn diese Maiennacht eher stickig als lau ist.«

Ich klaubte meine Tasse aus dem Abwaschkorb, und Viola goss mir den Rest von ihrem Schlaftee ein.

»Auf goldgrüne Träume.«

Ich musste lachen, als ich an meinen Traum dachte.

»Jürgen und ich sind bei meinen Tanten auf eine Limonade eingekehrt«, erzählte ich, »und haben dich allein zu den Wacholders geschickt.«

»Ach was. Deswegen kann ich also nicht schlafen, weil ich dein Brigittchen suche.«

Als nächstes erschien Peter.

»Was duftet denn hier so gut?«

Viola lachte.

»Ich bin die schlaflose Maihexe, ich locke hier alle mit meinem Waldmeisterduft an!«

»Waldmeister, ja.«

Peter schien tatsächlich ein bisschen verzaubert.

»Möchtest du auch einen Tee?« fragte sie. »Ich würde noch einen aufgießen.«

»Ach, das ist …« Peter zögerte. »Nein, das muss gar nicht. Ich mag nur den Duft so gern, wisst ihr. Das erinnert mich an …«

Er dachte nach und schien zu überlegen, ob er sich überhaupt an etwas erinnerte. Dann schüttelte er den Kopf.

»Das ist ja auch schön«, sagte ich. »Bei uns zu Hause ist immer Waldmeister in den Kissen. Gegen Motten und so.«

»Das war es!« rief Peter.

»War was?«

Wieder schüttelte er den Kopf.

»In einem Hotel. Oder? Es muss ja irgendwo hier gewesen sein, aber ich erinnere mich gar nicht mehr daran.«

»Wohl auf den Kopf gefallen, was?« Viola stieß ihn leicht an.

Wie seltsam.

»Du, siehst du das?« flüsterte ich. »Als wäre er gar nicht mehr hier.«

Peter saß da wie eine leere Hülle, oder eine Figur von Peter. Fast eine Minute lang, oder so kam es mir vor.

»Hallo?«

Viola stieß ihn ein zweites Mal an, dann war er wieder da.

»Wie bitte?«

»Wo warst du denn gerade?«

»Wer, ich? Warum denn?«

»Warst du eben … zu Hause?« fragte ich.

»Was? Aber nein, ich bin doch hier.«

Zwar hatten wir von Jürgen gehört, dass Peter Windenpreis in Wirklichkeit aus der Grauen Welt herstammte, aber mit ihm selbst hatten wir noch nie darüber geredet. Ich für mein Teil hätte auch gar nicht gewusst, wie davon anfangen: Er war doch ein gar zu geheimnisvolles Phantasiewesen. Oder so kam es uns vor, weil wir eben keine rechte Vorstellung davon hatten.

Dann kramte er in seiner Schlafanzugtasche.

»Oh nein, wo ist es denn?«

»Was fehlt?«

Peter schüttelte wieder den Kopf. »Der Zettel. Aber nein, ich weiß es ja. Motty und Düdi.«

»Düdi?«

»Motty?«

Er lächelte. »Meine Kinder. Seht ihr, wenn ich hier bin … Und auch sonst, wollte ich sagen. Ich vergesse zuweilen Dinge. Ich muss mir alles aufschreiben.«

»Ah so.«

Jetzt schüttelten wir die Köpfe. Das musste schon eine seltsame Welt sein da draußen.

»Übrigens sollte ich wohl mal schlafen gehen«, sagte Viola. »Ich muss morgen Vormittag zur Frau Doktor, wie du weißt.«

»Stimmt, hattet ihr ja verschoben.«

»Wahrscheinlich ist es überhaupt deswegen, dass ich nicht schlafen kann: vor lauter Grauen. Denke dir, sie wollte den Dienstagstermin auf Mittwoch verlegen! Da wäre mir ja gleich der Dienstag und der Mittwoch verdorben. Lieber noch gehe ich am heiligen Pfingstmontag hin.«

Ich hatte Frau Doktor Plessers bisher nur einmal getroffen und fand eigentlich nichts Schlimmes an ihr. Viola aber war überzeugt, sie habe die unfähigste Mentorin der ganzen Akademie bekommen. Deswegen hatte sie ihren wöchentlichen Termin bei ihr auf den Dienstag gelegt, damit es immerhin nicht der schlimmste Tag der Woche würde: denn am Dienstagabend kam ja immer die Goldregenshow.

Ich ging immer mittwochs zu Frau Birnenschein, denn im Gegensatz zu Viola kam ich erst durch die Goldregenshow in die richtige Stimmung, um es mit meiner Mentorin aufzunehmen.

Entgegen ihrer Ankündigung war es bislang bei einem Termin in der Woche geblieben, und mir reichte das auch. Natürlich durfte ich auch zwischendurch immer zu ihr kommen, wie Frau Birnenschein nachdrücklich betonte, aber davon machte ich eigentlich nie Gebrauch. Ich fand es immer noch anstrengend, bei ihr oben zu sein, und ich war auch jedes Mal nervös. Immerhin war ich seit dem ersten Besuch bei ihr nicht mehr in Ohnmacht gefallen, aber ein bisschen fürchtete ich immer, sie würde mir mit irgendetwas Seltsamem kommen: Schnecken verschlucken oder verrückte Hexentänze aufführen. Stattdessen bot sie Likörchen und wollte Sachen aus mir herausfragen. Ganz ehrlich, das war mindestens genau so unangenehm, und ich verstand es auch nicht. Ich war doch jetzt hier, warum musste sie alte Geschichten aus Erichshof mit mir aufwärmen?

Wenn ich nach so einem Termin, der auch mal zwei bis drei Stunden dauern konnte, wieder herunter in unsere Wohnung kam, war mir wirklich manchmal danach, einen verrückten Hexentanz aufzuführen: nur um die scheußliche Anspannung loszuwerden, die mich da oben immer noch jedes Mal befiel.

»Und was ist nun eigentlich so übel an deiner Frau Doktor?« wollte ich wissen.

»Hach, sie hat sich an der Idee festgebissen, dass ich als Gärtnerstochter unbedingt irgendwas mit Blumen machen sollte. Denkt euch, ich als Blumenfee, na besten Dank!«

Peter lächelte. »Ich könnte mir das gut vorstellen.«

»Oh ja«, stimmte ich zu, »das ist doch ein hübsches Bild: wie du so von Blüte zu Blüte fliegst und guckst, ob alle genug zu trinken haben … hier und da ein vertrocknetes Blättchen abzupfst …«

»Etwas in der Art schwebt ihr wohl vor«, sagte Viola düster. »Wirklich, ich bin immer noch davon überzeugt, dass wir hätten tauschen sollen. Du wärest sicherlich begeistert von meiner Frau Doktor.«

Inzwischen war es Viola, die ihr Glück in dieser Tauschidee sah. Und vielleicht hätte Frau Doktor Plessers ja wirklich besser zu mir gepasst. Aber ich hatte es mir selber und heimlich auch Frau Birnenschein versprochen, dass ich es mit ihr versuchen und mir Mühe geben wollte. Und das tat ich ja auch, ich gab mir wirklich Mühe. Und sie gab sich auch Mühe, aber es war doch immer noch schwierig. Trotzdem, es hätte mir leid getan, meine Mentorin so zu brüskieren, nachdem sie sogar die Bürgschaft für mich übernommen hatte, damit ich in der Stadt bleiben durfte.

»Jetzt lernt euch doch erstmal besser kennen!« sagte ich deshalb. »Hast du das nicht auch vor ein paar Wochen zu mir gesagt?«

Viola schüttelte den Kopf. »Das habe ich gesagt, weil du Angst vor Frau Birnenschein hattest und weil Frau Birnenschein keine Pfeife ist. Beides trifft in diesem Fall nicht zu. Sondern die Frau Doktor tut und erzählt mir läppische Dinge, die niemand ernst nehmen oder auch nur interessant finden kann. Ich weiß beim besten Willen nicht, was ich mit der in den nächsten drei Jahren anfangen soll.«

Dass Frau Doktor Plessers eine Pfeife sein sollte, mochte ich nicht recht glauben. Schließlich war sie doch von der Akademie als Mentorin bestellt worden.

»Also, Kinder« sagte Viola. »Ich werde mich mal ins Bettchen begeben. Inzwischen mag ja auch der Waldmeister seine Wirkung tun. Was ist mit dir, Peter?«

»Ach, ich werde hier vielleicht noch ein bisschen sitzen und sinnen. Tja, oder ich gehe nach Hause.«

»Du willst jetzt noch los?« fragte Viola. »Mitten in der Nacht?«

»Warum denn nicht?«

»Na, wenn du meinst.«

Viola und ich sahen uns an. Natürlich wussten wir, dass Peter jetzt nicht in den tiefen, dunklen Wald wandern wollte, sondern irgendwo eine Pforte in die Graue Welt nehmen würde. Aber wir sprachen eben nicht darüber.

»Also dann bis morgen, oder?« sagte ich.

»Ja, bis morgen.«

Wir standen alle auf, Viola und ich räumten die Tassen weg und verschwanden dann in unser Zimmer, während im Flur die Wohnungstür leise ins Schloss klickte.

Kapitel 2

Vergessenen Sachen nachzufahnden war mittlerweile zu meiner Spezialität geworden. Seit ich in Demiawiburg wohnte, fehlte mir andauernd irgend etwas Wichtiges, wenn ich gerade los wollte. Viola hatte recht, auch ich war überrascht, wie in diesem doch recht übersichtlichen Zimmer meine paar Sachen mit schönster Regelmäßigkeit wegkamen. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich früher in Erichshof so vergesslich gewesen war oder so schlecht organisiert. Aber das Leben dort war ja auch ein ganz anderes gewesen.

»Geh ruhig schon«, sagte ich zu Viola. »Du hast ja einen Termin, und ich bin nur ganz lose mit Ursel verabredet.«

»Wenn du meinst. Lernt ihr wieder Taubenvokabeln?«

»Nee«, wehrte ich ab. »Für die Prüfung sind wir beide gerüstet. Aber weil Ursel doch Pforten machen kann … Ich will das jetzt auch endlich mal lernen. Von der ganzen Theorie, die wir da ständig eingetrichtert bekommen, brummt mir allenfalls der Kopf, aber vom Fleck komme ich damit nicht.«

»Ja, da sagst du was.«

Pfortentheorie war für mich immer noch der Weisheit versiegeltes Buch. Immer dann, wenn ich meinte, ich hätte etwas daraus verstanden und könnte es sogar anderen weitererklären (was ich dann manchmal probeweise tat), merkte ich eine oder zwei Wochen später, dass ich es vollkommen falsch begriffen und somit auch anderen falsch erklärt hatte. Deswegen ließ ich das inzwischen lieber bleiben.

Bei Viola war es eher so, dass sie sich grundsätzlich nicht besonders für Theorie interessierte, also legte sie auch gar keinen Wert darauf, es zu verstehen.

»Hauptsache, es funktioniert«, sagte sie immer, wenn ich sie nach irgendeiner Funktionsregel fragte.

Nur, es funktionierte eben nicht, oder wir wussten nicht, wie es funktionierte. Zwar war es uns von der Akademie nicht ausdrücklich verboten, selber Pforten zu machen, aber es leitete uns auch niemand dazu an. Natürlich versuchten wir es hin und wieder, aber wie man es genau anzustellen hatte, wussten nicht einmal diejenigen von uns, die es schon immer gekonnt hatten. Vielleicht würden wir eines sehr fernen Tages allesamt unter den fachkundigen Augen unserer Technikdozentin auf dem Gignomaiplatz erscheinen. Aber da diese Dozentin soviel Wert auf Technik und Theorie legte, ehe auch nur eine von uns mal eine Idee bekam, was wir eigentlich tun sollten, war es nicht auszuschließen, dass es bei der Theorie bleiben würde.

Unsere Kommilitonin Ursel war eine von denen, die das Pfortenmachen von Natur aus verstand — allerdings wiederum nur in der Praxis. Also würde ich mich mit ihr heute zu einem privaten kleinen Praxisseminar treffen.

Viola seufzte.

»Wie gerne würde ich da mitgehen, aber nun ja. Die Frau Doktor wartet und hat sicherlich wieder einige hochinteressante Überraschungen für mich auf Lager. Wahrscheinlich will sie mich nach der Taubenprüfung gleich für die Blumensprache anmelden. Dann lerne ich statt Ruckediguh nur noch Mumumu-mimi. Was sagst du dazu, Waldpilz?«

»Oh, du bist ein großes Talent«, versicherte ich. »Das solltest du nicht so einfach verschleudern. Und dieser natürliche, blütenreine Akzent! Hach, schön.«

»Ja, lach du nur. Ich schwirre mal ab. Auf Wiedermu-mi!«

»Meine Empfehlung an die Frau Doktor.«

»Bssss, mumumu-mihihimi … humimumi … Na, ihr lieben Blümelein, seid ihr alle da? Oh, Jürgen, mein Wolfspfötchen, geht es dir gut? Hast du genug Wasser? Bssss …«

Jürgen blickte ihr erstaunt nach.

»Wolfspfötchen? Alles gut bei Viola?«

Ich nickte ernst. »Sie wird jetzt Blumenfee.«

»Oh, wie schön.«

»Das finden alle. Außer ihr selber.«

»Oh. Wie unschön.«

Ich lachte. »Vielleicht müssen wir bald zu ihrer Rettung eilen, sonst verwandelt sie sich noch in ein echtes Veilchen.«

»Und wird am End vom Raben gefressen? Das müssen wir allerdings verhindern.«

»Das müssen wir«, stimmte ich zu. »Also dann, bis später.«

»Du verschwindest auch? Ich wollte gerade etwas zu essen machen.«

Ich nickte. »Nachmittags bin ich wieder da.«

»Dann bin ich wohl schon weg. Aber vielleicht lasse ich dir ja was übrig!«

»Ach, das wäre süß von dir. Adies, Jürgen!«

»Adies, Mellia.«

Ich hüpfte die Treppen hinab, stratzte aus dem Hof hinaus durch das Geodreieck und nahm die Bahn an der Finsterwalder Straße. Ursel wohnte in der Nähe des Südtores, wo ich mich noch nicht auskannte, und weil die Bahn direkt dorthin fuhr, fand ich es bequemer als mit dem Fahrrad.

Aus der stickigen Mainacht war ein stickiger Maitag geworden. In der Ferne dräuten schon Gewitterwolken heran, und ich beschloss bei mir, nicht allzu lange bei Ursel zu verweilen, um noch trocken wieder nach Hause zu kommen.

Ursel hatte ein hübsches Zimmer in einem Studentenwohnheim. So etwas gab es also auch in Demiawiburg.

»Teilt ihr euch hier die Küche?« wollte ich wissen.

»Ja, und das ist gar nicht so schön. Da kommt einem immer mal was weg, wenn man nicht dauernd den Ofen im Auge behält.«

»Ach nein, wie dumm. Wir teilen ja auch die Küche, aber wir essen eigentlich immer zusammen. Da kommt nie was weg. Na gut — außer jemand hat mal wieder was ganz nach oben gestellt, und Helge kommt nicht mehr dran.«

»Ach stimmt, ihr wohnt bei diesem Zwerg, ja?« Ursel schüttelte den Kopf. »Könnte ich mir nicht vorstellen. Zwerge sollen ja schrecklich unverträglich sein.

---ENDE DER LESEPROBE---